Mary Sue - Das Interview

Selena

 

 

F: Heute wenden wir uns einem der langlebigsten und präsentesten Charaktere aller Fandoms zu, umstritten, belächelt und doch immer wieder begehrt. Mary Sue, könnten Sie uns etwas über die Anfänge Ihrer legendären Karriere erzählen?

A: Sie waren bescheiden, Darling. Entdeckt wurde ich als Fähnrich auf dem Raumschiff Enterprise. Ich hatte in der Regel eine Affäre mit Kirk, oder Spock, oder beiden, und starb am Ende der Geschichte den Heldentod, um die Jungs wieder zusammen zu bringen. Also, nicht, daß ich etwas gegen die beiden hätte - pon farr mit Spock hat es wirklich in sich, und selbst in Geschichten, wo ich ihn nur platonisch aus der Ferne liebte, spielte er mir immerhin auf der vulkanischen Harfe vor, weil ich als einziges Crewmitglied seine musikalischen Fähigkeiten würdigen konnte - aber die Storylines und die Darstellungsmöglichkeiten waren doch reichlich eingeschränkt. Ich meine, wir wußten schließlich alle, daß Kirk keine Frau so sehr wie sein Schiff lieben kann, und Spock keinen Menschen so sehr wie Kirk, also...

F: Verzeihung, aber dies ist eine jugendfreie Veröffentlichung. Über Slash sprechen wir nicht.

A: Kann ich etwas dafür, wenn es dort seinen Anfang nahm? Wir kamen beide sozusagen aus dem gleichen Grund zur Welt. Die weiblichen Charaktere, die diese Serie zu bieten hatte, durften in der Regel nicht viel mehr als "Ja" und "Nein" sagen. Kein Wunder, wenn die Romantiker da nach anderen Lösungen suchten. Aber um fair zu sein, die männlichen Charaktere unterhalb der Großen Drei hatten auch nicht viel mehr Text. Deswegen tat ich mich ja mit Chekov zusammen.

F: Mit Chekov? Ich kann mich nicht an Chekov/Mary Sue-Geschichten erinnern.

A: Wir mußten unsere Allianz seinerzeit geheimhalten, sonst hätten sich am Ende noch andere beteiligt. Die Sache ist die, Chekov wurde der Serie beigefügt, damit das jugendliche Publikum eine Identifikationsfigur hatte, und ich bin die Identifikationsfigur schlechthin. Er hatte es genauso satt, ständig nur Aye, Captain zu sagen und Rußland zu preisen, wie ich die hoffnungslosen Affären mit Kirk und Spock. Da lag es nahe, sich zu verbünden. Als McCoy mir wieder mal meine Aufgabe wegnahm und die beiden miteinander versöhnte, nutzten Chekov und ich die Gunst der Stunde und kontaktieren die nächst beste höhere Lebensform, die wir finden konnten. Sie wissen ja, die Enterprise stieß an allen Ecken und Enden auf göttliche Wesen, und die meisten hatten hinterher ein Hühnchen mit unserem Captain zu rupfen.

F: Sie haben ihn doch nicht seinen Feinden ausgeliefert?!?

A: Iwo. Nein, die Lebensform, die wir erreichten, bot uns folgenden Handel an: bessere Jobs in anderen Universen gegen Kirks Toupet, um ihn zum Outing als Glatzenträger zu zwingen. Die Lebensform, ein gewisser Q, hatte etwas für glatzköpfige Captains übrig und fand Kirks stetig wachsenden Haarwuchs lächerlich. Ganz ehrlich, nach dem x-ten stürmischen Kuß, bei dem das blöde Ding mir in die Augen rutschte, fand ich das auch. Aber zurück zu den Jobs: wir hatten den Wahl - entweder ständiger Wechsel durch alle Universen der Fanfiction, oder ein Job in einem anderen Universum, das von einem Profi geschaffen wurde. Also, da ich meine Existenz der Fanfiction verdanke, war das für mich eine Loyalitätsfrage. Außerdem wollte ich mich nicht wieder festlegen. Chekov dagegen ging auf Risiko und entschied sich für das eine Universum. Als ich ihn das letztemal sah, wurde er gerade von Q neu eingekleidet, ganz in Schwarz.

F: Sie meinen doch nicht etwa...?

A: Tja, einen Hauch von Akzent hat er immer noch.

F: Und wie sah es um Ihre nächsten Beschäftigungsstellen aus?

