AUTOR: Melanie Laier (melanie_laier@hotmail.com)
TITEL: Nachwehen
FREIGABE: ohne Altersbeschränkung
SPOILERS: 4. Staffel Buffy, 1. Staffel Angel
INHALT: Giles fährt nach L.A. und trifft auf alte Bekannte
DISCLAIMER: Buffy und ihre Charaktere sind rechtlich geschützt und sind Eigentum von Fox, WB, Joss Whedon, Mutant Enemy Productions und Kuzui Entertainment. Die Story dient nur dem Fun und nicht um damit Geld zu verdienen.

Nachwehen
von Melanie Laier


Die Sonne brannte an diesem Sommernachmittag unbarmherzig auf Sunnydale nieder. Die Klimaanlagen liefen auf Hochtouren, kein Mensch war unterwegs, nicht einmal ein Vogel brachte die Kraft auf zu trällern.
Giles saß im Schatten der Bäume auf der Terrasse, trank Fruchtbowle, die zu 90% aus Eiswürfel bestand und sehnte sich nach dem kühleren Klima Englands, mit seinen warmen Sommerschauern, dem morgendlichen Nebel. Er seufzte und nahm einen kühlenden Schluck.

Neben ihm lag ein Stapele Briefe. Fünf im gesamten. Der sechste war heute morgen bei ihm eingetroffen. Er kannte sie in der Zwischenzeit auswendig. Der erste hatte ihn noch überrascht, der zweite brachte ihn zum nachdenken, die restlichen drei waren gleichen Inhaltes und er hatte die Idee eines Besuches verworfen. Der sechste kam zwar auch diesmal aus L.A., hatte aber einen anderen, ihm auch bekannten, Absender. Dieser Brief hatte ihn genauso überrascht, wie damals der erste, von diesem kleinen Stapel.

Giles hatte niemanden von diesen Briefen erzählt. Sie waren persönlicher Natur, auch wenn sie mit den Ereignissen der letzten Wochen eng zusammenhingen. Doch seit ihrem sinnlosen Streit, inszeniert von Spike, der Versöhnung mit bitteren Nachgeschmack und ihrem Kampf gegen Adam, war vieles nicht mehr so wie früher. Es war komplizierter geworden. Dem unbedarften Umgang miteinander, war Höfflichkeit gewichen. Eine Nachwehe, die ihn besonders schmerzte.
Die Sommerferien waren seine einzige Hoffnung. Abstand zueinander zu gewinnen, konnte vieles wieder einrenken. Willow verbracht mit Tara ihre Ferien in den Rockies. Sie wollten Zaubersprüche erforschen und Giles hatte ihnen sogar einige seiner Bücher geliehen. Nicht, weil er es gut hieß, sondern weil er Willow so zum Verstehen geben wollte, dass er ihre Beziehung mit Tara letztendlich akzeptieren und tolerieren konnte.
Xander war mit Anya auf eine Tour quer durch Amerika gestartet. Er wollte nachholen, was ihm im letzten Sommer entgangen war. Ein Versuch seinerseits mit sich und seiner Vorstellung für seine Zukunft ins Reine zu kommen.
Und Buffy war nach einem kurzen Besuch bei ihrem Vater, mit Riley nach Iowa gefahren, um seine Familie kennenzulernen und die Ferien dort auf der Finn-Farm zu verbringen.
Und Giles war alleine in Sunnydale zurückgeblieben.
Er seufzte erneut.
Es gab nichts, was ihn daran hinderte nach L.A. zu fahren. Selbst die Dämonen und Vampire schienen unter der Hitze zu leiden und Urlaub zu machen

****

„Rechnung, Rechnung, Rechnung ... puh, Werbung,“ Cordelia warf den Stapel ungeöffneter Briefe in den Papierkorb.

„Uhm, ja, haben diese Rechnungen nicht den Sinn bezahlt zu werden?“

Cordelia sah hoch und blickte zu Wesley auf, der den ganzen Morgen über schon nervös im Büro herumtigerte. Sie versuchte in nachsichtig anzulächeln, ganz als wäre Wesley ein Idiot.

„Wenn wir Geld hätten – ja! Und wenn meine Visionen zu was anderem gut wären, als euch nachts raus zu jagen, um einen armen Schlucker vor Dämonen zu beschützen  - dann ja. So – nein.“

Wesley verzog sein Gesicht. Sagte aber nichts weiter dazu.

„Jetzt bleib doch mal stehen, Wes. Du machst mich ganz kribbelig. Ist irgendwas?“ Nicht, dass sie das im Mindesten interessierte oder ihm am Ende tatsächlich ernsthaft zuhören würde. Aber die Höfflichkeit erlaubte es nun mal nicht anders.

Wesley zwang sich still zu stehen. Überlegte sich sogar, sich zu setzten. Stehen war allerdings besser. Man konnte unbemerkt weiter mit dem Fuß nervös tribbeln.

„Ich...uah...ja...ich erwarte Besuch.“

„Besuch? Geldbringender Kunde?“ Cordelias Aufmerksamkeit war geweckt.

„Nein, das kann man in der Tat nicht sagen...,“ Cordelia verzog enttäuscht das Gesicht und wandte sich wieder ihrem Monitor zu, auf dem sie gerade eine Patience legte. Allemal interessanter, als Wesley und seine Probleme.

Ein Brummen, gefolgt von einem Rattern des Fahrstuhles, kündigte ihnen Angel an, der kurz darauf im Büro auftauchte. Er nickte den beiden zur Begrüßung stumm zu, schenkte sich Kaffee ein und fragte sich auch an diesen Morgen, warum er ihn immer noch trank. War wohl Gewohnheit.

Er sah fragend die beiden an, in der Erwartung, dass einer von beiden schon mit den Neuigkeiten des Tages rausrückte.
Wesley war auffällig unruhig und seine Vampirsinne übertrugen ihm Wesleys Nervosität.

„Haben sie vor irgendetwas Angst oder sind sie besorgt?“ Angel sah über den Tassenrand in Wes Richtung.

„Hm, was?“ Wesley war erneut erstaunt, wie Angel schon wieder einmal ins Schwarze getroffen hatte.

„Er erwartet Besuch. Angel wir sollten bei Gelegenheit unseren Finanzierungsplan überdenken. Ich arbeite gerne fast umsonst, als Tippse und als Frau für alles, aber ich weigere mich weiterhin unsere Schuldner abzuwimmeln. Die sind schlimmer, als, als ein Chaosdämon und ich ... es ist geschlossen,“ brüllte Cordelia dem Klopfen an der Tür entgegen.

Angel sah schuldbewusst zum Fenster hinaus. Die Sonne war kurz vor dem Aufgehen. Die Jalousien aus diesem Grund bereits halb herunter gelassen. Cordelia hatte ja recht. Das wenige Geld, dass er zur Seite gelegt hatte, hatte gereicht, um dieses alte Gebäude zu kaufen und für seine Zwecke umzubauen. Er konnte die geringen, laufenden Kosten decken und zum Leben brauchte er relativ wenig. Seit jedoch Wes und Cordy hier im Büro mehr Zeit verbrachten als in ihrem zu Hause, waren die Kosten angestiegen.

„Cordelia, mein Besuch,“ Wesley klang wie ein kleiner Schuljunge. Er eilte zur Tür und öffnete sie.

„Ein herein hätt’s auch getan...oh. Hallo Giles,“ Cordelia stand auf und Angel wirbelte zur Tür. Tatsächlich. Giles stand mit einem verlegenen Lächeln in der Tür, unschlüssig, ob er willkommen war oder nicht.

„Hallo, Giles, sind sie über Nacht einer von uns geworden und brauchen eine extra Einladung?“ Lächelte Angel Giles entgegen.

Giles kam der Aufforderung nach und trat, nachdem Wesley platz gemacht hatte, ein. Wesley beobachtete den einstigen Wächter, auf den er in seiner Zeit in Sunnydale so eifersüchtig, so neidisch gewesen war. Ihm schien seine arbeitslose Zeit recht gut zu bekommen: Giles hatte abgenommen, wirkte leger und sportlich. Keine Anzüge, einfache Jeans, Lederjacke, schwarzes Shirt. Ein Ohrring? Seit wann trug Giles ein Ohrring? Wesley kam sich in seinen schneeweißen Leinenhosen lächerlich, fast affektiert vor. Trotzdem riss er sich zu einem freundlichen Lächeln zusammen. Es war schließlich seine Idee gewesen, Giles hier her einzuladen.

„Wes, sie hätten ruhig...entschuldigen sie Giles. Wes hat sie uns nicht angekündigt.“ Angel sah sich verlegen in seinem Büro um.  Es kam ihm auf einmal so viel schäbiger vor. „Was verschafft uns die Ehre?“

Giles ließ seine Hände in den Hosentaschen verschwinden und sah in die Runde. Angel schien etwas nervös zu sein, Cordelia sah blenden aus und Wes – nun war eben Wes.

„Wesley bat mich um ein Gespräch, aber es war nicht alleine ihr Brief Wesley, der mich hierher brachte...na ja er war ausschlaggebend für meine endgültige Entscheidung. Aber eigentlich bin ich wegen Faith hier.“

Drei Augenpaare richteten sich erstaunt und neugierig auf ihn.

„Faith?“ Wesley hatte sich zu verhören geglaubt. Am allerwenigstens hatte er an sie gedacht. Giles kam ihretwegen? Hatte er seine Bitte nicht verstanden? War dieses kleine Monster wichtiger, als sein innerer Schmerz, über den er gerne mit Giles gesprochen hätte? Giles war der einzige im Umkreis, mit den gleichen Erfahrungen: er war wie Wes eine Opfers von Folter.

Giles sah es im Gesicht von Wes arbeiten. Enttäuschung, Resignation. Irgendwie schien Wes ihm reifer geworden zu sein. Von seiner Ernsthaftigkeit schien er allerdings nichts verloren zu haben. Er wunderte sich, was Cordelia und Angel bewogen hatten ihn in ihrem Bund aufzunehmen.
Seltsam. Ein Jahr lang hatte er versucht diesen Mann zu durchschauen, zu verstehen und hatte am Ende mit Stichelein, Sarkasmus und ein wenig Boshaftigkeit ihm jeglichen Wind aus den Segeln genommen. Trotzdem hatte Wes nicht aufgegeben. Etwas, nein das einzige, was Giles jeh an ihm schätzte.

„Ja, Faith, Wesley. Ich, uhm, ja ich weiß weswegen sie mich sprechen wollen und ich bin gerne bereit mich mit ihnen darüber zu unterhalten, sonst wäre ich ja wohl kaum hier, nicht? Aber es waren die Briefe von Faith...“

„Faith hat ihnen geschrieben?“ Wesleys Unglaube wuchs ins unermäßliche, während Angel mit einem leisen Lächeln Giles Worte freudig aufnahm. Er hatte sich nicht in ihr getäuscht.

Giles nickte stumm. Er wusste, dass Wesley damit überfordert war. Faith schien ihn wirklich in seinen Grundfesten erschüttert zu habe. Wesley, der selbst noch, als Faith bereits bewiesen hatte, dass man ihr nicht trauen durfte, an das Gute in ihr geglaubt hatte. Wesley, der wahrscheinlich auch noch in ihrer Gewalt versucht hatte auf sie einzureden.
Und Giles wusste sehr gut, wie sich Wesley fühlen musste. Sie redeten hier über seine Peinigerin. In seinem Brief war darüber nichts gestanden, keine Details. Nur zwischen den Zeilen, konnte Giles schon immer gut lesen und darin hatte sich Wes Schmerz, seine Wut und seine Angst versteck. Etwas, das Giles nur zu gut kannte. Etwas, das ihm, wenn sich der längst besänftigte Blick von Angel auf ihn richtete, immer noch einen kalten Schauder über den Rücken jagte. Etwas, das ihn nach wie vor daran hinderte in Angel wieder einen Verbündeten zu sehen. Es machte es nicht leichter, dass er wußte, dass Angel ihnen im vergangen Jahr gegen den Bürgermeister zur Seite gestanden hatte. Oder das Angel an Thanksgiving Buffys Leben gerettet hatte. Nein, seine Präsenz war alleine ausreichend, dass sich Giles unwohl fühlte. Seele hin oder her – Angel oder von ihm aus auch Angelus, hatte ihn an den Rand seiner Selbst gebracht.

Er hatte Buffy bedauert, als sie von Angels Weggang erzählt hatte. Sie hatte ihm in diesen Moment so unendlich leid getan. Sie verlor dadurch ein zweites mal ihren Freund. Aber innerlich, ganz leise für sich, hatte er gejubelt.  Angel hatte in dem vergangen Jahr und davor, mehr als einmal bewiesen, dass er wieder er selbst war, dass er helfen wollte, dass er ihr Freund war. Aber die Ereignisse vor  zwei Jahren standen zwischen ihnen. Daran bestand nicht der geringste Zweifel.

