AUTOR: Melanie Laier (1thewatcher@gmx.de)
TITEL: Needful Things
FREIGABE: ab 16
SPOILERS: spielt direkt nach "Band Candy"
INHALT: Leland Gaunt weiß genau, was seine Kundschaft will - und was er von ihnen will. Auch die Scooby-Gang kann sich ihm nicht entziehen.
CHARAKTERE: Scooby Gang, ein wenig mehr Buffy und Giles
DISTRIBUTION: buffyfanfic.de, FanFic-DE. Ansonsten fragt doch bitte nach.
DISCLAIMER: Buffy gehört Joss - wir sind nur Trittbrettfahrer. Leland Gaunt und Castle Rock, sowie die grundlegende Handlung um "Needful Things" sind geistiges Eigentum von Stephen King.
ANMERKUNG: Ich wollte schon immer mal wissen, was passieren würde, wenn King auf Sunnydale trifft. Und da ich seinen Roman "Needful Things"
einfach genial fand...nun  beschloss ich Leland Gaunt nach Sunnydale zu schicken - jedoch leicht abgewandelt. Doch lest selbst!





Needful Things
Melanie Laier

Teil 1



Die Sonne war an diesem Morgen Kalifornien nicht sehr wohlgesonnen. Graue
Wolken am Himmel, Sprühregen und Wellengang wurde in den Nachrichten
angekündigt, die jeden Surfer seinen Arbeitsplatz verteufeln ließ und den Drang
das Brett zu schnappen schier unerträglich machte.
In Sunnydale dahingegen war der Sprühregen seit den frühen Morgenstunden zu
einem wahren Platschregen geworden. Man ging nur vor die Tür, wenn es unumgänglich wurde.
Und bei diesem wahrlichen Pisswetter fuhr ein Umzugswagen in die Innenstadt
von Sunnydale und kam vor dem einstigen Kostumladen zum Halten. Zwei junge
Männer sprangen in den Regen hinaus, zogen den Kopf zwischen die Schultern
und versuchten sich zu beeilen. Sie rissen die Laderraumtür auf, einer kletterte ins
Innere und begann eine Kiste nach der anderen nach vorne zu schieben, die sein
Kollege abnahm und zum Laden trug. Die Tür stand offen, im Inneren war
niemand zu sehen. Ihr Chef hatte sie allerdings auf die Eigenarten des neuen
Besitzers hingewiesen, und so wunderten sich die Möbelträger nicht weiter.
Eine Kiste nach der anderen wanderte vom LKW in den Laden, die Männer
waren bis auf die Haut nass und es schien sogar noch mehr zu schütten, als vor
wenigen Minuten. Am Ende trugen sie ein großes, schwarzes Schild mit dem
Schriftzug "Needful Things" in Goldlettern in das Innere.
Auf ihr Trinkgeld würden sie wohl oder übel verzichten müssen. Recht mürrisch
knallten sie die Ladentüre zu und stiegen wieder ein, fuhren zu ihrem nächsten
Auftrag.

Die Menschen in der Innenstadt hatten dem Handwerksteam vor einigen Tagen
interessiert zu gesehen, einige stellten Fragen, aber niemand wusste so recht, wer
in den Laden zog und was verkauft werden sollte. Vor zwei Tagen hatte man eine
dunkelgrüne Markise angebracht, auf deren Vorderfront in weißen Buchstaben
"Needful Things" stand.
Und da war Ruhe eingekehrt, bis eben heute die Möbelpacker Kisten ins Innere
geschleppt hatten.

Kaum war der LKW um die nächste Kurve gebogen rollte ein schwarzer,
verbeulter Lincoln vor den Laden. Die Fahrertür öffnete sich und ein
hochgewachsener Mann, mittleren Alters stieg aus dem Wagen. Der Regen störte
ihn nicht sonderlich. Im Gegenteil, er verlieh Leland Gaunt einen schon fast
dramatischen Einzug.
Hier würde es ihm sicherlich gefallen. Nach dem kleinen Fiasko in Castle Rock,
Maine, suchte er sich seine Orte etwas besser aus. Und wo der Höllenschlund
schlummerte konnte es für ihn nur von Vorteil sein. Er rieb sich die Hände und
betrat grinsend und innerlich zu Frieden seinen Laden.

****

"Das ist vielleicht ein dämliches Wetter. Muss ich wirklich auf die Jagd?" Buffy lief
Giles hinterher, der durch die Bibliothek mit einem Stapel Bücher rannte.

"Ich denke schon, Buffy. In zwei Tagen steht die Sonnenwende bevor und nach
den Aufzeichnungen hier," er wedelte zum Konferenztisch, auf dem einige alte
Schriftrollen ausgebreitet lagen. "Wird die Aktivitäten, und diesmal die
dämonische, zunehmen. Ich will kein Risiko eingehen. Wir müssen das Grab
finden, bevor die Sonnenwende eintritt..."

"Wir!?" Buffy glaubte sich verhört zu haben, dass war ja ..."Unverschämt! Ich
darf mir bei diesem Wetter die Frisur ruinieren und sie sitzen hier im warmen und
lesen...das nenne ich Team-Work."

"Sarkasmus hilft dir diesmal sicherlich nicht weiter." Giles ließ den Stapel Bücher,
den er eben erst aus dem Käfig geholt hatte auf die Bibliothekstheke plumpsen,
dass Buffy etwas erschrocken zusammenfuhr. Kam jetzt mal wieder eine seiner
typischen Belehrungsversuche?

"Ich dachte eigentlich langsam aber sicher hättest du deine Pflicht begriffen. Aber
in letzter Zeit...hm...scheinst du irgendwie...Rückschritte zu machen. Wenn ich
daran denke, dass du erst neulich deine Mutter und mich als Alibi ausgespielt hast
und selbst Willow angelogen hast..."

Buffy sah gespielt gelangweilt durch Giles hindurch und versuchte gleichzeitig ein
unschuldiges Gesicht zu machen. Sie konnte ihm schlecht erklären, dass sein
Peiniger zurückgekehrt und auf ihre Unterstützung angewiesen war, dass sie Angel
vor ihnen allen in der alten Villa versteckte.

"Tu mir einen Gefallen, Buffy schau mich bitte nicht so an...das funktioniert noch
immer nicht."

Buffy grinste und sprang auf die Theke, ließ die Füße baumeln und erntete einen
strafenden Blick, denn sie gekonnt ignorierte, wie gewöhnlich.

"Schade eigentlich. Bei Mom funktioniert es - manchmal. Also werde ich mir jetzt
die Füße nass machen und sie entstauben ihre Bücher....bin schon weg." Sie hatte
Giles Blick bemerkt und zog es vor endlich so mutig zu sein, in den Regen hinaus
zu schreiten, der sogar jetzt noch in der Nacht, recht kräftig niederging.
Merkwürdiges Wetter. Buffy konnte sich nicht erinnern, dass es seit sie und ihre
Mutter hierher gezogen waren je so geregnet hatte. Oder ob es hier jemals
regnete.

"Brrr...das kostet Giles aber was. Noch mal mach ich das nicht." Sie zog ihre
Jacke enger an den Körper und zog den Kopf ein. Sie rannte zur Busstation und
verfluchte ihr schlechtes Timing. Im Regen warten oder im Regen zu Fuß
gehen...beides war eine bescheuerte Alternative. Aber für eines musste sie sich
entscheiden. Und das Warten würde eindeutig zu viel Zeit in Anspruch nehmen.
Also lief sie los, verfluchte Giles für seine Hartnäckigkeit, den lieben Gott für das
Wetter und das Wetter an sich. Zu allem Ärger fuhr auch noch ein Sportwagen
mit überhöhtem Tempo an ihr vorbei und die Pfütze im Straßengraben ergoss sich
über sie.
Als sie endlich den Friedhof erreichte, war sie völlig durch nässt, übel gelaunt und
bereit jeden und alles dem Erdboden gleich zu machen.

"Giles ich dreh ihnen den Hals um...versprochen," knurrte sie griesgrämig
während sie Schlammgruben und Wasserseen aus dem Weg ging. "O.k. wo
steckt ihr...keiner ein wenig Lust auf eine Runde Schlammcatchen?" Buffy zog
vorsorglich Mr. Pointy und schlendert durch den Regen. Nass war sie ja jetzt eh
schon.
Giles war auf der Suche nach einer Gruft. Einer bestimmten Gruft, in der der
Dämonenkönig Thezûkan in zwei Tagen erscheinen würde. Sie sollte das Grab
finden. Bisher jedoch recht erfolglos.

Sie erreichte eine überdachte Gruft. Ihre Rettung. Sie stellte sich darunter,
innerlich froh sie und das schützende Dach war so sinnlose, wie ein löchriger
Regenschirm, aber es gab ihr das Gefühl nicht ganz so schutzlos zu sein.

Sie sah durch den Vorhang des Regens eine schemenhafte Gestalt auf dem Weg,
von dem sie getreten war, huschen. War ihr jemand gefolgt?
Die Gestalt blieb etwa auf ihrer Höhe stehen und sah sich um. Buffy konnte
einfach nicht erkennen, was oder wer das war. Aber es schien ihre Spur zu
wittern, denn die Gestalt drehte sich abrupt in ihre Richtung und sprang mit
hüpfenden Bewegungen über ein paar Grabsteine.

"Ich denke ich sollte mich mal aus dem Staub machen...oder, aber...irgh...Herr je,
was ist das jetzt schon wieder?" Buffy verzog das Gesicht, als sie den Dämon,
jedenfalls ging sie davon aus, dass es einer war, erblickte. Er war nicht viel größer
als sie, jedoch recht massig. Rot glühende Augen starrten sie intelligent an. Nicht
wie gewöhnlich stumpf oder recht dämlich und das jagte ihr einen kleinen Schauer
über den Rücken. Kleine Hörner zierten den kahlen Kopf des Dämons, die
Ohren waren ausgefranst und auf den Spitzen wuchsen Haare. Der Körper des
Dämons schimmerte in diesem tristen Nachtlicht grau, als wäre er aus Stein.

Ohne Vorwarnung sprang er sie an und seine kleine, aber kräftige Hände
schlossen sich um ihren Hals. Buffy wurde gegen die Wand der Gruft
geschleudert und ihr Kopf schlug unsanft gegen das Mauerwerk. Was für ein
Tag...ob sie Giles als Gegenleistung dazu brachte ihr für die nächsten zwei
Wochen frei zu geben?

"O.k. können wir zwei das nicht ausdiskutieren," Buffy versuchte den Griff um
ihren Hals zu lockern, doch sie erreichte das Gegenteil. Der Dämon knurrte leise
und drückte ihr nun endgültig die Luft ab. Buffy keuchte. Sie musste schnell
handeln. Sie schlug dem Dämon mit den flachen Händen gegen die Ohren. Mit
einer Kreischen ließ er sofort los und griff sich an seine fransigen Ohren. Buffy
lächelte zu Frieden.

"Da muss schon ein anderer kommen, um mich ins Jenseits zu befördern..." und
damit trat sie dem Dämon kräftig gegen die Brust, der den kleinen nach hinten
gegen ein Grabstein in Form eines Kreuzes krachen ließ. Doch das beirrte ihn
weniger als der Schlag auf die Ohren. Im Gegenteil er griff nun stärker und
verbissener an. Buffy war voll und ganz mit Blocken von Fauststößen gegen ihren
Kopf beschäftigt, dass sie gar nicht bemerkte, wie von hinten ein zweiter Dämon
auftauchte. Sowie ein dritter von rechts, den vierten, der hinter der Gruft
heranschlich und zwei weitere, die auf dem Weg Position bezogen.

Langsam kamen sie näher und schlossen um Buffy einen engen Kreis. Als sie aus
den Augenwinkeln heraus eine Bewegung wahr nahm, war es schon zu spät, sie
war umzingelt. Sie sah sich nun sechs Dämonen gegenüber und irgendwie hatte sie
kein gutes Gefühl dabei.

"Hey Jungs...im Grunde wollte ich von euch nichts. Können wir nicht einfach so
tun, als wäre nichts gewesen? Jeder geht seinen Weg? Oder ihr sagt mir einfach,
was ihr von mir wollt. Vielleicht ... nein?"

Einer der Dämonen neben ihr knurrte laut und der Kreis rückte noch etwas näher.

"Nun dann eben nicht." Buffy spannte ihre Muskeln, erwartete den ersten Angriff.
Sie hoffte nur, dass die sechs nicht alle auf einmal auf sie losgingen, denn sonst
hatte sie relativ schlechte Chancen.

****

Der Regen prasselte nach wie vor unbarmherzig auf Sunnydale nieder und wer
halbwegs bei Verstand war blieb zu Hause.
Außer man hieß Buffy Summers und hatte einen sturen Wächter, der einen bei
solch unchristlichen Wetter vor die Tür jagte und nebenbei von Dämonen
umzingelt war.

Keiner von ihnen bewegte sich. Jeder beobachtete die andere Partei.

Plötzlich und ohne Vorwarnung sprangen ihre Angreife sie an und begruben Buffy
unter sich. Sie spürte den Schlamm in ihre Ohren schwappen und am Nacken
unter den Kragen eindringen. Widerlich. Sie war sich dabei nicht sicher, was sie
schlimmer fand: ihre ruinierte Kleidung oder die Überzahl Dämonen, die sie doch
tatsächlich zu besiegen schienen.

