Rückkehr
Selena





Vorbei, dachte Admiral Piett.
All die Jahre im Dienst des Imperiums, endlich die Beförderung zum Admiral, und dann... dafür wird er mich umbringen.
Er hörte seinen Kapitän neben sich schlucken und wußte, daß sie beide auf das Gleiche warteten; auf den unsichtbaren, tödlichen Griff, der ihrem Leben ein Ende setzen würde. In dem Moment, in dem das Rebellenschiff gegen alle Gesetze der Wahrscheinlichkeit verschwunden war, hatte sich ihr Schicksal entschieden.
Sind Sie sicher, daß Ihre Männer den Hyperantrieb des Millennium Falcon desaktiviert haben?
Ja, Mylord.
Mit dieser Bestätigung hatte er sich sein Todesurteil unterschrieben, dachte Piett, und war beinahe erleichtert, als Lord Vader sich endlich umdrehte, statt weiterhin in den Weltraum zu starren, und damit zumindest dem quälenden Warten ein Ende machte. Er stand unwillkürlich etwas gerader und hoffte, daß Vader schnell zu einem Ende kommen würde. Sein Kapitän atmete etwas schneller, aber keiner von beiden sagte etwas; sie hatten erlebt, wie wenig Entschuldigungen Admiral Ozzel genützt hatten.
Immer noch spürte er nichts, obwohl Vader direkt auf ihn zukam. Piett fragte sich entsetzt, ob der dunkle Lord vorhatte, ihn einem Exekutionskommando zu überlassen. Von seinen eigenen Männern erschossen zu werden... was für eine Schande. Und es würde seine Familie um jeden Pensionsanspruch bringen.
Er öffnete gerade den Mund, um entgegen sein besseres Wissen eine Bitte zu äußern, als sein Gehirn registrierte, was seine Augen bereits einige Sekunden vorher ungläubig erkannt hatten. Vader ging direkt an ihm vorbei, ohne nach links oder rechts zu schauen. Er verließ die Brücke, ohne auch nur ein Wort zu äußern.
Das ist nicht wahr, dachte Piett, und erst jetzt spürte er die feinen Schweißtropfen auf seiner Stern. Das gibt es nicht.
Er schaute zu seinem Kapitän, der seinen Blick mit der gleichen ungläubigen Erleichterung erwiderte. Keiner von beiden besaß telepathische Fähigkeiten, doch sie dachten beide unwillkürlich das gleiche: Was um alles auf der Welt war auf Bespin geschehen?

Sein Puls und Atem waren maschinengesteuert, und seine durch die Maske modulierte Stimme klang so ruhig wie immer, als er die Verbindung nach Coruscant herstellte. Darth Vader glaubte nicht an Aufschübe. Unangenehme Nachrichten wurden nicht besser, wenn man ihre Überbringung hinauszögerte. Und wenn er dem Kaiser jetzt nicht Bericht erstatte, würde ihn später ein imperialer Ruf stören, wenn er... nachdachte. Und er brauchte dringend absolute Ungestörtheit, um... nachzudenken. In aller Ruhe über das Geschehene nachzudenken.
"Mein Gebieter", sagte er, als die holographische Verbindung endlich stand, ohne zu flackern. Das Bild des Kaisers sah abwartend zu ihm herab, und Vader fuhr fort: "Skywalker ist entkommen, gemeinsam mit Leia Organa."
Er fügte nichts hinzu, weder Erklärungen über den Hyperantrieb des Millennium Falcon, der eigentlich defekt hätte sein sollen, noch über Administrator Calrissians Kehrtwendung, die Leia Organa die Flucht ermöglicht hatte. Er glaubte auch nicht an Entschuldigungen, nicht für sein eigenes Versagen und nicht für das seiner Untergebenen.
Wie immer, wenn er mit dem Kaiser sprach, stellte sich schnell auch über die größten Distanzen eine Verbindung in der Macht her. Vader spürte Palpatines Zorn, obwohl die Stimme des Kaisers so gleichmäßig blieb wie seine eigene.
"Ihr habt versprochen, ihn entweder zu bekehren oder zu töten. Wieso ist er noch am Leben?"
Er hätte ihn töten können. Mehr noch, er hätte ihn aufhalten können. Jedes Wesen erreichte irgendwann den Punkt, an dem seine Widerstandskraft zusammenbrach, und als der Junge sich in den Schacht gestürzt hatte, war dieser Punkt erreicht worden. Vader hätte den Jungen mit der gleichen Mühelosigkeit, mit der er während ihres Duells Computer, Kühlungsanlagen und Ladecontainer als Waffen eingesetzt hatte, zurückholen können. Für einen Meister der Macht war das nicht mehr als eine Fingerübung, Luftsog hin, Luftsog her. Stattdessen hatte er am Rand des Schachts gestanden, ohne sich zu rühren, und nichts weiter getan, als den Sturz des Jungen zu verfolgen.
"Lord Vader", sagte der Kaiser, "ich habe es Euch schon einmal gesagt: Er darf nie ein Jedi werden."
Zorn war nicht das einzige, was den Kaiser bewegte. Wie bei ihrem letzten Gespräch erkannte Vader noch etwas anderes in seinem Gebieter, und er bemühte sich, die Gefühle zu unterdrücken, welche die Erkenntnis in ihm auslöste. Zumindest, bis das Gespräch beendet war. Der Kaiser empfand Furcht, Furcht vor einem halbausgebildeten Jungen.
Die Macht gestattete nur selten eindeutige Blicke in die Zukunft; jeder Weg, den sie zeigte, besaß unendlich viele Abzweigungen, die in die verschiedensten Richtungen führten. Aber der Kaiser hatte bereits vor Jahren an überwältigend vielen Enden das gleiche Ergebnis vorgefunden, und einmal war es Vader gelungen, die mentale Abschirmung seines Herren zu durchbrechen. Er wußte, was der Kaiser vorausgesehen hatte.
Ein Skywalker wird sein Tod sein.