„Ich fasse es nicht! Ich habe es schon schwer akzeptiert, das Angel diesem kleinen Monster die Tür geöffnet hatte und mit hierher brachte. Und nun, wollen sie...wollen sie wirklich mit ihr reden?“ Wesley riss fast seine Brille von der Nase und zoppelte das Taschentuch hervor und rieb aufgebracht die Gläser. Etwas fester Wes und sie sind Splitter, mahnte sich Wes selbst. Doch was nutzte es in Anbetracht der Tatsache, dass der Mann, den er einst nachzueifern versucht hatte, seinen Stolz verletzte und zu gab, nur zu einem geringen Teil wegen ihm hier zu sein.

Giles Blick wurde ernst, als er Wesley fixierte. Er hatte gewusst, dass sein Besuch hier alles andere als leicht werden würde. Weder für Wesley, noch für ihn selbst. Aber Wesleys affektierter und gereizter Tonfall, hatte ihn schon vor 1 ½  Jahren gereizt und änderte nichts an der Tatsache, dass es ihm gegenüber unhöfflich und gewisser Massen auch undankbar war. Schließlich war er ja hier. Er hätte auch direkt auf das Polizeirevier gehen können, mit Faith reden und anschließend wieder nach Sunnydale zurückkehren können.

„Wesley, ich wüsste nicht was sie das .... ja, will ich,“ änderte Giles den Kurs. Brachte es etwas, wenn sie sich, kaum das sie länger als eine Minute im selben Raum waren, stritten? So wie früher? Hatten sie beide denn noch nicht genug aus der Vergangenheit gelernt?

Wesleys Brille wanderte auf die Nase und er sah irgendwie wie ein schmollender Schuljunge aus, so wie er da stand, mit den aufeinander gepressten Lippen, den emporgereckten Kopf. Giles hielt dem Blick stand und schließlich war es Wes, der zur Seite sah, seine Schultern sackten zusammen und er murmelte ein bissiges:

„Wenn sie meinen, dass es was bringt?“

Giles hörte darüber hinweg und wandte sich an Cordelia und Angel.

„So, wie ich von Buffy hörte blüht das Geschäft?“

Angel zuckte bei dem Namen Buffy zusammen und er bemühte sich mit den Gedanken nicht abzudriften.
 Buffy - und damit schlich sich sofort der Name Riley in sein Gedächtnis. Riley - der Neue, der Normale, der, dem sie ‚vertrauen‘ konnte. Oh ja, es tat weh.

Giles erkannte in Angels Minenspiel den inneren Schmerz und er verfluchte sich den Name von Buffy überhaupt erwähnt zu haben. Aber er hatte damit gerechnet, dass früher oder später sowieso jemand nach ihr gefragt hätte.

„So ja, Buffy, immer noch auf diesem furchtbaren Ego-Trip? Also meiner Meinung nach ist sie ziemlich sicher auf den Weg zu einer Zicke. Und was macht unser Genie Willow? Looser Xander...erzählen sie schon,“ Cordelia plapperte wie gewöhnlich darauf los. Sie war wirklich an Neuigkeiten aus Sunnydale interessiert. Und die Wahrheit war, sie hoffte nette, erfreuliche Dinge zu hören, wie Oz und Willow heiraten, Buffy lebt glücklich mit ihrem Neuen zusammen, nach wie vor die alte Kämpferin mit Starallüren. Selbst für Xander hoffte sie, dass er jemanden gefunden hatte.

„Na ja Cordelia, in Sunnydale am Rand des Höllenschundes,“ Giles zuckte mit den Schultern. „Ist alles ziemlich beim alten.“ Er musste ihr ja nicht unbedingt ihre Problem auf die Nase binden.

„Kommen sie schon Giles, sind sie etwa immer noch der alte, unmitteilsame Zeitgenosse?“ drängte Cordelia. Giles warf ihr einen indignierten Blick zu. Cordelia schenkte ihm dafür ihr liebreizendstes Lächeln.

Giles nahm seine Brille ab und ließ sie in seiner rechten Hand hin und her schaukeln.

„Buffy hat euch die paar Male, die sie hier war nichts erzählt?“ Giles sah in die verneinenden Augen von Cordelia und Wes. Angel lehnte sich gegen den Türrahmen zu seinem Büro und lauschte gespannt. Die Zeit die Buffy hier verbracht hatte, hatte nie zum Informationsaustausch gedient, nur für Vorwürfe ihrerseits ihm gegenüber.

„Es ist wirklich nicht viel passiert. Das einzige was euch interessieren könnte – die Universität steht noch. Buffy hat sie weder niedergebrannt noch in die Luft gejagt.“ Giles musste über seine kleine Anspielung selbst schmunzeln, bevor er fortfuhr. „Willow und Oz haben sich getrennt und Xander und Anya sind letztendlich ein festes Paar.“ Giles beschloss über Willow und Tara kein Wort zu verlieren. Das war etwas, dass niemand über einen dritten erfahren sollte.

„Wow unser Werwolf und die kleine Hexe sind nicht mehr zusammen?“ Cordelia war ehrlich überrascht. „ Sie haben doch so gut zusammengepasst...uhm...ich dachte früher oder später produzieren sie kleine rothaarige Werwolfwelpen. Schade.“

Damit schien für alle im Raum das Thema Sunnydale abgeharkt zu sein, denn Cordelia wandte sich bereits wieder ihrem PC zu, Angel sah verlegen zwischen Giles und seiner Bürotüre hin und her und Wesley räusperte sich, um die Aufmerksamkeit auf sich zu lenken, was ihm auch gelang.

„Uhm, ja ich würde mit Giles gerne die Zeit nutzen um ...eh gewisse Dinge mit ihm zu besprechen.  Wenn ihr uns entschuldigt? Nur wenn es ihnen gerade passt Giles,“ fügte er hastig hinzu. Er wollte auf gar keinen Fall den Eindruck erwecken über Giles erneut bestimmen zu wollen. Wie vor 1 ½ Jahren, als er diese absurde Idee tatsächlich für einige Wochen lang gehabt hatte.

„Geht ihr ruhig. Ich habe sowieso heute morgen mit Papierkram zu tun, bei dem mir Cordelia bestimmt behilflich sein wird...uhm wir können uns ja gegen Abend wieder hier treffen? Ihnen vielleicht L.A. zeigen, etwas gemeinsam essen gehen...“ Angel wusste nicht, ob er die richtigen Worte wählte, den richtigen Vorschlag machte. Aber er war ungemein nervös. Immerhin stand Giles hier in seinem Büro und das war ihm unangenehm. Solange er ihn im Kreis der Gang in Sunnydale getroffen hatte, selbst als er ihn in der Zwischenzeit zweimal alleine zu Hause aufgesucht hatte, hatte er mit den Schuldgefühlen leben können, da  er sich quasi auf dem Territorium des Wächters bewegt hatte. Hier, das war seine Welt. Und trotzdem hatte er beim Anblick von Giles Schuldgefühle, die ihn regelrecht störten. Er konnte nichts dagegen machen. Er hätte in diesem Augenblick zu gerne gewusst, was im Kopf des ehemaligen Wächters vor sich ging. Was er dachte, fühlte, hier in sein Reich eingedrungen zu sein.

„Nun, warten wir es einfach ab? Ich würde mich auf ein gemeinsames Abendessen freuen,“ Giles sah dabei jedoch Cordelia an und nicht Angel. Das Wort Abendessen aus dem Mund eines Vampirs zu hören, hatte solch einen bitteren Nachgeschmack.

„Na prima, dann sehen wir uns heute Abend also,“ Cordelia konnte sich was besseres vorstellen, etwas knackigeres an ihrer Seite, mit dem sie einen der Clubs unsicher machen konnte, aber in letzter Zeit hatte sie ein genauso aufregendes Liebesleben wie Angel oder Wes, und das war frustrierend.

****

Wesley entschied sich für den netten kleinen Pub im irischen Viertel, in dem er schon vor einigen Wochen mit Collins und den anderen vom Rat Pläne für Faith Ergreifung geplant hatten. Er fand es irgendwie geschmacklos, aber es war etwas was an die Heimat erinnerte. Nicht das er unbedingt daran erinnert werden wollte, aber vielleicht gefiel es Giles. Es lag ihm viel daran, dass sich Giles wohl fühlte, wenn er schon den Weg hier her auf sich genommen hatte.

„Uhm, ich kenne einen netten Pub. Importiertes Guinness, Dartscheiben, nette Leute...“

„Fahren sie schon, Wes und fragen sie nicht so viel.“ Giles stieg zu Wesley in Angels Wagen, den sich Wesley geliehen hatte. Sein Motorrad war nun nicht gerade das geeigneteste Fortbewegungsmittel für Giles.

****

Sie traten durch die Tür und Giles schlug Rauch, leise irische Volkmusik und der Duft von frischem Stew entgegen. Der Pub war für den Nachmittag recht gut besucht und sie fanden einen freien Tisch im hinteren Bereich, was Giles recht war. An der Bar bestellte Wes zwei Guinness und kam mit den Gläsern zurück an den Tisch.

„Ich wusste nicht, dass sie das starke Gebräu vertragen, Wes. Sie erstaunen mich.“ Giles prostete ihm zu und nahm einen Schluck.

Wesley sah ihn für einen Moment wütend an. Konnte er die Sticheleien nicht einfach bei Seite legen?

„So nun sagen sie schon oder besser gesagt fragen sie schon was sie wissen wollen. Ihr Brief bat mich nur um ein Gespräch unter Opfern. Ich kann es mir zwar denken...“ Giles nahm seine Brille ab und steckte sie in seine Jackeninnentasche. Er brauchte sie im Moment nicht und die Gefahr, wie Wesley nervös daran herumzuspielen, wollte er nicht eingehen.

„Uhm, ich weiß nicht Giles...vielleicht sollten wir ... uhm sollte ich sie vielleicht nicht erst danach fragen, wie es ihnen inzwischen in Sunnydale ergeht? Was sie so in ihrer Freizeit treiben? Uhm, was Buffy so macht? Es erscheint mir etwas grausam sofort zum Punkt zu kommen.“

Giles verdrehte die Augen und Wesley sah ihn etwas verständnislos an.

„Um himmelswillen Wes, sie haben sich wirklich kaum verändert. Wieso small talk führen, wenn es sie doch gar nicht interessiert. Oder interessiert es sie wirklich, das ich zu joggen begonnen habe, meine Zeit mit Motorradzeitschriften totschlage, Quizshows im Fernsehen anschaue, zu kochen begonnen habe, hin und wieder Dämonen und Vampire jage, ab und zu in einer Bar meine Gitarre auspacke und einen Auftritt habe...“

„Sie singen?“ Wesley war nun wirklich erstaunt und interessiert. Giles schien sich im letzten Jahr wirklich verändert zu haben.

„Manchmal,“ es war Giles unangenehm Wesley diesen Punkt seines Lebens verraten zu haben.

„Sie könnten bei Gelegenheit...“

„Oh nein.“ Giles geriet in Panik, was Wesley etwas amüsierte. „Uhm es mag verrückt klingen...aber vor Publikum, fremdes Publikum habe ich keine Probleme, bei Freunden schon eher. Sie verstehen?“

Hatte Giles gerade eben „Freunde“ gesagt und ihn darin eingeschlossen?

Wes nickte verständnisvoll und trank. Er wusste nicht was er sonst hätte noch sagen sollen.

„Und was Buffy angeht, nun...sie ist erwachsener geworden, sie übernimmt sehr viel Eigenverantwortung. Sie geht selbständig auf Patrouille, hat einen neuen Freund...“

„Sie scheint recht wenig Zeit für sie übrig zu haben, nicht wahr?“ Wesley bedauerte in dem Moment, als er Giles bei diesen Worten zusammenzucken sah, seine Worte. „Tut, tut mir leide wenn ich etwas fal...“

„Schon gut, Wes. Man soll die Augen nie vor der Wahrheit verschließen. Sie wird erwachsen. Ich gerade immer mehr aus der Schusslinie. So ist der Lauf der Dinge. Ich kann damit umgehen.“ Er lächelte, doch Wesley war nicht blind. Lüg dich nicht selbst an, Rupert. Hätte er in diesem Moment gerne laut gesagt, verkniff es sich aber.

„Also?“ Giles sah Wesley fragend an.

„Hm...“ Wesley wusste nicht so recht wie er beginnen sollte, es war nicht einfach. Es war nicht einfach über das Geschehene vor einigen Wochen zu sprechen. Es war nicht einfach Giles damit zu quälen sich an damals zu erinnern. Aber er war nun mal der einzige der ihn verstehen würde, der seine Ängste kannte, der ihm vielleicht einen Rat geben konnte. Nicht seinen inneren Frieden, aber wenigstens einen Trost.

