Diese Geschichte entstand in den Wirren meines Geistes und ich bin für nichts verantwortlich zu machen (glaub ich wenigstens) :).

Erwähnen möchte ich hier dann doch die drei netten Damen, die sich aufgeopfert haben, sich durch diese Geschichte zu wühlen um meine Unwissenheit in Deutsch zu korrigieren, obwohl sie gar nicht verstanden um was es geht. Traurigerweise ist ihnen nämlich Highlander und Mission Erde fremd - Trotzdem - ihr habt ein (wahrscheinlich eher einen ganzen Kasten) Bier bei mir gut!

Die "netten" Charaktere aus Highlander und Mission Erde gehören leider nicht mir und ich verwende sie nur zum Vergnügen und nicht zu kommerziellen (was ist das eigentlich?) Zwecken und so weiter und so fort. Was Jara, Shelley, Trester, Matran und M'Bet'Sharan's betrifft, so sind das meine Croutons ... äh ... Kreationen.

Nachdem das hier mein Erstlingswerk ist, bin ich auf Feedback (positiv oder negativ) ganz heiß - verständlicherweise ist mir zwar Ersteres lieber, aber selbst Nicht-Menschen, Unsterbliche und vor allem Sterbliche lernen ja nie (aus).

Viel Spaß beim Lesen!


M'Bet'Sharan (Teil1)
von Minno



Der Regen prasselte an die Fenster seiner Wohnung und hinterließ schmutzige Schlieren auf dem Glas. Er ignorierte dies genauso, wie die Kartons, die hinter ihm das Zimmer füllten und bereits eine dicke Staubschicht ansetzten. Er haßte Umzüge. Seit fast einem Jahr wohnte er bereits hier, hatte es aber noch nicht geschafft, die Umzugskartons auszupacken. Er wollte sie nicht auspacken, denn das würde bedeuten er würde wieder ein Zuhause haben ... doch für ihn gab es so etwas wie ein Zuhause - er ließ sich das Wort langsam noch einmal durch den Kopf gehen - nicht mehr. Seit Amys Tod, war alles anders geworden. Nur wenige wußten, wo er war ... um genau zu sein, nur zwei seiner Freunde ... sofern er sie als das bezeichnen konnte. Gedankenverloren blickte er auf die trostlose Gasse unter ihm. Das Bier in seiner Hand war bereits lauwarm, doch er hatte nur einmal kurz daran genippt. Schemenhafte Gestalten schlurften durch die Dunkelheit, die von den wenigen, nicht zerbrochen Laternen unterbrochen wurde, auf der Suche nach einem trockenen Platz für die Nacht. Erinnerungen an andere Städte und andere Zeiten wirbelten durch seinen Kopf. Wie oft hatte er das alles schon gesehen ... wie oft würde er das noch sehen? Menschliches Treibgut war eines der Dinge, die sich wahrscheinlich nie veränderten. Auf eine Art gehörte auch er dazu.
Seine Aufmerksamkeit wurde auf das Ende der Gasse gelenkt. Eine Kreatur, gehetzt und gejagt, rannte ... stolperte ... humpelte weiter in die Gasse hinein. Scheinwerferlicht erfüllte die Gasse. Das Blaulicht des Streifenwagens zuckte über die Wände der Häuser. Überall sah man Schatten, die sich tiefer in die Finsternis drückten. Auch die Kreatur hatte Zuflucht zwischen Bergen von Müll und Dunkelheit gefunden. Der Streifenwagen rollte langsam weiter und gab die Suche schließlich erfolglos auf.
Der Wasserhahn in der Küche gab ein lautes, fast trotziges Gurgeln von sich und lenkte ihn kurz ab. Als er sich wieder dem Fenster zuwandte, war es unter ihm wieder still und düster geworden. Zögernd bewegte sich der Abfallberg. Langsam stolperte die Kreatur weiter, kraftlos und gekrümmt. Im Lichtschein der nächsten Straßenlaterne erkannte er in ihr eine weibliche Gestalt, deren feuerrotes Haar in nassen Strähnen am Kopf klebte. Sie stolperte, stürzte hart und blieb regungslos liegen. Erinnerungsfetzen durchzuckten seine Gedanken. Shelley???
Die Bierflasche landete auf dem Boden und ihr Inhalt floß auf den Linoleumbelag, doch Joe bemerkte es nicht mehr. Er hastete so schnell er mit seinen künstlichen Beinen konnte die Treppe hinunter. Mit Schwung stieß er die Hintertür auf und lief hinaus in die feuchte kalte Nacht.
Ein dunkles stöhnendes Bündel lag am Boden unter der Laterne und krümmte sich vor Schmerzen in einer immer größer werdenden Blutlache. Ihren Pullover zierten auf der Rückseite drei ausgefranste, rot umrandete Löcher. Vorsichtig drehte er sie herum. Die kleinen Löcher im Rücken waren nichts, im Vergleich zu den faustgroßen, die er jetzt sah. Er hatte Schußwunden schon zu oft gesehen, als daß sie ihn noch schockierten. Ihre dunklen, fast schwarzen Augen starrten ihn ausdruckslos an. Den Streifen frischen Blutes, den ihre Hand auf seiner Hose hinterließ, bevor sie kraftlos zu Boden fiel, ignorierte er. Ihr Gesicht hielt ihn im Bann. Sanft strich er dem Mädchen eine Strähne aus dem Gesicht. Seine Kehle war wie zugeschnürt. Nicht auch noch Shelley, das durfte einfach nicht sein, sie war doch noch ein Kind. Am liebsten hätte er seinen Protest in die Nacht hinaus geschrien, doch was würde das nützen. Keiner konnte sie mehr lebendig machen.
Etwas Unglaubliches zog seine Aufmerksamkeit an. Über ihre Wunden zuckten kleine weiße Blitze und langsam ... sehr langsam begannen sie zu heilen. Eine näherkommende Polizeisirene ließ ihn aufschrecken. Sie war eine Unsterbliche? Konnte das wirklich wahr sein? Erleichterung machte sich in ihm breit und er lachte vor Freude leise in sich hinein. Das was jetzt geschehen würde, brauchte keiner zu sehen - schon gar nicht die Polizei. Er hob sie hoch und ächzte unter ihrer Last. Vorsichtig und gewissenhaft sah er sich noch einmal um, ob ihn jemand beobachtete.
Die Gasse schien wie ausgestorben. Es kostete ihn einige Mühe, das Mädchen bis in seine Wohnung zu tragen. Etwas außer Atem legte er sie vorsichtig auf sein Bett. Die Blitze über ihrer Wunde wurden intensiver. Na toll, jetzt bin nicht nur ich angesaut, sondern auch noch mein Bett - na die Matratze werde ich vergessen können. Aber Shelley lebt und das ist eine Million Matratzen wert.
Nachdem er sich frische Sachen angezogen hatte, setzte er sich in den gemütlichen Sessel, der in der hinteren Schlafzimmerecke stand und wartete, ohne seinen Gast auch nur eine Sekunde aus den Augen zu lassen. Wie schon so oft betrachtete er die beiden Narben in ihrer rechten Gesichtshälfte. Die eine lief von der Stirn über das Augenlid und Wange knapp an der Nase vorbei durch die Lippen und endete kurz unter dem Mund. Die andere begann fast am Ohr und endete am Mundwinkel. Selbst jetzt, trotz ihrer Bewußtlosigkeit, schien sie die Welt mit besserwisserischem Spott zu belächeln. In ihren fast schwarzen Augen, war jedoch selten ein Lächeln zu finden. Teile einer Tätowierung war auf ihrem Hals zu sehen, der Rest wurde von einem alten von trocknendem Blut getränkten Pulli verdeckt. Ihre Jeans hatte auch schon bessere Zeiten gesehen und die Füße steckten in schweren zerkratzten Stiefeln. Sie wirkte verwahrlost und Joe fragte sich, was wohl geschehen war, seit er sie das letzte mal gesehen hatte. Ihm kam der Gedanke, seinen Freund anzurufen. Es würde besser sein, wenn ein Unsterblicher in der Nähe war wenn sie aufwachte. Bedächtig wählte er die Nummer. Ein Klicken in der Leitung, als am anderen Ende der Hörer abgenommen wurde.
"MacLeod."


***


"Augur, was ist los? Konntest du was in Erfahrung bringen?" fragte Liam ungeduldig über sein Global.
"Leider nicht, aber wir müssen uns treffen und zwar dringend!" forderte Augur.
"Du weißt, daß das momentan unmöglich ist. Zo'or hat höchste Alarmstufe ausgelöst, seit das passiert ist. Ich kann hier nicht weg. Was gibt's denn so Dringendes?"
"Jemand ist auf der Suche nach dir. Jemand der anscheinend etwas mehr weiß als ..." Er ließ den Satz absichtlich unvollendet. "Wir müssen das unbedingt besprechen." Liam schwieg einen Moment verblüfft.
"Ich werde sehen was ich tun kann." Hastig klappte Liam sein Global zusammen. Seit der Flucht ging es auf dem Mutterschiff drunter und drüber. Zum ersten Mal bemerkte er bei Zo'or Angst - Todesangst.
Da'ans Mine hatte sich seit dem Vorfall auch nicht aufgehellt. Es schien als brauten sich hier dunkle Gewitterwolken zusammen, jeden Moment bereit ihre zerstörerische Macht freizugeben. Und das alles wegen einer Frau, die vor knapp drei Tagen sein Shuttle kaperte...


***


Mutterschiff vor 3 Tagen

"Major Kincaid, würden sie mich bitte zurück in die Botschaft bringen."
"Aber natürlich. Die Konfiguration der Shuttlesysteme müßte bereits abgeschlossen sein. Wir können also gleich starten, Da'an." Gemütlich schlenderten die beiden zum Shuttlehangar. Das neue Portal, das in Lima gebaut werden sollte, hatte bei Da'an und Zo'or wieder einmal zu Streitigkeiten geführt, da die Transportwege durch unerforschtes Gebiet führten. Da'an wollte einen Zwischenfall wie den letzten unbedingt vermeiden. Dieser hatte ihrer Sache schon genug Schaden zugefügt. Liam bemerkte Da'ans düstere Stimmung und beschloß sich unterhaltungsmäßig zurückzuhalten. Ein Techniker war gerade in die Steuerleitungen in der hinteren Shuttlewand vertieft, als Liam und Da'an im Hangar ankamen.
"Bin so gut wie fertig!" rief die Technikerin - wie Liam an der Stimme erkannte - ohne aufzusehen, als sie die beiden bemerkte. Liam schwang sich in den Pilotensitz, während Da'an auf einen der Sitze Platz nahm und die Sicherheitsbügel anlegte. Er hörte noch, wie Da'an scharf die Luft einsog, bevor etwas Kaltes, das plötzlich seinem Nacken berührte, Liam erstarren ließ.
"Starte oder Du und der Taelon werden sterben!" flüsterte eine gefährlich leise Stimme an seinem Ohr. Sein Versuch sich umzudrehen wurde von einem noch stärkeren Druck auf sein Genick beendet.
"Major Kincaid, tun Sie was 'Es' sagt", befahl Da'an angsterfüllt. Er gehorchte, wenn auch widerwillig. Langsam verließ das Shuttle den Hangar und beschleunigte dann Richtung Erde zu den Koordinaten, die sie ihm nannte.
"Hören Sie ..." Der Lauf der Waffe wurde ihm wiederum schmerzhaft ins Genick gestoßen.
"Halt's Maul!" Liam entschied, daß es besser war ihr zu gehorchen, schließlich hatte sie momentan die besseren Karten. Da'an sprach sie in Taelon an und zu Liams Erstaunen antwortete sie ihm in der gleichen Sprache.
"Das tut mir leid", brachte Da'an in menschlicher Sprache scheinbar bestürzt hervor. Liam hörte ihr abfälliges Schnauben.
"Du weißt doch nicht einmal was diese Worte bedeuten. Keine Sekunde in dieser Hölle tut dir leid Taelon!" fuhr sie ihn an. Da'an wand den Kopf zur Seite und sein Körper wurde von blauen Energiespuren durchzogen, bevor er wieder zu seinem menschenähnlichen Aussehen zurückkehrte. War sie eine Gefangene der Taelons gewesen? Liams Neugierde an der Sache war geweckt. Der Rest des Fluges verlief in absolutem Schweigen. Sanft landete er das Shuttle an der von ihr angegebenen Position. Dichtes Gebüsch umgab die kleine Lichtung im Wald.
Ein stechender Schmerz im Nacken ließ Sterne vor Liams Augen explodieren, bevor er in ein friedliches Dunkel hinüberschlummerte. Als er in den Armen Da'ans wieder zu sich kam, war sie verschwunden.