Die Beziehung zwischen dem Kaiser und seinem mächtigsten Untertan war immer mehrdeutig gewesen. Vader akzeptierte den Kaiser als seinen Meister, das einzige Geschöpf in diesem Universum, das ihm noch überlegen war. Und solange diese Überlegenheit anhielt, diente ihm Vader. Aber das war nicht das ganze Ausmaß seines Ehrgeizes, und der Kaiser, der an der Entstehung von Darth Vader seinen Anteil hatte, war viel zu klug, um das nicht zu wissen. Er wußte, daß Vader davon träumte, eines Tages selbst den innersten Kern der Macht in Händen zu halten, und Vader wußte, daß er es wußte. Andererseits wußten sie auch beide, daß der Zeitpunkt für einen Machtkampf noch lange nicht gekommen war. Der Kaiser beherrschte die dunkle Seite der Macht mit einer Makellosigkeit, die Vader bei aller Souveränität noch nicht erreicht hatte. Etwas hielt ihn zurück, und nach den Geschehnissen des heutigen Tages ahnte er, was es war.
Doch wenn er allein nicht fähig war, den Kaiser zu besiegen... dann gemeinsam mit einem anderen.
Er wird sich uns anschließen oder sterben,
hatte er dem Kaiser geschworen. Die Wahrheit sah etwas anders aus: Der Junge würde sich Darth Vader anschließen oder sterben. Aber jetzt war nicht der Moment, darüber nachzudenken.
"Er wird sich bekehren", erwiderte Vader laut. "Die dunkle Seite hat ihn bereits berührt. Ich habe es gespürt. Es ist nur noch eine Frage der Zeit."
Das Hologramm des Kaisers blieb still, aber er bemerkte, wie der Kaiser den Kontakt verstärkte, nach seinen Gedanken und Empfindungen tastete. Vader zog sich ein wenig zurück und bot dem Kaiser dar, was er sehen wollte und sollte: er hatte die Wahrheit gesprochen. Während ihres Duells hatte Luke Haß und dem Wunsch nach Rache nachgegeben, nur kurz, aber es hatte genügt. Eine solche Erfahrung machte süchtig.
"Gut", sagte der Kaiser schließlich. "Kehrt nach Coruscant zurück, Lord Vader. Ich habe einen Plan, aber obwohl diese Verbindung abhörsicher sein sollte, ziehe ich es trotzdem vor, persönlich mit Euch darüber zu sprechen."
Das Hologramm flackerte und verschwand. Vader erhob sich. Über das Bordkommunikationssystem wies er Piett an, zunächst Kurs auf das Detapa-System zu nehmen, und befahl, ihn in der nächsten Stunde nicht zu stören und bis dahin seinen Jäger startklar zu machen. Er stellte befriedigt fest, daß Piett im Unterschied zu seinem Vorgänger keine törichten Fragen stellte, sondern widerspruchslos gehorchte. Furcht mochte gelegentlich lähmend auf den Dienstbetrieb wirken; in den meisten Fällen war sie eine nützliche Motivation.
Dann zog er sich in seine Meditationskapsel zurück und wartete, bis die Luft gereinigt und mit dem korrekten Gasgemisch gefüllt worden war, ehe er den Prozeß in Gang setzte, der ihn von Helm und Maske befreite, und dann, sehr behutsam, von seiner Rüstung.
Seit Jahren benutzte er seine Meditationen dazu, das Experiment durchzuführen, das ihm quälend und notwendig zugleich war; mit Hilfe der Macht seinen zerstörten Körper wieder herzustellen. Er glaubte, daß es möglich war. Es war die Macht gewesen, die ihm am Leben erhalten hatte, gegen alle Wahrscheinlichkeit, als glühende Lava sich in den Körper von Anakin Skywalker einbrannte und ihn fast umbrachte.
Der Haß, den er empfand, wenn er daran dachte, bildete seinen schnellsten Zugang zur Macht; er richtete seine Energien auf das vernarbte Gewebe. Für einen Moment wich der Druck von seiner Lunge, der jedesmal kam, wenn er die elektronische Steuerung abschaltete. Er wußte, daß es nur ein flüchtiger Sieg war. Aber eines Tages, dachte Vader, eines Tages wird es für immer sein. Aber heute war es ihm nicht möglich, sich genügend darauf zu konzentrieren. Es gab zuviel anderes.
Als er nach der Zerstörung des Todessterns den Namen des jungen Rebellen erfahren hatte, der den entscheidenden Schuß abfeuerte, hatte er sich zunächst geweigert, es zu glauben. Skywalker mochte vielleicht nicht der häufigste Name in der Galaxis sein, aber so ungewöhnlich war er auch wieder nicht. Doch jemand, der Skywalker hieß, Schüler von Obi-Wan Kenobi war und in dem er selbst eine erwachende Beherrschung der Macht gespürt hatte...
Es hätte sich immer noch um einen Zufall handeln können, oder einen Sprößling eines längst verschollenen Familienzweigs. Einem Spion gelang es schließlich, ihm eine Aufnahme des jungen Rebellen zu besorgen, und die Ähnlichkeit traf ihn wie ein Schlag.
Sie war tot. Obi-Wan hatte gesagt, daß sie tot war.
Mein Freund, dachte Vader, und spürte den Haß in sich stärker pulsieren als seinen mühsamen Blutkreislauf, du mußt wirklich Übung darin erhalten haben, andere Leute für tot zu erklären. Sie ist tot, Anakin.
Er hat mir genug gesagt. Er hat mir gesagt, daß Sie meinen Vater verraten und ermordet haben!
Und das war Obi-Wans Fehler gewesen. Jedi-Ritter mit ihrem Beharren darauf, der schwachen Seite der Macht mit all ihren Dogmen und Regeln zu folgen, sollten sich nicht an Lügen versuchen. Es führte sie unweigerlich in Verstrickungen, denen sie nicht gewachsen waren. Mit dieser Lüge hatte Kenobi Luke verwundbar gemacht. Aber diese spezielle Verwundbarkeit war ein zweischneidiges Schwert, wie Vader auf Bespin herausgefunden hatte. Er verstand immer noch nicht alles, was ihn dort überwältigt hatte.