"Hey, ihr seit alle kein Fliegengewichte und ich hätte wirklich nichts dagegen,
jeden von euch mir einzeln vorzuknöpfen...autsch...das hat weh getan!"

Einer der Dämonen hatte ihr in die Wange gebissen und ließ sie nicht mehr los.

"Jetzt werde ich aber richtig sauer." Nicht, dass das die Dämonen sonderlich
beeindruckte. Einer hing an ihrem Hals und versuchte ihr die Luft abzudrücken,
der zweiter hing an ihrer Wange, ein dritter benutzte ihren Magen als Punching
Ball und der Rest drückte sie einfach zu Boden.

Plötzlich war über ihr ein Schatten und ein Dämon nach dem anderen wurde von
ihr gerissen und zur Seite geschleudert. Nur jener, der sich in sie verbissen hatte,
stellte sich als hartnäckig heraus...er wollte einfach nicht loslassen. Und Buffy
hatte die Wahl - entweder ein Stück ihrer Wange einzubüßen oder sie nahm den
Dämon als Souvenir mit in die Bibliothek. Nur um Giles mal zu zeigen, was sie
wegen ihn heute alles durchlitten hatte. Beides war aber in ihren Augen ziemlich
dämlich.
Sie boxte dem Dämon in die Seite, biss die Zähne zusammen und rollte sich zur
Seite, den Dämon mit sich zerrend. Er ließ nicht los. Sie schlug ihn mit der Faust
gegen seinen Kiefer. Etwas gab nach, knirschte verräterisch. Ein Jaulen und sie
war frei. Um ihren Ärger Luft zu verschaffen trat Buffy dem Dämon kräftige in die
Nieren, so dass er vorwärts stolperte und mit dem Kopf voran auf einen
steinernen Engel krachte und bewusstlos zu Boden ging.

Erst dann wandte sie sich zu ihrem Retter um.

"Angel?"

"Hm...Hi! Ich dachte du könntest etwas Hilfe gebrauchen, Buffy."

*****

Giles goss sich die letzte Tasse Kaffee ein, die seine Thermoskanne hergab. Er
trank diese schwarze, widerliche Brühe nur, wenn er langen Nächten in der
Bibliothek entgegensah. Heute war so eine Nacht.
Die Schriftrollen waren alle informativ, jedoch sehr, sehr schwer zu entziffern und
sie hatten nur noch zwei Tage.
Und dann war da noch Buffy. Sie war noch nicht zurück. Giles sah besorgt zur
Uhr. Sie hätte schon längst wieder hier sein sollen.
Er seufzte, sah zum Fenster, gegen das der Regen peitschte und hoffte das nichts
passiert war, immerhin hatte er sie ja zur Patrouille gezwungen. Und das regte sein
schlechtes Gewissen.
Sein Blick wanderte zurück zur Schriftrolle vor ihm und er übersetzte weiter.

*****

Buffy sah etwas befangen zu Angel, der im Regen dastand, als wäre ihr zu helfen
das Selbstverständlichste auf der Welt. Aber war es das nicht auch?

"Uhm...danke...sah diesmal nicht gut für mich aus, oder?" Sie sah an sich runter
und stöhnte laut auf. "Und meine Garderobe kann ich wohl jetzt auch in den
Mülleimer werfen. Spitze. Sieh dir nur diesen Schlammfleck hier an. Den
bekommt Mom bestimmt nicht mehr raus..."

"Ist alles in Ordnung?" Unterbrach Angel Buffys typisches, schnelles Gequassel
und sah besorgt in die Umgebung. Doch die Dämonen hatten sich zurückgezogen.

"Ich denke schon. Weißt du was oder wer das war?"

Angel verzog kurz das Gesicht, bei der Erinnerung an die Dämonen. Sicher
wusste er bescheid.

"Das war Fußvolk von Thezûkan. Wahrscheinlich ist er in der Stadt angekommen
und hat gleich mal seine Boten ausgesandt."

"Wie? Nein...ich meine du täuscht dich sicher. Thezûkan soll doch erst in zwei
Tagen hier ankommen. Giles hat das jedenfalls behauptet und wenn wir schon von
Giles reden...ich muss dringend jemanden meine Meinung geigen ..."

"Warte Buffy." Angel hielt sie zurück.

"Was?" Buffy war ungeduldig. Sie wollte zurück in die Bibliothek und dann nach
Hause. Eine richtig heiße Dusch nehmen und etwas gegen die blutende Wunde
unternehmen. Sie hoffte nur, das diese kein Nachspiel mit sich brachte. Irgend
eine Infektion oder ähnliches.

"Du weißt ich kann nicht mit. Und du kannst Giles auch nicht sagen, von wem du
den Tipp bekommen hast. Also lass dir was einfallen. Stell eine Vermutung oder
so an, um ihn auf die richtige Spur zu lenken. Ja? Denn ich täusche mich nicht,
dass waren Boten von Thezûkan."

"Ich werde mein bestes versuchen. Begleitest du mich noch ein Stück?" Sie
wusste, dass das eine dumme Idee von ihr war. Wenn sie von jemanden gesehen
wurden, dann hatte sie Ärger am Hals. Sicherlich mehr als ihr lieb sein konnte.
Aber sie hatte so ihre Zweifel, dass jemand um diese Uhrzeit bei diesem Wetter
unterwegs war, der sie kannte und umgekehrt. Angel schien das gleiche zu
denken, denn er zögerte nur kurz bevor er nickte.

Gemeinsam verließen sie den Friedhof und gingen zu Fuß Richtung Stadt, den
kürzesten Weg zur SHS wählend.

Sie waren eine Weile schweigend nebeneinander hergelaufen, bevor Buffy den
Versuch wagte, ein Gespräch anzufangen.

"Dir geht es soweit gut, ja? Brauchst du irgendetwas, dass ich dir bringen kann?"

Angel sah sie von der Seite her nachdenklich an. Dann schüttelte er langsam mit
dem Kopf.

"Danke...im Moment nicht. Du hast sowieso schon viel zu viel für mich getan.
Und alles hinter dem Rücken deiner Freunde...."

"Erinnere mich daran bitte nicht. Mein schlechtes Gewissen...aber ich will
schließlich ganz sicher gehen...das du...nun...du weißt schon...versteh mich
deswegen nicht falsch, ja?" Buffy sah verlegen in die Schaufenster. Sie konnte ihm
einfach nicht ins Gesicht sagen, dass sie ihm einfach nicht von Anfang an getraut
hatte und irgendwie noch immer damit rechnete, dass er zu Angelus mutierte.

Angel jedoch lächelte. Ihm war sehr wohl klar, dass er nach dem Vergangenen,
hier als Monster galt. Und das war er schließlich auch als Angelus gewesen. Als
Angel schmerzte es ihn, daran erinnert zu werden, was er in dieser Zeit Buffy,
ihren Freunden und vor allem Giles angetan hatte. Aber es führte kein Weg daran
vorbei...eines Tages würde er ihnen wieder begegnen müssen. Solange versteckte
er sich doch lieber in seiner Villa.


"Oh, Angel schau mal. Ein neuer Laden. Seit wann ist der denn in der Stadt?"
Buffy sah kritisch auf das Türschild. "Needful Things" las sie laut vor und
bemerkte, dass ein zweites, kleineres Pappschild von Innen, an der Tür hang:
Neueröffnung.

"Hm, also definitiv noch nicht lange," stellte Angel fest und sah in das
Schaufenster, in dem alte Taschenuhren, Brillengestelle, ein antiker Stuhl,
Bilderrahmen, vergoldete Handspiegel ausgestellt waren. "War das nicht mal
Ethans Kostümladen?"

"Richtig. Ich hoffe nur für den Idioten, dass er nicht so dumm war, nach der
Schokoladensache, hier geblieben zu sein. Sieht nicht interessant aus, oder?"
Jedenfalls konnte Buffy nichts entdecken was ihr Interesse weckte. Sie wollte
weiter.

Angel hörte Buffy nicht zu. Alles auf was er sich im Moment konzentrierte, war
dieses kleine Amulett. Es war vergoldet, hatte eine sehr feingliedrige Kette und
die Oberfläche war mit einem Blumenmuster geziert. Solch ein Amulett hatte seine
kleine Schwester Kathy getragen. Wenn man es aufklappte, hatte man ein kleines,
gemaltes Porträt von ihren Eltern sehen können. Eine Seite war freigeblieben. Er
hatte sich geweigert, diesen neureichen Humbuck mitzumachen, auch wenn es
sich Kathy so sehr gewünscht hatte. Er hatte es ihr damals vom Halsgerissen,
bevor er ihr das Genick brach. Die Erinnerung schmerzte, war kaum zu ertragen
und ein leiser Seufzer kam über seine Lippen.

"Was ist Angel?" Buffy hatte Angels Stimmungswandel deutlich gespürt.

"Nichts...nichts, ich musste gerade eben nur an etwas denken...gehen wir weiter?"

Buffy warf einen flüchtigen Blick ins Schaufenster, konnte aber nicht entdecken,
was Angels Aufmerksamkeit erweckt hatte und folgte ihm leicht irritiert.

*****

Die Bibliothekstür flog auf und Buffy, patsch nass und über und über mit Schlamm
bespritzt stürmte herein. Giles zuckte bei der plötzlichen Unterbrechung der Stille
zusammen und blickte hoch. Das sah gar nicht gut aus und er fühlte sich bei ihrem
Anblick zwischen einem schlechten Gewissen und einem amüsierten Lächeln hin
und her gerissen.

"Uhm ... oh Buffy ... wie ich sehe, gab es Komplikationen?"

Komplikationen? Komplikationen!? Giles ... sie ... argh," Buffy hinterließ kleine
Schlammklumpen auf dem Boden, als sie von der Tür wütend an den
Konferenztisch trat. "Wissen sie was sie mir schulden? Sie jagen mich auf eine
harmlose Mission bei diesem Sauwetter, und ich werde von hüpfenden Dämonen
angegriffen, in den Schlamm gedrückt...meine teuren Klamotten kann ich ja jetzt
wohl vergessen...und wer ersetzt dir mir? Der Rat, sie? Mom wird ausrasten und
zu allem Elend...was?" Buffy wurde von Giles merkwürdigen, durchdringenden
Blick gestoppt. Er stand auf.

"Du...uhm bist verletzt," Giles zeigt zu ihrer Wange.

"Oh...auch schon bemerkt? Das war einer von diesen widerlichen Dämonen, der
hat sich an mich gehängt und nicht mehr losgelassen...wenn Ang...uhm...", sie hielt
ertappt mitten im Satz inne. Aber zu ihrem Glück hatte Giles wohl nur die Hälfte
mitbekommen, weil er nach neben an in sein Büro verschwunden war. Gut, sie
holte erleichtert Luft.

Giles tauchte mit Verbandsmaterial in der Hand wieder auf.

"Was hast du gerade gesagt?"

"Oh nichts wichtiges...außer das ich gerade noch diesen Dämonen entkommen
bin...noch mal mach ich so was nicht. Auch nicht für sie." Buffy ließ sich
demonstrativ gefrustet in einen der Stühle fallen und schwang ihre Beine auf den
Tisch.

Giles zog es vor, diesmal nichts dazu zu sagen, auch wenn recht große
Schlammklumpen auf seinen Tisch und seine Schriftrollen bröselten.

"Darf ich....?" Er hob die Jodfalsche hoch und sah sie mit einem Blick an, der
keinen Widerspruch duldete.

"Nur zu....zu einem Arzt kann ich damit ja kaum gehen. Außer ich erkläre denen
im Krankenhaus etwas von einem großen Hund."

"Buffy....es ist genug!" Giles hatte ja verstanden. Sie hatte das Recht einwenig
sauer zu sein und es war ihm auch mehr als verständlich, dass die Patrouille
diesmal ein Schuss nach hinten gewesen war. Und wenn es ihr besser ging, wenn
sie ihren Ärger an ihm ausließ...dann war das auch recht. Aber jetzt vergriff sie
sich langsam im Ton.

"Entschuldigung," Buffy sah etwas geknickt zur Seite. "Aber ich bin ziemlich sauer
und...."

"Ich verstehe dich durchaus," Jod traf auf die Wunde, als Giles das saubere Tuch
ansetzte und Buffy zuckte leicht zurück. "Aber vielleicht können wir uns auf das
Problem hier konzentrieren? Ja?" Giles besah sich die Wunde genauer. Sie war
recht tief, musste aber nicht unbedingt genäht werden. Die Blutung hatte aufgehört
und er klebte ihr ein Pflaster darüber.

"Schon gut. Aber dafür bekomme ich zumindest am Wochenende von ihnen frei."

"Ich verspreche dir lieber nichts. Aber vielleicht beschreibst du mir die
Dämonen?" Blockte Giles ihren Widerspruch ab.

Buffy verdrehte die Augen. Typisch Giles. Sie hatte ihr Leben riskiert, ihre
Klamotten waren ruiniert, verletzt war sie noch obendrein und er dachte mal
wieder praktisch.