***

Knappe 10 Stunden nach Augurs Anruf lies sich Liam erschöpft in dessen Sessel fallen. Müde rieb er über sein Gesicht, das ein Zweitagebart zierte.
"Leg einen Zahn zu Augur."
Langsam schlürfte Augur seinen Kaffee, den er sich extra jeden Tag frisch über eines der Portale liefern lies.
"Den solltest du mal probieren. Da kommst du wieder auf die Beine." Liam saß da wie ein Häufchen Elend.
"Ich will nicht auf die Beine kommen, sondern endlich in mein Bett. Seit über 50 Stunden bin jetzt wegen dieser ... dieser ... blöden Tussi unterwegs", maulte er zurück. Augur schmunzelte, Liam hatte noch nie einen solchen Ausdruck für ein weibliches Wesen verwendet. Die Suche nach dieser Frau mußte ihm wirklich an die Nerven gehen, was Augur aber nicht verwunderte. Ihm langte schon das, was er mitbekam und das war nicht mal ein Achtel von dem, was Liam die letzten 50 Stunden anscheinend so alles erledigen mußte.
"Du hast gesagt, jemand hat nach mir gesucht?"
"Suchen umschreibt das Problem sehr höflich. Es gibt da jemanden aus meiner nicht so gesetzestreuen Zeit..." Liam quittierte diese Bemerkung mit einen schiefen Grinsen. "Hab mit ihr ein paar wirklich gute Geschäfte gemacht - eine der besten Informationshändlerinnen die es gibt. Cleveres Biest ... das kann ich dir sagen. Ich habe tief gewühlt, wirklich tief und habe nichts über sie gefunden. Jede Spur der ich nachging verlief im Sand. Trester war das Phantom im Informationsnetz. Allerdings hab ich gehört, daß Trester nicht nur in der Informationsbranche tätig war, sondern sich auch um nicht so saubere Angelegenheiten gekümmert hat. Konnte aber nie eine Bestätigung dafür kriegen."
"Augur, könntest du bitte deine Lobgesänge auf sie etwas verkürzen und zur Sache kommen?" gähnte Liam. Er hatte Probleme die Augen noch offen zu halten.
"Na wie auch immer ... kurz nachdem die Taelons bei uns auftauchten, verschwand sie. Keiner hat seither etwas von ihr gehört. Heute meldete sie sich urplötzlich wieder bei mir ... und rate mal nach wem sie fragt? Nach einem Companionbeschützer namens Major Kincaid - Da'ans Beschützer. Sie gab mir den lukrativen Auftrag, alles über dich herauszufinden - und ich meine wirklich alles. Sie glaubt, oder besser gesagt weiß, daß du nicht Kincaid bist und will wissen, wer du wirklich bist."
"Woher sollte sie etwas über mich wissen und warum kümmert sie sich nicht selbst um die Infos wenn sie so gut ist, wie du sagst?" fragte Liam etwas aufmerksamer.
"Ja, das habe ich erst mich und dann sie gefragt. Sie sagte nur etwas davon, daß sie momentan keinen Zugriff auf ihre Systeme hätte. Eine wichtigere Frage ist allerdings was wir jetzt machen. Mit deiner Dienstakte wird sie sich auf jeden Fall nicht zufriedengeben. Meine Identität für dich ist eins A, aber ..."
"Soll das heißen, du zweifelst an deiner eigenen Genialität?" neckte Liam.
"Eines habe ich teuer gelernt ... wenn sie im Spiel ist, ist nichts unmöglich. Es kann sein, daß ich nicht der einzige bin, an den sie diese Anfrage gestellt hat oder ob sie wirklich keinen Zugriff auf ihre Systeme hat ... und was ist schon perfekt?"
"Und nun? Können wir vielleicht ihren Aufenthaltsort herausfinden?"
"Nein. Unser Kontakt läuft über einen der großen Server und sie verwendet wie immer ein Global um mobil zu sein. Bis wir wissen, wo sie die Daten herunter lädt, ist sie schon längst über alle Berge. Irgendwas müssen wir uns aber überlegen. Sie wird mich in 24 ... nein, jetzt noch 20 Stunden wieder kontaktieren. Bis dahin sollten wir eine Lösung haben."
"Laß mich mal nachdenken." Während Liam nachdachte, marschierte Augur zurück in die Küche um sich eine zweite Tasse Kaffee zu holen. Als er zurückkam fand er einen friedlich schlummernden Kimeramischling vor.
"Oh Mann, Liam. Das nennst du also nachdenken?! Na deine Nerven möchte ich haben", flüsterte Augur kopfschüttelnd. Aber in dem übermüdeten Zustand konnte er ihn sowieso nicht gebrauchen. Arbeitswütig setzte er sich an seinen Computer.


***

Schmerzen durchzuckten ihren Körper. Sie waren ihr ein so vertrautes Gefühl geworden, daß sie sie schon fast als einen alten Freund begrüßte. Die fremdartige Decke über ihr ließ sie indes hochfahren. Hastig sah sie sich im Zimmer um. Nur das flackernde Licht einer defekten Straßenlaterne erhellte den Raum. Ihre Augen blieben auf dem Mann in der Ecke hängen, der sich gerade im Sessel aufrichtete. Schweigend beäugten sich die beiden.
"Shelley, wie geht es dir?" brach der Mann das Schweigen. Seine Stimme war ihr seltsam vertraut und es dauerte einen Moment, bis sie sie zuordnen konnte. Ihr fiel der verschwommene Schemen wieder ein, bevor sie gestorben war, Hände auf ihren Händen, Atem auf ihrer Haut. Der Mann erhob sich.
"Joe?" fragte sie irritiert, als sie sein Gesicht erkannte. "Joe Dawson?" Er setzte sich auf die Bettkante und schaltete die Nachttischlampe ein. Sanftes Licht erhellte den Raum.
"Geht es dir gut?" fragte er noch einmal. Aber statt eine Antwort zu geben, strich sie sanft mir ihrer Hand über seine Wange, so als wolle sie testen ob er wirklich real war. Er nahm ihre Hand in die seine und zu seinem Erstaunen ließ sie es zu. Sie war ein Mensch der weder zu Gefühlsausbrüchen neigte noch Berührungen schätzte, was wahrscheinlich an ihrer Vergangenheit lag, über die die Narben im Gesicht Zeugnis ablegten.
"Was ist passiert Joe?" Angst stand in ihren Augen. Erst jetzt schien sie das Blut zu bemerken. Mit aufgerissenen Augen starrte sie erst die Bettlaken und dann ihren etwas lädierten Pulli an. Entsetzt untersuchte sie die blutigen Löcher. Keine der erwarteten Wunden war darunter noch zu sehen. Ungläubig wandte sie sich an Joe.
"Der Kerl hat mich doch erwischt ... was zum Teufel ..." murmelte sie verwirrt zu sich selbst. "Ich habe die Kugeln gespürt ... ich ... ich sollte tot sein ... ich war tot ... warum bin ich dann hier?" stotterte sie mit Panik in der Stimme. Hilfesuchend blickte sie die Augen des Mannes vor ihr. "Verflucht, was geht hier vor????" Joe setzte ein verschmitztes Lächeln auf.
"Tja, ich glaube, du weißt was los ist." Joe wußte, daß Shelleys Adoptivvater ein etwas zu redseliger Beobachter war, der keine Geheimnisse vor ihr hatte. Während Joe ihr beizubringen versuchte, daß sie zur anderen Seite gehörte, erschauerte sie plötzlich. Ihr Körper versteifte sich, jeder einzelne Muskel war angespannt. Verwirrt flog ihr Blick durch den Raum, als suche sie etwas. Kurz darauf klingelte es an der Tür. Joe wollte sich erheben, doch ihre Hand hielt ihn zurück.
"Bleib, bitte! Öffne nicht die Tür, ich hab so ein ungutes Gefühl."
"Er ist ein Freund, Shelley. Er kann dir besser helfen als ich es je könnte." Sanft doch bestimmt machte er sich von ihr los. Ihre angsterfüllten dunklen Augen flehten ihn förmlich an. Er hauchte ihr einen Kuß auf die Stirn. "Du brauchst vor ihm keine Angst zu haben." Dann ging er zur Tür.
Nachdem sich MacLeod vorgestellt und sie ein bißchen geplaudert hatten, wirkte Shelley nun vollendens verwirrt.
"Du siehst aus, als könntest du eine heiße Dusche oder sogar ein Bad vertragen. Danach können wir immer noch weiterreden", schlug MacLeod vor. Sie nickte abwesend und folgte Joe zum Badezimmer. Erst später kam ihm der Gedanke, daß sie ja eventuell neben einer Dusche auch frische Kleider brauchen könnte. Mit einer von Joes alten Jeans und einem Pulli über dem Arm klopfte MacLeod an die Badezimmertür, hinter der munter das Wasser plätscherte.
"Ich dachte, du könntest vielleicht frische Klamotten brauchen." Keine halbe Minute später öffnete eine unbekleidete Shelley die Tür und griff nach den Kleidern.
"Danke", murmelte sie und schloß die Tür, noch ehe er sie genauer betrachten konnte. MacLeods Mund schloß sich allerdings nicht. Schockiert stand er weiterhin vor der Tür. Er hatte mehr gesehen, als er wollte. Der muskulöse Körper, der kein unnötiges Gramm Fett aufwies und die, für ihr Alter, gut ausgebildeten femininen Rundungen war von Striemen und Narben übersät, die von früheren Mißhandlungen stammen mußten. Die bereits teilgesichtete Tätowierung am Hals erwies sich größer als angenommen. Die seltsamen schwarzen Ornamente wanden sich von der Innenseite ihres Schenkels, Rücken und Seite hinauf über Schulter und Hals um über ihren Brüsten zu enden. Ihren linken Unterarm und Handrücken zierte etwas, daß wie eine große plattgedrückte schwarze Spinne aussah, die Beine tief im weichen Fleisch vergraben. Am rechten Handgelenk trug sie einen schmalen silbernen Armreif und auf der Innenseite waren eingebrannte Zeichen zu erkennen gewesen. Zurück in der Küche blickte er Joe fragend an.
"Woher kennst du sie eigentlich?"
"Sie ist die Adoptivtochter eines alten Bekannten", begann er zu erklären.
"Hat er ...?." MacLeod ließ die Frage unausgesprochen.
"Nein! Nie im Leben. Er hätte ihr nie etwas getan."
"Wer hat sie dann so übel zugerichtet?"
"Wenn ich das wüßte, hätte ich mir den Kerl schon lange vorgenommen. Aber über ihre Vergangenheit hat sie nie auch nur ein Wort verloren. - MacLeod, Shelley hat schon zu viel durchgemacht. Ich möchte nur das Beste für sie."
"Das kann ich verstehen. Hast du ihren Vater informiert?"
"Nein. Er ist vor einem Jahr bei einem Autounfall umgekommen. Shelley war seither spurlos verschwunden. Keiner wußte wo sie war, bis sie heute in der Gasse auftauchte."
"Wie alt ist sie eigentlich?"
"Schätzungsweise fünfzehn oder sechzehn."
"Du weißt es nicht genau?"
"Nein, ihr Geburtsdatum ist unbekannt. Aber im Moment würde mich mehr interessieren, was in diesem Jahr alles passiert ist und warum man auf sie geschossen hat?"
"Ist das wichtig?" mischte sich eine Stimme von der Tür aus ein. Die beiden Männer drehten sich um. Shelleys feuchtes Haar hing in dicken gelockten Strähnen herunter. Viele Rothaarige waren von Natur aus blaß. Ihre Haut hingegen war in ein natürliches sanftes Bronze getaucht, was ihr etwas orientalisches verlieh. Joes Pulli schlabberte ihr um den Körper und sie mußte die Jeans festhalten um sie nicht zu verlieren.
"Morgen kaufen wir dir erst mal was passendes zum anziehen." Nachdem Joe sich ein Grinsen nicht verkneifen konnte, besorgte er ihr einen Gürtel.
"Ich glaube, wir haben noch einiges zu bereden", brachte MacLeod vor. Shelley erwiderte das nur mit einem Schulterzucken.
"Wo sind meine Sachen?" Joe verstand im ersten Moment nicht. "Das Global und so", setzte sie hinzu. Joe kramte aus einer Schublade ein Global, etwas Geld und einen leicht gekrümmten Zylinder unbekannten Materials von ca. 20 cm Länge hervor, die sie an sich nahm. Immer noch die alte Shelley, dachte er sich. Wie immer auf ihre wenigen Habseligkeiten bedacht.
"So nun können wir reden."
"Willst du was zum essen?" Energisch nickte sie. "Das wäre toll."
Danach setzten sie sich an den Küchentisch und sie begann mit einem Heißhunger zu essen. Dabei erklärte MacLeod ihr die Regeln der Unsterblichkeit noch ausführlicher. Längere Zeit starrte sie einfach vor sich hin, mit ihren Gedanken weit entfernt. Ihr Blick richtete sich langsam auf ihn. Sie betrachtete ihn eingehend. Ihre Augen schienen noch dunkler als zuvor.
"Wie soll das jetzt eigentlich weitergehen? Ich denk mal, daß es in der Volkshochschule keinen Einführungskurs im Schwertkampf für Unsterbliche gibt." Ihn überraschte, wie schnell sie die Tatsache ihrer Unsterblichkeit zu akzeptieren schien und gleich die praktischen Probleme anging. Joe hatte ihm zwar gesagt, daß man sie nicht leicht aus der Bahn werfen konnte, aber er kam nicht umhin, ihre ruhige, fast kühle Art und die damit gezeigte Selbstbeherrschung in einer solchen Situation zu bewundern.
"Hm ..." MacLeod blickte prüfend in Joes Richtung, "wenn du willst, kann ich dir den Umgang mit dem Schwert beibringen." Fragend sah sie Joe an, der ihr aufmunternd zunickte.
"MacLeod ist einer der Besten."
"Was habe ich schon zu verlieren außer meinen Kopf?!" Keiner lachte über ihren Witz.