„Es ist nicht leicht uhm einfach darüber zu sprechen,“ sagte Wes schließlich mit seinem Blick in das dunkle Braun des Biers vertieft.

„Ich weiß,“ Giles Stimme war auf einmal soviel weicher, so viel mitfühlender, dass Wesley erstaunt hochsah. So hatte er Giles bisher nur mit Buffy reden hören und da wurde ihm schmerzlich bewusst, wie sehr Giles ihn wohl verstehen musste, wie unfair es von ihm war, den ehemaligen Wächter mit der Vergangenheit zu konfrontieren.

„Nun schauen sie mich nicht so an. Ich weiß sehr gut wie sie sich fühlen Wes. Ich, ich habe damals mit niemanden darüber gesprochen, weil ich dachte, es ginge niemanden etwas an. Niemand müsste erfahren, wie sehr Angelus meinen Stolz verletzt hatte, wie sehr er meine Menschenwürde angetastet hatte. Ich war von der Idee irregeleitet, damit alleine fertig  zu werden. Und das war falsch. Was - was hat es mir denn gebracht? Ich war gewissermaßen nun ja, etwas verbitterter, sarkastischer, nahm das Leben auf einmal nicht mehr so ernst. Ich lebte ungezwungener, da ich wusste, dass ich so vieles verpasst hatte, dass Angel mit einer einzigen Bewegung mein jämmerliches Leben hätte auslöschen können. Und wie wäre ich allen in Erinnerung geblieben? Als der vertrocknete, starrsinnige Brite, der anscheinend für ein Leben als Wächter erschaffen worden war. Buffy vielleicht hätte mich etwas in einem anderen Licht gesehen. Aber da wäre ich mir nicht so sicher.“

Wesley fand, dass Giles verbittert klang. Er erhielt mehr Einblick in Giles Innerstes, als er erwartet gar gehofft hätte. Oder am Ende gar verlangte.

„Das sie den Mut aufgebracht haben, mich um ein Gespräch zu bitten, zeigt alleine schon, dass sie einen Schritt weiter sind als ich. Sie wissen, dass es besser ist, sich jemanden anzuvertauren, einen Rat einzuholen, sich trösten zu lassen...“

„Ich will mich bestimmt nicht von ihnen trösten lassen,“ fuhr Wesley auf, der sich durch Giles Worten wie ein kleines Kind vorkam.

„So habe ich das nicht gemeint, Wes, dass wissen sie.“ Giles sah ihn vorwurfsvoll an.

„Ja...uhm..entschudigung,“ Wes Blick wanderte wieder in das Glas zurück. „Sie, sie haben nicht einmal mit Buffy darüber gesprochen?“

„Nein. Warum auch? Sie war durch ihren „Mord“ an Angel traumatisiert. Sie lief in dem Moment davon, als ich sie vielleicht am nötigsten gehabt hätte. Als sie wiederkam, sah ich nur ihren Schmerz und habe alles getan, um herauszufinden, was sie so sehr schmerzte. Dann kam Angel zurück und alles drehte sich nur noch darum, was passieren würde, wenn er wieder böse werden sollte, wie weit wir ihm vertrauen durften. Und Buffy war erneut auf den Vampir fixiert. Ich habe auf ein neues meine Bedürfnisse zum Wohl der Jägerin verdrängt, beiseite geschoben. Jeder schien von mir als Erwachsener zu erwarten, das ich mit meinen Problemen irgendwie alleine zurecht kam.“ Giles lehnte sich zurück und seine Gedanken drifteten zu den Ereignissen vor zwei Jahren zurück. Wie er sich gefreut hatte, Buffy in seiner Türe stehen zu sehen, wie er beruhigt vernommen hatte, dass sie im Kampf gegen das Böse weitermachen würde. Und Angels Rückkehr. Wie sie ihn deswegen belogen hatte. Wie sie versucht hatte Informationen von ihm zu erhalten, obwohl zu diesem Zeitpunkt Angel bereits wieder auf Erden gewesen war. Es schmerzte heute noch genauso wie damals. Nein die Verwicklungen damals hatten keinen Platz gelassen, um mit ihr über Angelus, über Jennys Tod über alles in der Vergangenheit zu reden.

„Haben sie es den versucht?“

„Bitte?“ Giles sah irritiert zu dem jungen Mann.

„Nun, haben sie es denn jemals versucht? Haben sie Buffy oder jemanden aus der Clique die Chance gegeben, sie deswegen zu fragen?“ Wesley hatte Giles damals als sturen Mann kennengelernt. Als alles bestimmender Führer, sicheres Auftreten, Autorität wenn es nötig war. Unnahbar. Er hatte so seine Zweifel daran, dass es alleine an dem jugendlichen Desinteresse der Jägerin oder ihrer Freunde lag.

Giles sah ihn kurz nachdenklich an. Wes hatte eine interessante Frage gestellt über die er noch nie nachgedacht hatte.

„Hm...ehrlich geantwortet? Ich denke nicht. Wahrscheinlich – nun bestimmt – habe ich nie den Eindruck erweckt, jemanden nötig gehabt zu haben.“ Giles Blick nahm eine Traurigkeit an, die Wesley für einen Moment erschreckte. Sie schwiegen. Jeder der Männer hing seinen eigenen Gedanken nach. Giles vor allem mußte daran zurückdenken, wie Buffy ihn einmal gefragt hatte, ob Angel jemals der Dämonischen Hölle entkommen könnte und wenn ja, was aus ihm geworden ist. Es hatte nur das Wort „Folter“ aus ihrem Mund bedurft, um ihn innerlich frösteln zu lassen. Und bei der Vorstellung eines noch gewaltigeren Angelus, der zurückkommen konnte wurder er damals von einer inneren Panik. Angesichts Buffys traurigem Blick und der Ernsthaftigkeit ihrer Frage, hatte er sich zusammen genommen. Wenn er jemals versucht hatte, mit ihr darüber zu reden, dann in diesem Moment, als er mit seinen Worten, dass es jemanden von besonderen Willens bedarf, solche Folter zu überleben und zu entkommen, sowohl Angel als auch sich gemeint hatte.

„Ich...uh...wir haben Angelus vor ein paar Wochen kennengelernt.“ Unterbrach schließlich Wesley das unangenehme Schweigen.

Giles Blick richtete sich auf Wesley und sowohl Panik, Angst als auch Neugierde stand in dem Gesicht des Ex-Wächters geschrieben.

Als er schwieg fuhr Wesley einfach fort.

„Er hat - nun er hatte die Bekanntschaft einer jungen Frau gemacht und...“,

„Oh, mein Gott nicht schon wieder,“ seufzte Giles leise, unterbrach Wesley für einen Moment.

„Nicht was sie jetzt denken, Giles. Nein, Rebecca Lowell, die Schauspielerin? Jedenfalls fand sie heraus, dass er ein Vampir ist. Ein kleines Missgeschick mit einem Spiegel. Sie wollte wissen, wie sie ihn dazu bringen kann, sie zu einer Unsterblichen zu machen, ohne große Gefahren einzugehen. Unser Plappermäulchen Cordelia gab ihr naiverweise einige Tipps, die sie so gleich realisierte. In Form von Doximall.... ...,“

„Oh ich verstehe, vorgegauckelte Glückseeligkeit. Es hat funktioniert?“

„Oh ja, dass kann man sagen. Er legte das gesamte Haus lahm, versetzte Ms. Lowell in Angst und Schrecken und machte sich dann einen Spaß daraus mit uns zu spielen.“ Wesley fröstelte bei dem Gedanken daran, wie Angel ihn gegen das Regal geworfen hatte und nur dank Cordelias beherztem Eingreifen, ihr aller Leben gerettet worden war.

„Ich kann mir nun ein leibhaftiges Bild von Angelus und seiner Taten machen. Es ist einerseits sehr faszinierend zu zusehen, wie stark sich eine Persönlichkeit verändern kann. Mit Seele ist Angel ein so liebenswürdiger Men...eh uhm Freund und andererseits will ich Angelus so schnell nicht wieder begegnen. Es muss schrecklich für sie alle damals gewesen sein.“

Giles war im Begriff gewesen einen Schluck Guinness zu nehmen, setzte aber auf halben Weg das Glas wieder bedächtig ab, als würde er sich seine Worte genau überlegen müssen.

„Es war schrecklich, doch letztendlich haben wir es überlebt, nicht wahr? Es war ein Alptraum aus dem es kein Erwachen zu geben schien. Ein Labyrinth ohne Ausweg.“

Wesley war es, als würde Giles bewusst diese Worte wählen, als wüsste er wie es in ihm aussah. Er nickte stumme, schwieg diesmal.

„Sie müssen sich einfach immer wieder sagen: das Leben ist zu schön, um es einfach so wegzuwerfen. Egal was Faith ihnen angetan hat, genießen sie jeden Tag, den sie ihnen geschenkt hat. Genießen sie Mensch zu sein. Verpflichtungen hin oder her...“

„Uhm ja...der Rat hat mich nach dem Desaster in Sunnydale meines Amtes enthoben...im Grunde ergeht es mir nicht anders als ihnen Giles. Nur das ich ehrlich gesagt etwas länger brauchte um meinen Weg zu finden.“ Wesley war es höchst peinlich Giles gegenüber sein Versagen zu geben zu müssen. Aber wenn sie schon dabei waren über Dinge zu reden, die beide Männer in sich verschlossen hatten, dann sollte er keine Geheimnisse haben.

Giles zog überrascht die Augenbrauen in die Höhe und musterte Wesley. So, so...er scheint ja wirklich in deine Fußstapfen treten zu vollen.

„Hm...ich weiß, dass sie das freut zu hören, aber könnten sie das gehässige Grinsen...“

„Nein, nein Wes...so war das jetzt nicht...entschuldigen sie.“ Giles sah verlegen in die Bar, die sich langsam zu leeren schien.

„Was wollten sie mir sagen,“ nahm Wesley wieder das Gespräch auf, da er das Gefühl hatte, nicht recht vom Fleck zu kommen, um den heißen Brei zu schleichen.

„Ich...ich wollte...was genau hat ihnen Faith angetan?“ Und als Wesley zögerte fügte er hinzu „Sie müssen darüber reden Wesley. Glauben sie es mir, ihnen wachsen nur graue Haare, sie schlafen schlecht, essen kaum und reagieren überaus über.“

„Ich weiß nicht ob ich breit bin darüber jetzt schon zu reden,“ aber als Wesley Giles Augenrollen bemerkte, schluckte er kräftig, räusperte sich und erzählte Giles was Faith getan hatte und endete mit den Worten.

„Als ihre Hand sich um den Glassplitter schloss, damit immer wieder über mein Gesicht, über die Brust fuhr...ich hätte sie am liebsten gebeten mich zu töten, dem ein Ende zu bereiten. Sie tat es ja völlig grundlos. Ich konnte ihr nicht einmal etwas anbieten, damit sie aufhörte. Sie griff nach diesem Haarspray oder was auch immer und dem Feuerzeug, wäre Angel nicht gekommen, sie hätte mich gegrillt.“ Seine Hände spielten nervös an seinem Glas, drehte es immer wieder im Kreis.

Giles hörte aufmerksam zu. Was er erfuhr überstieg seine Vorstellung, die er sich davon gemacht hatte. Er wunderte sich wie viel Hass und Aggressionen in einem einzelnen Menschen, in einem so jungen wie Faith dazu, stecken konnte.

„Das ist in der Tat...,“ Giles versagten die Worte. Es war grausam gewesen, was Wesley wiederfuhren ist und Giles konnte sich verdammt gut vorstellen, wie sich der junge Ex-Wächter in dieser Situation gefühlt haben musste, aber war es wirklich grausamer, als das was er erlebt hatte? War es wirklich zu vergleichen? Er hatte in der Gewalt eines Psychopathen mehrere Stunden überlebt, mit der Angst, beim Versagen die gesamte Menschheit ins Verderben zu stürzen und seine geliebte Jägerin zu verraten. Das Knacken, das Knacken seiner eigenen Knochen.

Wesley sah mit aufkommenden Unbehagen die Schweißperlen auf Giles Stirn, das Flackern seiner Augen. War das wirklich klug von dir Wes?

Giles riss sich plötzlich regelrecht zusammen und schenkte Wes ein verlegenes Lächeln.
„Sie entschuldigen bitte...uhm...Erinnerungen. Was – uhm was genau versprechen sie sich von mir?“

„Tut mir leid, Giles, wenn ich sie damit quäle.“ Es war Wesley sehr unangenehm und Giles spürte - nein, sah es deutlich. „I-ich...ich dachte sie könnten mir einen Rat geben, wie ich damit umzugehen habe, wie ich wieder meinen Schlaf nachts finde, wie ich die Alpträume überwinde und eines Tages Faith vielleicht wieder in die Augen blicken kann.“

„Nein, Wes...so nicht.“

Wesley sah des strengen Tonfalls überrascht hoch.