*****

Angel hatte Buffy kurz vor der Schule verlassen. Er war schon viel zu weit
mitgekommen. Sein Weg führte ihn nicht direkt zu der Villa, sondern zurück zu
dem neuen Laden. Er wollte noch einmal auf das Amulett einen Blick werfen. Nur
ganz kurz, vielleicht sah er ja einen Verkaufspreis und konnte morgen kurz vor
Ladenschluss sich den Anhänger näher betrachten. Unter Umständen sogar
kaufen?
Als er vor dem Schaufenster stand, übersah er zu nächst das Licht, dass im
Inneren brannte. Doch als er eine Bewegung dahinter wahrnahm wurde er
aufmerksam. Hatte der Laden noch auf? Es musst doch fast ein Uhr morgens
sein? Vielleicht war ja der neue Besitzer noch mit ein paar Kleinarbeiten
beschäftigt. Er wollte sich gerade zum Gehen abwenden, als er die Tür hinter sich
aufgehen hörte und eine Stimme hielt ihn zurück.

"Hallo? Mister? Entschuldigung, aber darf ich sie schnell etwas fragen?"

Angel drehte sich herum. Ein hochgewachsener Mann, mittleren Alters stand in
der Tür und lächelte ihm freundlich entgegen.

"Sicher?"

"Nun, gehen sie für gewöhnlich bei solch einem Wetter, um diese Uhrzeit,
spazieren? Oder haben sie Lust auf eine Tasse warmen Tee, und einen so zu
sagen exklusiv Blick auf meine Ware?"

Angel sah den Mann misstrauisch an. Was für ein seltsames Angebot um diese
Uhrzeit. Doch dann dachte er wieder an das Amulett und es schien ihm auf einmal
selbstverständlich zu sein.

"Gerne."

"Nun, dann kommen sie doch herein?"

Angel stand auf der Türschwelle und sah den Besitzer etwas hilflos an. Eine Frage
war keine Einladung. Aber er konnte es ihm auch schlecht erklären.

"Was ist, kommen sie schon."

"Danke!" Das war schon besser. Er schloss die Tür. Ethans Laden war kaum
wieder zu erkennen. Ein frischer Anstrich, warmer Holzfußboden,
Wandtäfelungen, schöne, wertvolle Glasvitrinen, warmes Licht, verströmt von
antiken Stehlampen, machte den Laden fast zu einem wohnlichen Raum.

"Schön...uhm haben sie hier renoviert."

"Nicht wahr?" Es war dem Mann deutlich anzuhören, dass ihm Angels
Kompliment gut tat.
"Sie entschuldigen doch hoffentlich meine Unhöflichkeit,...mein Name ist Leland
Gaunt." Er streckte Angel seine Hand entgegen, der sie ergriff.

"Angel...einfach nur Angel," erwidert der Vampir verlegen.

"Schön Angel, warten sie, ich hole den Tee. Schauen sie sich ruhig um." Gaunt
verschwand in einen Nebenraum. Angel ging von Vitrine zu Vitrine, aber er
wusste schon längst, was er haben wollte. Das Amulett. Er ging an die
Schaufensterauslage und sah was er suchte. Er griff danach und hielt es in den
Händen. Er musste lächeln, als er an seine kleine Schwester dachte, sah sie vor
sich, wie sie sich über das kleine Kätzchen gefreut hatte, das er ihr von einem
nächtlichen Streifzug durch die zahlreichen Kneipen mitgebracht hatte. Wie sie
ihm nachgerannt war, wenn er das Haus verließ und alles ins Detail wissen wollte,
was ihr großer Bruder vor hatte. Wie sie oft versucht hatte ihren Vater zu
besänftigen, und das erstaunlichste für Angel war immer gewesen, dass sie es
tatsächlich schaffte, dass ihr Vater den Riemen zur Seite legte und ihn nur mit
einem eisigen Blick für sein offensichtliches Versagen strafte. Aber auch das war
schon ausreichend gewesen...und dann sah er sie durch seine eigene Hände
ermordet an der kahlen Hauswand in ihrer Küche liegen. Das Amulett fiel ihm aus
der Hand und Angel sah sich erschrocken um.

Gaunt stand an der Theke und lächelte ihm entgegen.

"Wie ich sehe, haben sie gefunden, was sie suchten?"

"Uhm...ja, entschuldigen sie bitte. Ich wollte mich nicht selbst bedienen..."

"Ist schon gut." Gaunt stellte eine dampfende Tasse ab, die Angel jedoch
ignorierte. Er bückte sich nach dem Amulett.

"Was...uhm...würden sie dafür wollen?"

"Lassen sie mich mal sehen" Gaunt kam und nahm ihm das Amulett ab "Hm, das
ist eines meiner besten Stücke. Echtes Gold. Weit über 200 Jahre alt. Ich denke
mit 800 Dollar..."

"800!? Das ist viel Geld." Angel kratzte sich verlegen am Hinterkopf. Er hätte das
Geld spielend aufbringen können, aber das musste er dem Mann ja nicht auf die
Nase binden. Zinsen waren über 200 Jahre eine schöne Sache.

"Nun...sie können es sich ja noch einmal überlegen und mir ein besseres Angebot
machen?" Schlug Gaunt vor und nahm einen Schluck Tee.

Angel sah wehmütig Gaunt zu, wie er das Amulett wieder in das Schaufenster
legte.

"Hm...an was hätten sie dabei gedacht?" Er wusste nicht, in wie weit er in der
Lage war ein Angebot zu machen, das Gaunt annehmen würde.

"Nun ... sagen wir mal so ... wenn ich es ihnen überlasse, wären sie bereit mir
jeder Zeit einen Gefallen zu erweisen, wenn ich sie darum bitte? Egal was es sein
würde?"

Angel hatte schon zu viele merkwürdige Dinge in seinem Leben erlebt, als dass er
nicht misstrauisch wurde. Er legte den Kopf etwas schräg und sah Gaunt
wachsam an.

"Ein seltsamer Vorschlag...."

"Mein einziger...Das Amulette oder..." und Gaunt zeigte zu der Tür.

"Ich werde es mir überlegen." Angel nickte dem Mann freundlich zu und verließ
eilig, fast hastig, den Laden. Die Gefühle, die Vorstellung seiner Schwester, waren
so real gewesen, dass es ihm fast nach dem Amulett lechzte. Doch er wollte sich
dafür nicht dem Mann verkaufen. Wer weiß, was er war? Er musste darüber
nachdenken. Aber tief in sich, wusste er schon längst, für was er sich entschieden
hatte.

****


"Ich sag dir was Will - du gehst schon mal in diesen langweiligen, neuen Laden
vor und ich entscheide mich inzwischen hier für das Pinke oder eher für das grüne
Top, ja?"

"O.k. von mir aus," in Wirklichkeit war Willow froh, endlich losziehen zu können.
Buffys Unentschlossenheit ging ihr heute doch langsam auf die Nerven. "Bis gleich
dann." Und weg war Willow.

Und Buffy entdeckte zu ihrem eigenen Leidwesen ein schwarzes Top, das sie
noch nicht anprobiert hatte.

****

Willow schlenderte vor dem Schaufenster von "Needful Things" auf und ab.
Einige Kunden kamen gerade mit ihren Einkäufen heraus, andere ließen sich
drinnen beraten. Die Schaufensterauslage sah interessant aus. Willow gab sich
einen Schubser und betrat den Laden. Eine leise Türglocke schrillte über ihr, als
die Tür auf und zu ging. Der Ladenbesitzer sah kurz zu ihr rüber, mit einem
warmen Lächeln, eher er sich wieder der Kundin zu wandte.

<Sieht nett aus, der Laden und er irgendwie>

Sie sah in die Vitrinen, ging vorbei an zahlreichen teuren Stücken bis sie zu "dem"
Buch kam. Sie sah es und wusste sofort, dass es ihr Buch sein würde. Das sie es
brauchte.
Es stand von einer kleinen Halogenleuchte angestrahlt offen auf einer Buchstütze.
Der Ledereinband sah fast wie neu aus, nur an manchen Stellen etwas abgenutzt.
Ein Rankenmuster, in dem kleine Dämonen sich tollten, war in das Leder als
Zierte gestanzt worden. Der Titel war in einer seltsamen Sprache, trotzdem
wusste Willow, das dieses Buch mit Magie zu tun hatte.

Willows Hand streckte sich nach dem Buch aus. Sie wusste nicht, ob sie es
berühren sollte oder durfte. Vielleicht gab es hier ja auch eine Alarmanlage.
Trotzdem berührten ihre Fingerspitzen ganz leicht den Einband. Und auf einmal
hatte sie das Gefühl sehr viel Magie in sich zu haben. Letzte Woche erst, hatte sie
versucht, ein Buch nur mit den Gedanken aufzuschlagen. Jetzt ging es wie von
selbst. Der Deckel klappte auf und die Blätter wurden umgeschlagen. Willow war
fasziniert. Das Buch - sie brauchte es!

"Nun die junge Dame? Fündig geworden?"

Willow zuckte zusammen und sah hinter sich den Besitzer stehen. Sie zog ihre
Hand zurück.

Gaunt lächelte Willow an und nickte in Richtung Buch.

"Ja...ähm...es ist sicher viel zu teuer für mich." Verwundert stellte sie fest, dass
das Buch wieder zugeklappt war.

"Nun..ich denke es wird auf dem Schwarzmarkt mit etwas mehr als 2000.- Dollar
gehandelt. In Europa würde es das doppelte kosten."

Willow riss entsetzt ihre Augen auf. 2000.-!?!

"2000?!?!"

"Wohl offensichtlich für dich eine beträchtliche Summe. Warte, ich mache dir
einen Vorschlag. Du - erledigst für mich eine Kleinigkeit und dafür gehört dir das
Buch. Na wie hört sich das an?"

Willow machte innerlich einen Freudensprung. Doch dann verfinsterte sich ihre
Mine. Es hörte sich nämlich besser an, als sie glauben wollte.

"Und an - was hätten sie dabei gedacht?" fragte sie vorsichtig.

"Nun, wer solch ein Buch erwerben möchte, der muss sich doch schon ziemlich
gut auskennen. Hexen, Wiccas...?" Gaunt sprach leise und sehr einschmeichelnd.
Selbst wenn Willow sich dagegen hätte wehren wollen, hätte sie verloren.
Normalerweise hätte sein Vorschlag bei Willow Alarm auslösen müssen, doch da
war dieses wunderbare Buch, das ihr Macht geben würde. Selbst Giles wäre
sicher darauf neidisch.

"Nun ehm ja," sagte sie statt ein "Nein sicher nicht", und sah verlegen den
Ladenbesitzer an.

"Fein. Denn der Gefallen soll ein kleiner Spaß werden. Nicht schlimmes. Ein
wenig Magie. Ein Kunde will seine Rate nicht bezahlen und ich dachte mir ein
kleiner Abschreckungs-Gruß von mir wäre vielleicht ganz wirksam."

"Hm...," Willow überlegte. Sagte sie ja, gehörte das Buch ihr. Würde Buffy oder
Giles von dem Handel erfahren, wäre sie sicher bald einen Kopf kleiner. Bei
einem Nein, hätte sie keinen Ärger, aber auch nicht das Buch. Nun, sagte sie sich
selbst, Buffy und Giles muss ich davon ja nicht erzählen.

"Einverstanden." Sagte sie versucht überzeugt von der Sache.

"Fein, der Handel gilt." Gaunt gab ihr darauf die Hand. "Ich lege es für dich
solange zurück."

"A-aber..," Willow hatte gehofft, das Buch gleich zu bekommen.

"Nun, wie überall auch, gilt bei mir das Prinzip Ware gegen Bezahlung," dabei
lächelte Gaunt noch immer. Willow warf einen letzten Blick auf das Buch und
nickte stumm. Sie verließ mit der Adresse des schlecht zahlenden Kunden den
Laden, nur um auf Buffy zu stoßen, die mit ihren zahlreichen Taschen angestürmt
kam.

"Oh..fertig? Ich hab jetzt ein blaues genommen," grinste Buffy, die sich darauf
freute Giles die Rechnung zu präsentieren. Er hatte sich breitschlagen lassen, ihr
die ruinierten Kleider zu ersetzen. Manchmal konnte er ein richtiger Schatz sein.
"Gehen wir? Ich will das hier Giles unter die Nase halten." Sie winkte mit den
Kassenbons.

"Ja...ist gut. Nun...ich muss sowieso in die Bibliothek."

Buffy sah Willow fasziniert an. Was war denn auf einmal mit ihrer Freundin los?
So einsilbig und nachdenklich?

****

"Ich weiß nicht warum, aber irgendwie habe ich das Gefühl bei der Sache ein
wenig schlecht abzuschneiden," Giles sah mit gerunzelter Stirn auf die
Kassenzettel und gespielt entrüstet zu Buffy.

"Ach Giles. Kommen sie schon. Ich musste das Zeug vorgestern wirklich in den
Müll werfen. Da war nichts mehr zu machen." Buffy legte ihren Kopf etwas
schräg und sah ihn flehend an.

Giles versuchte vergeblich ein Schmunzeln zu unterdrücken, als er Buffy das Geld
zurückgab und die Bons einsteckte.

"Vielen, vielen dank Giles...und tschüß." Buffy schnappte sich die Scheine und
ihre Tüten. Noch ehe Giles etwas wegen Training und Patrouille sagen konnte,
war sie schon aus der Bibliothek verschwunden. Giles sah der nachschwingenden
Tür nachdenklich zu. In letzter Zeit hatte es Buffy immer verdammt eilig. Früher
lag das an Angel, den sie sehen wollte, jetzt wo er tot war...