***

Das Piepen seines Globals riß Liam unsanft aus dem Schlaf. Genervt klappte er es auf.
"Es gab einen Zwischenfall bei einer der Portalstationen. Kommen Sie sofort zu diesen Koordinaten!" bellte Agent Sandoval ihm entgegen.
"Bin schon auf dem Weg", antwortete Liam, doch die Verbindung war bereits beendet. Begleitet von einem langen Gähnen streckte er seine steifen Glieder. Auf längere Zeit gesehen, war dieser Sessel etwas unbequem.
"Wenn Mr. Miesepeter persönlich ruft, solltest du dich wirklich beeilen", merkte Augur an. "Was ist eigentlich bei deinem Nachdenken herausgekommen?"
"Äh ... nichts.... glaub ich ... was ist mit Trester?" fragte Liam schon halb im gehen.
"Mir ist da was eingefallen, das uns mit ihr in Kontakt bringen könnte. In näheren Kontakt als Trester lieb sein dürfte."
"Na wunderbar. Und schon was wegen der anderen Frau herausgefunden?"
"Hey ... ich arbeite so schnell es geht, aber an allen Fronten kann ich auch wieder nicht vertreten sein. Der Computer überwacht das komplette Netz, aber bisher hat sich noch nichts getan."
"Es ist wichtig, daß wir sie zuerst finden! Ich melde mich wieder."
Eine gute viertel Stunde später traf Liam in der Portalstation ein. Sandoval empfing ihn schon ungeduldig.
"Scheinbar war 'es' hier."
"Es?" fragte Liam nach.
"Die Frau!"
"Warum sagen sie immer 'Es'? Da'an verwendete auch schon diesen Ausdruck."
"Sie", betonte er nun ausdrücklich, "hat offensichtlich versucht, sich Zugang zu den Portaldaten zu verschaffen. Als einer der Freiwilligen sie ansprach, ist sie geflohen. Wie mir berichtet wurde, hat er sie aber verwundet, als er auf sie schoß. Allerdings hat so eine absolut unfähige Polizeistreife sie in einer der angrenzenden Straßen verloren. Nun ist es an uns, sie wiederzufinden. Wenn sie wirklich verletzt ist, erleichtert uns das etwas die Suche nach ihr. Als erstes werden wir mal mit den Anwohnern reden. Irgend jemand muß doch was gesehen haben."
"Wo sollen wir anfangen?"
"Am besten da, wo wir sie verloren haben, Major Kincaid."


***

Als MacLeod gegangen war, begann Joe abzuspülen. Shelley saß ihm Wohnzimmer und blätterte lustlos in einem Buch. Flackerndes Licht weckte ihre Aufmerksamkeit. Sie lugte nur vorsichtig hinter dem Vorhang hervor.
"Scheiße!" fluchte sie leise vor sich hin. Die Gasse war von Blaulichtern hell erleuchtet. Ein Großaufgebot an Polizisten und Freiwilligen tummelte sich dort unten.
"Was ist los?" fragte Joe, der sich gerade die Hände abtrocknete.
"Freiwillige!" Beide beobachteten die Gasse.
"Wen suchen die denn wieder?"
"Mich", brachte sie unbeteiligt hervor.
"Du? Was willst du damit sagen?"
"Nichts! Ich muß verschwinden. Danke für alles Joe." Sie drückte kurz seine Hand und wandt sich zur Tür.
"Warte, Shelley, was ist los? Warum suchen die dich? Das hat etwas mit deinen Schußwunden zu tun, oder?" forschte Joe, etwas aus der Fassung gebracht, nach.
"Zu lange Geschichte ..." Der Türknauf war bereits in ihrer Hand, als es klopfte. Beide blieben wie angewurzelt stehen. Es klopfte noch einmal.
"Companion-Sicherheitsdienst, bitte öffnen Sie die Tür."
Blitzschnell stürmte sie ins Bad und schloß lautlos die Tür. Es klopfte wieder, diesmal wesentlich energischer.
"Ich komm ja, ich komm ja" rief Joe nach einem tiefen Atemzug und öffnete. Ein Ausweis wurde ihm entgegengestreckt.
"Liam Kincaid, Companionbeschützer. Dürfte ich Ihnen ein paar Fragen stellen?"
"Ein Companionbeschützer?" Joes Braue wanderte fragend nach oben. "Na schießen Sie mal los."
"Haben Sie diese Frau schon mal gesehen?" Dabei klappte er sein Global auf. Joe musterte das computergenerierte Phantombild vor sich genau und wurde zunehmend blasser um die Nase als er eine gewisse Ähnlichkeit mit Shelley erkannte. Doch die Frau auf dem Bild war gute zehn Jahre älter.
"Nein, tut mir leid. Noch nie gesehen."
"Haben Sie gestern abend etwas in der Gasse unten bemerkt? Irgend etwas Auffälliges?"
"Hm ... nicht daß ich wüßte. War ja ein recht verregneter Abend, da ist keiner unterwegs. Wegen was wird sie denn gesucht?" fragte er, den Neugierigen mimend.
"Wir möchten ihr nur ein paar Fragen stellen. Das ist alles. Sind Sie sicher, daß Sie nichts gesehen haben?" Einen Moment musterten sich die beiden Männer abschätzend. Beide wußten, daß dies eine Lüge war.
"Ja! Gibt's sonst noch was? Mein Essen wird nämlich kalt."
"Nein, das ist alles" erwiderte Kincaid etwas abwesend. Das brennende Gefühl im seinen Handflächen wollte nicht vergehen und er mußte sich beherrschen nicht wie üblich darin zu reiben. "Vielen Dank für Ihre Hilfe." Die Tür wurde vor seiner Nase zugeschlagen. Gleich darauf wurde eine andere Tür aufgerissen.
"Vielleicht solltest du endlich mit mir reden, denn offensichtlich hast du größere Probleme am Hals ..."

***

Die Aufregung der letzten Tage hatte sich etwas gelegt. Kincaid beschäftigte sich eher lustlos mit den Routineaufgaben, die sich durch diesen Zwischenfall auf seinem Schreibtisch stapelten. Die richtige Konzentration konnte er allerdings nicht aufbringen. Dazu ärgerte er sich schon mal wieder viel zu sehr über Da'an, der sich bezüglich der Flüchtigen nicht sonderlich gesprächsbereit zeigte. Abgesehen von ein paar unnützen Informationen hatte er bisher nichts Konstruktives von sich gegeben, außer daß Second Chances diesmal als Sündenbock herhalten mußte. Hier lief etwas auf höchster Ebene und es wurmte ihn, daß er nicht heraus bekam, was es war. Selbst Sandoval tappte mehr oder minder im Dunkeln. In Sachen dieser Frau jedenfalls war auf der ganzen Linie nichts zu vermelden - weder von Augur, noch von den Taelons oder vom FBI. Vermeindlicherweise war der Alltag wieder eingekehrt, obwohl auf diese Frau immer noch höchste Priorität gelegt wurde. Nur leider konnten sie momentan nicht viel mehr tun als warten, ob sie irgendwo wieder auftauchte. Aber auch diese Trester, die nach ihm fragte, ging ihm nicht aus dem Kopf. Seit fast einer Woche lagen die Daten nun auf dem Server bereit, waren bisher jedoch noch nicht abgerufen worden. Hatte sie das Interesse an ihm verloren? Hier hieß es momentan gleichfalls warten. Sein Global piepste.
"Die Daten wurden heruntergeladen!" Augurs Gesicht erschien auf dem Global. Die erste erfreuliche Nachricht des Tages. Liam atmete auf.
"Wo?"
"Wie ich vermutete verwendete sie einen öffentlichen Port in der Innenstadt und ein Global. Ich hoffe nur, daß sie die Daten bald überprüft. Das dürfte eine kleine Überraschung geben."
"Und du glaubst wirklich, daß das funktioniert? Schließlich ist sie doch eine Expertin."
"Mein Programm ist bestens getarnt, aber hundertprozentig sicher ist es natürlich trotzdem nicht, aber wenn auch nur ein paar Bilder übertragen werden, bevor sie es merkt, haben wir schon was gewonnen. Zumindest wissen wir dann, nach wem wir suchen müssen."
"Informiere mich, wenn es etwas Neues gibt." Er klappte sein Global zusammen und hielt es mit beiden Händen fest, als wollte er es erwürgen. Gedankenverloren starrte er an seine Bürowand.