„Sie dürfen nie davon ausgehen, dass sie ihr in die Augen blicken wollen...sie hat sich falsch verhalten, sie hat sie gefoltert. Sie muss ihnen wieder in die Augen blicken können und nicht umgekehrt. Das wäre der falsche Ausgangspunkt. Angel und ich haben nie darüber gesprochen, aber wir beide wissen genau, was  zwischen uns steht und es bedarf kaum der Worte, um zu klären, dass es Angel leid tut, was Angelus getan hat. Es sind zwei Personen, zwei Vampire könnte man sagen. Sie und Faith sollten bei Gelegenheit darüber sprechen. Sie müssen ihr verzeihen können – nein. Sie müssen sich verzeihen können.“

„Bitte?“ Wes unterbrach ungerne, aber Giles sprach für ihn etwas wirr.

„Sie sind doch wütend nicht war?“ Als Wes nickte fuhr Giles fort. „Aber fragen sie sich manchmal nicht auf wen? Doch nicht wirklich auf Faith?“ Giles sah ihn herausfordernd an und Wes dachte nach.

„Ich...ich bin wütend, weil ich es nicht verhindern konnte, weil ich so dumm war und Faith gegenüber gutgläubig war. Ich bin enttäuscht, dass ich mich nicht wehren konnte...oh!“ Wes begriff langsam.

„Sehen sie, dass ist es, was mich rettete. Ich hätte natürlich ewig mit Angel hadern können, weil er J – Jenny tötete, hätte auf Buffy sauer sein können, weil sie daran überhaupt erst schuld trug. Ich habe mich nächtelang damit herum geplagt, warum ich so dumm gewesen war und mich von den Vampiren hatte überrumpeln lassen, machte mir Vorwürfe, dass Willow und Xander dabei verletzt wurden und am schlimmsten machte ich mir Vorwürfe, weil Buffy davon lief, weil ich sie nicht darauf hatte vorbereiten können. Und dann eines Abends sagte ich mir – Schluss, damit. So einfach sich das anhört. Es war es nicht. Ich musste erst akzeptieren, dass Angel und Angelus zwei sind. Der ein für den anderen nichts kann. Ich musste akzeptieren, dass Willow und Xander die Gefahr kannten und freiwillig in der Bibliothek geblieben sind und vor allem musst ich akzeptieren, dass die anderen in der Überzahl waren. Jeder an meiner Stelle hätte keine Chance gehabt und ich denke auch nicht das jemand anderes Jenny hätte retten können. Das sind Dinge die man sich selbst verzeihen muss...dann lernt man mit der Vergangenheit zu leben, die Schmerzen zu verdrängen, seinen Frieden zu finden.“ Giles nahm einen kräftigen Schluck. Die Erinnerungen, die damit aufkamen taten weh, aber er war ehrlich daran interessiert Wes eine vernünftige Lösung zu bieten.

„Ich verstehe. Ich denke, sie haben mir wirklich geholfen, die Dinge etwas anders zu sehen. Aber das ich mit ihnen zu Faith gehe...nein das können sie noch nicht von mir verlangen.“ Er hob das Glas und prostete Giles zu. Er war auf einmal sehr guter Laune. Er war sich sicher, dass er Giles Rat beherzigen würde und vor allem auch konnte.
 
 
 

To be continued...



Auf dem Weg zurück zu "Angels Investigations" zeigte Wes voller Stolz Giles, den einen oder anderen Ort ihres Wirkens und Giles kam nicht umhin zuzugeben, dass Wesley hier sinnvolle Arbeit leistete und das Überraschenste für beide...er gab es laut zu.

"Oh die zwei britischen Superhelden." Cordy sah von ihren Papieren hoch und grinste die beiden an. Giles sagte nichts, Wes verdrehte die Augen. "Habt ihr L.A. unsicher gemacht und die Damenwelt braucht jetzt keinen Brad Pitt mehr?"

Giles zog seine Stirn in Falten und bedachte Cordy mit einem Blick, der ihr nur all zu gut noch aus alten Sunnydale Zeiten bekannt war. Sie verzog das Gesicht und sah schnell auf ihre Papiere runter.

"Autsch...schon gut...war nicht so gemeint," murmelte sie dabei und unterdrückte ein Grinsen.

"Ist Angel da?" Wes war schon auf halben Weg ins Büro.

"Ja. Mister Geheimnisvoll ist da. Wo sollte er auch hin, Wes! Hm?" Cordy nickte Richtung hochstehender Sonne. "Zudem würde er gerne mit Giles reden, jedenfalls bat er mich, es ihnen auszurichten, sobald ihr zurück seid."

Giles sah verwundert zu Wes und zurück zu Cordelia.

"Hm mit mir?"

"Sehen sie hier noch jemanden mit so einem bescheuerten, britischen Namen - eh von Wes abgesehen?"

"Cordelia...," warnte Wesley, dem Cordys Art in letzte Zeit eingentlich weniger aufgeregt hatte, aber in Gegenwart von Giles machte sie ihn nun doch etwas nervös.

"Was denn!? Ich sage nur, was ich denke. Schon immer. Das weiß Giles. Oder nicht," fügte sie etwas ängstlich hinzu. Giles grinste beide nur an. Cordelia war erwachsener geworden, reifer, aber sie war immer noch eine ... nun ihm fehlten dazu die Worte.

Die Tür zu Angels Büro ging auf und der Vampir erschien.

"Ihr seid zurück schön. Hm, wenn sie wollen Giles...ich könnte sie zu dem Polizeirevier begleiten."

Giles lehnte nicht ab.

****

Mit gemischten Gefühlen folgte er Angel, der ihm versprochen hatte für ihn seine Beziehungen spielen zu lassen. Ein Vampir und die Polizei? Giles grübelte noch immer darüber nach, als eine angenehme, weibliche Stimme, etwas tief, vielleicht auch eine Spur rubbig ihn aus den Gedanken riss.

"Angel? Uhm, was tun sie hier, hatten wir nicht..."

"Kate? Darf ich ihnen einen ‚Freund' vorstellen? Mr. Giles? Kate Lockley. Wir hatten in einigen Fällen gemeinsam zu tun."

Giles schüttelte der jungen blonden und recht attraktiven Frau fest die Hand und schenkte ihr eines seiner gewinnenden Lächeln. Die Polizistin sah ihn kalt und misstrauisch an. Das verwirrte Giles etwas und er sah sie dementsprechend irritiert an.

"Ist er auch... - sie wissen schon?"

Angel schmunzelte. "Nein. Oh nein, Mr. Giles ist - uhm sie weis bescheid," wandte er sich kurz an Giles, der darüber alles andere als erfreut war. Aber offensichtlich hatte die Zusammenarbeit dieser so ungleichen Wesen es erfordert, dass sich Angel ihr offenbarte. So wie er Angel kennengelernt hatte, gehörte sein Geheimnis ein Vampir zu sein, nicht zu den Dingen mit denen er gerne angab.

"Mr. Giles ist menschlich," flüsterte er ihr leise zu. "Er...jagt sie im Normalfall."

"Oh, und warum hatte er das Vergnügen noch nicht mit ihnen, Angel?" Kate spürte, kaum das ihre zynische Bemerkung beendet war, dass sie alles andere als angebracht war. Eindeutig kühlte sich die Zimmerraumtemperatur ab und der Blick, den sich die beiden Männer zu warfen, straften Angels Worte "einen Freund" einer Lüge. Dabei hatte sie nur scherzen wollen. Falsch, sie hatte Angel treffen wollen. Was ihr offensichtlich gelungen war.

"Entschuldigung," sie wusste zwar nicht für was sie um Verzeihung bat, aber sie hatte das plötzliche Bedürfnis dazu. "Was, was kann ich für sie - für euch tun?" Sie ging zu ihrem Schriebtisch und Angel folgte ihr.

Giles rieb sich nervös die linke Schläfe, das Pochen nahm zu. Er hatte zwar gewusst, wenn er mit Wesley reden würde, auch an die Geschehnisse vor zwei Jahren erinnert zu werden. Und das war geschehen. Giles hatte auch damit gerechnet in Angels unmittelbarer Gegenwart daran erinnert zu werden. Auch das war eingetroffen. Aber immer wieder tauchten unerwartet Dinge auf, einfache Wörter, dahin gesagt und doch voller Bedeutung. Diese Lockley wusste über ihn nichts, nichts über Angels Vergangenheit und über ihre kleine Gemeinsamkeit: für mehrer Stunden alleine in einem dunklen Raum, Täter und Opfer. Giles kämpfte die aufkommende Übelkeit, die diese Erinnerungen schon heute Mittag im Pub hervorgerufen hatte, hinunter und folgte mit ernster Miene Angel.

Er hörte gerade noch:

"...Untersuchungshaft, das ist das geringste Problem. Oh, Mr. Giles. Angel sagte sie wollten zu Faith? Kein Problem, vielleicht redet sie ja mit ihnen? Seit sie hier auftauchte und sich gestellt hatte, waren ihre einzigen Worte das hier," Kate hob eine Akte hoch. "Ihr Geständnis. Seit dem schreibt sie viel, isst kaum und meidet den Kontakt. Es ist hoffnungslos." Kate griff zum Telefon. "Ich rufe schnell mal unten an. Dann wissen die Kollegen schon mal bescheid, dass ihr kommt."

"Danke Kate," Angel wollte noch etwas sagen. Irgendetwas nettes, aber es fiel ihm so unendlich schwer. Kate war seit dem Tod ihres Vaters, ihm bewusst aus dem Weg gegangen. Verständlich, wenn man berücksichtigte, dass Vampire ihren Vater getötet hatten. Aber unfair. Ihm gegenüber.

Kate sah ihn verbittert an. Mehr nicht, dann sah sie zum Telefon und wählte die Nummer.

****

"Sie und diese Kate kennen sich schon lange?" Sie fuhren mit dem Fahrstuhl nach unten in den Keller. Dort hatte das Revier seine Zellensektion.

"Wir sind uns vor einiger Zeit über den Weg gelaufen. Sie hielt mich für einen Serienkiller. Ich konnte sie vom Gegenteil überzeugen." Angel starrte in gewohnter, düsterer Stimmung vor sich hin. Etwas war zwischen den beiden vorgefallen, dass spürte Giles deutlich. Er sah nach oben auf die Anzeige, noch drei Stockwerke. Er hasste es so eng mit Angel in einem Raum eingesperrt zu sein und wenn es nur der Fahrstuhl war. Er schluckte.

Angel sah versteckt zu Giles. Ein kurzer Seitenblick und er hatte die Gewissheit. Giles fühlte sich noch immer in seiner Gegenwart unwohl. War es ihm zu verdenken? Sicherlich nicht. Es gab dafür tausend gute Gründe und sie hießen alle Angelus. Früher oder später mussten sie mit einander reden. Es durfte nicht für alle Zeiten zwischen ihnen stehen. Angel wusste, dass er nie wieder das volle Vertrauen des ehemaligen Wächters erlangen würde. In seinen Augen würde Angel immer etwas von dem Monster sein, dass er ohne Seele war.

"Sie weiß über sie bescheid? Über Vampire und Dämonen?" Giles hatte das Bedürfnis zu reden und von seiner aufkommenden Panik abzulenken. Konnte dieser Fahrstuhl nicht schneller fahren?

"Uhm, ja sie weiß, dass ich zu den Guten gehöre," es schmerzte Angel, Giles bei den Worten zusammenzucken zu sehen und sein verächtliches Schnaufen zu hören, auch wenn es sehr leise gewesen war. Wahrscheinlich hatte Giles sogar ganz unbewußt reagiert, sich seiner Wirkung gar nicht bewußt.

"Wir, besser gesagt sie, war hinter einem Vampir her, der für sie ein Killer war. Er war jedoch mehr als das. Ich habe ihn einst zu einem Vampir gemacht und habe ihm gezeigt, was er wissen muss. Er mordete heute noch genauso grausam wie damals. Ich wollte sie raushalten. Aber sie war bereits zu tief darin verwickelt. Um ihr Leben zu retten, musste ich mich ihr als Vampir zeigen. Seit dem ist es irgendwie...schwieriger geworden, unsere Freundschaft betreffend..."

"PING"

Der Fahrstuhl hielt, die Türen glitten auf und Giles trat tief durchatmend nach draußen.

"Sie fürchten sich noch immer vor mir, nicht wahr, Giles?"

Angels Frage traf ihn wie ein Schlag ins Gesicht. Sie kam so unvorbereitet. Er blieb stehen, zeigte ihm den Rücken. Seine Schultern straften sich und er sah starr auf die gegenüberliegende Wand. War es so offensichtlich gewesen oder hatten Angels feine Vampirsinne es seit seiner Ankunft hier in L.A. gespürt?

