Mann mit Mantel - Eine Fallstudie?
von Hmpf

 

 

Vorbemerkungen:

Der folgende Text wurde in der ersten Hälfte des Jahres 1998 geschrieben. Dies war die Zeit, in der ich Methos 'verfiel' *g* und die Zeit meines ersten Kontaktes mit dem Phänomen 'fandom';(dies ist auch der Grund für das '1998' in meiner e-mail Adresse, falls das irgend jemanden interessiert...). Vieles, was ich damals schrieb, ist nicht mehr ganz aktuell. Ich habe mich seitdem sehr viel im Netz aufgehalten, habe viel über fandom im Allgemeinen und HL fandom im besonderen erfahren und mir natürlich auch so meine Gedanken gemacht. Ich habe heute weniger Probleme damit, ein fan zu sein und verspüre nicht mehr andauernd das Bedürfnis, mich dafür zu entschuldigen. Trotzdem lasse ich den Essay im wesentlichen so stehen, wie er damals geschrieben wurde, denn er spiegelt recht genau die Anfangsstadien meiner Fanwerdung. Ich habe herausgefunden, daß viele sich darin wiederfinden können.

 

In einigen Fällen habe ich es dennoch für nötig befunden, einige Anmerkungen zu machen - sei es, um etwas klarzustellen, was in der 'Originalversion' mißverständlich war, sei es, weil ich mir beim Wiederlesen dieses Essays nach Monaten einen Kommentar nicht verkneifen konnte. Meine Kommentare sind wie diese Vorbemerkung kursiv gesetzt.

 

Eine englische, leicht abweichende Version dieses Textes findet sich hier: http://www.crosswinds.net/~hmpf1998/ManWithLongCoat.htm

 

Feedback, insbesondere 'Fanwerdungsgeschichten', ist immer willkommen und kann an diese Adresse geschickt werden: hmpf1998@gmx.net

 

 

MANN MIT MANTEL - EINE FALLSTUDIE?

 

Ich habe mir bislang viel darauf eingebildet, ein rationaler, vernünftiger Mensch zu sein. Die Erfahrungen, die ich in den letzten sechseinhalb Monaten mit mir gemacht habe, lassen mir jedoch Zweifel daran kommen.

Ich bin 21 Jahre alt. Das Alter, in dem man hemmungslos für Schauspieler o. ä. schwärmt, ist somit - sollte man meinen - vorüber. Und doch hat mich in den vergangenen Monaten - zuerst still und heimlich, ohne daß ich selbst den Ernst meiner Lage erkannte - ein solcher Zustand heimgesucht. (Nein, es handelt sich nicht um Leonardo diCaprio. Anmerkung: Diese Vermutung wurde mehrmals geäußert, und ich betrachte sie als Beleidigung! *g*)

Bin ich völlig durchgedreht? Oder hole ich nur eine verpaßte Entwicklungsphase nach? Ich selbst bin mir nicht ganz sicher (überhaupt nicht sicher), welche der beiden Diagnosen zutrifft - vielleicht beide.

Nun ist die Tatsache an sich ja noch nicht unbedingt peinlich oder bedenklich - sowas kommt in den besten Familien (und in jedem Lebensalter) vor, habe ich mir sagen lassen. Peinlich ist nur, wo ich auf "den Mann meiner Träume" (ja, tatsächlich: ein paar Mal habe ich schon von ihm geträumt) gestoßen bin, und was ich seither alles unternommen habe, um ihn zu sehen, zu konservieren und mehr über ihn in Erfahrung zu bringen.

Aber beginnen wir vorne: Im Grunde ist meine Bekanntschaft mit IHM (ich bin selber die größte Spötterin, was meinen Zustand betrifft; wahrscheinlich schützt mich das vor noch heftigeren Auswüchsen) (Nachtrag: Nein, tut es nicht.), also im Grunde ist diese Bekanntschaft schon zwei Jahre alt. Es war allerdings eine eher flüchtige Bekanntschaft: Durch die Programme gezappt, an einem Gesicht hängengeblieben, in die Fernsehzeitung geguckt, Schreck bekommen: Ach du liebe Scheiße: Highlander. Trotzdem weitergeguckt, weil Gesicht einfach perfekt. Nächster Tag: Wieder reingeguckt, große Enttäuschung: Offenbar nur einmaliger Gastauftritt. Na ja.

Zwei Jahre später: Ich wohne in Hanau, werde Goldschmiedin, habe nur eingeschränkten Fernsehempfang und zuviel Zeit. Einer der Sender, die ich bekomme, ist vox. Irgendwann bemerke ich, daß die Serie Highlander wiederholt wird. Ich schaue mal rein, finde die ganze Sache ziemlich albern, erinnere mich aber an jenes Gesicht und zappe von da an gelegentlich mal vorbei, sozusagen. Und irgendwann habe ich Glück (Glück?) und erwische die Folge, die ich vor zwei Jahren schon mal gesehen habe. - Und stelle fest, daß das Gesicht (und der Rest) immer noch perfekt ist. Doch noch ahne ich nichts von der Gefahr, in der ich mich befinde... In der darauffolgenden Zeit zappe ich - mehr oder minder mangels besserer Beschäftigung - öfter mal vorbei, in der Hoffnung, er möge vielleicht noch einmal auftauchen. Und siehe da: Er taucht auf, und mehr als einmal. Und damit geht es wirklich los: Ich hänge am Haken. Zuerst gestehe ich es mir selbst nicht ein, doch in der Folgezeit werden die Vor- und Nachmittage immer mehr zur bloßen Wartezeit degradiert und ein immer größerer Teil meiner Gedanken dreht sich um IHN.