***

Das Geräusch von Stahl, der auf Stahl traf, erfüllte die alte ungenutzte Halle. Zwei mit Schwertern Bewaffnete schlugen wild aufeinander ein und trieben sich gegenseitig umher.
"Nicht so hastig .... ja genau so ... " gab der Mann dem Mädchen immer wieder Anweisungen. "Pariere den Schlag von rechts, dann kannst du mehr Kraft hineinlegen." Seit fast vier Wochen gab er ihr jetzt Unterricht und sie war eine gelehrige Schülerin, die schnell begriff.
MacLeod mochte das ernste schweigsame Mädchen. Kein einziges Mal hatte sie sich bisher beklagt, noch ihre Gabe in Zweifel gezogen. Ihr Mißtrauen allem gegenüber machte es schwer, mit ihr Freundschaft zu schließen. Sie war verschlossen und ließ keinen an sich heran, was MacLeod aber nicht wunderte, wenn er an ihre Narben dachte. Nur selten spielte ein Lächeln um ihre Lippen, daß jedoch nie ihre Augen erreichte um die Kälte darin zu vertreiben. Es mußte wirklich ein Monster gewesen sein, der ihr das angetan hatte. Doch sie verfügte über enorme Geduld und Ausdauer, sowie einen starken Überlebenswillen. Wie die letzten Übungsrunden endete auch diese mit MacLeods Klinge an ihrem Hals.
"Nicht schlecht ... aber leider immer noch nicht gut genug." Es folgten noch mehrere solcher Runden, die immer wieder MacLeod gewann. Nach den langwierigen Trockenübungen jeden Morgen machten sie später immer noch ein paar Übungskämpfe. Aber nie ließ ihre Konzentration noch ihre Kraft nach. Sie lernte schnell aus Fehlern und verstand diese das nächste mal richtig umzusetzen und zu ihrem Vorteil zu verwenden.
"Noch eine letzte Runde?" Wieder klirrten die Schwerter aufeinander. Sie war ihm plötzlich sehr nahe und mit unerwarteter Wucht trat sie ihm hart gegen das Knie, das ihm schmerzhaft wegknickte. Er verlor das Gleichgewicht und fand sich selbst in einer Situation wieder, die eigentlich nur einem Anfänger passieren konnte. Während er vollauf damit beschäftigt war, wieder auf die Beine zu kommen und gleichzeitig ihren Schlag abzuwehren, trat sie mit dem Fuß gegen seine Schläfe. Für einen Moment benommen taumelte er, konnte dabei aber noch ihren Fuß ergreifen und riß sie mit sich. Noch ihm Fallen drehte sie sich um ihre eigene Achse und schaffte es dabei irgendwie das Schwert nicht unter sich zu begraben. MacLeod schlug hart auf dem Boden auf und bevor er sich wieder erheben konnte, spürte er kaltes Metall in seinem Nacken. Diesmal verharrte er regungslos. Joe, der dem ganzen zugesehen hatte, starrte fassungslos auf die beiden. Langsam nahm sie die Klinge von MacLeods Hals und schwang sich auf die Beine. Auch MacLeod setzte sich auf, ihm war immer noch etwas schummrig.
"Nicht schlecht, für eine Anfängerin, aber auch ziemliches Glück. Wo hast du denn diese Tricks her?" versuchte er seinen Schrecken zu verbergen. Glück hat damit nichts zu tun, dachte sie belustigt. Ihre starre Maske ließ ihre Gedanken nicht erkennen.
"Man lernt manches auf der Straße. Alles in Ordnung mit dir?" Sie streckte ihm die Hand entgegen und half ihm auf die Beine.
"Ich glaube wir sollten morgen weitermachen." Die drei sammelten ihr Zeug zusammen und verließen die alte Fabrikhalle.
"Hey, ich lade euch zum Essen zu mir in die Bar ein. Das habt ihr euch redlich verdient" schlug Joe vor. Die beiden nickten zustimmend.


***

Es war schon spät und die letzten Gäste machten sich auf den Weg. Auch MacLeod wollte langsam aufbrechen.
"Ihr entschuldigt mich kurz." Mit diesen Worten verschwand Shelley hinter einer Tür mit aufgemalter Frau.
"Ich schließe noch ab, dann können wir ja ein Stück gemeinsam gehen." Gerade als er den Schlüssel herumgedrehte, versuchte jemand diese von außen zu öffnen.
"Wir machen gerade dicht!" rief Joe dem verspäteten Gast durch die Tür zu.
"Aber ich darf doch wohl noch rein!" Das Schloß gab ein leises Klicken von sich, als sich der Schlüssel wieder in ihm drehte.
"Methos! Wo warst du nur alter Knabe?" begrüßte ihn Joe freudig. MacLeod drehte sich um, als er die Anwesenheit eines anderen Unsterblichen spürte.
"Och, hier und da. Hi Mac." Dieser grüßte zurück. "Hier gibt's doch garantiert ein Bier für einen alten Mann wie mich, oder?"
"Wir wollten gerade gehen."
"Ach komm, nur ein Kleines?" Methos bedachte ihn mit einem seiner mitleiderregenden Hundeblicke, denen man nur schwer widerstehen konnte und Joe gab seufzend nach. Mit einer frisch geöffneten Flasche Bier in der Hand, setzte er sich zu MacLeod.
"Und was gibt's sonst so neues?"
"Wenn du dich in letzter Zeit öfter hättest blicken lassen, wüßtest du es" neckte ihn Dawson. "MacLeod kümmert sich um einen Neuzugang."
"Wer ist der Unglückliche?"
"Der Glückliche ist eine Sie, wenn auch leider etwas jung. Aber du kannst sie ja gleich selbst kennenlernen." Dabei deutete Dawson auf die Waschräume. "Wo warst du eigentlich die ganze Zeit?"
"Unterwegs ... schau mal was ich gefunden habe." Methos kramte in seiner Tasche und brachte eine kleines Buch zum Vorschein. "Eine Originalausgabe." Er wedelte mit dem Buch vor MacLeods Nase und stieß dabei seine Bierflasche um. Die Entscheidung eine fast volle Flasche Bier zu retten oder das Buch fallen zu lassen, war nicht weiter schwierig. Da er Zweiteres aber zu spät tat um Ersteres zu erreichen, landete das Buch in einer größer werdenden Pfütze Bier. Hastig stürzte sich Methos auf den Boden um nun wenigstens das Buch vor schlimmerem zu bewahren. MacLeod und Joe konnten sich das Lachen nicht verkneifen.
"Jaja, lacht ihr nur" grumelte Methos unter dem Tisch hervor, wo er das Buch an seiner Jacke abwischte. Die Ankunft eines weiteren Unsterblichen ließ Methos hochfahren. Die Gläser klirrten auf dem Tisch als er mit dem Kopf dagegenrempelte.
"Au!" Schließlich konnte er sich wenigstens soweit unter dem Tisch hervorwursteln, daß er wenigstens über die Tischplatte schauen konnte. Sein Kinn klappte eine Etage tiefer.
"Hallo", begrüßte ihn das rothaarige Mädchen vor ihm.