Langsam drehte er sich zu Angel herum. Seine Augen waren kalt, sein Blick eisig.

"Wundert sie das wirklich so sehr?" Giles Hände wanderten in die Hosentaschen, versucht die geballten Fäuste zu verbergen.

"Nein. Es wundert mich alleine nur die Tatsache, dass sie die Fahrt hier her auf sich genommen haben, um mit Faith, um mit Wes zu reden...und sich damit alleine in mein Reich wagen." Giles suchte vergeblich nach Ironie in der Stimme des Vampirs, nach Verachtung. Aber da war nichts. Angel hatte ruhig und interessiert gefragt. Mehr nicht. "Haben sie Buffy von diesem Plan hier erzählt?"

"Wieso...warum um alles in der Welt meint jeder, ich bräuchte die Erlaubnis von Buffy für solche Dinge? Buffy weiß davon nichts. Wahrscheinlich hätte sie es auch nicht verstanden, nicht wahr?" Giles funkelte Angel herausfordernd an. Sein Blick wurde durchdringend, bedrohlich. Buffy hatte ihm kurz vor den Semesterferien erzählt, was in jener Nacht zwischen Faith, Angel und ihr vorgefallen war. Nichts worauf sie oder Angel stolz sein konnten.

Angel sah in gequält an. Er hatte geahnt, wie es in dem Mann die letzten zwei Jahre über ausgesehen haben musste. Doch hatte er nicht mit soviel Hass gerechnet, die in diesem Moment an die Oberfläche trat.
 

Soweit er wusste hatte Giles damals nie mit jemanden darüber gesprochen. Sich niemanden anvertraut. Er hatte versucht mit dem Schmerz alleine fertig zu werden. Er bewunderte ihn dafür. Jeden anderen Menschen hätte das entweder an den Rand der Verzweiflung getrieben oder gebrochen. Nicht Giles. Er schien durch diese Erfahrung stärker geworden zu sein. Noch viel mehr bewunderte er ihn dafür, dass er ohne große Fragen zu stellen ihm geholfen hatte, den Dämon los zu werden, der ihn mit seiner Vergangenheit dazu treiben wollte Buffy zu töten. Auch wenn sie bis heute nicht wussten, was genau es gewesen war. Die Wochen, Monate danach, waren sie auf Abstand geblieben. Sicherlich war es nie einfach für Giles gewesen Buffys Verrat, seine Rückkehr geheim zu halten, zu akzeptieren oder ihre erneute, tiefe Freundschaft zu tolerieren, aber er hatte darüber fast nie ein Wort verloren.

Nun standen sie hier auf dem Flur eines Polizeirevieres bereit zu streiten, bereit zu reden.

"Tut mir leid," Giles Blick wanderte nervös und auch etwas verlegen zwischen Angel und dem leeren, weiten Korridor hin und her. "I-ich...uh...sollten wir nicht erst an Faith denken und unsere, uhm...Indifferenzen später ausdiskutieren?"

Angel nickte stumm. Er hätte gerne mit Giles darüber gesprochen. Aber der Mann hatte recht. Hier war nicht der geeignete Ort dazu und es war nicht der richtige Moment.
 

****

"Bitte, hier entlang." Der Beamte führte Giles durch eine Schleusentüre, nachdem sie seine Personalien überprüft und aufgenommen hatten. Angel wollte auf ihn warten. Er war der Ansicht Faith sollte ihn alleine treffen. Schließlich war das in den letzten Briefen ihr Wunsch gewesen.
Etwas unbehaglich und mit gemischten Gefühlen belastet, folgte Giles dem Beamten bis sie vor einer Tür angelangten, die unverschlossen war.

"Der Besuchsraum. Bitte - reicht ihnen eine halbe Stunde?"

"I-ich denke schon," Giles schritt durch die Tür, der Beamte schloss hinter ihm. Der Raum war in der Mitte durch ein Gitter getrennt auf dessen jeweiliger anderen Seite Tische sich gegenüber standen und Stühle. Ganz rechts außen saß Faith. Sie waren die einzigen im Raum, von der Beamtin auf Faith Seite abgesehen.

Sie hörte ihn kommen und sah auf, in seine Richtung. Sie war schmäler geworden, blasser. Ihre Haare hatten ihren Schimmer verloren. Das war nicht die Faith, die er vor zwei Jahren kennen gelernt und dann zu fürchten begonnen hatte. Das hier war nur noch ein einsames, verängstigtes Kind, gefangen im Körper einer jungen Frau.

Giles setzte seinen Weg zu ihr fort. Er blieb stehen, als er an den Tisch trat.
Er versuchte sie anzulächeln, doch ihre Augen blieben abwesend, stumpf. Erkannte sie ihn überhaupt?

"Hallo Faith, uhm...deine Briefe...uh..", begann er ratlos, was er sagen sollte und setzte sich erstmal.

"Danke, das sie gekommen sind," ihre Stimme nur ein Flüstern, ihr Blick auf die Tischplatte vor sich gerichtet.

Er schwieg. Er war gekommen, weil sie etwas von ihm wollte, nicht umgekehrt. Faith sah zu ihm hoch. Hätte er vor einigen Tagen noch in dieser Situtation mit einen trotzigen, lauernden Blick gerechnet, so überraschte ihn nun doch ihr Ausdruck: verletzt, Einsamkeit und sehr viel Traurigkeit. Das war wirklich nicht mehr die Faith, die er kannte.
 
"Ich...ich war mir nicht sicher, ob du das hier wirklich willst...uhm...Wesley hat mir vor einigen Tagen ebenfalls geschrieben. Er...uhm, er bat mich um ein Gespräch von Opfer zu Opfer...so habe ich mich schließlich dafür entschieden. Allerdings ist mir noch immer nicht ganz klar, was du von mir willst?" Faith mag sich gewandelt haben, aber Giles wußte nur zu gut, wie hintertrieben diese junge Frau sein konnte. Es war Faith gewesen, die kaltblütig ihm unter die Augen getreten war und Buffy des Mordes an Finch bezichtige hatte. Sie war so von sich überzeugt gewesen, dass sie tatsächlich angenommen hatte, dass Giles ihr glauben würde. Dass er nur auf Faith Wort hin, Buffy als die Mörderin annehmen würde.

Sie musste wirklich erst beweisen, dass er ihr vertrauen konnte. Ganz davon abgesehen, was sie Wesley angetan hatte.

"Wirklich nicht?" Ihr Blick wurde etwas selbstbewusster. Sie schnaufte verächtlich durch die Nase und sah Giles auf einmal amüsiert an. "Der Apfel fällt nicht weit vom Stamm, nicht wahr? Wie die Jägerin so der Wächter?"

Giles Blick wurde fragender, fast schon leicht irritiert. Seine linke Augenbraue wanderte nach oben.

"Schauen sie mich doch nicht so verwundert an, Giles. Sie wissen nicht was ich von ihnen will? Das gleich wie von Buffy. Ich will , i-ich ... um Verzeihung für die Vergangenheit bitten."

"Verzeihung, Faith? Denkst du so einfach geht das? Du, du bist zu uns nach Sunnydale gekommen und wurdest mit offenen Armen aufgenommen. Jeder wollte dein Freund sein. Und auf einmal war da diese Eifersucht, der Neid auf Buffy, der dich aufgefressen hat. Dabei hatte es dafür nie einen Grund gegeben. Du bist eine sehr gut Jägerin. Oftmals stärker als Buffy gewesen, aber das solltest du ihr nicht unbedingt sagen, wenn du sie mal wieder siehst," er lächelte sie dabei an. Doch dann wurde er wieder ernst. "Du hattest die Wahl gehabt..."

Sie hatte die Wahl gehabt? Machte der Mann Witze? Am liebsten wäre sie aufgesprungen, hätte ihm ein par um die Ohren gehauen. Aber das wäre die alte Faith gewesen. Diese hier riss sich am Riemen.

"Eine Wahl, Giles? Hatte ich diese wirklich? Sie sagen, alle wollten meine Freunde sein? Am Anfang vielleicht...doch wer hat sich um mich gekümmert? Wen hat es interessiert wie ich lebte? Was ich fühlte, was ich empfand die zweite Geige zu spielen? Sie wollten für Buffy und für mich der Wächter sein, bis der Rat jemanden für mich neues schickte. Aber ich könnte mich nicht erinnern, dass sie jemals für mich den besorgten Vater gespielt haben, wie für Buffy. Hm, schauen sie mich nicht so entgeistert an. Ich habe damit recht."

Giles wollte etwas erwiedern, ihr sinnlos wiedersprechen, doch sie hob abwehrend die Hand und er verstummte.

"Ich könnte mich auch nicht daran erinnern, dass sie jemals auch nur den Versuch gewagt hätten, mich nach meinen Leben zu fragen. Überhaupt jemals interessiert irgendetwas fragten..." sie sprang auf. Innerlich aufgewühlt, aufgebracht. Die damalige Enttäuschung schlug über sie erneut ein.

"Faith, ich...."

"Ach halten sie doch ihre Klappe. Sie verstehen überhaupt nichts. Nicht wahr? Sie fühlen sich noch immer im Recht. Mr. Right." Brüllte sie ihn ungewollt an. Sie hatte sich die Situation etwas einfacher vorgestellt. Wie naiv war sie doch gewesen. Immerhin ging es hier um Giles. Giles! Buffys Wächter. Der Herr der Gerechtigkeit, solange es Gerechtigkeit für Buffy bedeutete. "Sie waren und sind doch nur blind für Buffy da. Höchstens noch für die kleine, rothaarige Hexe und hin und wieder für den schlaksigen Dummkopf der Truppe. Ich habe doch nie wirklich jemanden interessiert. Halt doch...ich war von Interesse, als Buffy vermutete, dass etwas nicht mit mir stimmte. War es eine Genugtuung für sie, herauszufinden, dass meine Wächterin tot ist? Das ich Kakistos verschwiegen hatte? Wie fühlte es sich an, als sie feststellen mussten, dass ich ohne ihres Wissens Intrigen gesponnen habe?"

Giles sah ihr ruhig zu, wie sie aufgebracht hin und er her lief und mit den Händen gestikulierte, ihn mit diesem typischen, spöttischen Blick bedachte. Als er der Meinung war, das er sich genug Vorwürfe angehört hatte, stand er auf und wendete sich Richtung Ausgang.

"Hey! Warten sie. Sie können nicht einfach gehen. Die Wahrheit tut weh nicht wahr? Davonlaufen nützt ihnen nichts. Die Augen davor zu verschliessen bringt genaus wenig."

Giles hielt inne und überlegt weiterzugehen. Hatte Faith tatsächlich so unrecht mit ihren Worten? Wieso fühlte er sich auf einmal so getroffen, so verletzt? Sie sagte die Wahrheit, auf ihre eigene, direkte Art. Und erinnert zu werden, seine Pflichten nur halbherzig wahrgenommen zu haben, schmerzte. Keine Frage - es gab für ihn nur Buffy gegeben und Faith war damals einfach nur nebenbei mitgelaufen.
 
"Hörzu Faith, ich bin gekommen, weil du etwas von mir wolltest. Du hast deine Bitte vorgetragen, aber es ist nicht gerechtfertig in diesem Ton mit mir zu sprechen. Ich bleibe, wenn du dich beruhigst und wir vernünftig darüber reden können. Einverstanden?" Noch wandte er ihr den Rücken zu und seine Schulter straften sich, während er auf eine Reaktion hinter sich hoffte. Er wollte ihr auch nicht unebdingt zeigen, wie sehr sie ins Schwarze getroffen hatte.

Faith starrte seinen Rücken an. Grimmig, aber bereit einzulenken. Es war nicht einfach für sie gewesen Angels Rat anzunehmen. Doch sie hatte sich damit bewiesen, dass es noch nicht zu spät war. Aber es schien ihr, als wäre Angel und die Polizei die einzigen, die ihren Mut zu schätzen wußten. Sie hatte Buffy um Absolution gebeten und Buffy hatte abgelehnt, verletztende Worte verspritzt und war nach ihrer Rettung ohne eines weiteren Wortes nach Sunnydale verschwunden. Alles was sie wollte, war ein einfaches "Ich verzeih dir." Sie wußte das war von Giles und Buffy einfach zu viel verlangt. Aber wenn es Angel konnte?

"O.k. und wenn nicht, was wollen sie dann tun? Mir böses Mädchen den Hintern versohlen?" Sie grinste, als sie weitersprach. "Das hätten sie mal lieber nicht bei Buffy versäumen sollen. Sie Ex."

Giles fuhr herum und funkelte Faith wütend an. Nicht enttäuscht, nicht resigniert. Aber getroffen. Er schluckte, biss die Zähne zusammen, ließ die Wangenknochen spielen, holte tief Luft und kam aufgebracht zurück.