"Eh Giles...ich müsste ein wenig recherchieren," Willow stand unsicher im Raum.
Sie wusste, dass sie etwas verbotenes vor hatte und hoffte es stand ihr nicht
gerade auf einem blinkenden Display auf der Stirn.

"Mach nur Willow. Ich bin in meinem Büro."

Willow wartete bis Giles auch wirklich darin verschwunden war und machte sich
auf die Suche nach einem Buch mit Rachesprüchen.

****

Buffy eilte die Treppe zu ihrem Zimmer nach oben. Sie musste sich versichern,
dass es noch in ihrer Waffentruhe lag.

Nie im Traum wäre es ihr eingefallen Willow heute von ihrem gestrigen Kauf in
"Needful Things" zu erzählen. Erst gestern hatte sie sich noch über den
uninteressanten Laden ausgelassen und dabei Willows Interesse geweckt. Alte
Dinge, alte Bücher waren eh Willows Gebiete, als die ihren.

Trotzdem hatte sie gestern Nachmittag das Kreuz in der Auslage liegen gesehen
und sofort an Angel denken müssen. Er hatte ihr ein ähnliches geschenkt, als
Schutz vor dem Meister, eine Kette. Dieses hier war etwas größer und neben
Angel musste sie an das Praktische auf der Patrouille denken. Es war klein und
handlich, aber auch nicht zu klein, um nicht ganz wirkungslos zu sein.
Und auf einmal hatte sie den Drang verspürt es zu kaufen.

Sie öffnete die Kiste und entdeckte das Kreuz, wo sie es heute morgen unter all
den Pflöcken, Weihwasser und ihrer restlichen Ausrüstung versteckt hatte.
Sie nahm das Kreuz vorsichtig heraus und lächelte in freudiger Erwartung, was
passieren würde, wenn sie es fester umschloss. Sie ging damit zu ihrem Bett. Für
heute waren jegliche Gedanken an eine Patrouille am Abend, an ihre
Hausaufgaben oder an den realen Angel selbst vergessen. Es galt nur noch das
Kreuz, der kleine kahle Raum, der vor ihrem inneren Auge zu leben erwachte und
der Angel ihrer Träume. Sonnenlicht flutete durch das Fenster und Angel wirkte
darin noch schöner, noch stattlicher. Wie viele Male hatte sie es sich gewünscht
Angel in diesem Licht stehen zu sehen? Obwohl sie ganz tief in sich wusste, dass
sie gerade einen Tagtraum erlebte, log sie sich selbst an.

Und Angel kam auf sie zu. Mit einem leisen Lächeln auf seinen Lippen, beugte
sich zu ihr herunter, küsste sie sanft auf die Stirn, auf die Wange, auf den Mund.
Ihre Lippen zitterten leicht unter der sanften Berührung. Sie öffneten sich ohne
ihres Zutuns, ließen seine Zunge eindringen, erwiderte seinen drängenden und
doch sanften Kuss mit der gleichen Leidenschaft.
Angel zwang sie sanft nach hinten. Sie fiel auf die weiche Matratze, ließ seine
Hände über ihren Körper wandern, nahm das Prickeln durch ihren Körper mit
einem leisen Seufzer wahr.
Angel beugte sich über sie, küsste sie erneut feurig, umschlang ihre schmale Taille
und zog sie enger an sich heran.
Sie versuchte ein letztes Mal gegen den Traum anzukämpfen, sich nicht davon
überwältigen zu lassen, aber sie konnte einfach nicht, es war ... nun es war alles
was sie sich jemals gewünscht hatte, alles was sie sehnsüchtig und in ihren
Vorstellungen erhofft hatte. Angel war menschlich und sie konnten unbeschwert
tun, was auch immer sie wollten.

"Buffy?"

Sie hörte ihren Namen, doch sie ignorierte sie Stimme. Angel war aufgestanden
und zog sich das schwarze Shirt aus. Sie bewunderte mit einem leisen Lächeln
seinen Waschbrettbauch, die starken Arme.

"Buffy? Schläfst du? Was ist los?"

Buffy fuhr hoch, das Kreuz fiel ihr aus der Hand. Sie starrte ihre Mutter an.

"Eh...hi Mom...nein, ich habe mich nur ein wenig ausgeruht."

"Übertreibt es Mr. Giles nicht ein wenig mit deinem Training, Schatz? Du solltest
dich mal ausschlafen. Du siehst nicht gut aus." Joyce sah sich in Buffys Zimmer
um, als wäre sie hier seit Jahren nicht gewesen.

"Wolltest du was bestimmtes Mom?"

"Oh, ich dachte dich gehört zu haben und wollte mich nur versichern. Wars schön
mit Willow in der Stadt?"

"Sicher. Giles hat anstandslos alles bezahlt." Sie deutete zu den Tüten und Joyce
musste lächeln.

"Ich ruh mich noch etwas aus, und mach denn Hausaufgaben. Ich werde vielleicht
die Patrouille heute ausfallen lassen," Buffy sah auf den Boden links und sah das
Kreuz nicht. Sie wurde unruhig.

Auf der andern Bettseite lag es auch nicht Unter dem Bett?

"Gute Idee. Ich bin unten." Joyce verließ das Zimmer ohne die Unruhe ihrer
Tochter bemerkt zu haben und schloss die Türe hinter sich.
Buffy sah unter das Bett. Gott sei dank - da lag es. Sie hob es hoch, schloss die
Hand darum und sah Angel wie er sich auch seiner Hose entledigte. Sie machte es
ihm nach und während sie darauf wartete, dass er sich wieder zu ihr legte, vergaß
Buffy die Realität um sich, bemerkte es nicht einmal, dass die Sonne unterging und
dem Halbmond platz machte.

****

Um diese Uhrzeit, die ihre Armbanduhr anzeigte, lag Willow für gewöhnlich im
Bett, außer sie begleitete ohne dem Wissen ihrer Eltern Buffy.
Heute jedoch, stand sie mit klopfendem Herzen im Schatten eines Baumes und
sah zur anderen Straßenseite zu einem weißem Bungalow mit großer
Garagenauffahrt.
Dort wohnte Mr. Rayon Price, Gaunts schlecht zahlender Kunde. Und Willows
EDV-Lehrer, wie sie erstaunt festgestellt hatte.

Willow war am späten Nachmittag fündig geworden. Ein Rachezauber, der nicht
sonderlich schlimm war, aber doch schmerzhaft. Sie wusste, dass das hier alles
falsch war. Aber sie wollte das Buch, um jeden Preis haben. Und deshalb hatte
sie sogar, als Giles für eine Stunde zum Essen war, sich heimlich in den Käfige zu
den verbotenen Büchern gewagt und ein Buch gefunden, das ziemlich oben
gelegen hatte. Es musste also mehr als verboten sein. Und die Sprüche, die sich
darin fanden, gaben ihrem schlechten Gewissen recht.

Sie hatte sich die Zutaten im Zauberladen besorgt, das Pulver hergestellt und
schlich mit dem kleinen Plastikbeutel nun zu dem Bungalow rüber. Sie streute das
Pulver auf die Fußmatte und murmelte ein paar lateinische Wörter vor sich hin.
Dann zog sie ein Stück Papier aus ihrer Hosentasche und heftete es an die Tür.

"Schuldenheini!" Stand darauf.
Nichts was sie oder Gaunt verriet. Gaunt hatte ihr, als sie noch einmal auf dem
Nachhauseweg vorbeigeschaut hatte versichert, dass Mr. Price überall den
Leuten Geld schulden würde, wie er festgestellt hatte. Einen Denkzettel hätte der
Mann verdient.

Sie sah sich vorsichtshalber noch einmal um, ob auch wirklich niemand mehr
unterwegs war und sie gesehen hatte, dann verschwand sie so schnell es ging aus
dieser Straße. In diesem Moment schlug ihr Herz dreimal so schnell. Sie fühlte
sich, als würde sie gleich einen Herzinfarkt bekommen. Zum erstenmal in ihrem
Leben hatte sie Magie zu etwas schlechtem angewandt. Und dabei
verschwendete sie nicht einmal einen Gedanken an die ganzen Dämonen, die im
Dunklen auf sie lauerten.
Dabei hatte sie mehr Glück als verstand, als sie unversehrt zu Hause in ihrem
Zimmer ankam und erschöpf ins Bett fiel. Nur mit einem Gedanken beschäftigt.
Das Buch

*****

Angel saß in seinem Stuhl am Kaminfeuer und hielt die Kette in seiner rechten
Hand. Das Amulett daran baumelte in der Luft sanft hin und her.
Angel hatte nicht lange gezögert, als er nach Sonnenuntergang und vor
Ladenschluss "Needful Things" betreten hatte. Er hatte Mr. Gaunts Angebot
angenommen, ohne sich zu fragen, woher der Mann über seine wahre Natur
wusste. Es zählte für ihn alleine die Tatsache, seine Schwester leben zu sehen.
Vielleicht die Möglichkeit zu bekommen, so seinen inneren Frieden zu finden.

Er starrte das hin und her schwingende Amulett an und war fasziniert von der
Macht, die das kleinen Ding auf ihn ausübte. Seit Stunden machte er nun nichts
anderes mehr, als da zu sitzen, das Amulette anzustarren und sich hin und wieder
zu trauen, es fester zu umschließen. Denn dann kamen die Bilder. Bilder einer
Kathy, wie sie mit sechs Jahren in eine Schlammpfütze fiel und statt zu heulen, sich
nur über die Frechheit des Kutschers aufregte, durch dessen schuld diese das
Gleichgewicht verloren hatte. Kathy, wie sie mit acht Jahren von ihm das
Schwimmen erlernte, und dabei fast ertrunken wäre. Kathy wie sie einfach nur
spielend und lachend, das Haus, das er so sehr hasste mit Leben und Freude
erfüllt hatte.

Und der Preis, den er dafür zu zahlen hatte? Gaunt hatte sich darüber noch nicht
ausgesprochen. Er hatte ihn nur um den Gefallen gebeten und sich das
Versprechen geben lassen, dass Angel, wenn die Zeit dafür reif war, ihn erfüllen
würde.

Und Angel hatte sich gedacht, dass es schon so schlimm nicht sein würde. So
viele Menschen gingen in den Laden ein und aus. Kamen mit Einkäufen, freudig
strahlend wieder heraus. Also kann Gaunt nicht unmögliches von ihm verlangen.

Seine Hand schloss sich fester um das Amulett und er lauschte der glockenhellen
Stimme von Kathy, die ihm aufgeregt von ihrer neuen Freundin erzählte.

Auch Angel bemerkte nicht den Sonnenuntergang, den Aufgang des Halbmondes.
Seinen Hunger. Die Realität war vergessen.



****

Am nächsten Vormittag

"Schönen guten Morgen, der Gentleman. Was kann ich für sie tun?" Gaunt sah
dem älteren Herren im dunkelbraunen Tweedanzug freundlich entgegen, der vor
dem Schaufenster eine Weile nachdenklich gestanden hatte, bevor er eingetreten
war.

"Uhm...ja, mich würde da draußen diese Thesula...eh...die Kristallkugel
interessieren. Ich hatte dieselbe als Briefbeschwerer benutzt...", bevor Willow sie
zerbrochen hatte, als sie den Seelenzauber ein zweites Mal durchführte. Führte
Giles den Satz in Gedanken zu ende.

"Sicher, einen Moment." Gaunt eilte zu dem Schaufenster, entnahm die Kugel und
reichte sie seinem neuen Kunden.

Giles nahm die Kugel entgegen und drehte und wendete sie in der Hand. Dann
durchfuhr ihn ein kleiner Schlag, jedenfalls empfand er es als solchen und sah
Jenny auf sich zu kommen. Sie trug noch dasselbe Kleid, dass sie am Tag ihrer
Ermordung getragen hatte.

"Alles in Ordnung, Sir?" Gaunt lächelte unbemerkt zu Frieden.

"Wie...", Giles blinzelte und starrte die Kugel an. "Uhm...ja...was soll die Kugel
kosten?"

Gaunt ging hinter die Theke und rieb sich die Hände.

"Nun wir werden uns über den Preis sicher einig!"


****


Xander stand gelangweilt vor "Needful Things" und beobachtete die Passanten
auf der anderen Straßenseite, die an der Bushaltestelle Zeitung lesend
herumstanden und sich die Wartezeit totschlugen.
Von Zeit zu Zeit warf er einen Blick durch das Schaufenster, um sich zu
vergewissern, wie weit Willow endlich da drinnen war.

Sie hatte etwas von einem Buch gefaselt, das sie abholen wollte. Und das vor der
ersten Stunde. Das bedeutet wohl, dass er zum ersten Mal seit sehr langer Zeit
zur ersten Stunde im Unterricht sein würde. Xander schüttelte es innerlich bei
dieser Vorstellung.

Die Türglocke bimmelte hinter ihm und er sah zurück. Willow stand über das
ganze Gesicht strahlend und mit einem braunen Päckchen unter dem Arm auf der
Türschwelle.