***

Santorin, wenige Wochen vor Alexas Tod


"Wie kann ein Mensch nur so wasserscheu sein?" fragte Alexa mit einem Grinsen. Sie hatte es aufgegeben, ihn zu überreden, mit ins Wasser zu kommen. Statt dessen lag er in einem seiner unzähligen Bücher schmökernd am Strand, während sie schwamm. Das Haus, das er gemietet hatte, verfügte über einen direkten Zugang zu einer kleinen Bucht, in die sie sich völlig vernarrt hatte und viel Zeit dort verbrachte. Manchmal, wenn sie glaubte er sähe es nicht, krümmte sie sich vor Schmerzen zusammen. Obwohl sie versuchte es zu überspielen, entging Pierson nicht, daß sich ihr Zustand unaufhörlich verschlechterte. Diesen Nachmittag waren sie in der kleinen Stadt auf Erkundungstour unterwegs.
"Shit!" fluchte er leise vor sich hin, als sich das vertraute Kribbeln in seinem Nacken regte. Aufmerksam sah er sich in dem kleinen Café um. Ein älterer Herr betrat gerade den Raum, doch ihn ignorierte er getrost. Doch mit dem Rotschopf, der mit dem Rücken zu ihm stand, konnte er das nicht. Als hätte sie die Anwesenheit eines Unsterblichen jetzt erst gemerkt, sondierte sie mit einem aufmerksamen Blick über die Schulter die Gäste. Flüchtig streiften ihn ihre Augen, nur um eine hundertstel Sekunde später zu ihm zurückzuschnellen. Nicht ein Muskel zuckte auch nur in ihrem starren Gesicht, das einer steinernen Maske glich. Piersons Augen weiteten sich vor Entsetzten und er schluckte hart.
"Adam, was ist los? Du siehst aus, als hättest du gerade einen Geist gesehen?" fragte Alexa besorgt. Ihre Worte rissen ihn aus seiner Gedankenwelt.
"Nichts!" erwiderte er abwesend. "Mir ist nur gerade etwas eingefallen."
"Scheint nichts Angenehmes zu sein."
"Nein!" schnell hatte er sich wieder gefaßt. "Wollen wir zahlen?" Er hatte es eilig von hier wegzukommen. Noch immer durchbohrten ihn die dunklen Augen der regungslosen Gestalt am Tresen. Nach einem kurzen Wortwechsel mit ihrem Begleiter konnte Pierson nur hilflos mit ansehen, wie sie sich zielstrebig seinem Tisch näherte. Angst saß ihm in den Knochen. Eine Angst die er seit langem nicht mehr verspürt hatte, seit damals, als ...
"Hallo, lange nicht gesehen!" begrüßte sie ihn mit einem fast traurigen Lächeln. "Was treibt dich nach Santorin?"
"Äh ..." er richtete sich auf seinem Stuhl kerzengerade auf. Jede Faser seines Körpers war angespannt und seine sonst so verläßlichen kleinen grauen Zellen machten gerade Pause. "Hallo." war das einzige, das er noch herauswürgen konnte. Sie zog sich einen Stuhl heran und setzte sich ungefragt. Alexa brach das bedrückende Schweigen mit einem Lächeln.
"Hallo. Ich bin Alexa Bond und sie sind?"
"Oh ..." als ginge ihr jetzt erst auf, daß sie sich nicht vorgestellt hatte, "ich bin Shelley Albright, eine alte Bekannte von ...", verflucht, wie nannte er sich eigentlich momentan? "... ihm."
"Du hast Bekannte in Santorin, Adam? Davon hast du mir ja gar nichts erzählt."
"Er hat mir auch nicht erzählt, daß er so eine reizende Freundin/Frau hat", kam Shelley Pierson zuvor. "Über die wichtigen Details ist er wie immer sehr verschwiegen." fuhr sie mit verschwörerischem Zwinkern fort. Was sollte das hier werden, fragte sich Pierson entgeistert? Ein gemütlicher Nachmittagsplausch? Interessiert musterte Alexa die Frau, nein das Mädchen vor ihr, denn alter als sechzehn war sie bestimmt nicht. Fragend sah sie Adam an, ob das was Shelley sagte, auch der Wahrheit entsprach. Dieser rang sich ein Lächeln ab.
"Nur seine Freundin. Darf man fragen woher ihr euch kennt?"
"Och, daß reicht weit zurück. Wir haben uns im mittleren Osten kennengelernt."
"Sie reisen wohl auch viel?"
"Familiär bedingt." Damit war eine Unterhaltung in vollem Gange. Pierson blieb aber recht wortkarg. Ihm bereitete es noch Mühe, die Situation voll zu begreifen. Fast eine Stunde später machte Alexa etwas, was Pierson sich vor Schreck an seinem Kaffee verschlucken ließ.
"Ich würde mich freuen, wenn sie heute abend zum Essen vorbeikommen. Ms ... tut mir leid, aber ich hab ihren Namen schon wieder vergessen. Komisch, Bestellungen kann ich mir merken, aber mit Namen habe ich so meine Probleme." Pierson fiel in dem Moment alles aus dem Gesicht.
"Albright, aber nennen sie mich ruhig Shelley. Ich weiß nicht, ob das so eine gute Idee ist, Ms Bond" antwortete sie mit einem Seitenblick auf Pierson, der insgeheim Stoßgebete gen Himmel schickte, daß Alexa nicht weiter darauf bestehen und die Sache vergessen würde.
"Alexa. Es wäre mir ... uns eine große Freude." lud sie Shelley nun endgültig ein, verbunden mit einem verschwörerischen Grinsen zu Pierson. "Ich freue mich darauf, dieses Gespräch fortzusetzen." Der Abend verlief besser als Pierson erwartete und Alexa amüsierte sich prächtig, was für ihn das wichtigste war.
"Seltsame Bekannte hast du, aber sehr liebenswürdige. Ich finde sie echt sympathisch." sagte Alexa an diesem Abend zu ihm, als Shelley von dem älteren Herrn aus dem Café abgeholt worden war. "Du bist nicht ganz meiner Meinung, oder?" Ihr war nicht entgangen, daß sich Pierson in Shelleys Nähe nicht so locker zeigte wie sonst.
"Sie hat sich verändert seit ich sie das letzte mal sah. Scheint die Pubertät zu sein" lenkte er ein.
"Wir müssen nicht zu ihr gehen, wenn du nicht willst." Er beteuerte ihr, daß er gerne hingehen würde, verschwieg aber, daß er es nur wegen ihr machte, da es ihr anscheinend viel bedeutete.
"Es ist schon komisch mit ihr. Sie ist zwar noch ein Kind, aber mir kommt sie wie eine Erwachsene vor. Woher hat sie eigentlich die Narben? War das ein Unfall?" Pierson zögerte einen Moment, bevor er die Frage mit einem Schulterzucken beantwortete. Lang unterdrückte Erinnerungen kamen wieder hoch.
"Das solltest du sie selbst fragen." Wäre Alexa nicht gewesen, wäre Pierson nach der Begegnung noch an diesem Abend abgereist um Schwierigkeiten zu vermeiden. Doch gegenüber ihr konnte er seine Gründe nicht erklären.
Als er später neben einer schlafenden Alexa im Bett lag, gingen ihm die heutigen Geschehnisse lange nicht aus dem Kopf. Warum hatte sie ihn nicht getötet? Warum saß sie mit ihnen, fröhlich plaudern und Anekdoten über eine gemeinsame Vergangenheit erzählend, die gar nicht so freundlich war, wie sie es schilderte, beim Abendessen. Noch nie hatte er Shelley, wie sie sich jetzt nannte, von dieser Seite kennengelernt. Warum machte sie sich die Mühe zu lügen? Die vielen Warums quälten ihn, doch eine Frage zerrte an ihm ganz besonders. Was wollte diese Hexe damit bezwecken? Den Hammer lieferte Shelley, als sie sie für den nächsten Abend zum Essen einlud. Alexa nahm sofort entzückt an, vor allem als sie hörte, daß Shelley mit ihrem Vater eine kleine Villa auf den Hügeln der Westseite bewohnte. Pierson konnte zu seinem Leid aufgrund Alexas Begeisterung kaum ablehnen. Immer wieder befielen ihn nagende Gedanken der Ungewißheit. In den nächsten Wochen, freundete sich Alexa immer mehr mit Shelley an und so mußte auch Pierson gezwungenermaßen einiges an Zeit mit ihr verbringen. Als Alexa Shelley wieder einmal besuchte, hatte sie einen ihrer nun immer häufiger werdenden Schwächeanfälle, die mit heftigen Schmerzen verbunden waren. Shelley kümmerte sich in einer so unaufdringlichen Art um sie, als wäre so ein Anfall das Normalste der Welt und Alexa vertraute ihr unter Tränen an, daß ihr nur noch wenig Zeit blieb.
"Wir leben so lange und doch ist immer zu wenig Zeit!" sagte Shelley an diesem Abend als sie mit Pierson kurz allein war. Er wußte sofort, auf was sie anspielte.
"Ja!" antwortete er traurig. Freut es dich? dachte er verbittert.
"Tut mir leid!" flüsterte sie betroffen. "Tut mir wirklich leid!" Hatte er wirklich aus ihrem Mund ein Wort des Mitgefühls gehört? Ihre Reaktion verblüffte ihn so, daß er ihr unwillkürlich glaubte. Woher Shelley wußte, das Alexa sterben würde, wußte Pierson nicht, aber sie hielt sich seit diesem Vorfall im Hintergrund und überließ es den beiden wann sie kommen wollten oder wann Shelley zu ihnen kam, so als wollte sie die letzten gemeinsamen Tage der beiden nicht stören. Pierson war ihr dafür sehr dankbar, seine Skepsis ihr gegenüber blieb indes bestehen. Die Tage vergingen. Das Telefon in Piersons gemietetem Haus klingelte.
"Ja!" meldete sich eine fremde Stimme.
"Könnte ich bitte Alexa Bond sprechen?" fragte Shelley. Ein zögerndes Schweigen.
"Ms. Bond und Mr. Pierson wohnen nicht mehr hier."
"Was ist passiert?" Wieder ein Zögern. "Mein Name ist Shelley Albright und ich bin eine gute Freundin von Alexa ... Ms. Bond." Das half.
"Ms. Bond ist sehr schwer erkrankt. Mr. Pierson hat sie in ein Hospital in der Schweiz gebracht. Mehr weiß ich nicht." Ohne ein weiteres Wort legte Shelley auf, hob wieder ab und wählte erneut.
Der schmale ausgemergelte schlafende Körper ging fast in den weißen Laken und Bergen von Schläuchen unter. Ein Tubus half ihr beim Atmen. Am liebsten hätte Pierson bei Alexas Anblick geweint. Schon seit Tagen saß er an ihrem Bett, hielt ihre Hand und kümmerte sich um sie. Er wollte noch so viel mit ihr zusammen unternehmen, ihr noch so viel zeigen, doch ihre Zeit lief unerbittlich ab. Wenn er sie doch nur aufhalten könnte. Die Zimmertür wurde geöffnet und Pierson erwartete eine Schwester, welche die Geräte kontrollierte, geringe Justierungen vornahm und wieder ging. Doch ein Kribbeln regte sich in seinem Nacken und er drehte sich erschreckt um. Shelley schloß die Tür hinter sich und trat näher an Alexas Bett. Der Anblick erschreckte sie nicht, dafür war ihr der Tod in all seinen Formen zu vertraut. Pierson zeigte sich nach außenhin stark und ruhig, doch sie spürte, wie die Trauer um Alexa seine Kraft langsam aufzehrte.
"Es gäbe für euch noch so viel zu tun, soviel zu sehen und doch läuft euch zu die Zeit davon." Pierson fühlte sich schmerzhaft an seine eigenen Gedanken erinnert.
"Glaubst du, das weiß ich nicht selbst. Also was willst du? Mich quälen?" Beide unterhielten sich flüsternd, um Alexa nicht zu wecken.
"Es gibt vielleicht eine Möglichkeit sie zu retten ..." sagte Shelley leise.
"Wie? Indem ich ihr den Kopf abschlage, bevor sie hier elendig sterben muß?" Seine Stimme triefte vor Sarkasmus.
"Methusalems Kristall!" Pierson packte sie an den Schultern, riß sie herum und sah ihr anklagend in die Augen.
"Methusalems Kristall? Alexa stirbt und du kommst mir mit solchen Ammenmärchen?" erwiderte Pierson fast hysterisch. Shelley erwiderte den Blick ernst.
"Seine Kraft ist realer als du denkst und was hast du schon zu verlieren?" Sie erzählte ihm was sie über den Kristall wußte und sah, wie ein kleiner Hoffnungsfunke in ihn zurückkehrte.
"Warum sagst du mir das erst jetzt?" Ein betretenes Lächeln erschien auf ihrem Gesicht.
"Es ist schon so lange her, daß ich es einfach vergessen hatte. Ich bin zufällig wieder darauf gestoßen, als ich in den Beobachterchroniken, über einen Unsterblichen gestolpert bin, der diesen Kristall unbedingt wollte."
"Du weißt von den Beobachtern?" fragte er erstaunt.
"Andrew ist einer von ihnen. Soweit ich informiert bin, bist du ja auch bei dem Verein ... wenn auch aus anderen Gründen."
"Stimmt." Er wollte nicht weiter darauf eingehen. "Aber wenn ich mich auf die Suche nach dem Kristall mache, müßte ich Alexa allein lassen und das möchte ich nicht."
"Wenn du willst, werde ich bei ihr bleiben" bot sie ihm an. Verwundert betrachtete er das Mädchen vor ihm.
"Gefällt es dir, wenn du mich leiden siehst? Ist das der Grund? Hast du nun endlich deine Rache?" fragte er plötzlich zynisch in einer letzten mißtrauischen Wallung.

"Du solltest mich mittlerweile besser kennen Methos." Er glaubte so etwas wie Trauer aus ihrer Stimme herauszuhören.
"Warum dann Jara? Du hast nicht den geringsten Grund dazu, ganz im Gegenteil. Ich begreife es einfach nicht." Weil die Gesetze meines Volkes mich noch immer binden, weil ich niemals gezeigt habe, was ich wußte oder fühlte, weil ich niemals frei war, weil ich niemals ich war, weil Alexa es verdient, weil du dich geändert hast ... Es gab unzählige weils, die sie ihm in diesem Moment entgegen schreien wollte, doch ihre Antwort bestand nur aus einem Schulterzucken, auf dem er es bewenden ließ, denn er kannte sie gut genug um zu wissen, daß weiteres Nachfragen keinen Sinn hatte. Noch an diesem Abend flog Methos nach Paris. Als er eine Woche später wieder in der Schweiz eintraf, erkannte sie bereits an seiner Haltung, daß auch die letzte Chance zunichte war. Zwei Wochen später starb Alexa.
Nachdem er das Krankenhaus verlassen hatte, saß Methos auf der kleinen Veranda des gemieteten Häuschens und betrachtete den Sonnenuntergang. Sein Gesicht war wie eine Maske aus Stein, sein Körper eine leere Hülle. Er spürte zwar die Ankunft eines Unsterblichen, doch es interessierte ihn nicht, ob er seinen Kopf verlieren würde. Eigentlich begrüßte er diese Möglichkeit sogar. Jara setzte sich neben ihn auf die Bank. Schweigend saßen sie da, bis auch die letzten wärmenden Strahlen der Sonne hinter dem Horizont verschwunden waren und nur kalte Dunkelheit zurückließ. Es gab nichts zu sagen. Kein Wort das Linderung verschaffen würde, keine Geste, die Alexa zurückbrachte.
"Ich war so nahe dran. Ich hatte ihn schon fast ..." murmelte er mehr zu sich selbst. "Verflucht, warum nur?" schrie er in die Nacht. "Warum sie?" flüsterte er resigniert. Eine einzelne Träne lief über sein Gesicht. Mit einem tiefen, steinerweichenden Schluchzen suchte er Trost an der Schulter einer Frau, von der er keine Zuneigung erwarten durfte. Aus der einzelnen Träne wurden wahre Sturzbäche. Fest umarmte sie den von Weinkrämpfen geschüttelten Körper und wiegte ihn sanft. Viel später schlief er erschöpft in ihren Armen ein. Die Welt hatte sich wirklich weitergedreht ...


***

Kincaid nippte an seinem Kaffee.
"Recht viel ist ja auf den Bildern nicht zu erkennen" merkte er an, während Augur angespannt auf seiner Tastatur klopfte.
"Sie hat es schneller bemerkt, als ich angenommen habe. Leider sind nur zwei Bilder gesendet worden, bevor sie das Programm ausgeschaltet hat. Wie ich sage, sie ist verdammt gut" versuchte dieser sich zu verteidigen. "Ich laß den Computer die Bilder berechnen, vielleicht kriegen wir was anständiges... wird aber etwas dauern."
"Na auf ein paar Stunden kommt es jetzt auch nicht mehr an." Kincaid nahm einen weiteren Schluck Kaffee und machte es sich auf der Couch bequem.
"Mehr ist da nicht drauf" erwiderte Augur über acht Stunden später Kincaids Frage.
"Soll das heißen, daß ein halber Daumen und die dunkle Ecke eines Zimmers alles ist, was uns diese Aktion eingebracht hat." brauste Liam ärgerlich auf.
"Scheint so." Noch einmal betrachtete Kincaid intensiv die beiden Bilder und ließ dann resigniert von ihnen ab.
"Verflucht." Sein Global piepte. Bestimmt war es wieder diese Nervensäge von Sandoval. Mißgelaunt klappte er es auf und las zu seinem Erstaunen eine Botschaft, die ganz und gar nicht von Sandoval war.