"Du solltest froh sein, dass die Gitterstäbe zwischen uns sind sonst..."

"Sonst was...habe ich recht?" Sie grinste ihn aufreizend an und Giles versuchte erst gar nicht etwas zu erwiedern. Er ließ sich statt dessen erschöpft auf den unbequemen Plastikstuhl in grellen grün fallen.

"Wieso sind sie nicht gegangen?" Faith nahm ebenfalls platz, drehte jedoch den Stuhl mit der Rückenlehne zu Giles. "Ich meine....es hat sie niemand zurückgehalten..."

"Faith...du magst vielleicht Angel getäuscht haben, mich nicht. In dir steckt einfach nur Böses drin. Wie um alles in der Welt soll ich glauben, dass du etwas anderes kannst, als uns auszuspielen, als Lügen zu verbreiten," zischte er mühsam versucht seine Beherrschung zu bewahren und zum Thema zurück zu kommen, Faith Bemerkung ignorierend.

"Weil ich auf dieser Seite der Stäbe sitzte und nicht auf ihrer Seite.  Vergessen sie eines nicht Giles, ich bin aus freien Stücken hier. Ja ich weiß," sie winkte ab, als Giles ihr ins Wort fallen wollte. "Ich habe zu vor noch Wesley durch die Mangel gedreht und fast abgefackelt, auch Angel habe ich mit der Absicht ihn zu töten angegriffen...aber...." sie verstummte plötzlich. Was hatte sie erwartet? Sie hatte einen Menschen in Sunnydale getötet. Statt ihr aus dieser Situation zu helfen, hatte Buffy nur selbstgerecht getan und über ihr eigenes Schicksal gejammert. Als sie zu Giles kam und ihn anlog, weil sie einfach Angst hatte, hatte er so getan, als würde er ihr glauben. Seine Hilfe hatte darin bestand mit anzusehen, wie erst Angel und dann Wesley sie gefangen genommen hatten.

"Haben sie niemals daran gedacht mich von meinen Ideem abzubringen? Mich zurückzugewinnen?"

"Hätte das denn einen Sinn gehabt, Faith?" Giles fuhr sich mit der Hand durchs Haar und nahm sein Brille ab. Sie wurde nervös in der Hand hin und her geschaukelt. Faith quittierte Giles alte Gewohnheit mit einem Grinsen.

"Woher sollte ich das wissen? Sie haben es ja nie versucht." Sie lehnte sich auf der Rückenlehne weiter vor und sah Giles aufmerksam an.

"Ich bin bereit mich zu ändern. Darum bin ich hier drinne. Ich weiß nicht, wie es mit mir weiter geht. Man sagt mir nichts. Es wird eine Anhörung nach der anderen geben. Schätze ich mal. Man wird mich verurteilen, ausser jemand zahlt mir überraschend einen guten Anwalt. Ich schätze mal auf sie brauche ich da nicht zu zählen."

Sie sahen sich einen Moment schweigend an.

Giles war sich nicht sicher, was Faith wirklich wollte. Sie wollte nicht nur seine Vergebung. Nein. Es schien ihm auch ein wenig, eine Art Abrechnung mit ihm zu sein. Unter Umständen wollte sie auch nur ihren inneren Frieden finden.

"Sehen sie Giles...als ich nach Sunnydale kam, hatte ich die feste Absicht alle zu meinen Freunden zu machen. Ich gab unmöglich großspurig mit meinen Taten an, weil da endlich jemand war, dem ich es erzählen konnte. Nicht nur meinem Wächter. Leute in meinem Alter. Ich fand es großartig. Ich glaube ich habe es mir sogar ernsthaft überlegt, noch einmal auf die Schule zu gehen. Ihr wart alle großartig, als Kakistos hinter mir her war. Buffy hatte sogar alle Mühe aufgebracht mich von meiner Angst zu heilen. Und dann kam diese Post. Ich dachte...wow endlich wieder jemand der sich um mich kümmert. Sie war noch nicht mal eine Nacht da, schon war sie daran interessiert, wie ich lebte. Auch wenn sie im Grunde nicht mehr zum Rat gehörte, gab es mir ein wenig wärme. Verstehen sie? Danach, als ich erneut feststellen mußte, enttäuscht worden zu sein, da hat es da drin irgendwie," sie zeigt auf ihr Herz. "Einen Knacks gegeben.  Ich weiß auch nicht. Mir kam alles auf einmal so ungerecht vor. Buffy mit ihren tollen Freunden, einer liebenswürdigen Mutter, einen tollen Wächter. Nein wirklich, ich glaube auf sie war ich am meisten eifesüchtig." Sie grinste Giles versöhnlich an. Es gefiel ihr, wie der ehemalige Wächter aufeinmal verlegen auf seinem Stuhl herumrutschte.

"Aber sie und Buffy und diese ganze Scoopy-Gang-Scheiße sind so selbstgerecht. Sie haben ihre eigenen klein-karrierten Regeln in einer Welt voller Regeln, dass man unweigerlich über kurz oder lang durch ihre Maschen rutschen muß. Dass man schneller zu den Bösen zählt als man schauen kann."

Giles richtete sich auf und sah Faith durchdringend an.

"Gegen die Gesetze des Rates bin auch ich machtlos. Ich muß dich nicht daran erinnern, dass man mich entlies. Selbst Wesley wurde gefeuert, und er konnte jetzt wirklich nichts für dein Verhalten."

"Ich meine nicht die Gesetze des Rates. Nein. Ich rede von ihren, Giles. Die da wären, lüge nie deinen Wächter an, verheimliche deinem Wächter nie etwas. Bleib deinen Freunden gegenüber treu und ehrlich. Zeig dich nie von deiner verletztlichen Seite. Bleib stark, mach weiter, egal welche Knüppel man dir zwischen die Beine wirft. Ich habe gegen alle verstossen, nicht wahr? Also kehrten sie mir ihren Rücken zu und liessen mich ziehen. Hauptsache sie waren mich los. Mußten sich nicht mehr mein Wächter schimpfen. Vielleicht waren sie über Wesleys Ankunft aufgebracht und enttäuscht, aber sie hatten jemanden, auf den sie mich abwälzen konnten. Wesley wurde wegen seinem Fehlverhalten mir gegenüber entlassen, aber sie sind nicht ganz unschuldig an den Ergeinissen."

Giles sah ihr fasziniert zu. Wie sie ernst sprach, wie sie hin und wieder sich eine Strähne aus dem Gesicht strich und ab und zu wieder das spöttische Grinsen aufsetzte. Dabei lauschte er aufmerksam ihren Worten. Er nahm sie alle einzeln auf, prüfte sie und mußte ihr im Stillen recht geben. Für ihn zählte nur Buffy. Und ihre Freunde. Ja auch diese hatte er in sein Herz eingeschlossen. Als Buffy begann Faith als Konkurenz zu sehen, als sie langsam Verdacht schöpfte, hatte er auch angefangen sich Faith gegenüber zurückzuziehen.

"Du hastrecht." Er setzte seine Brille abrupt auf und stand auf. Seine linke Hand wanderte in seine Hosentasche und mit der anderen fuhr er sich durchs Haar.

"Bitte?" Sie stutzte und sah ihn überrascht an.

"Nun...du hast recht. Wohl mit allem, denke ich. Ich meine...ja, ich war etwas überfordert zwei so verschiedene Jägerinnen zu überwachen. Ich habe mich darauf verlassen, dass der Rat schnellst möglich jemanden für dich neu ernennt und habe mir nicht die geringste Mühe gemacht mich über dich, deinen Wächter, dein Profil zu informieren. Ich war zu sehr auf meine eigenen Probleme fixiert. Ich...ich hätte das eine oder andere anders machen sollen. Ich weiß das Faith. Glaube nicht, dass ich mir nicht oft die Fragen gestellt habe, was falsch lief, was ich hätte anders machen können. Aber die Dinge haben sich so entwickelt und du kannst nicht abstreiten, dass es genug Versuche gab, dich zu einer Meinungsänderung zu überreden."

"Pah...schöne Rede. Aber da war es schon zu spät. Der Hass in mir zu groß. Ich hatte keinen Wächter bekommen, wie sie einer waren. Einen Schuljungen hatten sie mir geschickt. Im Bürgermeister fand ich den Vater, den ich mir immer wünschte. Er gab mir Anerkennung, er machte mir Geschenke. Er war das, was ich mir immer wünschte. Ich glaube ein Teil von mir hatte ihn wirklich wie einen Vater geliebt. Und dann kam Blondi selbstgerecht daher und versuchte unsere Pläne zu druchkreuzen. Ich weiß, dass er ein übler Bursche war und die Welt zum Untergang geweiht hatte. Ohne seinen Tod, gäbe es uns wohl nicht mehr...trotzdem nahmen sie und Buffy mir etwas, das mir fiel bedeutet hatte. Ich wusste nach dem Koma nicht was ich tat und dieses Videoband und das kleine Gerät bot mir so viele Mögichkeiten. Ich wollte schon immer einmal ausprobieren, wie es sich anfühlt Buffy zu sein. Aber wissen sie was? Ich bin froh meinen Körper wieder zu haben. Er gefällt mir besser. Es ist mehr dran, als an der dürren Zicke...," sie fuhr sich über ihre Hüfte und lächelte verspielt. "Jedenfalls fühlte es sich nicht gut an...dieses ständige 'ich bin blond und ich bin gut. Ich bin die Jägerin, ich bin Gott'...nee danke. Ich weiß, dass das falsch war. Jetzt. Zu diesem Zeitpunkt war ich froh die Möglichkeit auf Rache zu haben. Angel hat mir die Augen geöffnet. Ich will ... bitte Giles...sagen sie es schon."

Giles fühlte sich immer mehr überfahren. Faith redete ohne Punkt und Kommar und wenn er es richtig verstand bereute sie. Es tat ihr wirklich leid. Aber sie rechtfertigte ihr altes Verhalten mit Buffys und seinem Fehlverhalten. Das konnte und wollte er nicht so einfach akzeptieren. Aber da sie mehr recht hatte, als er ihr zugeben wollte...

"Faith...du verlangst da sehr viel. Immerhin - du hast versucht Angel zu vergiften, du hast dich mit Bufy auf leben und tot geprügelt, dein Verhalten hätte ihr mehr als einmal das Leben gekostet...ihre Mutter...du....ich kann nicht...," er seufzte und nahm wieder platz.

Faith sah ihn traurig und niedergeschlagen an.

"Ja sicher...das dachte ich mir. Warum sind sie dann gekommen? Was haben sie erwartet?"

"Ich weiß es nicht Faith. Vielleicht die eine oder andere Antwort auf offene Fragen. Vielleicht wollte ich dir die Möglichkeit geben, dass alles zu sagen, was dir auf der Seele brennte...ich weiß es nicht. Es...es ist besser wenn ich jetzt gehe. Ich kann dir nicht versprechen, dass ich jemals wieder kommen werde oder Buffy zu einem Besuch überreden kann. Selbst Wes war noch nicht bereit dazu."

"Ja, gehen sie. A-aber danke das sie es versucht haben."

Noch bevor Giles etwas sagen konnte, war Faith hochgesprungen und gab der Wärterin ein Handzeichen worauf hin diese die Tür aufschloss und hinter Faith den Raum verließ. Giles sah ihr nachdenklich hinterher.

****

"Nun, alles geklärt?" Angel erhob sich aus dem Sofa im Warteraum und sah Giles erwartungsvoll entgegen.

Giles sah ihn abwesend an bevor er begriff, dass es der Vmapir war, der ihn ansprach.

"Hm, von Faith Seite gesehen schon. Ich denke sie hat ihren Standpunkt mehr als deutlich gemacht. Ich weiß nur nicht, ob ich ihr irgendwie helfen konnte. Ich hoffe, dass sie sich wenigstens die Seele frei reden konnte. Wir könnten dann...uhm, nehmen wir diesmal bitte die Treppe?"

Angel sah Giles verbitter hinterher...aber wenn er sich da sicherer fühlte, als mit ihm im Fahrstuhl  - bitte.
 

****

Giles hatte es abgelehnt mit Angel im Wagen zurück zu dessen Büro zu fahren. Er wollte sich L.A. anschauen und dabei einen kühleren Kopf bekommen. Was Faith alles über ihn, über Buffy, ihr Verhältniss gesagt hatte, mußte verarbeitet werden. Es war in letzter Zeit in Sunnydale nicht leicht gewesen und er war froh, dass Faith nicht auch darüber etwas gewußt und das Messer noch tiefer in die Wunde gestossen hatte.

War er wirklich so selbstgerecht, so selbstherrlich, wie Faith ihn genannt hatte? Nur auf seine einstige Jägerin fixiert?