Zunächst war da die endgültige Gewißheit gewesen, daß es sich wirklich um seinen Sohn handelte. Auch der letzte Zweifel war erstickt, als sie ihr Duell begonnen hatten. Ein Duell mit Lichtschwertern wurde nicht nur körperlich, sondern auch geistig ausgefochten, und es gab wenige Verknüpfungen in der Macht, die tiefer gingen. Die Essenz, die er berührte, war fremd und doch vertraut, gehörte zu ihr, die Obi-Wan damals für tot erklärt hatte, ebenso wie zu ihm und war doch eine eigene, neue Person. Danach hatte er die Befriedigung empfunden, endlich wieder mit einem Gegner zu kämpfen, der seiner würdig war. Es war zu lange her. Das Duell mit Obi-Wan zählte nicht, denn der alte Mann war gekommen, um zu sterben; er hatte sich nur verteidigt, nicht ernsthaft angegriffen. Ja, es war gut, einen beinahe ebenbürtigen Gegner zu haben, und wieder die Herausforderung zu spüren, die Möglichkeit, alles zu geben.
Soweit, so verständlich, doch irgendwie hatten sich diese beiden Empfindungen zu etwas anderem verknüpft, und das war es, was Vader verstörte und ihn unangenehm an die Träume erinnerte, die ihn immer noch verfolgten und ihn daran hinderten, Anakin und damit seine Unvollkommenheit in der dunklen Seite der Macht endgültig abzuschütteln.
Mein Sohn. Ihr Sohn.
Und dann, der Impuls, der ihn schließlich gelähmt hatte, als der Junge sprang: Ich möchte nicht, daß er stirbt.
Es war eine Schwäche, das wußte er, eine gefährliche Schwäche, doch er konnte sie in eine Stärke umwandeln, wie er das bereits mit einer anderen Schwäche getan hatte. Als er vor mehr als zwei Jahrzehnten erfahren hatte, daß er trotz aller Möglichkeiten der Medizin, künstlichen Gliedmaßen und stimulierten Zellen für den Rest seines Lebens mit einer Atemmaske und Augenschutz existieren mußte, hatte der kalte Zorn darüber ihn bald die Möglichkeiten entdecken lassen, die sich hinter dieser Schwäche verbargen. Ein offensichtlicher Krüppel zu sein, war nicht nur demütigend, sondern auch gefährlich; es bot zu viele Möglichkeiten für zu viele Gegner. Aber was, wenn er die lästige Notwendigkeit mit etwas sehr viel Gründlicherem kombinierte, einer ständigen Rüstung, die es für jeden unmöglich machte, zu erkennen, wer sich hinter ihr verbarg, und die es ihm umgekehrt gestattete, sie alle zu beobachten?
Es war die Geburtsstunde von Darth Vader gewesen, geschaffen aus den Unzulänglichkeiten Anakin Skywalkers, um über sie zu triumphieren und sie in ihr Gegenteil zu verkehren. Ein verkrüppelter Anakin wäre nichts gewesen; Darth Vader, scheinbar aus dem Nichts kommend und ohne Vergangenheit, über die man ihn hätte angreifen können, wurde sehr bald zum gefürchtetsten Mann des Imperiums, nach dem Kaiser. Er hatte eine Niederlage in einen Triumph gekehrt.
Mit dieser Schwäche würde es schwerer werden, das machte jede Minute, die verging, deutlicher. Er hätte Luke sofort nach seinem Sprung zurückholen, einfrieren und dem Kaiser überbringen müssen. Es hätte nicht bedeutet, ihn zu töten, nur ihn zu brechen. Und während es sich noch rechtfertigen ließ, daß er zögerte, seinen Sohn zu töten, der zum wichtigsten Verbündeten seines Lebens werden konnte, konnte nichts auf der Welt erklären, warum er es so kurz vor dem Ziel nicht fertig gebracht hatte, Lukes Niederlage zu vollenden und seinen Willen endgültig zu brechen.
Es war die Vergangenheit, Anakins Vergangenheit, die ihm wieder gefährlich wurde, und die Fragen, die ihn seit der Entdeckung von Lukes Identität nicht mehr los ließen.
Padme. Das war nicht ihr wirklicher Name gewesen, sondern ein Spitzname, den er nur verwendete, wenn sie allein waren. Es hatte mit ihrer ersten Begegnung zu tun, und diesen Namen trug sie in seinen Gedanken.
Sie ist tot, Anakin.
Unglücklicherweise gab es nicht die geringsten Zweifel an Obi-Wan Kenobis Tod. Er hätte seine linke Hand darum gegeben, Obi-Wan jetzt hier zu haben, um ihm einige Fragen zu stellen, und zwar nicht auf Anakins, sondern auf Vaders Weise. Darth Vader hatte die Methode, Menschen auszufragen, perfektioniert.
Als er sie das letzte Mal sah, konnte sie noch nichts von ihrer Schwangerschaft gewußt haben, sonst hätte sie es ihm erzählt. Und das bedeutete, daß sie zu dem Zeitpunkt des Duells mit Kenobi, als er immer noch Anakin war, noch am Leben gewesen sein mußte. Selbst, wenn sie unmittelbar nach der Geburt gestorben war - zu diesem Zeitpunkt mußte sie noch schwanger und am Leben gewesen sein.
War sie unmittelbar nach der Geburt gestorben?
Oder lebte sie noch immer, irgendwo, genau wie der Sohn, von dem er bis vor kurzer Zeit nichts gewußt hatte?
Er besaß so große Übung darin, diejenigen Erinnerungen Anakins, die ihn schwächten, zu verdrängen, das er unwillkürlich an etwas anderes dachte, als ihm eine längst vergangene Nacht einfiel, und ihr Gesicht, als sie ihn fragte: "Glaubst du an Geister?"