***

Kincaid hatte es schon genug Schwierigkeiten bereitet, die alte verrostete Tür aufzubekommen. Vorsichtig bahnte er sich einen Weg durch den Irrgarten von alten Kisten und Behältern, als metallisches Klirren seine Aufmerksamkeit erregte. Vorsichtig lugte er hinter einem der Container auf den hinteren freien Teil der Halle. Entgeistert beobachtete er das Geschehen vor sich. Ein Hüne von einem Mann und ein kleines Mädchen, beide mit einem Schwert bewaffnet, schlugen wild aufeinander ein. Eines war für Kincaid klar ersichtlich, dieser Kampf war ernst, sehr ernst.
"Verflucht, das ist ja die Frau hinter der wir her sind" flüsterte Kincaid entsetzt zu sich selbst. "Mein Gott, sie ist ja noch ein Kind."
Mit gekreuzten Klingen standen sich die beiden Kontrahenten nun angespannt gegenüber. Keiner wollte auch nur um einen Millimeter nachgeben. Ihre Augen waren völlig aufeinander fixiert. Ihre Stimme war ein gefährlich leises Flüstern.
"Dein Kopf sitzt nur noch auf deinen Schultern, weil ich es so wollte, Matran!"
"Lange her, da vergißt man einiges, Jara" antwortete er.
"Es ist nie lange genug her!" erwiderte sie emotionslos.
Die beiden Kontrahenten, sprangen fast gleichzeitig einen Schritt zurück, umkreisten sich aber lauernd.
"3000 Jahre sind eine lange Zeit um jemanden zu suchen." Er bedachte sie mit einem abschätzenden Blick. "Er hat ja ganze Arbeit geleistet, wenn ich mir dein Gesicht so ansehe."
"Laß ihn aus dem Spiel!"
"Jaja, nimm ihn nur in Schutz. Du warst und bleibst eine Hure. Wenigstens bin ich damals mit heiler Haut davongekommen, was man von dir nicht ganz behaupten konnte." Sein bösartiger Spott war nicht zu überhören. "Mit Sklaven gingen die nicht gerade zimperlich um, was?" Der blanke Haß glänzte in seinen Augen. Die beiden unbemerkten Zuschauer beobachteten das, was jetzt geschah aus sicherer Entfernung. Sie waren so gebannt von diesem Geschehen, daß es ihnen nicht einmal in den Sinn kam, einzugreifen. Der Kerl war gute 150 Pfund schwerer als sie und es war nicht das Fett, das ihn so schwer werden ließ. Wenn sein Schwert traf, traf es auf das Metall ihrer Klinge. Sie parierte seine Angriffe gekonnt. Mit ihren hinterhältigen Finten und gemeinen Tritten brachte sie ihren Gegner immer wieder aus dem Gleichgewicht. Das war aber nötig, um sich gegen den riesigen Kerl zu behaupten. Ihre Reflexe und enorme Schnelligkeit überraschten Kincaid. Das Schwert war ihr offensichtlich schon in die Wiege gelegt worden, so sicher und gekonnt führte sie es. Nicht ein Zögern, das eine Unsicherheit verriet, nicht ein Hieb, der verschwendet war. Er spürte ihren Kampfgeist und ihr ausgeprägtes Selbstvertrauen in ihre Fähigkeiten. Aber auch Martans Kampfweise war nicht zu verachten und er verfügte über einen enormem Vorteil: Seine Kraft. Es war klar ersichtlich, daß sich hier zwei ebenbürtige und kampferprobte Gegner gegenüberstanden. Der Kampf wogte lange hin und her. Kincaid mußte zugeben, daß er bisher noch selten zwei so gute Kämpfer gesehen hatte - keinen der beiden wollte er gerne zum Feind haben - die Chance war groß, daß er unterliegen würde, obwohl er seine Fechtkenntnisse in letzter Zeit toll aufpolierte. Aber bisher hatte er nur mit Hologrammen zu tun gehabt, die er meistens besiegte. Bei seinem einzig realen Kampf mit Max war er unterlegen und wäre fast ins Jenseits befördert worden.
Ihr erneuter Angriff hinterließ an Martans rechtem Arm eine tiefe Schnittwunde. Mit einer fließenden Bewegung setzte sie ohne zu Zögern zu einem weiteren Schlag an und traf damit sein Schwert so hart, daß es ihm aus der geschwächten Hand gerissen wurde und außer Reichweite schlitterte. Er hechtete auf sein Schwert zu. Als hätte sie seine Gedanken schon vor ihm erraten, warf sie sich ihm mit einer Rolle in den Weg und kam in einer Hockstellung zum Stillstand, das Schwert in seine Richtung zeigend. Unfähig den Schwung seiner Bewegung zu stoppen stürzte er in die vor ihm ragende Klinge. Jara fing die Wucht seines Aufpralls gekonnt ab und drückte seinen erschlaffenden Körper in eine kniende Position. Danach zog sie ruckartig das Schwert aus seinem Brustkorb. Schwankend verharrte er auf den Knien. Mit glasigen Augen blickte er sie an. Jara ergriff zusätzlich sein Schwert und baute sich vor Martan mit überkreuzten Armen auf. Er erkannte diese Geste, hatte sie schon so oft gesehen, wußte um die Bedeutung der gekreuzten Schwerter. Sie sah ihm ungerührt in die Augen. Endlich begann es auch in Kincaids Hirn zu rattern und er sprang mit gezogener Waffe hinter dem Container hervor.
"Lassen sie sofort die Waffe fallen!" befahl er mit fester Stimme. Matrans bösartiges Grinsen erstarb, als sie ohne mit der Wimper zu zucken die beiden Schwerter durchzog und ihm wie mit einer Schere den Kopf abtrennte. Mit einem kleinen Salto landete sein Kopf auf dem Boden und rollte, eine blutige Spur hinterlassend, noch etwas weiter. Sein Körper sackte in sich zusammen und fiel vornüber.
Ein Schimmern erhob sich wie aufsteigender Nebel von der Leiche und hüllten sie ein. Noch ein paar Sekunden stand sie mit ausgestreckten Armen da, bevor sie die beiden Schwerter fallen ließ. Blitze zuckten über den Boden, bahnten sich den Weg zu ihrer neuen Herrin. Das Quickening schüttelte ihren Körper, durchdrang sie, erfüllte sie. Die Wucht der freigesetzten Energie erstaunte Kincaid. Er wußte nichts von Unsterblichen oder Quickenings und konnte nur hilflos zusehen was passierte. Ihre Handflächen begangen zu glühen und die Blitze wurden von ihnen angezogen. Keine einzige Entladung nahm einen andere Weg als zu ihren Handflächen. Wäre der ungebetene Zeuge vertrauter mit Problemen, die die Unsterblichkeit mit sich brachte, gewesen, hätte er sich wahrscheinlich darüber gewundert, daß die Umgebung nicht wie üblich in Schutt und Asche gelegt wurde. Es war ein langes Quickening und als endlich der letzte Blitz in ihren Handflächen verschwand, ließ auch das Glühen langsam nach. Noch nie hatte einer der beiden so etwas Unglaubliches gesehen. Verflucht, was war das denn? fragte sich Kincaid entsetzt. Aber auch sie verfügt über ein Shakarava, darin war er sicher. Erschöpft hob sie ihr Schwert auf und die Klinge zog sich in den Griff zurück, so daß sie nun nichts weiter als einen Zylinder in der Hand hielt.
"Max hat mich auf diese neuartigen Keramikschwerter gebracht" sagte sie ungerührt ob ihrer Tat ruhig in den scheinbar leeren Raum. "Wirklich praktisch. Schade, daß du ihn getötet hat. War er nicht auch ein alter Bekannter von Augur?" Ertappt erhob sich Kincaid aus seiner Deckung, in die er sich während des Quickenings geflüchtet hatte.
"Trester?" fragte Kincaid interessiert aus sicherem Abstand.
"Sie war nur der Vermittler. Ich bin Jara."
"Du weißt, daß ich im Dienst der Companions stehe und dich sofort verhaften müßte." Ein amüsiertes bösartiges Grinsen huschte über ihr Gesicht, daß Kincaid frösteln ließ.
"Das haben schon ganz andere probiert Kincaid. Und obwohl ich diese Anordnung kenne, wollte ich mich mit dir treffen."
"Warum?" konterte Kincaid trocken, sichtlich bemüht, die frische Leiche und ihr jugendliches Alter aus seinen Gedanken zu verdrängen, denn momentan waren die Informationen die sie ihm geben konnte wichtiger.
"Es muß einen besonderen Grund geben, wenn ein Kimera - wenn auch nur ein Bastard - einem Taelon dient." Ihm blieb der Mund offenstehen.
"Wie kommst du auf so was?" brachte Kincaid gerade noch heraus.
"Stell dich nicht dümmer als du bist." In ihrer erhobenen Handfläche zeigte sich ein sanftes Glühen. Kincaid betrachtete fasziniert das beginnende Aufglühen seines eigenen Shakaravas. Sie streckte ihm die Hand entgegen und Liam ergriff sie entgegen aller Vorsicht. Als sich die beiden Shakaravas berührten, wurde Kincaid von einer Welle Erinnerungen durchflutet - Erinnerungen seines Vaters. Plötzlich wußte er, welche Kreatur dieses kleine Mädchen vor ihm war. Aber es konnte nicht möglich sein, denn die M'Bet'Sharan existierten seit Jahrtausenden nicht mehr. Er griff nach ihrem linken Arm und schob den Ärmel hoch. Entsetzt starrte er auf das seltsame schwarze Gebilde, daß dort in ihrem Fleisch verankert war. Als hätte er etwas giftiges angefaßt, ließ er blitzschnell los und stolperte erschrocken einen Schritt zurück.
"Ich bin die Letzte" erklärte sie, als würde sie seine Gedanken kennen. "Aber wie auch immer ... Nachdem ich dich im Shuttle traf, hatte ich bereits einen leisen Verdacht. Ich habe etwas nachgeforscht und bin dabei auf sehr interessante Dinge gestoßen."
"Ach ja! Und welche?" brachte er aufgebracht ein.
"Daß du nicht Kincaid bist, zum Beispiel. Und auch, daß du *Möchtegern-Kincaid *erst vor ungefähr eineinhalb Jahren aufgetaucht bist und gleich nichts besseres zu tun hattest, als sich bei Da'an einzuschleimen. Auf jeden Fall habe ich mir so meine Gedanken gemacht und irgendwann ist mir dann noch die Widerstandsbewegung über den Weg gelaufen. Dein Shakarava hat mir jetzt die endgültige Bestätigung geliefert."
"Du weißt ja verdammt viel über mich" gestand Kincaid ein, der keinen Grund sah es zu leugnen. "Über dich war leider nicht sehr viel rauszukriegen. Aber jetzt kann ich mir ungefähr denken, warum die Taelons so angestrengt nach dir suchen. Da'an ist bezüglich dir etwas ... hm ... verschlossen."
"Kann ich mir vorstellen. Wäre ich an seiner Stelle auch. Aber eines kannst du mir glauben - du hast keine Ahnung warum sie mich suchen."
"Was willst du?" unterbrach Kincaid barsch. Jaras Vorschlag oder besser gesagt Bitte brachte ihn dann doch etwas aus dem Konzept. Schließlich war das eines der dreistesten Vorhaben, von denen er je gehört hatte. Da'an würde dem sowieso nie zustimmen, aber vielleicht ... darüber wollte er erst einmal nachdenken. Er wagte es nicht nach der Leiche zu fragen, denn er wußte, daß es besser war sich nicht in ihre Angelegenheiten einzumischen. Als er gegangen war, saß sie noch lange still da, doch in ihr war es alles andere als still. Ihre Gedanken kreisten um Ha'gel, von dessen Tod sie durch die Berührung mit Kincaids Shakarava erfahren hatte. Er war Vergangenheit, so wie vieles ... ihr Versprechen ihm gegenüber war es aber nicht. Das leise Knirschen von Glas riß sie aus ihrer Lethargie.