"Fein, können wir dann Willow? Ich meine diesen denkwürdigen Tag "Xander
Harris zu ersten Stunde pünktlich" will ich einfach nicht verpassen." Xander
machte einen Schritt in Richtung Schule, wartete und sah das Willow dastand und
ganz verträumt über das Päckchen strich.

"Hey was ist Will? Können wir?" Wiederholte er nun etwas ungeduldig seine
Frage.

"Hm?" Willow sah ihn an, als würde sie aus einer anderen Welt auftauchen, dann
erkannte sie offensichtlich Xander. "Oh, ja. Entschuldig. Gehen wir." Und sie
klemmte sich das Buch wieder untern den Arm und marschierte los.

"Was ist das eigentlich für ein Buch?" Xander zeigte unter Willows Arm.

"Oh, ein recht altes und kostbares Buch. Zauberereien und so," flüsterte sie ihm
zu, als befürchte sie, jemand könnte es hören und es ihr es dann stehlen.

"Alt? Kostbar? Und wie teuer? Ich meine wie hast du es finanziert? Ist es für
Giles?" Xander fragte aus reiner Interesse. Da ihn in der Schaufensterauslage die
Preise fast erschlagen hatten, war sich Xander sicher, nie einen Fuß in "Needful
Things" zu setzten. Daher konnte er sich in etwa vorstellen, was Willow für dieses
Buch ausgegeben hatte.

"Zeig mal," Xander griff nach dem Buch.

"Hey, lass das!! Das gehört mir. Mir alleine. Und es geht dich überhaupt nichts
an," fuhr ihn Willow überraschend grob und scharf an. Dabei fuhr sie von ihm
zurück, das Buch schützend an sich gepresst.

"Uh...entschuldige Will, wusste ja nicht, dass es dir sooo wichtig ist." Xander war
beleidigt wegen ihres mangelnden Vertrauens und auch etwas leicht irritiert.

Willows Herz raste. Xander wollte ihr das Buch wegnehmen. Somit ihre Macht.
Das würde sie nie zu lassen. Niemand würde es ihr wegnehmen können. Nie, nie,
nie....
Sie sah auf und blickte in Xanders verwirrtes Gesicht. Da wurde ihr auf einmal
erst bewusst, was sie gesagt hatte. Oder besser gesagt, wie sie es gesagt hatte.

"Tut...tut mir leid, Xander. Ich wollte nicht...es ist nur wirklich sehr wertvoll und
ich will nicht, dass dem Buch etwas zustößt. Verstehst du das?"

Xander nickte langsam und sehr nachdenklich, schwieg aber.

Stumm legten sie den restlichen Schulweg zurück.

****

Leland Gaunt beobachtete die kleine, rothaarige Hexe, wie sie zu Frieden mit
sich, der Welt und wahrscheinlich auch mit Gaunt, seinen Laden verließ, das Buch
fest an sich gedrückt. Sie würde bald über Leichen gehen, bevor sie jemanden
erlaubte es auch nur anzufassen.

Gut, gut. Das lief besser als gedacht. Fast schon zu reibungslos.

Gaunt rieb sich die Hände und griff unter die Ladentheke nach seinem in braunes
Leder gebundene Notizbuches. Er schlug eine markierte Stelle auf, griff nach dem
Kugelschreiber auf der Theke und strich den Namen "Willow Rosenberg" durch.

*****

"Hey G-Man." Xander stürmte in die Bibliothek, in freudiger Erwartung, dass der
Bibliothekar für ihn irgendetwas zu tun hatte, damit er die erste Stunde schwänzen
konnte.

Aber Giles war nicht in der Bibliothek, nicht auf der Galerie oder im Käfig.
Xander ging um die Theke und warf einen Blick in das Büro.

Kein Giles.

Das war merkwürdig. Das war durchaus mehr als nur merkwürdig. Giles
Abwesenheit hing im der Vergangenheit entweder mit einem bösen Dämon oder
einer Droge zusammen. Sonst gab es für Giles nie einen Grund nicht pünktlich in
seiner Bibliothek aufzutauchen.

Xander überlegte kurz und griff dann nach dem Hörer, wählte Giles Nummer und
lies es klingeln. Es ging niemand ran und als Xander nach einer Weile das
Besetztzeichen zu hören bekam, legte er auf.

Er ging noch einmal in Giles Büro, um sich zu vergewissern, dass er nicht eine
Spur übersehen hatte. Etwas, das ihn darauf stieß, warum Giles heute morgen
später kam. Ein Termin, eine Lehrerversammlung, ein Treffen mit Buffy.
Irgendetwas.

"Giles?"

Xander zuckte bei Buffys Stimme zusammen. Also letzteres konnte er mal
streichen und sich nur auf einen Termin und Lehrerversammlung konzentrieren.
Aber in Giles Kalender stand nichts.

"Oh, Xander?" Buffy sah ihn erstaunt an, als er aus Giles Büro kam.

"Hi Buff. Giles ist nicht da. Ich hab nachgesehen, aber nichts gefunden, was auf
einen Termin hinweißt." Xander zuckte hilflos mit den Schultern.

"Nicht da?" Buffy ging an Xander vorbei in Giles Büro, nur um festzustellen, dass
Xander keine Witze gemacht hatte. "Merkwürdig..."

"Sag ich doch." Xander war etwas gekränkt.

"Ich ruf mal bei ihm zu Hause an..."

"Nicht nötig. Geht keiner ran."

Buffy sah sich etwas hilflos in der Bibliothek um. Giles nicht hier, dass war alles
andere als gut. Sie hatten zweimal erlebt, was es hieß, wenn Giles nicht pünktlich
hier auftauchte.

"Ich werde bei ihm zu Hause nachsehen. Pass du für mich in Bio auf."

"War das ein Witz? Ich komme mit." Xander stürmte Buffy hinterher, die bereits
die Bibliothek verließ.

****

Der Wecker hatte an diesem Morgen zweimal versucht Giles aus dem Bett zu
werfen, aber ohne erfolg. Der Bibliothekar hatte ihn einfach vom Nachtisch gefegt
und sich mit dem Kopfkissen die Ohren zu gepresst. Irgendwann hatte das
Mistding aufgehört. Nun lag er einfach da, döste vor sich hin. Auf dem Nachtisch
lag die Thesula-Kugel, die er gestern Vormittag erworben hatte, zu einem recht
merkwürdigen Preis. Aber darüber zerbrach er sich nach der langen, gestrigen
Nacht nicht den Kopf. Er verspürte bereits den starken Drang die Kugel erneut in
die Hand zu nehmen und seiner Fantasie, sofern es diese war, die seine Träume
mit Jenny steuerte, freien lauf lassen.

Aber er hatte Kopfschmerzen, war übermüdet und wusste, das irgendetwas
falsch daran war und er eigentlich endlich aufstehen sollte.

Doch er konnte einfach nur da liegen, die Decke anstarren und hoffen, dass die
Kopfschmerzen nachließen.

Ein lautes Klopfen an der Tür, ließ ihn leise aufstöhnen und sich zur Seite rollen.

"Oh...egal wer - verschwinde," murmelte er in das Kopfkissen und versuchte es
zu ignorieren.

Doch ein erneutes, diesmal energischeres Klopfen machte ihm sehr deutlich, dass
derjenige vor der Tür so schnell nicht aufgeben würde.

Mühsam stand er auf, griff nach seinem Morgenmantel, zog ihn über und machte
sich dann langsam auf den Weg nach unten.

Buffy stand mit Xander vor Giles Wohnungstür und hämmerte fest dagegen.

"Sein Auto steht auf dem Parkplatz, als muss er da sein."

"Sofern er nicht zu Fuß vielleicht spazieren ging oder..."

"Giles? Seit wann?" Unterbach Buffy skeptisch Xanders Vorschläge.

"War ja nur so eine Idee." Schmollte Xander

Die Tür wurde aufgerissen. Ein verschlafener Giles blickte ihnen griesgrämig
entgegen.

"Was zum Teufel...oh Buffy, Xander?" schwenkte Giles übelgelaunter Tonfall zu
einer erstaunten Frage um.

Buffy wechselte einen kurzen, vielsagenden Blick mit Xander bevor sie Giles
einfach zur Seite drängelte und sich so platz zum Eintreten machte.

"Buffy...was...", Giles ließ sie ungehindert eintreten und schloss die Türe.

"Was los ist?" Buffy wirbelte zu Giles herum. "Sie sollten im Moment in ihrem
feinen Tweed, mit einer Tasse Tee und ihrer Morgenzeitung in die Bibliothek
einmarschieren. Statt dessen gammeln sie hier herum und wissen es nicht mal?"

"Uhm...ich habe wohl verschlafen." Giles fuhr sich verlegen über den Nacken.

"Jo, G-Man, so könnte man es nennen...uh, Giles." verbesserte sich Xander
sofort, als ihn Giles tödlicher und strafender Blick wegen seines losen
Mundwerkes traf.

Giles verdrehte die Augen und ging in seine kleine Küche.

"Ist dir so etwas noch nie passiert." Grummelte er während er sich Teewasser
aufsetzte.

"Für gewöhnlich liegt das daran, das mich ein gewisser Wächter nachts auf
Patrouille jagt und ich es dann irgendwie nicht ganz schaffe pünktlich
aufzutauchen."

"Nun, während du auf Patrouille bist, sitze ich in der Bibliothek, bis spät nachts
und recherchiere. Zu dem bin ich ein paar Jahre älter und somit weit mehr im
Recht zu verschlafen. Einmal in den ganzen zwei Jahren," Giles zuckte mit den
Schultern.

"Na, dann sollten sie mal früher ins Bett. Und ich schlage vor, sie beeilen sich
bevor Snyder einen Anfall bekommt."

Giles sah Buffy unbemerkt skeptisch an. Offensichtlich war sie gestern nicht auf
Patrouille gewesen, sonst hätte sie sein Fehlen in der Bibliothek bemerkt. Aber
umgekehrt konnte er selbst nichts dazu sagen, ohne seine Pflichtverletzung zu
geben zu müssen, wenn Buffy doch da gewesen sein sollte.

Der Kessel pfiff.

"Uhm...könnte einer von euch hier weiter machen?"

Xander nickte und nahm Giles den Wasserkessel ab, während dieser in sein
Badezimmer verschwand.

"Merkwürdig nicht?" Buffy setzte sich auf einen der Barhocker. "Wenn Giles
gestern Nacht
wirklich in der Bibliothek war, dann müsste ihm doch aufgefallen sein, dass ich
nicht da war?"

"Du meinst, er hat auch geschwänzt?" Xander füllte Giles Tee in dessen
Thermoskanne. "Mr. Ich-nehms-ganz-genau?" Xander schüttelte ungläubig den
Kopf.

"Warum nicht," Buffy zuckt mit den Schultern und stand wieder auf. Sie sah sich
flüchtig im Raum um, aber alles war fein ordentlich aufgeräumt.

Giles kam aus dem Badezimmer, im beigen Anzug mit Hosenträger und schlüpfte
in sein Jackett.

"Ich habe es gleich. Einen Moment." Giles eilte die Treppe nach oben. Er durfte
die Thesula-Kugel nicht vergessen. Er nahm sich schnell die Zeit und zog das
Leintuch straff. Ordnung gehörte nun mal zu seinem Leben.
Er fasste die Kugel vorsichtig an, um nicht von ihrer Wirkung übermannt zu
werden. Die Kugel wanderte in seine Hosentasche.

"So, wir können," Giles kam die Treppe nach unten.

****

Willow saß ungeduldig im Unterricht. EDV war mitunter eines ihrer
Lieblingsfächer. Nur der Lehrer war nicht so ganz der Hit. Sie hatte weit mehr
drauf als Mr. Price.
Doch heute morgen hatte Mr. Price erhebliche Verspätungen. Nicht gerade
gewöhnlich und Willow befürchtete daran Mitschuld zu sein.

Ein Schüler bot sich an, auf dem Sekretariat nachzufragen. Sie wollte gar nicht
den Grund wissen.

Doch Phil kam schnell zurück und machte ein Gesicht, wie drei Tage Regen.
"Mr. Price hatte heute morgen einen kleinen Autounfall. Ihm ist nichts passiert,
doch der Schreck sitzt ihm offensichtlich im Nacken. Wir sollen uns
beschäftigen." Phil nahm hinter seinen PC wieder platz.

Willow fühlte sich gar nicht gut. Sie hatte auf einmal Kopfschmerzen. So war der
Zauber doch gar nicht geplant gewesen.

Für einen Moment dachte sie wirklich fest an Mr. Price doch dann hoffte sie, dass
ihr Buch noch immer ihres war, auch wenn der Zauber wohl ein wenig zu stark
ausgeartet war. Sie öffnete ihren Rucksack. Da steckte es zwischen Bio und
Geschichte. Gut. Beruhigt schloss sie die Tasche und versuchte sich auf ihr kleines
Programmierproblem zu konzentrieren. Doch ihre Gedanken schweiften ständig
ab.