Sein Ablenkungsgedanke an die verbesserte Zielortung der neuen Raumjäger, die er entworfen hatte, half diesmal nicht viel. Widerwillig gestattete er der Erinnerung ihren Sieg.
"Glaubst du an Geister?"
"Ist das ein Witz?"
"Nein, ernsthaft - glaubst du an Geister?"
"Ich habe noch keine gesehen. Nein."
"Dann werde ich dich überraschen, wenn ich vor dir sterbe", hatte sie erklärt, und er hatte nicht gewußt, ob sie scherzte oder ernst meinte, was sie da sagte. "Denn ich werde immer zu dir zurück-kehren. Immer."
Immer.
Das Atmen, selbst in dieser speziell mit heilenden Gasen gefüllten Luft, wurde allmählich schmerzhaft. Er setzte die Maschinerie wieder in Gang. Eines Tages würde er die Montur, die ihm nun vorsichtig wieder angepaßt und aufgesetzt wurde, nur noch tragen, wenn es taktische Gründe nötig machten, und ansonsten wieder die natürliche Atmosphäre atmen können. Aber dieser Tag war noch nicht gekommen. Vorerst galt es, die Antwort zu einigen offenen Fragen zu finden, und danach, sich den Jungen zurückzuholen, ohne lästiges Zögern und unerklärliche Gefühle.
Der Admiral wartete persönlich vor seinem Quartier. Hinter seiner Maske lächelte Vader. Piett versuchte etwas zu offensichtlich, das Versagen mit dem Hyperantrieb des Millennium Falcon wieder gut zu machen.
"Der Jäger steht bereit, Mylord."
"Gut. Sie werden mit der Destructor nach Coruscant zurückkehren, aber nicht auf dem direkten Weg. Warten Sie einen Tag auf Cottman IV, ehe Sie das imperiale System anfliegen. Ich werde dort wieder zu Ihnen stoßen."
Piett räusperte sich. Vader warf ihm einen Blick zu.
"Möchten Sie mich etwas fragen, Admiral?"
"Nein, Mylord", sagte Piett hastig.
 
 

Er hatte es immer genossen, zu fliegen. Es schien ihm die Essenz seiner selbst zu sein, etwas, das lange vor den Jedi und dem Kaiser da gewesen war, mit ihnen existiert hatte und noch nach ihnen existieren würde - der Flug mit seiner klaren, unkorrumpierbaren Eleganz. Doch diesmal hatte ihn nicht nur die Freude daran, allein mit den Sternen zu sein, dazu getrieben, den Sternenzerstörer hinter sich zu lassen. Es war eine simple Vorsichtsmaßnahme. Er legte keinen Wert darauf, daß sein Flugziel irgend jemandem bekannt wurde, weder seinen Untergebenen noch eventuellen Rebellenspionen, die sich unter der Flotte befinden mochten. Wenn Piett sich Gedanken machte, dann würde er annehmen, daß Vader wahrscheinlich Sarjona besuchen wollte, einen der wichtigeren imperialen Posten und vor allem einen der Stützpunkte des viel zu ehrgeizigen Großadmirals Thrawn, der kein Geheimnis daraus machte, daß er selbst gerne die rechte Hand des Kaisers wäre. Detepa lag nicht allzuweit von Sarjona entfernt.
Noch etwas weiter als Sarjona, aber in einer anderen Richtung, lag Tattoine.
Vader flog eine Weile auf Sarjona zu, ehe seine Ortung das auffing, worauf er unwillkürlich gewartet hatte; einen scheinbar ziellos durch das All driftenden kleinen Asteroiden.
Nicht sehr subtil, dachte er, und das war gut so. Wer brauchte schon subtile Feinde in der Flotte oder unter den Rebellen? Davon gab es genug auf Coruscant. Aber der in dem Asteroiden verborgene Beobachtungsdroid war kein Laserfeuer wert. Er konzentrierte sich und ertastete bald geistig den unter dem Staub verborgenen Stahl. Es kostete nur einige wenige Anstrengungen, und das Ding war unbrauchbar.
Weder sein Bewußtsein noch der Orter konnten weitere Irritationen entdecken, also wendete er den Jäger und steuerte das Doppelsonnensystem an, in dem der Planet Tattoine lag. Tattoine, wegen seines Wüstenklimas ohne großes Interesse für das Imperium, Treffpunkt der Schmuggler, Stützpunkt von Jabba the Hutt und seiner Bande. Und, wie sich erst vor einigen Monaten herausgestellt hatte, jahrelanges Exil für den ehemaligen General und Jedi-Ritter Obi-Wan Kenobi. In seinen Haß auf Obi-Wan mischte sich ein Hauch von Bewunderung. Tattoine war der eine Planet, bei dem Kenobi hatte sicher sein können, daß Darth Vader ihn nie besuchen würde. Nicht nach dem, was Anakin Skywalker dort geschehen war. Wie es schien, hatte er seinen alten Lehrer unterschätzt.
Das Imperium besaß einen Stützpunkt auf Tattoine; er war nicht sehr groß, und der Dienst dort galt mehr oder weniger als Strafversetzung. Was bedeutete, daß die dortigen Truppen teils aus lethargischen Versagern und teils aus übereifrigen Scharfschützen bestehen würden, die jede Gelegenheit nutzen würden, um Pluspunkte zu erzielen, die sie vom Tattoine befreien würden. Vader hoffte auf Lethargiker, soweit es seinen Aufenthalt betraf. Sich zu identifizieren, würde ihm zwar alle nötigen und unnötigen Hilfsmittel beschaffen, aber auch seine bisherige Vorsicht überflüssig machen. Der einzige Raumhafen war Mos Eisley, und dank des Wüstenterrains gab es nicht sehr viele andere Landemöglichkeiten für etwas von dem Gewicht eines Raumfahrzeugs. Lange zu suchen, würde die Aufmerksamkeit eines der unvermeidlichen Übereifler erregen. Vader entschied sich für die unauffälligste Möglichkeit und steuerte den nichtmilitärischen Teil des Mos-Eisley-Hafens an. Er modifizierte die Stimmübertragung seines Jägers, ehe er die routinemäßigen Anfragen der Kontrolle beantwortete. Die Landung verlief problemlos, aber noch ehe er ausstieg, registrierte er, daß er erwartet wurde.