***

MacLeod saß mit halbgeschlossenen Augen und einem Glas Wein in der Hand auf der alten Couch in Dawsons Wohnung, als das Telefon klingelte. Shelley, war gerade eifrig damit beschäftigt, die unzähligen Löcher in einem alten Pullover wenigstens halbwegs zu reduzieren. Laute Rockmusik dröhnte aus den Kopfhörern ihres Diskmans. MacLeod hörte noch das Danke, als Dawson auflegte und bleich ins Zimmer kam.
"Nicholas Defrees ist tot" berichtete er sichtlich betroffen. "Man hat ihn heute morgen mit aufgeschnittener Kehle in einem Hafenbecken gefunden, als man es zur Sanierung trocken legte."
"Tut mir leid Joe. Ihr wart gute Freude, oder?" brachte MacLeod sein Mitgefühl zum Ausdruck. "Weiß man schon was Genaueres?"
"Man hat seine Leiche zusammen mit der eines kopflosen Unsterblichen gefunden. Die Polizei hatte etwas Mühe den Kopf zu finden. Laut Beobachterakten handelte es sich um einen Unsterblichen namens Martin Ranagan. Nick war auf ihn angesetzt."
"Der Name sagt mir nichts. Könnte er Nick getötet haben?"
"Unwahrscheinlich. Laut Obduktionsbericht starb Ranagan einige Stunden vor Nick."
"Ist Nick vielleicht dem anderen Unsterblichen in die Quere gekommen, der Ranagan erledigt hat?"
"Vielleicht. Nick hat noch eine Vorabbericht über Ranagans Tod an den Hauptrechner geschickt. Offensichtlich hat Ranagan sich mit einer Frau duelliert, die uns noch unbekannt war. Nick wollte sich an sie dranhängen."
"Wir sollten rauskriegen, wer die Frau ist. Es könnte gefährlich werden, wenn sie über die Beobachter Bescheid weiß."
"Ich treffe mich morgen noch kurz mit Methos ..." MacLeod verfluchte seinen Versprecher und sah hastig zu Shelley hinüber, doch die bekam von der Unterhaltung scheinbar überhaupt nichts mit, sondern wippte nur im Takt der dröhnenden Musik. Erleichtert atmete er auf. "... bevor wir abreisen. Da kann ich ihn ja mal fragen, ob er vielleicht was gehört hat."
Methos konnte ihm bezüglich Ranagan und dieser unbekannten Unsterblichen nicht weiterhelfen, zeigte sich aber betroffen über Defrees Tod. Als die beiden Freunde sich trennten, führte der Weg von Pierson interessanter Weise nicht direkt nach Hause, sondern über einen Umweg zu Dawsons Beobachterbüro. Unbeobachtet begann in der Dunkelheit ein Computer zu surren und das kaltblaue Licht spiegelte sich in Methos Gesicht. Leise klickten die gedrückten Tasten und ganze Leben, die jetzt nicht mehr waren als seelenlose Nullen und Einsen, taten sich vor ihm auf.
"Aber Methos", schreckte ihn eine tadelnde weibliche Stimme auf, "macht man sowas?" Wie von der Tarantel gestochen fuhr er herum. Glücklicherweise war er ein Unsterblicher, denn sonst wäre er jetzt durch einen Herzinfarkt im Jenseits gelandet. Jara hatte ihn durch ihre Gabe, sich völlig lautlos und vor allem (bis zu einem gewissen, aber recht geringen Abstand) ohne das vertraute Kribbeln auszulösen, zu nähern, fast zu Tode erschreckt. Sie wußte, daß er nach Ranagan suchte und gab ihm bereitwillig die Antworten, die er suchte. Es erstaunte ihn zu hören, daß Matran - wie sie ihn nannte - ihr Mann war.
"Als ich zwölf war, wurde ich ... sagen wir mal ... ihm zur Frau gegeben. Damals wußte ich noch nicht, was ich wirklich war, aber er wußte es. Was an sich nicht so schlimm wäre, wenn er nicht so furchtbar besitzergreifend und nachtragend gewesen wäre. Ihn 3000 Jahren lang an den Fersen zu haben ist nicht gerade angenehm." erklärte sie. Weniger erstaunte ihn allerdings, als sie zugab ihn getötet zu haben. Doch sie bestritt, mit dem Tod des Beobachters etwas zu tun zu haben. Sie war an diesem Abend nur gekommen, um den Bericht einzusehen, was eventuell über sie bekannt geworden war. Sie schwieg einen Moment nachdenklich.
"Die Artefakte aus Ma'els Grab, werden gerade genauer untersucht."
"Shit!" Er stieß ein paar Flüche in einer alten, längst vergessenen Sprache aus.
"Es gibt da eine Möglichkeit ...." und sie begann ihm ihren Plan zu erläutern. Viel später schalteten sie den Laptop aus und machten sich auf den Heimweg.
Dicke Regenschleier zogen über die Stadt, die das ohnehin matte Licht der Straßenlaternen weiter verdüsterten. Trotz des extrem feuchten Wetters und der späten Stunde hatten sie sich entschlossen die fünf Kilometer zu Fuß zu gehen. Die Angst ihr gegenüber war verschwunden. Er wußte, daß die Zeit mit Ma'el sie beide verändert hatte, mehr als er sich eingestehen wollte. Und doch war alles so lange her, daß er es bei seinem Zusammentreffen mit ihr in Santorin nicht glauben konnte. Er genoß den Regen auf seiner Haut, während sie zynisch über die Weltprobleme philosophierten. Erst jetzt wurde ihm bewußt, wie sehr er sie vermißt hatte. Viel zu früh, kam der Eingang zu Dawsons Wohnung in Sicht.
"So da wären wir" meinte Pierson. Unschlüssig starrten sich die beiden einen Moment lang an.
"Noch ein Bier?" Irritierte musterte er sie, bevor sich ein amüsiertes Lächeln auf sein Gesicht legte, das zu einem Lachkrampf mutierte. Sie lächelte schief zurück. Doch so schnell das Lachen gekommen war, so schnell verschwand es wieder.
"Sind wir beiden nicht schon ein bißchen alt für sowas, Jara?" Schweigend standen sie sich gegenüber und betrachteten einander abschätzend, bevor er seine Hand in ihren Nacken legte und sie näher zu sich herzog, ohne daß sich ihre Blicke trennten. Ihre Augen hatte ihn schon immer fasziniert. So dunkel und unergründlich. Es war als könnte man in ihnen das Universum sehen. Dunkel, unergründlich, uralt und vor allem kalt ... sehr kalt. Stimmte es, daß die Augen das Fenster zur Seele waren ... Hör auf, warnte ihn ihr Blick, denn du willst es nicht wissen. Ihr Gesicht war keine drei Zentimeter von seinem entfernt. Wasser lief ihm übers Gesicht und sie wischte sanft mit dem Daumen einen Tropfen von seinen Lippen. Ein kurzes Zögern, bevor er sie küßte. Er erwartete fast, durch diese gewagte Aktion seine Zunge oder eine aufgebissene Lippe zu riskieren, doch sie erwiderte seinen Kuß lang und leidenschaftlich.
"Ein Bier wäre nicht schlecht" murmelte er, als sich ihre Münder wieder trennten.


***

Ihr Kopf ruhte auf seiner Brust und sie lauschte seinen regelmäßiger werdenden Atemzügen. Eng umschlungen lagen sie in Piersons Bett. Bereits in der vorletzten Nacht hatte sie erfreut festgestellt, daß ihre momentanen sexuellen Vorlieben recht kompatibel waren. Man merkte einfach, daß in diesem Kerl längerjährige Erfahrung steckte. Doch auch er mußte zugeben, daß sie ihn in Welten geführt hatte, von deren Existenz er trotz seines etwas gehobeneren Alters nichts wußte.
"MacLeod fragte mich heute, was da zwischen uns wäre? Offensichtlich war Dawson bei ihm" erwähnte sie wie nebenbei. Pierson erinnerte sich gut an den gestrigen Morgen, als Dawson verfrüht von seiner Reise zurückgekommen war und sie beide im Bett erwischte. Das Entsetzen auf Dawsons Gesicht würde er nie vergessen, als dieser die Tür öffnete und die beiden bei ihren Spielchen störte. Entsetzt und gleichzeitig peinlich berührt verließ Dawson hastig das Zimmer. Es dauerte eine Weile bis er begriff, was er wirklich gesehen hatte. Wütend wollte er zurück ins Zimmer rennen, als ihm Shelley in Jeans und Pulli entgegenkam. Pierson zog sich ebenfalls hurtig an und stand gerade in der Schlafzimmertür, als Dawson auf ihn losgehen wollte, doch Shelley stellte sich zwischen sie.
"Du verfluchter Bastard!" schrie er ihn aufgebracht an. "Sie ist noch ein Kind verdammt noch mal. Wie konntest du nur? Ich hab dir vertraut."
"Hör auf Joe" versuchte sie ihn zu beruhigen. "Er ist nicht der erste Mann, mit dem ich schlafe und hoffentlich auch nicht der letzte." Dawson blieb der Mund offenstehen.
"Was redest du da?"
"Ich rede davon, daß ich es wollte, Joe." Sie atmete tief durch. "Laß uns etwas spazieren gehen, die frische Luft wird dir guttun." Damit schob sie ihn eher widerwillig Richtung Tür. Ein ungutes Gefühl regte sich in Methos. Ihm war nicht entgangen, daß während des Ankleidens ihre schallgedämpfte Pistole im Hosenbund am vertrauten Platz in ihrem Rücken verschwunden war. Sie würde doch nicht...
"Shelley?" Sie drehte sich zu ihm um und sah die zweifelnde Frage in seinen Augen. Wie kannst du so etwas von mir denken? warf ihm ihr anklagender Blick vor, bevor sich die Tür hinter ihr schloß. Das mulmige Gefühl blieb. Dawson wäre nicht der erste gewesen, der von einem Spaziergang mit ihr nicht zurückkäme. Nachdenklich betrachtete er die Pistole auf dem Nachttisch, aus der sich gestern glücklicherweise kein Schuß löste. Daneben lag ihr wirklich bewundernswertes Keramikschwert. Er wußte, daß sich irgendwo zwischen ihren Sachen auch noch ein chirurgisch scharfer Dolch befand. Das Wissen, zu was sie bereits ohne diese Waffen fähig war, geschweige denn mit, ließ ihn frösteln.
"Was hast du MacLeod erzählt?" Sie schwieg so lange, daß er schon keine Antwort mehr erwartet.
"So etwas Ähnliches wie die Wahrheit." antwortete sie ihm traurig.
"Lügen also." stellte er fest. Da stützte sie sich auf ihren Ellenbogen und betrachtete ihn musternd.
"Was hättest du ihm gesagt?"


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Sandoval schlenderte mit einem selbstzufriedenen Grinsen im Gesicht zum Treffpunkt. Noch vor drei Tagen mußte er Zo'ors Beschimpfungen über sich ergehen lassen, weil einer seiner besten Informanten den Kopf einbüßte. Im wahrsten Sinne des Wortes, dachte Sandoval amüsiert. Es war zwar ärgerlich ihn zu verlieren, aber im Grunde war er nun nicht mehr weiter wichtig. Das, was er an jenem Tag erfuhr, würde das entscheidende As in seinem Ärmel sein. Aber bis es soweit war, brauchte niemand davon erfahren. Zo'or bekam vor lauter eigener Genialität sowieso nicht mit was wirklich ablief und Da'an wurde momentan auf informationeller Sparflamme gehalten. Irgendwann würde er Zo'or in sein Wissen einweihen und die Synode würde den Rest nach seinen Vorstellungen erledigen. Aber bis es soweit war, würde er vorgeben in Zo'ors aberwitzigen Plan mitzuspielen. Nur mit Mühe konnte er bei den Gedanken an sein Vorhaben ein noch breiteres Grinsen unterdrücken und zu seinem emotionslosen Standardgesichtsausdruck zurückkehren.
"Pünktlichkeit ist eine Tugend, die Ihnen nicht zu eigen ist Sandoval" tönte eine weibliche Stimme vor ihm.
"Trester?" fragte er in die Dunkelheit.
"Erwarten Sie sonst noch jemanden?" erwiderte sie spöttisch. "Warum bestanden Sie auf dieses persönliche Treffen?" fuhr sie fort, ohne eine Antwort abzuwarten.
"Weil es Sachen zu besprechen gibt, die nicht gerade Global geeignet sind." Bisher hatten sie nur über das Global bei deaktivierter Bildübertragung Verbindung und selbst jetzt hielt sie sich im Schatten, damit er sie nicht sah.
"Lukrativ?"
"Ja."
"Ich bin ganz Ohr!"
"Es wäre angenehmer, wenn ich sie sehen könnte."
"Hm ... Ich würde ungern einen so einträglichen Auftraggeber verlieren." Er wußte, auf was sie anspielte, schließlich war er selbst lange genug auf der Suche nach ihr gewesen. Trotz seiner guten Verbindungen war nichts über sie herauszubringen. Trester war weniger als ein Schatten, denn offiziell sowie inoffiziell existierte sie offensichtlich nicht. Der einzige Beweis, daß es sie gab, war die Stimme aus der Dunkelheit vor ihm. Schweren Herzens begann er, ihr seinen Plan und ihre Rolle darin zu erklären. Ihm mißfiel der Gedanke, sie ganz einzuweihen. Doch für eine effektive Umsetzung des Ganzen, war dies unumgänglich. Es fiel ihm schwer, Trester zu vertrauen, obwohl er schon seit langem mit ihr zusammenarbeitet und noch nie enttäuscht worden war. Ihr leises bösartiges Kichern hallte hohl durch die alte Halle.
"Sie sind wirklich ein hinterhältiger Bastard Sandoval." Aus ihrem Mund wertete er das eher als Kompliment.
"Also sind wir uns einig?"
"Sie erfüllen Ihren Teil und ich den meinen." Sandoval wußte viel, zu viel. Nun war klar, wer an jenem Abend neben Ranagans Beobachter noch Zeuge des Treffens mit Kincaid war. Für das Erste würde sie den Dingen ihren Lauf lassen, aber bald würde sie sich dieses Problems annehmen müssen.