****

Am späten Nachmittag.
Giles hatte Buffy überraschend in der Mittagspause mitgeteilt, dass sie nach der
Schule nicht mehr in der Bibliothek vorbeischauen musste. Sie hatte nicht lange
nachgefragt und die Bitte als offiziellen Befehl aufgefasst. Das hieß sie konnte
schneller zu ihrem kleinen Artekfakt. Nein falsch. Das hatte sie in ihrer Tasche. Zu
Hause war es ihr nicht sicher genug. Vielleicht räumte ihre Muter auf und fand es,
verlegte es und Buffy hatte das Nachsehen. In ihrem Spinnt einzuschließen, wäre
ihr nie eingefallen. Zu viele Diebstähle in letzter Zeit.

So trug sie es den ganzen Tag mit sich herum, strich fast jede Stunde verliebt
darüber, wagte es sich jedoch nicht, es fest zu umfassen. Das wollte sie sich für
heute nach der Schule aufheben.

****

Giles saß in seinem Büro, die Thesula Kugel vor sich auf der Schreibtischplatte
und starrte sie an. Buffy würde sicherlich nicht noch einmal vorbeikommen und
Willow hatte er den ganzen Tag noch nicht gesehen. Xander wollte zu einer
Verabredung mit Cordelia und Schüler kamen nach Unterrichtsende erst recht
nicht in die kleine Schulbibliothek.

Es hinderte ihn nichts daran, die Kugel zu berühren.

Außer sein stark ausgeprägtes Pflichtbewusstsein. Er musste hier bleiben, für den
Fall, dass Buffy doch noch einmal kam. Für den Fall, dass etwas passieren
würde.

Er rang sich mit einem leisen Seufzer durch. Zuerst strichen nur die Finderspitzen
seiner linken Hand über die Rundung der Kugel, dann hob er sie hoch, ließ sie in
seiner Hand hin und her kugeln, schloss die Finger drum und presste das kühle
Glas fest in seine Handfläche. Er lehnte sich entspannt nach hinten, ließ die Bilder
über sich hinwegschwemmen.

Da war auf einmal wieder Jenny. Sie strahlte ihn an, so lebendig. Er roch sogar ihr
Parfüm, das er damals noch Tage nach dem schrecklichen Fund in seiner
Wohnung zu riechen dachte.
Jenny, wie sie auf ihn zukam, ihre Arme um seinen Nacken legte, ihn näher an sich
heranzog. Ihre Lippen trafen auf seine, so warm und weich. Sie küssten sich sanft.
Er schlang seine Arme um ihre Hüfte und zog sie noch ein wenig enger an sich. So
vieles, was es zum Nachholen gab. Und so viel Zeit dafür, die ihnen im realen
Leben nicht gegeben war.
Ihre Lippen lösten sich von einander. Ihre Blicke trafen sich. Giles versank in
ihrem warmen, tiefgründigen Blick, der soviel Leben und Freude ausstrahlte.
Der Raum in dem sie sich befanden war dunkel, nur schemenhaft waren Umrisse
wahr zu nehmen.
Doch darüber wunderte sich Giles nicht länger. Er wollte da weitermachen, wo
sie gestern Nacht aufgehört hatten. Erneut Jenny spüren, wie er es sich immer
noch ersehnte, bis Angelus ihm alles zerstört hatte. Jenny geben, was sie
offensichtlich auch immer von ihm gewollt hatte. Für die Ewigkeit. Nie wieder aus
diesem Traum aufwachen.

*****

Xander stand alleine im Bronze herum. Wann war das, das letzte Mal
vorgekommen? Lange bevor Buffy in ihrer aller Leben geschneit war. Und die
Zeit davor, war definitiv eine triste Zeit gewesen, an die er sich manchmal ungern
erinnerte. Und nun hatte weder Willow am Telefon begeistert geklungen, noch
hatte er jemand im Summers Haus erreicht. Deprimierend. Und obendrein schien
seine Freundin Cordy mal wieder auf ihn schlecht zu sprechen zu sein. Aber
wieso?

Die Dingoes sollten heute Nacht spielen, aber die Live-Performance fiel aus, weil
Oz fehlte. Merkwürdig. Heute Nachmittag hatte er doch gar nicht krank gewirkt?

Und wo war der Barkeeper, der sonst immer da war?

Nach einer langweiligen Stunde und einer schalen Cola machte sich Xander auf
den Weg nach Hause. Ohne Freunde war das Leben einfach tot. Tot? Das war
ein gutes Stichwort. Es war kurz vor Mitternacht, er war Mutterseelen alleine und
musste am Friedhof vorbei. Prima eingefädelt Xander Harris - du Dummkopf,
beschimpfte er sich selbst und schloss seine Hand um das Kreuz in seiner Jacke,
so wie den Pflock mit der anderen. Egal wer über die Mauer springen würde, er
war gewappnet.

Doch er hatte mehr Glück als Verstand. Der Friedhof lag hinter ihm und nichts
war geschehen. Machten heute Nacht sogar die Vampire eine Pause? Xander
kam das ganze immer merkwürdiger vor. Vielleicht sollte er morgen in der
Schulde ein Meeting einberufen. Alle zur Rede stellen, fragen was los ist. Wenn
selbst Giles begann schlampig zu werden?

"Hey - Abendessen!"


"Shit!" Xander blieb ruckartig stehen, als die Gestallt hinter einem Baum
auftauchte. Eindeutig Vampirisch. Wie man an den, bei diesem breiten Grinsen,
frei werdenden Zähne unschwer abstreiten konnte.

"Nett, dass du sogar noch ein wenig frische Luft für mich tankst. Schmeckt besser
- Frischfleisch."

"Und das soll mich jetzt irgendwie beeindrucken?" Xander wappnete sich gegen
einen plötzlichen Angriff. Man konnte bei diesen Monstern nie sicher sein.

"Keine Angst?" Der Vampir sah ihn misstrauisch an.

"Nö, und schon gar nicht vor so einem Angeber wie dir!" Xander schluckte. Der
Schweiß stand ihm auf der Stirn. Wo verdammt noch mal war Buffy, wenn man
sie brauchte?

"Ein guter Lügner bist du nicht," der Vampir knurrte und kam näher.

"Hab ich auch gar nicht behauptet!" Xander holte langsam den Pflock aus seiner
Tasche. Etwas, jemand?, wirbelte plötzlich aus dem Gebüsch, sprang den Vampir
an, schlug ihn mit einem doppelten Uraken k.o.

"Faith?" Xander war so was von erleichtert, dass er die Jägerin am liebsten
umarmt hätte. Wenigstens eine von den beiden nahm ihren Job hier noch ernst.
"Du weißt gar nicht wie froh ich bin dich zu sehen."

"Hm...irgendwie schwer vorzustellen," sie warf ihm einen abschätzenden Blick zu
und grinste. Dann zog sie ihren Pflock und verwandelte den Vampir zu ihren
Füssen in Staub. "Was treibst du hier alleine?"

"Nach Hause gehen," schlug Xander gedehnt vor.

"Oh. Ohne deinen sonstigen weiblichen Begleitschutz?" Faith steckte ihren Pflock
wieder in den Hosenbund.

"Also Begleitschutz würde ich das jetzt nicht nennen, aber Buffy und Willow sind
heute zu hause geblieben." Xander kam zu Faith rüber.

"Und Sunnydales Gigolo hat sich alleine auf die Socken gemacht?" Faith sah
Xander fast anzüglich grinsend an.

"Na ja, ist ja alles gut gegangen, oder nicht?" Xander ließ Faith einfach stehen.

"Warte mal, Cowboy. Ein Danke würde es auch tun." Faith eilte ihm hinterher.

"Sagte ich nicht schon Danke und ich wäre froh dich zu sehen?"

"So in etwa. Danke fürs Gespräch." Sie sah Xander hinterher und ließ ihn einfach
ziehen. Ihr war das sogar mehr als recht. Faith war eigentlich nur unterwegs
gewesen, weil eine Stimme in ihr sie dazu gezwungen hatte. Etwas in ihr wollte,
dass sie ihren Job erledigte. Die zweite Stimme in ihrem Kopf jedoch flüstertet ihr
immer wieder zu, in ihrem Motelzimmer zu bleiben, sich an ihrer neusten
Erwerbung zu freuen: ein alter Stoffhund. Genau solch einen, den sie sich immer in
echt von ihrer Mutter gewünscht hatte. Die selben Schlappohren, die braunen
Knopfaugen. Auch wenn sie sich hin und wieder eingestand, dass es in ihrem
Alter richtig kindisch war, an so etwas sein Herz zu verschwenden, so war sie
damit auch seit drei Tagen überaus glücklich.

Sie kehrte in ihr Motelzimmer zurück, warf die Jacke über einen der Stühle,
schaltete den Fernseher ein und kramte in ihrer Reisetasche. Sie hatte Doggy, wie
sie sentimental ihren Plüschhund genannt hatte, dort versteckt. Man konnte nie
wissen, wie diebisch verstohlen diese Motelbesitzer oder deren Personal war.
Nicht das jemand ernsthaft daran glauben würde, diesen recht abgewetzten,
gestopften Plüschhund zu stehlen, doch für Faith war es das wundervollste.

Sie setzte sich mit Doggy vor den Fernseher und begann gedankenverloren über
dessen Fell zu streicheln. Vor ihrem Auge entstand wie seit drei Tagen das
perfekte Bild einer Familie, die sie nie hatte. Sie saß im frisch gemähten Gras,
spielte mit ihrem kleinen Welpen, der um sie herum hüpfte. Ihre Vater, den sie
eigentlich nie richtig kennen gelernt hatte, stand auf der Terrasse und warf den
Grill an und ihre Mutter sah von Zeit zu Zeit nach dem Rechten, bevor sie
bekundete die Salate fertig zu machen. Faith würde am liebsten nie wieder Doggy
aus der Hand legen. Die Gefühle, die sie dabei empfand, wenn dieses Bild
entstand, waren so merkwürdig fremd, und doch konnte sie mit Sicherheit sagen,
dass sie sie mit Zufriedenheit und Geborgenheit erfüllten. Dinge, die bisher für sie
alles andere als Selbstverständlich waren. Sie hatte hier zwar in kürzester Zeit
neue Freunde gefunden, trotzdem kam sie sich immer wie das fünfte Rad am
Wagen vor. Und Giles blieb nun mal Buffys Wächter. Ihn würde sie nie für sich
gewinnen können.
Die nächsten Bilder in ihrem Kopf. Sie saßen am Tisch, sie redeten, ruhig,
gelassen, kein Brüllen, kein Gezeter, keine Ohrfeigen. Nur Familienidylle. Sie
aßen richtiges Essen, keine Mikrowellen-Plastik-Gedecke, kein Dosenfutter oder
Chipstüten, die man vor dem Fernseher in die Hände gedrückt bekam.

Faith schloss lächelnd ihre Augen und ließ sich auf das Bett sinken.


*****

Ein Sonnenstrahl bahnte sich seinen Weg durch das Fenster, vor das man in aller
Eile schlampig gestern einen schwarzen Vorhang zog. Unvorsichtig einen Spalt frei
gelassen hatte. Der Sonnenstrahl kroch über den Fußboden, weiter über die lange
Tafel und verweilte schließlich auf einem schwarzen Seidenärmel, an dessen Ende
eine blasse Hand mit einem darin festumschlossenen Kettchen herausragte, die
leicht zu rauchen begann.

Angel fuhr aus seinem nie enden wollenden Tagtraum hoch. Dieser Schmerz.
Verdammt, woher kam er? Der Schmerz wurde von seiner Hand ausgesandt. Er
sah auf sie, er sah den Rauch, entdeckte den hellen Sonnenstrahl, der
weitergewandert war. Wie unvorsichtig von ihm. Er schüttelte die Hand, verlor
das Kettchen. Er klemmte sich die Hand unter die Achsel. Das war schon mal viel
besser. Langsam beruhigte sich Angel. Er würde in Zukunft doch ein wenig mehr
auf sich aufpassen müssen. Über sich selbst verärgert ging er zu dem Fenster und
zog den Vorhang dichter.

Die Kette. Panik stieg ihn ihm hoch, auch wenn er sich einredete, dass er selbst es
gerade noch in der Hand gehalten hatte und er hier ganz alleine war. Also
wirklich? Wer sollte ihm es wegnehmen? Er ließ sich auf alle vieren fallen und zog
die Luft scharf ein, als er sich die Knie heftig anschlug. Aber die Kette, Kathy,
war wichtiger. Er fand es sofort und hob es mit einem erleichterten Seufzer hoch.

Der Tag war frisch angebrochen, für ihn gab es keinen Grund das Haus zu
verlassen, ohne sich ungewollt einen Sonnenbrand zuzuziehen, er konnte seinen
Tagträumen weiter nachhängen. Ein wenig Hunger verspürte er jedoch. Sein
Kühlschrank hatte einen beträchtlichen Vorrat an Blutkonserven.

Er entnahm ihm eine, riss den Beutel mit den Zähnen auf und trank gierig.

Dann ging er zu seinem Bett, legte sich darauf und nahm die Kette aus seiner
Hosentasche, wo er sie hin verstaut hatte, während er trank.

Kathy fuhr mit den Schlittschuhen lachend auf ihn zu und fuhr ihn einfach über den
Haufen. Kathy versuchte ihn zum Mitspielen zu überreden. Kathy feierte ihren
achten Geburtstag...

*****

Die Sonne war über Sunnydale aufgegangen, doch für die Uhrzeit war verdächtig
wenig los auf den Strassen. Vereinzelte Fußgänger auf dem Weg zu ihrer
Morgenschicht oder zum Bäcker konnte man entdecken, doch die gewöhnlichen
Aktivitäten: Straßenfeger, Kehrmaschinen, Müllautos, Zeitungsträger,
Pendler...blieben aus.