"So", sagte der Soldat, der genau nach der falschen Mischung von jung und übereifrig klang, während er seine Waffe auf das sich langsam öffnende Cockpit des Jägers richtete, "und nun möchte ich wissen, wie du einen imperialen..."
Er stockte und wurde bleich. "Sie haben mich nicht gesehen", sagte Vader. "Sie kehren zu Ihren Aufgaben zurück." Der Soldat hatte keinen sehr starken Geist. "Ich habe Sie nicht gesehen. Ich kehre zu meinen Aufgaben zurück", wiederholte er, und Vader kam es nicht zum ersten Mal in den Sinn, daß das Verschwinden der Jedi angesichts der geringen geistigen Widerstandskraft seiner Truppen eine absolute Notwendigkeit für das Imperium gewesen war.
Dann bemerkte er, daß er noch von einer weiteren Person beobachtet wurde. Der Pilot der Maschine neben ihm war zurückgekehrt und machte sich etwas zu auffällig an seiner Laderampe zu schaffen. Vader wandte sich ihm zu und wiederholte seinen geistigen Befehl, aber diesmal erlebte er eine unangenehme Überraschung. Die Individualität und Widerstandskraft dieses Mannes war wesentlich stärker ausgeprägt als die des Soldaten.
Die nächstliegende Antwort war, ihn an Ort und Stelle zu töten, doch Vader zögerte. Es handelte sich offensichtlich um einen Schmuggler, und da er intelligent genug war, um nicht sofort zu flüchten, was seinen Tod besiegelt hätte, und stark genug, um einer Stimm-und-Gedanken-Manipulation zu widerstehen, ließ sich möglicherweise etwas nützliches mit ihm anfangen. Kurze Zeit später war ein durch den Söldner und Glücksritter J. Sebastian gemieteter Gleiter unterwegs in die Wüste.

Er brauchte nicht lange, um den Ort zu finden, an dem Kenobi gelebt hatte. Seine Aura war immer noch spürbar. Außerdem hatte der alte Mann einen energetischen Schutzwall um den kleinen Bau gezogen, nicht maschinell, sondern mit der Macht. Der geistige Befehl, den der Bau ausstrahlte, war unmißverständlich: Geh weiter! Hier gibt es nichts besonderes!
Kein Wunder, dachte Vader unbeteiligt, daß seine Truppen Kenobi und die Droiden hier nicht gefunden, sondern ihre Bemühungen auf Jawas und ein paar Farmer verschwendet hatten. Wenn der Bann jetzt noch vorhanden war, mußte er zu Obi-Wans Lebzeiten überaus stark gewesen sein. Da er die Absicht hatte, alles so zu hinterlassen, wie er es vorfand, bog er die unsichtbaren Wellen lediglich um, um einzutreten, statt sie zum Versiegen zu bringen.
      Obi-Wans Unterkunft stellte sich als spartanisch heraus, was Vader nicht überraschte. Es gab lediglich ein kleines Hologramm von Obi-Wans Heimatplaneten, aber ansonsten keinerlei Ziergegenstände. Er fand sehr bald das, was er suchte; Kenobis Sammlung antiker Bücher. Es gab kaum noch Wesen, die Wert darauf legten, eine so altertümliche Kunst wie die des Schreibens zu beherrschen, in einer Zeit, in der sie Computer, Hologramme und Droiden überflüssig machten, doch Kenobi hatte zu ihnen gehört. In der Tat war seine Passion für das Niederschreiben seiner Gedanken fast so stark gewesen wie seine Vorliebe für das Lesen nicht elektronischer Bücher. Ganz gleich, wie obskur sein Exil auch sein mochte, Vader war sicher gewesen, daß es dort Bücher geben würde.
Das erste Buch, das er fand und sorgfältig durchblätterte, enthielt in der Tat einige handbeschriebene Blätter, die sofort herausfielen. Es handelte sich um Instruktionen für den Bau eines Lichtschwerts. Vader hielt inne. Für Kenobi war der Bau eines Lichtschwerts eine Selbstverständlichkeit gewesen; er hätte die einzelnen Teile blind zusammensetzen können. Und man brauchte wahrlich kein Jedi zu sein, um zu ahnen, für wen diese Instruktionen bestimmt waren.
Er legte die Blätter wieder in das Buch. Ja, auch Luke würde zweifellos hierher zurückkehren, um seinen Freund zu retten, den Schmuggler, wenn der Kopfgeldjäger ihn Jabba brachte. Vader konnte es sich nicht leisten, so lange auf Tattoine zu warten, aber er würde vor seiner Abreise einen Spion bei Jabba unterbringen.
Das nächste Buch enthielt nur Gedrucktes und keine handgeschriebenen Aufzeichnungen, bis auf das Titelblatt, auf das jemand eine Widmung geschrieben hatte, in den sorgfältigen Schriftzügen eines Schülers, der diese Kunst erst vor kurzem erlernt hatte.
Für Obi-Wan - Lehrer, Freund und Sammler von Menschen, über die er sich ärgern kann - Anakin.
Vader klappte das Buch abrupt wieder zu und stellte es an seinen Platz zurück. Die nächsten beiden brachten auch keine Ergebnisse, und erst, als er das fünfte Buch bereits wieder an seinen Platz stellen wollte, bemerkte er, daß es etwas zu schwer für ein Buch dieser Größe war. Er blätterte es noch einmal durch, sorgfältiger, und diesmal fiel ihm die ungewöhnliche Dicke der Blätter auf, die ihm, der schon lange keine Bücher mehr in der Hand gehabt hatte, mit denen er Vergleiche hätte ziehen können, zunächst entgangen war. Er zog den Handschuh seiner künstlichen Hand aus, die für solche Zwecke besser geeignet war als die andere, vernarbte, und fuhr mit dem Finger den Seitenrand entlang. Ja, zweifellos, jede dieser Seiten bestand eigentlich aus zwei aneinander haftenden Blättern. Er setzte sich. Das erforderte weitaus mehr Konzentration, als Beobachtungsdroiden außer Funktion zu setzen.