Es war schwer objektiv darauf sich selbst zu antworten. Er war quasi befangen. Er lächelte und stieg in das Taxi, dass auf ihn vor dem Revier wartete.

"Fahren sie einfach ein wenig duch die Down Town. Ich will mir die Stadt ansehen, mehr nicht. Egal was es kostet."

Der Taxifahrer sah den Mann mit dem britischen Akzent etwas iritiert an, kam dann seiner Aufforderung nach. Touristen, er verdrehte die Augen.

Giles ließ sich in das klimatisierte Auto zurücksinken und schloss die Augen. Er war gekommen, um zwei Menschen einen Gefallen zu erweisen, denen er das gemeinsame halbe Jahr zur Hölle gemacht hatte. Wesley auf der einen Seite, dem er nie eine Chance gegeben hatte, den er zu einem Schüler degratierte und jede Chance genutzt hatte seinen Sarkasmus hervorzuholen.
Und auf der anderen Seite Faith. Einen Schützling, für den er laut dem Rat zuständig hätte sein sollen, bis zu einem neuen Wächter. Aber hatte er nur den Hauch eines Versuches unternommen, dieser Aufforderung nachzukommen?

Warum hatte er nie versucht sie zur Schule zu überreden? Wäre es so schwer gewesen, ihr für die vorübergehende Zeit bei ihm zu Hause eine Bleibe anzubieten? Nein, war es nicht gewesen. Und Faith war bestimmt nicht anstregender, als es Buffy zu ihrer Anfangszeit gewesen war. Sie war vielleicht etwas wilder, und schon in einem Alter, in dem man nur schwer jemanden noch formen konnte, aber er hätte es mit ihr versuchen müssen.

Er hing seinen Gdanken nach und sah dabei kaum etwas von den Hochhäusern, dem Park, dem Meer.

Er zahlte am Ende nur kommentarlos und in sich gekehrt die 130.- Dollar Fahrtkosten.
 
 
 
 

To be continued!
 
 

Giles war in sein Motel zurückgekehrt. Die Essenseinladung am Nachmittag hatte er telefonisch bei Cordelia abgesagt. Er wollte jetzt nur noch alleine sein. Er musste über Faith, über die Ereignisse dieses vergangen Jahres nachdenken und über sich und Buffy. Das Ergebnis gefiel ihm gar nicht. Das lag wohl vor allem daran, dass Faith  irgendwo die Wahrheit getroffen hatte. Nach allem was sie der Gang angetan hatte, hatte er geglaubt, sie so hassen zu können, wie es Buffy tat. Aber das konnte er einfach nicht. Wenn er zu sich ehrlich war, dann waren diese ablehnenden Gefühle Faith gegenüber zum einen Selbstschutz und zum andern Loyalität gegenüber Buffy. Selbstschutz, weil er sich somit sein eigenes Versagen bei ihr nicht einzugestehen brauchte. Loyalität, weil sie Buffy verletzen und sie gar töten wollte. Es war nicht angenehm sich darüber tiefere Gedanken zu machen. Aber es war nötig.
Faith war ihm wohl immer ein Klotz am Bein gewesen. Eine zweite Belastung. Sie war zu einem ungünstigen Zeitpunkt aufgetaucht. Alte Wunden waren noch nicht verheilt und Erinnerungen mussten verdrängt und aufgearbeitet werden. Durch ihr auftauchen wurden sie alle an Kendras Tod erinnert und damit an die Zusammenhänge. Er hatte damals alle Hände voll damit zu tun, für Buffy Seelsorger zu spielen, nachdem er erkannt hatte, dass mehr hinter Angels Tod steckte, als sie erzählte und kaum hatte er Erfolg gehabt, da tauchte Angel wieder auf und er musste die anderen ermutigen, ihnen die Angst nehmen. Dabei war er selbst voller Angst gewesen. Einer Panik nahe. Niemand hatte sich wirklich Sorgen oder Gedanken um ihn gemacht. Keiner hatte ihn je gefragt, wie er mit den Ereignissen fertig wurde. Und dann kam die neue Jägerin an, überrumpelte alle mit ihrer offenen, ruppigen Art. Er war dem nicht gewachsen gewesen, hoffte auf einen neuen Wächter für sie. Ließ alles so wie es war. Desinteressiert. Faith war vorher alleine zurecht gekommen, warum sollte sie es diesmal nicht auch können?
Jetzt, im Nachhinein sah er ein, dass das falsch gewesen war. Faith hatte in ihnen allen versucht einen Familienersatz zu finden. Eine Bindung, einen Halt. Sie hatte Führung gesucht und gebraucht. Vieles hätte er besser machen können, vieles, dass er hätte Wes raten sollen.
Jetzt wusste er allerdings, was er tun konnte.
Er griff zu seinem Notizbuch und nahm den Hörer ab. Bevor er morgen wieder abfuhr, wollte er das noch klären.

Am nächsten Morgen stand er etwas aufgemunterter vor Angels Haus und sah sich unschlüssig um. Sollte er wirklich noch einmal vorbei schauen? Aber er hatte das Gefühl Cordy und Wes auf wiedersehen sagen zu müssen.

"Hey Giles. So früh schon wach?" Cordelia kam ihm mit einer Tasse Kaffee entgegen. "Hier. Hm, Tee haben wir keinen, und dieses kleine, seltsame englische Gebäck auch nicht."

"Uh...danke, ich habe schon gefrühstückt. Ist Wes oder Angel da? Ich wollte zurück nach Sunnydale und dachte ich sehe noch einmal kurz vorbei."

"Hm, Wes kommt etwas später und Angel ist bereits in seinem Büro."

"Danke, ich uhm ... sage schnell auf Wiedersehen," Er zögerte kurz, klopfte und trat ein. Es war ein seltsames Gefühl, in diesem abgedunkelten Raum, mit den schweren, alten Möbeln, den Waffen an der Wand und Angel einzutreten. Er schloss bewusst konzentriert die Türe hinter sich und ließ sich Zeit damit, sich den Raum ebenso konzentriert zu betrachten. Es wäre ein schönes Büro gewesen, wäre hier nicht Angels Aura anwesend.

Angel sah dem ehemaligen Wächter entgegen, beobachtete leicht amüsiert, wie Giles versuchte seinem Blick auszuweichen, Zeit schindete und sich auf sein Büro konzentrierte. Angel schnappte sich eines der Bücher vom Regal hinter sich und beschloss das Eis zu brechen.

"Oh das trifft sich gut, dass sie doch noch einmal vorbei schauen. Ich habe hier etwas für sie, Giles, dass sie bestimmt interessiert. Ich habe es auf einem Art Trödelmarkt erstanden, Hinterhof, meiste Kundschaft bestand aus Dämonen...," er hielt dem Mann das Buch entgegen.

"Uhm...," Giles riss seinen Blick von der antiken Streitaxt los und zwang sich Angel anzusehen, der ihm das Buch entgegen hielt. Der gestrige Vorfall im Fahrstuhl war ihm etwas nachgegangen. Giles hatte das Gefühl, dass er Angel damit verletzt hatte. Unabsichtlich. Aber was konnte Giles gegen seine eigenen Gefühle machen?
Er griff nach dem Buch. Ihre Fingerspitzen berührten sich leicht und Giles zuckte zurück. Das Buch fiel polternd auf den Boden. Aufgeschlagen blieb es liegen. Angel starrte überrascht zwischen ihm und Giles hin und her. Er konnte sich zwar vorstellen was in dem Mann vor sich ging, hatte aber nicht unbedingt mit solcher Angst gerechnet. Nicht nach der vergangenen Zeit.

"Tut...tut mir leid, Angel...ich war...das war nicht gerade feinfühlig. Nicht wahr?" Giles bückte sich nach dem Buch und hob es auf. "Oh...der sechste Band der Schwarzen Trilogie." Giles Augenbraue wanderte anerkennend in die Höhe.

"Ein Geschenk. Ich dachte, als ..."

"Wiedergutmachung?" Giles erschrak über seinen lauten Tonfalle fast ebenso sehr, wie Angel. Nichtstestrodrotz knallte er Angel das Buch auf den Schreibtisch. "Danke, ich verzichte. Glauben sie damit ungeschehen zu machen was sie angerichtet haben?"

"Giles bitte. Ich - so war das nicht gemeint...ich wollte ihnen nur eine Freude machen...ich weiß doch wie sehr sie letztes Jahr danach gesucht hatten...."

"Entschuldigung. Es war nur...alles ein bisschen zu viel hier. Erst Wesley, der Erinnerungen weckte und dann Faith, die mich mit meinem Fehlverhalten konfrontierte und nun das..." verlegen sah Giles zur Seite.

"Schon gut Giles. Ich ... kann ich sie etwas fragen?"

"Ich hatte sie eigentlich nicht auf dem Programm. Ich ... nun eigentlich wäre ich schon längst auf dem Weg, wenn ich mich nicht vorher noch verabschieden wollte....also?" Giles wusste, dass er sich daneben benahm. Immerhin waren Angel und er im Stillen schon längst auf ein Friedensangebot eingegangen. Warum sonst hätte er Angels Hilfe ohne Argwohn annehmen sollen? Hätte er Angel sonst versucht gegen das Gift zu helfen oder je mit ihm ein Wort gewechselt?
Aber hier, in Angels Stadt lagen die Dinge etwas anders.

"Ich...Buffy...ich wollte...," Angel stoppte, als er den Blick von Giles auffing, der ihn regelrecht zu bedrohen schien. Angel wusste, dass der Wächter früher oder später einmal mit ihm zusammenstoßen würde. Aber das es hier sein sollte? Aber nachdem was gestern im Fahrstuhl vorgefallen war, sicherlich unausweichlich.

"Oh Buffy! Natürlich über was sonst. Buffy...ich denke kaum, dass sie noch interessiert ist." Was sagte er da eigentlich? Wollte er dem Vampir absichtlich verletzten? Ja.

"Nein...ich...ich wollte etwas anders...etwas wichtiges...es geht nicht darum, was ich oder Buffy noch für einander empfinden Giles. Wir sind alt genug damit alleine fertig zu werden."

"Oh..." das war eindeutig ein Punkt für Angel.

"Ich uhm...der Ring, sie erinnern sich? Ich habe ihn zerstört, weil es nur Schlechtes mit sich brachte. Aber glauben sie mir, mittlerweile, ich würde alles dafür tun, ihn wieder zu haben. Ihr zu beweisen, dass ich ... vergessen sie es." Angel ließ sich enttäuscht in seinen Stuhl fallen, das Leder quietschte und ächzte, als hätte es selbst 247 Jahre auf dem Buckel. Giles sah sich kurz um und entdeckte das Sofa gegenüber und nahm platz. Er verschränkte die Arme über seine Brust und sah Angel durchdringend an. Er wusste zwar, das draußen Cordelia saß und ihm eigentlich nichts passieren konnte, aber irgendwie fühlte er sich beengt.

"An Thanksgving kam ich, um Buffy zu helfen, wegen der Vision eines Freundes. Ich wollte nicht, dass sie es erfuhr. Und wohl oder übel...sie erfuhr  es und tauchte hier auf. Sie war wütend, ich verstand das durchaus. Dann kam dieser Dämon, ein Mohra Dämon, durch mein Fenster, griff uns an, ich verfolgte ihn, tötete ihn und war auf einmal wieder menschlich. Können sie sich das vorstellen? Ich konnte wieder den Geschmack von Schokolade und Eis genießen, ich konnte atmen, Buffy hörte meinen Herzschlag. Wir hatten den schönsten...oh...", Angel senkte verlegen den Blick und Giles sah ihn zu nächst irritiert an, dann begriff er und sah verlegen zur Wand, mit einem leichten Lächeln auf den Lippen.

"Sehen sie, und dann kam ein zweiter Dämon, ein dritter Dämon. Sie griffen an, sie brachten Buffy in Gefahr. Ich war sterblich, ohne meine Vampirkräfte konnte ich sie nicht schützen. Ich bat die "Powers-That-Be" um meine Unsterblichkeit. Denn die Mohra hatten vor zu kommen, mit einer Arme, und die Powers-That-Be weissagten Buffys Tod voraus. Ich gab ihnen meine Sterblichkeit für Buffys Leben. Sie weis es nicht. Sie weis nicht einmal, was wir gemeinsam in dieser kurzen Zeit hatten. Denn das war der Preis dafür...sie würde sich an nichts mehr erinnern. Nur ich. Wissen sie wie grausam das ist...wie schmerzhaft? Im Hinblick auf diesen, diesen Riley?"

Giles setzte sich auf. Er hörte zum ersten Mal von den Ereignissen. Was aber nicht weiter wunderlich war. Buffy hatte ihm im letzten Jahr recht wenig erzählt. Er verstand Angel sehr gut, vor allem in Bezug auf Riley. Auch er hatte so etwas wie Eifersucht empfunden.