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Die drei in schwarzes Leder gebundenen Bücher lagen wie Anklageschrift und Bekennerbrief in einem vor ihr. Wie kam Dawson zu diesen Büchern? Warum zum Teufel hatte sie Andrew vertraut? Sie hatte seinem Versprechen, sie in seinem verbotenerweise geführten privaten Tagebuch nicht zu erwähnen, geglaubt. Wie konnte sie nur so dumm gewesen sein? Da mußte wirklich ihr Hirn ausgesetzt haben. Ihre Wut richtete sich weniger gegen Adrew und Dawson, als vielmehr gegen sie selbst und ihre Nachlässigkeit.
"Ich glaube du solltest uns einiges erklären - Shelley oder Jara oder wie du sonst immer heißt!" forderte Dawson. Ungerührt erwiderte sie seinen Blick. Moralistische neugierige Beobachter und zu hilfsbereite Unsterbliche, die alles nur gut meinten, konnten wirklich etwas lästiges sein. MacLeods Essenseinladung war eigentlich mehr dazu gedacht, die Wogen etwas zu glätten und so saßen Dawson, Pierson und sie etwas steif bei MacLeod. Das die Geschichte allerdings so eine Wendung nehmen würde, darauf war sie nicht gefaßt.
"Mir kam es gerade recht, daß du annahmst, ich sei eine neue Unsterbliche. Das gab mir Zeit meine Spuren besser zu verwischen. Irgendwann hätte ich mich dann aus dem Staub gemacht und niemand hätte je die Wahrheit erfahren müssen. Nachdem ich bei den Beobachtern nicht verzeichnet bin, wäre das auch kein Problem gewesen." Von so einem Sterblichen würde sie sich noch lange nicht aus der Ruhe bringen lassen.
"Und was ist mit deiner Story über den Diebstahl, der überhaupt zu der ganzen Sache geführt hat? War das auch gelogen? Hast du alles geplant?"
"Nein, das war nicht geplant, sondern ein wirklich dummer Zufall. Ich hab auch nicht gelogen, was den Diebstahl betrifft." Das stimmte zwar so ungefähr, doch die ganze Wahrheit war es auch nicht.
"Und Andrew hat dich aus den Chroniken herausgehalten, was?"
"Ja!" war ihre einfache Antwort.
"Und ich Idiot dachte immer ihr seit Vater und Tochter!" Die Schuldzuweisung in Joes Stimme paßte ihr gar nicht.
"Hast du diese Story wirklich geglaubt?" Ihr beißender Spott über seine offensichtliche Naivität war nicht zu überhören. "Andrew wußte wer und vor allem was ich bin und hat trotzdem den Mund gehalten." Sex konnte nämlich bei manchen ein überzeugendes Argument sein, setzte sie in Gedanken hinzu.
"Vielleicht könntest du ja zur Abwechslung uns auch mal die Wahrheit sagen."
"Eine Wahrheit - unzählige Gesichter" erwiderte sie bitter.
"Hör auf hier deine Lebensweisen zu verbreiten!" polterte MacLeod wütend.
"Vor ungefähr 3000 Jahren gab mir die Frau, die mich fand, den Namen Jara" lenkte sie ein.
"Wie lange kennt ihr euch eigentlich schon?" unterbrach Dawson sie mit einem Deut auf Pierson. "Andrew hat euer Treffen in Santorin zwar kurz erwähnt, aber nichts genaueres dazu geschrieben." Genervt blickte sie Dawson an und stieß einen resignierten Seufzer aus.
*"Methos*", sie betonte seinen richtigen Namen, "und ich kennen uns schon seit ..."


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Bronzezeit


Langsam stieg die Frau den Hügel empor, einen mit frisch gesammelten Beeren und Kräutern gefüllte Schilfkorb in der Hand. Der Weg von ihrem Lager bis zu der Stelle, wo die Pflanzen und Früchte wuchsen war weit und früher war sie meist mit ihrer Mutter unterwegs. Fünfzehn Sommer war es nun her, seit ihre Mutter sie als Baby fand und als ihr Kind aufzog, drei Sommer, seit sie ihrem Mann gegeben wurde. Von da an machte sie sich alleine auf den Weg. Doch das machte ihr nichts aus, denn dann hatte sie Zeit in der Stille der Einöde über vieles nachzudenken. Sie genoß es, sich die Zeit zu nehmen einfach dazusitzen und den tanzenden Blättern im Wind oder dem Treiben des Sandes zuzusehen. Die Sonne brannte auf ihrer Haut und der Wind zerzauste ihr Haar. Sie freute sich schon auf einen kühlen Schluck Wasser im Schatten des Zeltes. Nur noch eine halbe Stunde, dann würde sie bereits vom Blöken der Tiere begrüßt werden. Die Sonne wurde für einen Moment von einer Wolke verdunkelt. Im gleiche Moment keimte in ihr eine dunkle Vorahnung auf und wurde Schritt für Schritt stärker. Sie blieb stehen und betrachtete den Weg, den sie gekommen war. Es würde das letzte mal sein, daß sie ihn gegangen war, wurde ihr mit plötzlicher Bestimmtheit bewußt. Sie wand sich wieder in Richtung des Lagers und folgte dem Pfad ohne ihren Schritt zu verlangsamen. Schon von Weitem trug der Wind das aufgeregte Blöcken der Tiere vermischt mit menschlichen Schreien, Weinen, Bitten und Klagen zu ihr. Der Anblick des Lagers, als sie den letzten Hügel erklomm, ließ sie stillstehen. Zelte waren eingerissen und die Feuerstellen zerstört. Blut tränkte den Sand. Vier Männer mit schrecklichen Masken wüteten dort und vernichteten mit ihren Schwertern und Äxten alles, was sich ihnen in den Weg stellte. Für diese Kreaturen spielte es keine Rolle, ob es Kind oder Frau, Mann oder Schaf war, das sie töteten. Ihre Träume waren Wirklichkeit geworden. Ihre Vorahnungen hatten sich bewahrheitet. Heute waren die Reiter des Bösen gekommen, so wie sie immer befürchtet hatte und zerstörten die Welt des Mädchens. Ihr Blick schweifte in hoffnungslosem Entsetzen über das Lager und blieb an einem der Reiter haften. Er saß inmitten des Chaos auf einem herrlichen Schimmel, als nähme er nicht einmal wahr, was um in herum passierte. Und selbst über die große Entfernung erkannte sie, daß seine Aufmerksamkeit ihr galt. Es war der Tod, dem sie in die metallene Fratze sah. Doch sie verspürte keine Furcht, denn ihre Mutter hatte sie stets gelehrt, daß Tod nichts war, vor dem man sich zu ängstigen brauchte. Sie vergaß dabei nur zu erwähnen, wie schmerzhaft es war mit dem Tod anderer zu leben. Schnell verscheuchte sie den aufkeimenden Gedanken an die Frau, die sie als ihre Mutter akzeptiert hatte, denn sie war tot - so tot wie die anderen in diesem Meer aus Blut. Noch ein tiefer Atemzug, bevor sie sich mit dem Entschluß umdrehte, ein letztes Mal die Beeren im Schatten eines Baumes unten am Fluß zu essen. Das Schnauben eines Pferdes und scharrende Hufe auf Kies wurde hinter ihr kurze Zeit später laut. Ohne auch nur aufzusehen fuhr sie fort, die staubigen Beeren zu waschen.
"Du hast Beeren für deinen Herren gesammelt?!" dröhnte eine höhnische Stimme hinter ihr. Langsam wand sie den Kopf.
"Ich habe keinen Herrn, aber setz dich und sei mein Gast" erwiderte sie ohne eine Spur von Furcht. Ihr Blick wanderte wieder über den Fluß. Für einen Moment war der Tod erstaunt und ließ fassungslos sein Schwert etwas sinken. Keiner - nicht einmal seine drei Brüder wagten so mit ihm zu reden. Sie erwartete sein Schwert, den Schmerz, wenn die Klinge durch das Fleisch schnitt, akzeptierte mit Erleichterung den Tod, der sie erwartete um auch dieses Leben auszulöschen, aber nichts dergleichen geschah.
Der Tod war auf eine eigentümliche Art fasziniert von dem Weib vor sich. Sie hatte keine Angst vor ihm oder zeigte sie zumindest nicht. Das war er nicht gewohnt. Während er im Lager seinem blutigem Werk nachgegangen war, hatte er aus den Augenwinkeln die rothaarige Gestalt auf einen der Hügel erspäht. Er hatte erwartet, sie in Panik davonrennen zu sehen, doch sie drehte sich langsam um und schlug den Pfad Richtung Fluß ein, der sie näher an das Lager heranbrachte. Sein Pferd bäumte sich auf um dann im Galopp die Verfolgung aufzunehmen. Das Kind, daß dabei zertrampelt wurde, registrierte er nicht einmal.
"Hast du keine Angst vor dem Tod?" fragte er.
"Nein!" Das Weib war anmaßend, daß würde er ihr austreiben müssen ... später ... er war müde vom Kampf und sehnte sich nach der Frische der Beeren und der Kühle des Wassers. Natürlich hätte er sie töten können und wenn man bedachte, mit welcher Frechheit sie sich ihm gegenüber verhielt, auch tun sollen. Andererseits ... ja was eigentlich andererseits ... er fand nie heraus, was ihn in diesem Moment dazu bewog, vom Pferd zu steigen und sich neben sie zu setzen. Sie nahm das Tuch mit dem die Früchte abgedeckt waren, tauchte es in den Fluß und reichte es ihm, damit er seine Hände reinigen und sein Gesicht erfrischen konnte. Eine Geste der Gastfreundschaft, wie sie in ihrem Volk üblich war. Als er seine Maske abnahm studierte sie gleichgültig seine markanten Gesichtszüge, die mit blauer Bemalung verziert waren und seine kalten, unnahbaren Augen. Als er ihr das Tuch zurückgab war es rot von Blut. Bedächtig begannen sie zusammen die Beeren zu essen. Die Schreie der Menschen im Lager und der beißende Geruch von Rauch umgaben sie, aber das war von keiner Bedeutung. Real waren in diesem Moment nur die Beeren, das Wasser des Flusses und die Hügel dahinter. Schweigend saßen sie lange Zeit nebeneinander. Die letzten vereinzelten Schreie hinter ihnen verstummten. Unvermittelt riß er sie an den Haaren zu sich heran. Herausfordernd sah sie ihm in die gefühllosen Augen.
"Du lebst nur um mir zu dienen." Sie spürte seinen heißen Atem auf ihrer Haut, der nichts mit der kalten, gleichgültigen Stimme gemein hatte. Seine Hand erkundete grob die Innenseite ihres Schenkels. Ihre Zähne vergruben sich tief im weichen Fleisch zwischen Hals und Schulter, bis der kupferne Geschmack seines Blutes ihren Mund füllte. Seine Hand traf sie so hart und unvermittelt ins Gesicht, daß sie benommen ihren Biß lockerte. Ohne der Bißwunde auch nur einen Funken Aufmerksamkeit zu schenken, packte er sie wütend am Kleid, daß unter seiner rohen Handhabung zerriß. Interessiert betrachtete er die Tätowierungen, die darunter zum Vorschein kamen. Ihre erhobene Hand fing er mit Leichtigkeit ab und drückte ihren Körper brutal auf den Boden.
"Ein störrisches Pferd will gezähmt werden." Er nahm sich trotz Gegenwehr, was er offensichtlich als sein Eigentum betrachtete. Der Tod war zu ihr gekommen und die Hölle folgte ihm nach.

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Zu Teil 2....