Vader schloß die Augen und stellte sich die beiden Seiten vor, die seine synthetischen Finger berührten. Dann begann er sehr vorsichtig, sie mit einem geistigen Messer voneinander zu lösen.
Es kostete ihn Zeit, sehr viel Zeit, aber schließlich hatte er ein Buch vor sich, in dem auf zwei gedruckte Seiten zwei Seiten kamen, die eng mit Obi-Wans feiner, geschwungener Handschrift bedeckt waren.
Die ersten Einträge beschäftigten sich mit Tattoine, den Jawas, den Sandleuten, den Sonnenuntergängen, und waren uninteressant, bis auf einen, in dem es um Obi-Wans Halbbruder ging, an den sich Vader vage erinnerte.
Ging heute wieder zu Owen und Beru. Ich wage nicht, es zu oft zu tun, nicht nur des Imperiums wegen. Owen sieht es nicht gerne, wenn ich komme. Ich frage mich, ob es richtig war, ihm den Jungen zu geben, aber im Prinzip weiß ich, daß es so ist. Wir können schließlich alle sehen, was aus meinem letzten Versuch, ein Kind zu erziehen, geworden ist, nicht wahr? Auf diese Weise bekommt der Junge eine normale Kindheit und eine Familie. Außerdem wollte Beru immer einen Sohn. Owen sagte heute, es sei besser, wenn ich überhaupt nicht mehr käme. "Und wer wird ihn unterweisen, wenn er alt genug ist?" "Niemand", gab Owen zurück, streitsüchtig wie immer. "Sein Vater..." "Nach allem, was ich weiß", sagte Owen, "ist es besser, wenn er darüber nie etwas er-fährt."
Im gewissen Sinn hat er natürlich recht. Es war schwer genug, ihn zu überreden, dem Jungen den Namen zu geben, auf den seine Mutter bestanden hatte. Vielleicht ist es wirklich das Beste... aber nein. Ich weiß nicht viel von der Zukunft, doch das eine weiß ich: Wir brauchen Luke. Er ist unsere letzte Hoffnung.

Dann folgten wieder Beobachtungen über Beobachtungen hinsichtlich des Wüstenklimas, der Wüstenbewohner und der wenigen Pflanzen, die hier wuchsen, Beobachtungen, denen man den verzweifelten Versuch des Schreibers, sich zu beschäftigen, anmerkte. Im Grunde hatte die Macht hier für ausgleichende Ironie gesorgt. Als Obi-Wan zum ersten Mal hier gewesen war, hatte er nichts mehr gewünscht, als Tattoine zu entkommen, und der Junge, der ihm damals dazu verhalf, verurteilte ihn später dazu, den Rest seines Lebens hier zu verbringen. Doch daran zu denken, brachte andere Erinnerungen mit sich, und Vader unterdrückte sie energisch. Er war nicht auf seinen verhaßten Heimatplaneten zurückgekehrt, um über Qui-Gon oder seine Mutter zu reminiszieren. Dergleichen Schwächen gehörten zu Anakin, nicht zu Vader. Hier interessierte ihn nur eines, und wenn er sich dazu durch Obi-Wans Reflexionen über Sinn und Zweck des Daseins arbeiten mußte, dann ließ sich das eben nicht vermeiden. Die gelegentlichen Ausflüge in die Geschichte bewiesen, daß die ersten Exiljahre Kenobis unerschütterlichen Optimismus immer noch nicht gedämpft hatten. Kein Staatsgebilde, das nur durch Druck zusammengehalten wird, kann von Dauer sein. Das Volk wird sich erheben und die Republik wieder erneuern. Das Volk, dachte Vader, hatte in den letzten Jahren der Republik, ehe Palpatine seinen Umsturz durchführte und zum Kaiser wurde, kaum noch Interesse dafür gehabt, irgend etwas zu erhalten. Selbst die Annahme, daß sich etwa 30 Prozent aller allierten Welten an den Wahlen beteiligt hatten, war günstig geschätzt. Auch die jetzige Rebellion sah nicht eben nach einer Volkserhebung aus. Ihre Anführer entstammten wie Leia Organa oder Mon Mothma der aristokratischen Elite, die den Verlust ihrer Privilegien durch den Kaiser nie verwunden hatte.
Einige Seiten später stieß er auf eine wesentlich wichtigere Überlegung, die ihm endlich einige der gewünschten Hinweise gab.
Heute kam Lewan zu mir. Ich hatte nicht erwartet, ihn hier zu sehen, da außer Bail Organa niemand wußte, wo ich mich aufhalte, und wir alle ohnehin verabredet hatten, uns überall in der Galaxis zu zerstreuen, um Palpatine zu verwirren. Es stellte sich heraus, daß ihn mehr oder weniger der Zufall hergebracht hatte. Was er erzählte, ließ mir die Haare zu Berge stehen.
"Wir sterben, Kenobi", sagte er. "Einer nach dem anderen. Und es nicht dieser angemaßte Kaiser, der uns aufspürt. Da gibt es noch jemanden. Einen weiteren Sith, den niemand kennt, aber dafür scheint er uns umso besser zu kennen."
"Aber seit Jahrhunderten hat es keine Siths mehr gegeben", protestierte ich. "Palpatine hatte Mühe, Maul zu rekrutieren. Er kann unmöglich schon wieder einen gefunden haben."
"Er hat. Und ich kann Euch noch etwas verraten. Es muß einer von uns sein."