"Ich weiß, dass sie mir damals keine Träne nachgeweint haben, als ich Sunnydale verließ. Wahrscheinlich hielten sie Buffys Besuche in L.A. für überflüssig und vertane Zeit. Aber denken sie dabei doch auch mal an Buffy. Ist es das was sie wollte? Was sie verdient hat?"

"Sie sind gegangen um ihr dieses Leben zu ermöglichen. Haben sie das schon wieder vergessen? Finden sie es nicht ein wenig egoistisch aus Eifersucht Dinge zu verlangen, die nicht rückgängig gemacht werden können? Sicher hört sich das grausam an, was sie mir erzählen und für einen Vampir mit Seele wohl kaum verkraftbar, nicht war?" Es klang fast wie eine Beleidigung und Giles fand, dass es an der Zeit war zu gehen. Bevor er noch etwas sagte, was er bereute.

"Sie gingen, um Buffy ein Leben leben zu lassen."

"Wussten sie, dass ihre Mutter kurz vor dem Abschlussball bei mir war und mir ins Gewissen redete?"

"Oh...nein." Giles war erstaunt und ließ sich zurück in das Sofa sinken, denn er war gerade im Begriff gewesen aufzustehen und aufzubrechen.

"Ja, finden sie nicht, sie als ihr Wächter oder zu mindest Ex-Wächter wären ihr das auch schuldig gewesen?" Angel konnte austeilen, wenn es das war, das Giles brauchte?

"Schuldig? Das meinen sich doch nicht ernst Angel, oder? Ich habe mich nie in Buffys Leben eingemischt, ich wollte nie, dass der Eindruck erweckt würde, ich würde über sie bestimmen. Ich gab ihr Ratschläge ja, aber nicht dieser Art. Das ging und geht mich nichts an."

"So...nicht eingemischt, ja? Was glauben sie, wem würde Buffy in ihrem Leben, wenn es darauf ankäme mehr vertrauen schenken? Auf wen würde sie in solch einem Moment mehr hören, wen würde sie von uns beiden als erstes aus dem Feuer retten? Was denken sie?" Angel war nach wie vor ruhig geblieben und war es noch immer. Eine Eigenschaft, der er es verdankte brenzlige Situation meist friedlich zu lösen. Aber er wusste nicht, wie lange das im Fall "Giles" möglich war. Giles war für ihn immer ein Freund gewesen. Gemeinsam hatten sie die Prophezeiung entschlüsselt und waren beide für Buffy da, wenn es darauf ankam. Was als Angelus zwischen ihnen passiert war, sollte nicht zur Debatte stehen. Aber wie es ihm schien, fiel es auf einmal dem ehemaligen Wächter schwer, diese Unterscheidung zu machen.

Giles sah Angel verwundert an. Solche Gedanken waren ihm fremd. Nein falsch. Er hatte sie sich einmal gestellt. Und die Antwort hatte ihn nicht befriedigt. Die Person, die sie ihm hätte beantworten können, hatte er nie gefragt. Nein, im Gegenteil. Im einzigen Moment, wo diese Frage gestellt hätte werden können, hatte er sie mit umständlichen Worten eine Lügnerin und Verräterin ihm gegenüber und seiner Arbeit genannt. Giles wollte darüber nicht nachdenken.

"Ich...Angel...denke, dass steht hier nicht zur Diskussion..."

"Wirklich? Warum haben sie Angst vor einer Antwort? Würde sie ihnen nicht gefallen? Würde sie ihnen Unbehagen bereiten?"

"Wieso quälen sie mich Angel?" Giles fuhr hoch. "Reicht es ihnen nicht, meine Freundin getötet zu haben, mich gefoltert und Buffys Herz gebrochen zu haben? Wieso stellen sie mir die Fragen? Befriedigt es sie, wenn ich sagen würde...die Antwort lautet ‚Giles'? Sie würde ‚mich‘ retten, sie würde ‚meinen‘ Rat wollen, sie käme zu ‚mir‘...oder wenn ich sagen würde...ich weiß es nicht? Diese Entscheidung würde ich nie von ihr verlangen!"

"Weil sie sie lieben." Es war keine Frage, keine Feststellung. Aus Angels Mund klang es wie eine Tatsache.

Giles fuhr nun doch vom Sofa hoch und kam ein paar Schritte auf den Schreibtisch zu.

"Geben sie acht was sie sagen!" Giles war sich nicht sicher, was er von Angels Aussage halten sollte, aber etwas in ihm wehrte sich, gegen die Art wie der Vampir es gesagt hatte.

"Gertoffen?"

"Angel..."

"Verdammt Giles sie sind ein Mann wie jeder andere auch....sie können sich nicht ihrem Anblick entziehen. Keiner könnte das. Sie lieben sie wahrscheinlich blind wie ein Vater und hin und wieder kommt der Mann in ihnen durch, denn sie unterdrücken. Aber beides zusammen ist schuld an ihrem einseitigen Urteil: Buffy ist die Heilige. Unantastbar. Nicht wahr?"

Giles schwieg und starrte Angel an, der mehr die Wahrheit traf, als Giles lieb war, als er sich je selbst eingestanden hätte.

"Ihr schweigen ist mir Antwort genug. Buffy ist jedoch nicht mehr die alte. Und das wissen sie. Sie hat sich im letzten Jahr verändert. Sie wurde - erwachsen. Sie erlebte erste Niederlagen, erste wahre Enttäuschungen. Wussten sie, dass Buffy, als sie hierher kam, um mir gegen Faith zu helfen, statt dessen lernen musste, dass Faith nicht mehr Faith war? Sondern nur noch ein verletztes, großes Kind war. Sie hätten Buffy selbstgerechte Haltung sehen sollen."

<Der Apfel fällt nicht weit vom Stamm> Faith Worte kamen Giles dabei sofort wieder in den Sinn.

"Fast ein Abbild ihres Ziehvaters." Fuhr Angel fort. Er schenkte Giles ein bitteres Lächeln.

Giles schluckte. Schwieg weiterhin. Was hätte er auch sagen können. Buffy verteidigen, sich verteidigen? Damit Angel recht geben? Doch schien Angel gesagt zu haben, was ihn bewegte.

"Angel...ich verstehe sehr wohl, dass die Umstände des letzten Jahres, Buffys Verhalten und vor allem Riley ihnen Kopfschmerzen bereitet haben. Aber ich bin weder Buffys Wächter, noch sonst irgendwie berechtigt auf sie Einfluss auszuüben. Diese Zeiten sind vorbei. Ich habe mein bestes getan. Glauben sie ja nicht, dass Buffy mit meinen Gefühlen vorsichtiger umgegangen ist." Giles trat auf die Tür zu, bereit zu gehen. Er wollte diese sinnlose Diskussion beenden, die doch zu nichts führte.

"Auf keinen von uns, übrigens, hat sie im letzten Jahr Rücksicht genommen. Ich bin wahrscheinlich nur der einzige, der ihr deswegen keine Vorwürfe macht oder versuche sie zu verstehen. Vielleicht sollten sie damit auch anfangen: es war Faith, die in ihr Haus eingebrochen ist und ihre Mutter töten wollte. Es war Faith, die sich ihren Köper gestohlen hatte, weswegen Buffy fast nach England entführt und wahrscheinlich getötet worden wäre. Es waren sie, der sich entschied weg zu gehen und Buffy freizugeben. Und sie waren es selbst, der zu Beginn Schwierigkeiten damit hatte. Verurteilen sie Buffy nicht für das, was sie im Grunde für Buffy erreichen wollten."

Seine Hand wanderte zum Türgriff.

"Ach und noch eins," er sah den Vampir offen an. "Ich liebe Buffy bedingungslos. In diesem Fall gebe ich ihnen recht. Ich habe ihr ein Teil meines Lebens geopfert und würde es wieder tun. Wissen sie auch warum? Nicht weil in mir ein Mann steckt, wie sie es so schön ausdrückten, Angel. Nein," er lächelte geheimnisvoll. "Sondern weil Buffy ein außergewöhnlicher Mensch ist. Sie verkraftet ihr Leben viel besser, als die meisten Jägerinnen. Sie sehen selbst was mit Faith passiert ist. Oder mit Kendra. Auch sie war irgendwie - seltsam. Ich kam nach Sunnydale, um für eine Jägerin  die Führung zu übernehmen. Ich wusste ja nicht, wie diese Jägerin meine gesamten Vorstellungen umwerfen würde. Und dafür bin ich dankbar. Ich bin ihr dankbar, dass sie in ihrem Kampf weiter macht, dankbar, dass sie mich akzeptiert hatte, dankbar, dass sie nach wie vor noch einen gewissen Respekt meinen Erfahrungen und meinem Wissen entgegenbringt."

Angel erwiderte Giles offenen Blick. Er wusste, dass das wirklich Giles Sicht der Dinge war. Trotzdem konnte der einstige Wächter nicht ganz vor ihm verbergen, dass da noch ein kleiner Funken mit dabei war. Aber er wollte den Bogen nicht überspannen und schwieg.

"Was genau, Angel wollte sie eigentlich von mir?" Giles war am Gehen, doch dann fiel ihm auf, dass ihr Gespräch eine andere Richtung eingeschlagen hatte, als von Angel wohl beabsichtigt.

"Keine Ahnung, sagen sie es mir." Angel lächelte.

Giles begriff langsam, dass Angel ihm ein Ventil hatte geben wollen. Ein Plan der offensichtlich aufgegangen war. Er zog erstaunt die Augenbrauen in die Höhe und lächelte dann etwas verlegen zurück.

"Uhm...ja...dann gehe ich jetzt wohl langsam. Willow kommt heute Abend zurück und ich schätze sie wird einiges bezüglich neuer Zaubersprüche zu berichten haben. Hm...dann....machen sie es mal gut...und weiterhin viel Erfolg mit ihrer Arbeit, Angel."

Angel kam einen Schritt auf ihn zu, überlegte es sich aber anders, blieb Giles Furcht zu liebe, wo er war.

"Danke. Ich hoffe den werden wir haben, Giles. Und Giles...bitte denken sie immer daran, ich wollte nie etwas anderes als Buffy und ihnen helfen. Was passierte, passierte nicht durch mich. Ich würde es gerne ungeschehen machen, aber das wird wohl für immer ein Teil unserer gemeinsamen Vergangenheit bleiben. Wir werden damit leben müssen. Oder es bringt uns eines Tages um den Verstand."

"Ich weiß...oh und wie. Angel...ich....," er hätte noch so viel sagen können und es gab vieles was er gerne gewusst hätte. Aber er zog es vor endlich zu gehen. Doch zu vor tat er etwas, dass ihn selbst erstaunte. Er ging auf Angel zu und streckte ihm zur Verabschiedung die Hand entgegen. Angel blickte erst hilflos den Wächter an und erwiderte dann kräftig und innerlich beruhigt Giles Händedruck.
Nachdenklich sah er dem ehemaligen Wätcher hinterher, wie er sein Büro verließ und die Tür hinter sich schloss.

****

"Ein Anwalt?" Faith sah verwundert zu der jungen Polizistin, die sich ihr einmal als Lockley vorgestellt hatte.

"Ja, wenn ich es ihnen sage? Er kam vor etwa zehn Minuten, wollte die Akte sehen und gab deutlich zu verstehen, dass sein Klient ihre Vertretung wünscht."

"Seltsam. Sagte er auch wer sein Klient sei?"

"Fehlanzeige. Hier, bitte." Sie führte Faith in einen Raum, in dem ein Mann mittleren Alters, groß und mit weiß durchzogenen, schwarzen Haaren saß. Er trug einen gutgeschnittenen, beigen Anzug und stand auf, als Faith entrat.

"Faith nehme ich an?"

"Ja?" Faith sah ihn misstrauisch an.

"Oh, mein Name ist Benjamine Russel. Mein Klient bat mich sie nach seiner Abreise aufzusuchen. Er bezahlt mich für ihre Vertretung und sie müssen sich darüber keine Sorgen machen. Wir werden sie schon da herausholen oder wenigstens  das Strafmass mildern.

"Ts, Anwälte," Kate verdrehte die Augen. "Ich warte draußen. Das kann ich mir nicht an tun." Sie ging und schloss die Türe.

"Fein. Sagen sie mir auch, wer mein Wohltäter ist?"

"Sie haben keine Ahnung?" er ließ seinen Lederkoffer aufspringen und kramte darin herum.

"Hier seine Karte...er bat mich zudem, den Auftrag auszuführen, auch wenn sie mich unter Umständen ablehnen sollten...."

Faith hörte kaum hin, was ihr der Anwalt zu sagen hatte, sie war auf die Visitenkarte konzentriert und musste dankbar lächeln als sie "Rupert Giles" las.
 
 

~Ende~