Leland Gaunt hing ein "Geschlossen"-Schild an seine Tür. "Wegen Ausverkauf"
stand etwas kleiner darunter. Gaunt lächelte zu Frieden. Seine Augen strahlten. Er
hatte es mal wieder geschafft. Alle Waren waren an die Frau, an den Mann
gebracht. Nun musste er nur noch Ernten und es schien gut zu laufen. Mr.
Garden, von gegenüber, hatte in der Nacht unerwartet Feueralarm gehabt,
während im Geschäft nebenan der Einbruchalarm los ging. Die Nacht über hatten
sich die Geschäftsnachbarn in den Haaren gelegen und beschuldigten sich
gegenseitig. Jeder stritt es ab. Obwohl sie der Wahrheit damit sehr nahe
gekommen waren. Mr. Finch hatte seine Schuld bei Leland Gaunt gestern Nacht
bezahlt, in dem er erst bei Mr. Garden ein kleines Feuer gelegt hatte und dann
nebenan einen Einbruchsversuch gestartet hatte. Sehr schön. Wenn selbst der
stellvertretende Bürgermeister sich fangen ließ.

Die Leute gingen heute wohl kaum vor die Tür, wie es aussah. Jeder hatte seinen
eigenen kleinen Schatz ergattert, den er auskosten würde. Und die stärksten
Gegner in diese Stadt würden bald selbst dafür sorgen, dass sie keine Gefahr für
ihn und seine Stadtübernahme werden konnten.

Sunnydale, der Höllenschlund, war für ihn besser als zwei Wochen
Hawaii-Urlaub. Leland lachte bei dem Gedanken laut auf und wandte sich seinem
leeren Laden zu, ehe er den nächsten Schritt planend in den Hinterraum
verschwand.

*****

Buffys Wecker schrillte. Doch sie ignorierte ihn. Schule war nicht wichtig. Sie
hatte nicht einmal ein Auge in dieser Nacht zu gemacht. Aber das musste sie auch
nicht. In ihrem Traum gefangen, hatte sie keine Schlafbedürfnisse. Nur ganz leise
hatte ein Stimme in ihrem Kopf versucht sie zu ihrer Pflicht zu überreden. Aber sie
hatte keine Chance. Buffy genoss zu sehr, die Bilder von ihrem "Menschlichen"
Angel, als das irgendetwas noch eine Rolle spielte. Noch immer waren sie in dem
kahlen Raum, beherrscht von dem gewaltigen Himmelbett, in dem sie eng
umschlungen aneinander gekuschelt lagen, sich in die Augen blickten und sich
darin gegenseitig verloren. Sie lächelte leise und Angel erwiderte es bevor er sie
sanft küsste und sie es einfach geschehen ließ.

Eine Tür klappte, der Wecker hörte auf zu nerven. Sie seufzte erleichtert. Welch
Segen.

Angels Hand wanderte von ihrer Hüfte weiter nach unten, liebkoste ihre
Schenkel, wanderte wieder ein Stück weiter nach oben, brachte sie dazu mehr zu
wollen.

"Buffy?" Ein Rütteln an ihrer Schulter, so unsanft, so ganz anders...."Buffy, hörst
du mich?"

"Hmpf....?"

"Schule?" Ihre Mutter. Die Stimme drang sehr langsam zu ihr durch, nur ungern
ließ sie das Bild von Angel ziehen, bis sie ihre Mutter erkannte, die sie besorgt
anblickte, jedoch auch eine Spur zu übermüdet aussah.

"Hab ich verschlafen?" Murmelte Buffy.

"Nun, so wie du aussiehst, hast du kein Auge zu gemacht. So blass. Ich sollte mal
mit Mr. Giles reden. Er kann dich doch nicht so hart herannehmen. Er sollte
wirklich mehr auf dich achten," Joyce schüttelte den Kopf. "Frühstück in zehn
Minuten, Schatz." Damit verschwand sie.

Buffy sah ihr sauer hinterher. Was musste ihre Mutter immer so schrecklich
vernünftig sein. War sie denn nicht in dem neuen Laden gewesen? Warum musste
sie sie ausgerechnet jetzt stören?

Ihr Blick wanderte auf das Kreuz. Sie ließ es los und blinzelte zu ihrem Wecker.
Oh verdammt. Sie war spät dran und dazu musste sie noch vorher bei Giles
vorbeisehen und mal nachfragen, was jetzt mit dem schrecklichen Thezûkan los
war. Sonst schöpft er am Ende noch verdacht.

Buffy sprang aus dem Bett, stecke sich das Kreuz aber sicherheitshalber in den
Hosenbund ihres Pyjamas. Ihr Heiligtum sollte niemand anders in die Finger
bekommen.

*****

Giles fuhr hoch, als die Schulglocke zur ersten Stunde läutete. Für einen Moment
war er völlig orientierungslos. Dann besann er sich auf gestern Nachmittag und
blickte erstaunt auf die Thesula-Kugel. Hatte er hier wirklich den gesamten
Nachmittag einschließlich der Nacht verbracht?
Er stand auf und seine Knochen ächzten, sein Nacken war verspannt und er
straffte den Rücken. Das war ein eindeutiges Ja auf seine Frage.

Er fasste die Thesula-Kugel nicht an. Auch wenn in ihm alles danach drängte, sie
zu verstecken. Die Bibliothek war nicht unbedingt ein sicherer Ort. Diebe gab es
überall, auch unter den Schülern. Doch er wusste, wenn er sie wieder anfassen
würde, wäre es erneut um ihn geschehen. Er brauchte sie jetzt nur noch leicht zu
streifen, um Jennys Bild zum Leben zu erwecken.

Und er wollte nicht wieder einen Tag verlieren. Es gab wichtigere Dinge. Er
erinnerte sich dunkel an dieser Sache mit dem Dämonenkönig Thezûkan
gearbeitet zu haben. War Buffy gestern Nacht hier gewesen? Halt, er hatte ihr ja
frei gegeben. Hatte er das wirklich? Oh wie unvernünftig. Es wurde Zeit, sich
zusammen zu reißen. Die Arbeit aufzunehmen. Doch dann fiel sein Blick zurück
auf die Kugel und das Verlangen danach wurde unerträglich.

Die Bibliothekstüre klappte auf und zu. Schritte. Giles sah zur angelehnten
Bürotüre. Hin und her gerissen zwischen seinem Verlangen und der Pflicht.

"Giles?"

Xanders Stimme drang zu ihm ins Büro. Die Pflicht siegte. Auch wenn es ihm weh
tat die Kugel offen auf seinem Schreibtisch liegen zu lassen.

"Xander, was machst du so früh hier?" Giles kam aus seinem Büro und sah ihn
übermüdet an. Xander gefiel nicht was er sah. Gestern hatte Giles "nur"
verschlafen. Aber bedeutete das, dass der Ärmste dafür dann die ganze Nacht
hier durchschuften musste?

"Wir müssen uns dringend unterhalten!" Beantwortet Xander nicht Giles Frage
und nickte in Richtung Büro.

Giles erwiderte nichts, sondern nickte stumm und ließ Xander voraus gehen,
bevor er ihm zurück in sein Büro folgte.

****

Oz saß hinter dem Steuer seines Vans. Er umklammerte das Lenkrad so fest, das
seine Knöchel weiß hervortraten. Sein Blick war auf die alte Lagerhalle am Hafen
gerichtet, die als ihr Proberaum diente. Jeden Dienstag und Freitag kamen die
Dingoes hierher. Heute war Mittwoch. Oz wusste, er würde den ganzen Tag
ungestört sein. Sein Blick wanderte nach rechts, auf den Beifahrersitz. Neben ihm
lag sein Gitarrenkoffer und darin befand sich außerdem sein gestern erstandener
Gitarrenchip. DER Chip, schlecht hin. Jimis Chip. Er löste die rechte Hand vom
Steuer und strich liebevoll über den Koffer. Noch gestern hatte er geglaubt nur
die Musik und Willow über alles zu lieben. Doch nun gab es noch Jimi. Etwas
verwundert schüttelte er den Kopf, stieg aus und schnappte sich den
Gitarrenkoffer. Er sprang auf die ehemalige Laderampe und schloss das schwere
Vorhängeschloss auf, schob die große Türe auf und betrat den dunklen Raum,
der durch ein paar Risse im Dach und ungenau verarbeitete Wellblechplatten von
einzelnen Sonnenstrahlen erhellt wurde. Nicht viel, aber es reichte Oz um sich zu
orientieren. Dann schloss er hinter sich die Türe und ging in die Ecke, wo sie ihr
Schlagzeug, den Verstärker mit den Boxen und Mikrofone aufbewahrten.

Er schloss den Verstärker an, schaltete ihn ein, der sich daraufhin mit einem
dumpfen "POP" bemerkbar machte und mit rauschenden, kratzenden Geräuschen
im Lautsprecher. Oz ließ die Verschlüsse an seinem Koffer aufspringen, nahm die
Gitarre heraus, schloss das Kabel an den Verstärker an und hängte sie sich um.

Er bückte sich nach dem Chip und hob ihn auf. Er schloss die Augen und wartete
auf das Kribbeln, das ihn seit gestern packte, wenn er den Chip nur anfasste. Es
begann ganz leicht im Magenbereich und breitete sich schnell über seinen Körper
aus, bis er sich leicht schüttelte, als das Gefühl zu stark wurde.

Er öffnete die Augen und griff den ersten Akkord. Er schlug in die Seiten, brachte
die Seiten zum erklingen und auf einmal war um ihn Lärm, eine tosende Menge,
Bühnenlicht strahlte ihn an, hinter ihm begann das Schlagzeug sich langsam
hochzuschaukeln, die Sonne brannte auf die Besucher vor ihnen, die auf dem
Rasen saßen, standen, herumalberten.

"Wow", kam Oz flüsternd über die Lippen. Er sah neben sich und da stand er.
Jimi Hendrix. Leibhaftig. "Wow..." Oz wusste nicht wie ihm geschah, also spielte
er einfach drauflos. Die Akkorde kamen wie von selbst, sein eingelegtes Duo mit
Jimi - als hätte er sein Leben lang nichts anders gemacht. Die Menge forderte
mehr, Zugaben, und sie lieferten sie ihnen.

****

Als Xander in Giles Büro eintrat fiel sein Blick sofort auf die Thesulakugel, die auf
Giles Schreibtisch lag. Er sagte jedoch fürs erste nichts dazu, sondern suchte nach
einem freien Stuhl. Er musste ihn erst unter einigen alten Büchern freischaufeln.
Giles blieb im Raum stehen und sah Xander erwartungsvoll an.

"Nun...?"

"Uhm...Giles...ich...also ich weiß nicht wo ich anfangen soll, aber irgendetwas
stimmt nicht."

Giles zog den Mundwinkel nach oben und seine Stirn legte sich fragend in Falten.
"In wiefern, stimmt wo was nicht?"

"Nun, es verhalten sich alle so merkwürdig. Gestern, gestern ist ein gutes
Beispiel." Xander rutschte nervös auf dem Stuhl herum. Es war schwer in Worte
zu fassen, was er gestern beobachtet hatte, was er verdächtig fand. "Ich war mit
Willow in diesem neuen Laden und sie kaufte dieses teure Buch. Dieses sehr, sehr
teure Buch," fügte er für Giles als kleinen Hinweis hinzu.

"Aha?"

"Teuer? Willow gleich Schülerin?" versuchte Xander es erneut. "Und dann Oz. Er
kam nachmittags aus dem Laden und abends hieß es die Dingoes treten nicht auf,
weil Oz krank sei, aber er war völlig gesund. Und der Barkeeper hat gefehlt,
Cordy war abweisend und Buffy war gestern und vorgestern nicht auf Patrouille."
Setzte er etwas triumphierend oben drauf, denn wenn Giles ihn bei jedem Punkt
zweifelnder angesehen hatte, wenigstens hier müsste er aufhorchen. Doch Xander
wurde überrascht.

"Nun, ich kenne mich nicht mit Willows Finanzen aus, aber es geht uns beide
nichts an, für was sie ihr Geld ausgibt, oder? Und ob Oz bis zum Abend sich den
Magen vielleicht verdorben hat, wissen wir auch nicht. Cordelias Art und
Sprunghaftigkeit kennen wir alle nur zu gut. Das ist nichts neues. Und wenn Buffy
gestern nicht auf Patrouille war, hast du dir schon mal überlegt, ob ich ihr nicht
einfach eine Nacht freigegeben habe?"

Xander sah erstaunt zu Giles hoch.
"Frei...was? Mr. Perfect und Sklaventreiber in einem gibt Buffy frei?"

Giles sah Xander leicht strafend an, was dieser jedoch mit einem breiten Grinsen
ignorierte.

"Nun...uhm...ja...eh," Giles wurde sich auf einmal unsicher. Und er wusste auch,
das Xanders Erstauntsein berechtigt war. "Ich dachte...es täte ihr und mir einfach
mal gut, auszuschlafen."