Ich fragte ihn, was er damit meinte, obwohl ich es zu diesem Zeitpunkt schon ahnte. "Ein Jedi", sagte er. "Ich weiß nicht, aus welchem Volk - er ist ein Humanoide, aber das ist auch schon alles, was sich erkennen läßt." Und er beschrieb einen ungewöhnlich großen Humanoiden in einer schwarzen Maske - eine Atemmaske, sagte Lewan. Meine Ahnung wurde immer stärker, aber ich wollte es nicht wahrhaben.
"Vielleicht ist es doch Palpatine", sagte ich. "Es sähe ihm ähnlich, sich eine weitere Identität zuzulegen; er weiß, was für eine effektive Waffe Furcht ist. Möglicherweise haben wir es nur mit einer Neuauflage seiner Darth-Sidious-Maskerade zu tun."
Lewan schüttelte den Kopf. "Ich habe gegen Palpatine gekämpft", antwortete er, "und ich habe gegen diesen Vader gekämpft. Woher Palpatine auch immer seine Meisterschaft in der Macht hat, er ist nie als Jedi ausgebildet worden. Seine Kampfart, seine Gedankenmuster - es ist alles völlig fremdartig. Aber dieser dunkle Lord - er kämpft wie ein Jedi. Bis hin zum Fechtstil."
Er sah mich eindringlich an. "Und nun frage ich mich - wer hat ihn ausgebildet?"
Nur ein Augenblick in meinem Leben war schlimmer - als ich Amidala sagen mußte, daß Anakin tot war. Und nun wünschte ich wahrhaftig, er wäre tot. Er ist es. Der Mann, der mein Freund war, ist tot. Aber bis zu Lewans Besuch wußte ich nicht, daß etwas überlebt hatte.
Nein, Obi-Wan, sei ehrlich. In meinem Innersten gab es etwas, daß mir sagte: Er lebt. Aber ich war vernünftig und dachte nur: Es ist unmöglich. Niemand kann das überlebt haben. Ich habe ihn stürzen sehen... Aber wenn er das überlebt hat, wenn er die dunkle Seite der Macht so weit gemeistert hat, dann gibt es niemanden mehr, der ihn aufhalten kann. Ganz bestimmt nicht ich. Es war schwer genug, ihn einmal zu bekämpfen. Aber ich weiß auch, wenn ich recht habe und Vader das ist, was einmal Anakin Skywalker war, dann bin ich mit dafür verantwortlich, und irgendwann, irgendwie muß ich einen Weg finden, die Galaxis von dem, was ich mit geschaffen habe, zu befreien.
Lewan nahm sich in Mos Eisley eine neue Raumfähre und floh weiter. Ich fürchte, ich werde ihn nicht wiedersehen. Er ließ mich mit der Frage zurück, die mich auch jetzt noch quält: Soll ich die Entdeckung durch den Kaiser riskieren und Amidala irgendwie eine Nachricht zukommen lassen? Sie hat ein Recht auf die Wahrheit. Aber wenn ich das tue, zerstöre ich vielleicht alles an Zukunft, was ihr und uns noch geblieben ist.
Auf dieser Seite gab es keine weiteren Eintragungen. Die Bedeutung des letzten Satzes war Vader nicht ganz klar, sie widersprach der Aussage ein paar Seiten zuvor hinsichtlich Lukes, aber er schenkte ihr keine weitere Beachtung.
Sie hatte es nicht gewußt.
Langsam nahmen Obi-Wans Todeserklärungen die Züge einer Farce an.
Sie ist tot, Anakin.
Er ist tot, Amidala.
Dein Vater wurde verraten und ermordet, Luke.
Der Mann, der mein Freund war, ist tot.
Das macht es für dich natürlich einfacher, mein Freund, dachte Vader und mußte sich zurückhalten, um die sorgsam geöffneten Seiten nicht durch eine unwillkürliche Handbewegung zu zerreißen. Aber was, wenn die Toten zurückkehren?
Glaubst du an Geister?
Auf der nächsten beschriebenen Seite sah Obi-Wans sonst so sichere Handschrift fast etwas zittrig aus.
Ich werde nie erfahren, ob sie es gewußt hat. Heute erreichte mich eine Botschaft von Alderaan. Amidala ist tot.

Seltsamerweise war es nicht Zorn, den er empfand. Stattdessen erkannte er das lähmende Gefühl wieder, das ihn nach Lukes Sprung in den Schacht erfaßt hatte.
Padme.
Daß sie auf Alderaan gestorben war, mußte einer der boshaften Scherze sein, die sich das Universum hin und wieder mit ihm leistete. Denn selbstverständlich hätte er Aufzeichnungen über ihr Leben und ihren Tod auf Alderaan finden können... wenn Alderaan noch existierte.
Vielleicht war es am besten so. Es erzwang den Abschluß seiner Suche, und bedeutete, daß er Anakins Erinnerungen endlich wieder in den Winkel seines Gehirns, in den sie gehörten, verbannen und sich ganz und gar auf die Zukunft konzentrieren konnte.
Ich werde immer zu dir zurückkehren. Immer.
Er wollte das Buch schließen und an seinen Platz zurückstellen, aber etwas brachte ihn dazu, vorher die letzte beschriebene Seite am Ende des Buches aufzuschlagen.

Heute kam Luke zu mir, in Begleitung zweier Droiden... und eines Hilfsrufs... aus Alderaan. Es scheint, daß mir das Universum die Chance bietet, um die ich gebetet habe. Die Gelegenheit, aus Luke den Jedi zu machen, der Anakin hätte werden sollen, die Gelegenheit, dort zu helfen, wo ich vor so vielen Jahren versagt habe... die Gelegenheit, all dieser Finsternis etwas Licht entgegen zu setzen.
Möge die Macht mit uns sein.

Sebastian wartete in Mos Eisley, und er wartete allein. Gier und Intelligenz, dachte Vader. Eine wahrhaft nützliche Kombination. "Ich habe eine weitere Aufgabe für Sie", sagte Vader, nachdem er ihm seine Belohnung ausgezahlt hatte, und fügte die Details hinzu. J. Sebastian grinste.