A: Blendend, Darling. Ich bin bis auf den heutigen Tag schwer ausgelastet. Um Ihnen ein Beispiel zu geben - eines meiner intensivsten Arbeitsbereiche ist die Highlander-Fandom. Anfangs war ich Duncans nächste große Liebe, nach Tessa, und er wimmelte nur meinetwegen regelmäßig Amanda ab. Dann erschien Methos auf der Szene, und ich bekam Geschichten, in denen ich entweder die neue Alexa oder Methos’ große Liebe aus der Antike sein konnte. Aber richtig bizarr wurde es erst, als sich die Sache mit den Reitern heraus-stellte. Auf einmal kam ich aus den historischen Kostümen kaum mehr heraus, und ganz offen, nach all der Einheitskleidung in Star Trek war das eine willkommene Abwechslung. In Flashbacks bin ich entweder Methos’ Sklavin, die er im Gegensatz zu Cassandra verteidigt und die ihn zum Bruch mit den übrigen Reitern veranlaßt, oder ich bin die fünfte Reiterin der Apokalypse. In Gegenwartshandlungen mache ich regelmäßig Duncan fertig, weil er nicht so verständnisvoll wie ich auf Methos’ Vergangenheit reagiert, öffne ihm die Augen über seine wahren Gefühle und lande am Ende mit allen beiden...

F: Schschsch, denken Sie an unsere jugendlichen Leser!

A: ...in Joes Bar, zu einer gründlichen gegenseitigen Aussprache, nachdem einer von uns Cassandra umgebracht hat. Was dachten Sie denn, was ich sagen wollte?

F: Also...

A: Schon gut. Ich muß zugeben, so unterhaltsam das Ganze ist, auf einige Randerscheinungen würde ich gerne verzichten. Von Kronos gefoltert und vergewaltigt zu werden, ist bei den meisten Flashbacks unvermeidlich. Und in der Gegenwart nimmt mich sehr oft Cassandra durch die Mangel, damit Methos und Duncan mich retten können und einen Grund haben, sie umzubringen. Es sei denn, sie foltert Methos und ich rette ihn, das kommt gelegentlich auch vor. Cass und ich sind so oft zusammen gespannt worden, daß wir daran denken, wegen Überlastung eine Gewerkschaft zu gründen und bessere Konditionen für uns auszuhandeln. Ich meine, so niedlich Methos ist, langsam geht es mir auf den Geist, daß ich seinetwegen ständig von Kronos und Cass malträtiert werde, und meistens von Methos vor seiner Bekehrung durch mich ebenfalls. Also würde ich gern mal mit Cass tauschen. Sie darf Duncan fertig und danach mit ihm und Methos einen drauf machen, und ich bekomme eine zünftige Wahnsinnsszene, in der ich Methos foltere.

F: Womit wir bei Ihren Zukunftsplänen sind. Wie sieht es damit in anderen Fandoms aus? Könnten Sie uns einen kurzen Überblick geben?

A: Also, im Sentinel langweile ich mich, weil sich da die alte Situation von der Enterprise wiederholt - ich sterbe den Heldentod, um Jim und Blair zu versöhnen. Ich hoffe auf ein Zusammentreffen mit dem bösen weiblichen Sentinel, der Seven of Nine so ähnlich sieht. In Akte X bin ich in der Regel die einzige, die Krychek richtig würdigt und ihm halt gibt, und so, wie ihn sein Schöpfer malträtiert, ist das auch bitter nötig, aber ich würde trotzdem auch gerne Skinner näher kennenlernen. Und der CSM verbirgt ungeahnte Tiefen. Ein ganz großer Wunsch an Babylon 5-Autoren: ich verstehe ja, daß ich meistens bei Garibaldi lande, und der Mann ist mir auch sympathisch, aber wenn ich noch einen Warner-Cartoon sehen muß, wird mir schlecht. Mein Traum wäre ein Treffen mit Bester so um die dritte Staffel herum, damit ich ihn dazu kriegen kann, Garibaldi bei der Gehirnwäsche den Daffy-Duck-Fetischsmus zu entfernen. Ich bin sicher, Pawel, äh, Alfred würde das für mich tun, schon aus alter Freundschaft heraus.

F: Leute, ihr habt es gehört. Mary Sue, wir drücken Ihnen die Daumen und danken Ihnen für das Gespräch.