"Aha..." Xander schüttelte ungläubig mit dem Kopf. "Im Zeichen von diesem uhm
Thezûkan, wollten sie sich einfach mal frei nehmen, ja?" Xander stand auf und
ging zu Giles Schreibtisch. Giles Blick folgte ihm misstrauisch. Panik kam in Giles
auf. Seine Kugel. Sie lag schutzlos da. Xander würde sie ihm wegnehmen. Davon
war er überzeugt. Aber das war seine Kugel.

"So...sie haben sich einen neuen Briefbeschwerer gekauft?" Xander wollte nach
der Kugel greifen, als Giles plötzlich neben ihm war, ihn unsanft zur Seite schubste
und die Kugel an sich riss.

"Das geht dich erstens nichts an, zweitens ist das meine Angelegenheit, und
drittens gehst du jetzt besser."

Xander sah Giles durcheinander und überrascht an. Was war denn das eben
gewesen? Alleine die Erinnerungen, die Giles wohl mit dieser Kugel verband,
konnten daran nicht schuld sein.
Oh, natürlich - Willow hatte doch gestern genau so reagiert, als er nachdem Buch
griff...

"Sie haben das nicht zufällig im neuen Laden gekauft?"

"Selbst wenn, es geht dich nichts an."

"Verstehe...e-entschuldigung. Uhm...ich geh dann besser in den Unterricht."
Xander hatte es auf einmal sehr eilig, die Bibliothek zu verlassen. Verdammt eilig
sogar. Er würde Buffy aufsuchen und sie fragen, was sie davon hielt. Warum sie
zwei Tage lang nicht auf Patrouille gewesen war.

Kaum war die Tür hinter Xander zu gefallen, entspannte sich Giles. Die Kugel
schloss er in seinen Schreibtisch ein, den Schlüssel versenkte er in seiner
Hosentasche. Erst dann wurde ihm bewusst, wie erschreckend sein Verhalten
gerade auf Xander hatte wirken müssen. Nachdenklich sah er zur Tür, ehe er sich
auf seine Arbeit konzentrieren konnte.

*****

"Hey Will," Buffy drängelte sich an zwei Schüler vorbei, die irgendwie wirklich
geschickt breit im Flur standen, und gesellte sich zu Willow an deren Spind.

Willow hörte zwar Buffy, konzentrierte sich aber ganz darauf zu entscheiden, ob
sie das Buch in ihrer Hand im Spind nun einschloss oder nicht. Es wurde ihr ein
Stück zu unheimlich. Diese Anziehungskraft, das Verlangen danach, dass sie
sogar vom Unterricht ablenkte.

"Hey, träumst du? Oder was?" Buffy lehnte sich gegen den Spind neben Willow
und grinste ihre Freundin an, die sie seltsam abwesend ansah.

"Eh...nein...Hi Buffy," Willow versuchte zu lächeln.

"Du siehst irgendwie übermüdet aus." Buffy warf einen neugierigen Blick in
Willows Spind.

"Du aber auch." Willow schloss schnell die Türe, bevor Buffy das Buch
registrierte, schloss ab und war für den Unterricht gewappnet. "Was stellen wir
heute an?"

"Unterricht, Willow?" Schlug Buffy gespielt vorwurfsvoll vor. "Wäre ne Idee,
oder?"

Willow grinste, obwohl sie gedanklich schon wieder bei dem Buch war. Mr. Price
ging ihr auch nicht mehr aus dem Kopf. Sie fühlte sich so schuldig.

"OH MEIN GOTT. WELCHE NIEDERTRÄCHTIGE, GEMEINE PERSON -
schaut euch das an," Cordelias Stimme drang über den ganzen Flur. Buffy warf
Willow einen erstaunten Blick zu, ehe sie sich schnell einen Weg zu Cordy frei
schob, denn eine kleine Gruppe Neugierige hatte sich schon vor ihrem Spind
eingefunden.

"Cordy, was...oh," Cordelia stand vor ihrem Spind, der mit gelben und pinken
Notizzetteln beklebt war. Auf einigen stand "Flittchen!", auf anderen wieder
"Schlampe".

"Buffy, gut das du da bist. Schau dir das an, überall. Heute morgen hingen diese
Zettel schon überall auf meinem Auto und dann das hier." Sie schlug ihren Spind
auf und auch dort klebten die Zetteln.

"Also..." Buffy sah ratlos zu Cordelia und grinste plötzlich. So was musste ja
früher oder später mal passieren. Ein verletzter Liebhaber.

"Meine Herrschaften, in die Klassenzimmer, hier gibt es nichts zu sehen. Aber
etwas plötzlich." Rektor Snyders Stimme durchschnitt die Luft und der kleine
Mann stand keine zwei Sekunden später bei ihnen.

"Ms. Summers. Wieso überrascht mich das nicht?" Snyder sah sie durchdringend
an, doch Buffy hielt seinem Blick stand, ehe er sich an Cordelia wandte und dann
zum Spind sah. Sein Mund klappte auf und seine Augen weiteten sich.

"Um Himmels willen. Wer hat das getan?"

"Wenn wir das wüssten...", ließ Buffy es unausgesprochen im Raum stehen und
Snyder sah sie giftig an.

"Geht alle in eure Klassenzimmer. Ich, werde das entfernen." Bot sich Snyder
überraschend an. Buffy musste einfach grinsen und dreht sich schnell ab, nur um
Willows entsetztes Gesicht zu sehen. Willow sprach solche Worte nicht einmal
aus, es stand in Frage, ob sie sie überhaupt je dachte. Sie hier so offen stehen zu
sehen, musste ihr unangenehm sein. Willow sagte jedoch nichts.

"Gut, wenn sie das tun wollen...mir ist das überaus recht. Also wirklich, wie
gemein muss man denn dazu sein?" Cordelia entschwand bereits in Richtung
Klassenzimmer.

"Komm Will, ich geh zu Giles. Gehst du mit? Das muss ich ihm erzählen."

Willow schüttelte den Kopf. "Ich sollte mal lieber zu Englisch gehen. Der Test
übermorgen?"

"Oh...ja...uhm...ich denke...ich entscheide mich doch für Giles," Buffy ließ Willow
stehen.

Während Willow Cordy zu Englisch folgte, schlich sich Jonathan hinter Snyders
Rücken aus dem Abstellraum und verschwand im Schulflur. Er hatte das nicht
gewollt. Nein, wirklich nicht. Er mochte Cordy. Sie war ein ungemein attraktives
Mädchen. Für ihn unerreichbar. Er war nur für die Milchkaffees im Bronze gut
genug. Aber er hatte es tun müssen, wollte er den kleinen Schlüsselanhänger in
Form einer Enterprise behalten, der ihm so schön vorgaukelte berühmt zu sein.
Mr. Gaunt ließ nichts anderes zu. Handel war Handel, hatte er gestern zu ihm
gesagt. Deshalb hatte sich Jonathan im Schreibwarenladen mit diesen
selbstklebenden Zetteln eingedeckt und in der Nacht Cordys Auto dekoriert und
als erstes heute morgen ihren Spind. Er fühlte sich schlecht, aber auch irgendwie
heldenhaft und er würde sich auf heute Nachmittag freuen, wenn er mit seinem
Schlüsselanhänger sich zu Jonathan Superstar entwickelte.

****

Buffy stieß die Bibliothekstüre auf und sah Giles am Konferenztisch sitzen. Als
wäre er dort angewachsen, dachte sie im stillen.

"Hi Giles,"

Giles sah hoch und lächelte ihr entgegen.

"Hallo Buffy. Gut das du vor dem Unterricht vorbei kommst. Ich habe gerade
etwas interessantes über Thezûkan entdeckt..."

"Oah Giles...langsam, langsam." Buffy grinste ihren Wächter an. Dafür, dass er
gestern verschlafen hatte, schien er heute 200% leisten zu wollen. "Thezûkan -
ja? Hm...kann der schnell eine Minute warten?"

Giles sah Buffy skeptisch an. Hoffentlich begann sie nicht auch davon, dass sich
die Leute merkwürdig verhielten, er mit eingeschlossen. Er nickte betont langsam.

"Sie glauben kaum, was gerade eben passiert ist. Irgendein verschmähter
Liebhaber von Cordy hat ihren ganzen Spind mit bunten Zetteln verziert."

"Und...?"

"Na ja, er war nicht gerade nett mit der Wortwahl und Betitelung!"

Giles zog eine Augenbraue hoch, nicht sicher, ob er Details wissen wollte, daher
drehte er sich zum Schreibtisch und nahm eine der Schriftrollen.

"Wirklich - faszinierend, aber könnten wir nun, dann uh...zur Arbeit übergehen?"
Giles hoffte nicht auf das Thema mangelnde Pflicht zu sprechen zu kommen. Er
konnte ihr sicher nicht den Vorwurf machen. Wer im Glashaus sitzt sollte nie den
ersten Stein werfen.

"Gerne!" Buffy war enttäuscht das Giles nicht nachgeharkt hatte. Dafür war sie
erleichtert, dass er keine Fragen über die Patrouille stellte, was die letzten beide
Nächte betraf.

Buffy sah zur Uhr. Englisch war nicht unbedingt wichtig, oder? Sie setzte sich mit
an den Tisch. "Na dann schießen sie mal los, aber...Giles? Die Kurz..."

"-fassung, ich weiß," fiel ihr Giles ins Wort. Manche Dinge änderten sich wohl nie.
"Ich habe diese Rolle gestern morgen übersetzt und gerade eben noch einmal
überarbeitet. "Thezûkan, wird in Menschengestallt auf Erden wandeln"," Giles
tippte auf eine Reihe von krakeligen Schriftzeichen und Buffy zuckte mit den
Schultern. Er war hier der 5 Sprachenexperte.
"Das heißt, wir werden ihn nicht unbedingt bei seiner Ankunft bemerken. Als
Mensch stehen ihm alle Türen offen. Er kann hier Lehrer sein, er kann der Bäcker
um die Ecke sein, der Zeitungsjunge...unerkannt. Und somit wird er die Zeit und
Ruhe haben, seine Pläne zu verfeinern."

"Und wie sollen wir ihn dann erkennen?"

"Daran uhm arbeite ich gerade noch."

"Fein...soll ich ihnen irgendwie helfen?"

"Nun," Giles Blick wanderte zur Uhr. "Wenn du dich beeilst...dann hast du nur
zehn Minuten verpasst..."

"Gut, wenn sie meinen, dann zieh ich mir Englisch rein. Sie sehen mich überaus
begeistert von dannen ziehen?" Buffy schnappte sich ihre Tasche und verließ die
Bibliothek, froh, dass das Gespräch keine Unangenehmen Überraschungen für sie
parat gehabt hatte.

Und auch Giles nahm erleichtert wieder platz, seine Brille wanderte auf den Tisch
und er rieb sich übermüdet die Augen. Er wusste, dass er im Moment alles andere
als 100% leistete und trotzdem sehnte er sich nach der Kugel in seiner Hand. Er
versuchte sich nicht ablenken zu lassen und nahm eine andere Rolle zur Hand.
Doch es nützte kaum

*****

Am späten Nachmittag lenkte Oz seinen Van in die Auffahrt seines elterlichen
Hauses. Er hatte irgendwann vor Erschöpfung den Chip aus der Hand fallen
gelassen und dabei erstaunt festgestellt, dass er ganze sieben Stunden in der
Lagerhalle mit spielen zugebracht hatte. Sein Hals war ganz trocken, seine Lippen
spröde und sein Kopf schwirrte. Oz hatte da beschlossen einzupacken und nach
Hause zu gehen, bevor das ganze noch gesundheitliche Schäden nach sich zog.

Er nahm den Gitarrenkoffer an sich und ging auf sein Zimmer. Seine Eltern waren
wie immer noch bei der Arbeit und Oz beschloss Nahrung zu sich zu nehmen und
dann eine Runde zu schlafen. Vielleicht Willow kurz anzurufen, kam ihm in den
Sinn.

In der Küche kaum angelangt, klingelte das Telefon. Sicher Willow, die wissen
wollte, wo er den ganzen Tag über gesteckt hatte. Was würde er ihr sagen?
Kopfschmerzen, verdorbener Magen? Er war ja nicht einmal gestern ins Bronze
gekommen, obwohl sie einen Auftritt hatten.

"Osbourne?"

"Daniel Osbourne?" fragte ihn die andere Seite. Männlich, angenehme Stimme,
aber Oz nicht bekannte. Definitiv nicht Willow.

"J-a?" Gab er daher etwas zögerlich zu.

"Oh hier Gaunt, Lealand Gaunt."

Oz zog erstaunt die Augenbrauchen in die Höhe. War etwa schon Zahltag?

"Oh, Mr. Gaunt."

"Hör mal...du erinnerst dich sich an unser kleines Gespräch von gestern ja? Ich
denke es wird zeit, dass du tust, um was ich dich gebeten habe."

Oz wollte gerade antworten, als ein lautes "RUMMS" und das Vibrieren der
Fensterscheiben ihn erschrocken zusammen zucken ließen. Für einen Moment
war die Küche erhellt worden, dann hörte Oz laute Stimmen.

"Mr. Gaunt...uhm...ja...ich tu's. Ich muss Schluss machen. Es scheint was passiert
zu sein. Bye." Und damit legte er schon wieder auf und riss die Hintertüre auf. Ein
Auto brannte.

 

TEIL 2