"Gut, für Jabba zu arbeiten, ist kein Problem. Er verschleißt seine Wachen fast so schnell wie seine Tanzmädchen. Erst heute hab ich Bib Fortuna mit einem Rotschopf im Gepäck gesehen. Aber bei der Überlebensrate hätte ich gerne noch etwas mehr Zuschuß."
Vader ignorierte den letzten Satz. "Ein rothaariges Tanzmädchen?" wiederholte er langsam. "Und sie ist heute hier angekommen?"
Es gab nicht mehr viel, daß J. Sebastian erschüttern konnte, aber nun war er aufrichtig überrascht. Er hatte noch nie gehört, daß Lord Vader sich für Frauen interessierte.
"Und was für eine Puppe", bestätigte er. "Fortuna sagt, sie sei ein echter Glücksfall. Mara Jade."
Mara Jade. Man konnte dem Kaiser vieles nachsagen, aber nicht, daß er langsam auf schlechte Neuigkeiten reagierte. Ich nehme nicht an, daß Ihr über diesen Plan mit mir sprechen wollt, mein Gebieter. Vader dachte nach. Daß der Kaiser seine persönliche Attentäterin nach Tattoine geschickt hatte, kam unerwartet, aber es bestätigte einmal mehr die Möglichkeiten, die die Zukunft barg. Er erweiterte seine Instruktionen für Sebastian noch etwas.
"Moment mal", protestierte Sebastian. "Bei Jabba den Wachposten spielen und ein Auge auf diesen Skywalker zu haben, falls er hier aufkreuzt, ist eine Sache. Aber wenn der Rotschopf ein Profi ist, warum erledigen Sie..."
Er hielt inne. Vader beobachtete ihn stumm, während sich auf dem Gesicht des Mannes fatale Schlußfolgerungen abzeichneten. Wenn Skywalker am Leben bleiben sollte, und diese Mara Jade eine Bedrohung für ihn war, warum dann nicht einfach Mara Jade umbringen? Es gab nur einen Grund, nämlich, daß Mara Jade für jemanden arbeitete, der mächtiger als Vader war. Und die Auswahl an solchen Personen war wirklich nicht groß.
"Das ist mir zu heiß", stieß Sebastian hervor. "Ich steige aus."
"Sie haben mir nicht richtig zugehört", erwiderte Vader kühl. "Aussteigen ist keine Alternative mehr. Wenn Skywalker kommt, benachrichtigen Sie mich sofort. Und Sie werden dafür sorgen, daß Mara Jade keine Möglichkeit erhält, an ihn heranzukommen. Mir ist gleich, wie Sie das tun. Aber wenn Skywalker stirbt, dann sterben Sie auch. Lassen Sie mich das noch etwas deutlicher machen. Selbst wenn Skywalker hier an einer plötzlichen Attacke von Wüstenfieber sterben sollte, werden Sie ihm nachfolgen."
Er fügte nicht hinzu, daß er niemals leere Drohungen machte. Das war unnötig. Sebastians sonst so braunes Gesicht wurde fahl.
"Aber das ist ungerecht!"
"So ist das Leben", entgegnete Vader zynisch. "Und jetzt geben Sie mir Ihren Strahler."
Sebastian wußte, was gut für ihn war. Er gehorchte widerspruchslos. Vader holte Obi-Wans Tagebuch aus dem Gleiter, legte es auf den Boden und drückte ab. Von jetzt an würde es keine falschen Schritte und keine Rückblicke in die Vergangenheit mehr geben. Das Buch verglühen zu sehen, erwies sich als nicht befriedigender als Obi-Wans selbstmörderische Aufgabe auf dem Todesstern, aber auf diese Weise würden gewisse Dinge zumindest nie in falsche Hände geraten.
Anakin ist tot.
So sei es.

Admiral Piett wirkte erleichtert, als sich Vader über Funk bei ihm meldete, und befahl sofort, die Einschleusung von Lord Vaders Jäger vorzubereiten.
"Mylord", sagte er dann, "der Kaiser hat nach Euch gefragt. Außerdem Admiral Jerrijod und Großadmiral Thrawn. Es geht um das Endor-Projekt."
"Stellen Sie eine Verbindung nach Coruscant her, sowie ich an Bord bin", entgegnete Vader, und schaltete ab. Während der Traktorstrahl ihn in die sich öffnende Schleuse des Sternenzerstörers lenkte, entspannte er sich und ließ noch einmal die Stille des Alls auf sich einwirken. Und in diesem Moment, als er nicht darauf gefaßt war, spürte er es: die empathische Verbindung, die auf Bespin entstanden war. Sie war nicht mit dem Millennium Falcon verschwunden, sondern hing wie ein loser Faden in dem Gewebe, das die Macht um jeden bildete, der sie benutzte. Nun straffte sich der Faden. Nur ein wenig, aber die Verbindung wurde stärker.
Es war die Antwort auf sein Grübeln, auf die Frage, wie sich auch diese Schwäche in eine Stärke verwandeln ließ. Die Verbindung würde sich auch weiterhin festigen, bis sein Sohn zu ihm kommen würde, freiwillig, um sein Schicksal zu erfüllen.
Er formulierte einen Ruf. Für einen kurzen Augenblick berührte er die Essenz des Jungen, dann wurde die Verbindung wieder passiv, wurde zu einer zitternden Ruhe, wie die Sehne eines Bogens, nachdem der Pfeil sie verlassen hatte. Noch war es nicht so weit, dachte Vader. Doch in der Sekunde, ehe sich das Energiefeld der Schleuse hinter seinem Jäger schloß, empfing er noch etwas anderes, von einer anderen Quelle, das seine neugefundene Ruhe und Gewißheit hinsichtlich von Zukunft und Vergangenheit jäh wieder zerstörte. Es mußte sich um ein Echo handeln, etwas anderes konnte es nicht sein, aber da war es, so verstörend wie ein plötzlicher Atemzug in seiner elektronisch geregelten Lungenversorgung:
Ich werde immer zu dir zurückkehren. Immer.