Ich warte sehnsüchtig auf den Abend... die Stunden dehnen sich endlos... endlich ist es 16 Uhr, die Schule ist aus - jetzt muß ich noch drei Stunden rumbringen... also lege ich mich hin, denke an IHN, döse ein wenig... - Es klopft. Meine WG-Mitbewohnerin Karo teilt mir mit, daß das Essen fertig ist. Uhrzeit: 19 Uhr. Noch fünfzehn Minuten. Mir ist kotzübel. ("Tut mir leid, aber mir geht's nicht besonders, ich möchte lieber nichts essen...") Dann der große Moment: Tritt er auf? Tritt er nicht auf? Wenn er auftritt, ist der Abend gerettet: Ich schreibe beschwingte Briefe, rufe Leute an, bin glücklich. (Doch niemand erfährt den Grund - nicht zu diesem Zeitpunkt.)

Wenn er nicht auftritt, bleibt mir die Hoffnung auf den nächsten Tag... und den nächsten... und den nächsten...

Voller Unruhe die Freitagabende: Freitags fahre ich nachhause; ich schäme mich zu sehr, um meinen Eltern zu erklären, daß und warum ich unbedingt Highlander sehen muß; also verzichte ich und leide stillschweigend Höllenqualen - bis "es" irgendwann stärker als meine Selbstbeherrschung (-achtung?) wird und ich - die Gefühle noch herunterspielend - mein Geständnis ablege. Gerade noch rechtzeitig, denn in den nächsten Wochen läßt sich der Angebetete besonders häufig freitags blicken.

Was tut nun der durch meine Aufmerksamkeit Geehrte in dieser Serie? Er spielt einen angenehm zynischen, erfrischend egoistischen, etwas zwielichtigen Freund des heiligmäßigen Helden der Serie, zu dem er - hager, oft blaß, mit interessanten, jedoch nicht unbedingt schön zu nennenden Zügen (Gesichts- sowie Charakter-) einen reizvollen Kontrast bildet. Der Held ist muskulös, braungebrannt, bezopft und tut, was ein Mann tun muß, d. h.: tapfer und ehrenhaft kämpfen (natürlich mit dem dazu passenden Gesichtsausdruck), die BÖSEN aus dem Verkehr ziehen, die Guten retten und sich Damen gegenüber ritterlich verhalten. Mein spezieller Freund hingegen war selber mal einer von den BÖSEN, kultiviert das Davonlaufen-und-sich-aus-allem-Heraushalten als lebensverlängernde Maßnahme, kämpft eher unfair und bringt auch schon mal eine Dame um, wenn er es für nötig hält. Er ist, kurz gesagt, kein sehr netter Mensch, oder zumindest nicht immer. Er tritt eher sporadisch auf und bekommt selten mehr als zwei bis drei Minuten Sendezeit, in denen er ironisch lächelnd lässig irgendwo an der Peripherie oder im Hintergrund rumsteht, die Hände in den Manteltaschen vergraben, und dem Helden gegenüber seine Lebenserfahrung raushängen läßt. Da es in der Serie um Leute geht, die theoretisch unendlich lange leben - bis ihnen jemand den Kopf abschlägt - handelt es sich dabei um eine ganze Menge Lebenserfahrung. ("I didn't last 5000 years by worrying about anyone but myself.")

Soviel zum Seriencharakter. Über den Darsteller weiß ich lange Zeit überhaupt nichts - nicht einmal, welcher Name aus dem Vorspann zu seinem Gesicht gehört.

Es kommt ein möglicherweise Schwarzer Donnerstag: Der Werbung entnehme ich, daß die letzte Folge der Staffel gesendet wird und danach eine neue Staffel beginnt. Ich habe das unangenehme Gefühl, daß die Angewohnheit von Nebenfiguren, am Ende einer Staffel das Zeitliche zu segnen, meinen Speziellen Freund den Kopf kosten könnte. An diesem Punkt der Serie hat er bereits genug Profil gewonnen, damit sein Tod beim Zuschauer einen dem Staffelende angemessenen Schock auslösen würde; er ist jedoch noch nicht wichtig genug, daß sein Ausscheiden die Serie für viele Zuschauer – ausgenommen solche wie mich – ruinieren würde.

Ich rufe meine Eltern an, damit sie die letzte Folge für mich aufnehmen; aus einer im Supermarkt durchgeblätterten Fernsehzeitung weiß ich, daß er zumindest in dieser Folge noch vorkommt. (Warum ich zuvor keine einzige Folge aufgenommen habe, frage ich mich bis heute. Möglicherweise, weil ich mir noch nicht selbst eingestehen konnte, wie wichtig das für mich geworden war.) Als ich am Freitag, der auf diesen Donnerstag folgt, nach Hause fahre, ist meine Stimmung zwiespältig: der Schluß der Folge läßt mich befürchten, daß Methos (genug der Umschreibungen) sich für lange Zeit, vielleicht für immer verabschiedet hat: Er hat einige tiefgründige Sätze gesagt und ist dann mit wehendem Mantel ins Dunkel entschwunden. Andererseits aber versetzt mich die Aussicht, nun zumindest einige Minuten Methos-Material zu besitzen, in Hochstimmung.

So verbringe ich denn große Teile des Wochenendes vor dem Fernseher kauernd, zerdehne die wenigen Minuten - zumal die kurzen Momente, in denen er in Großaufnahme bewundert werden kann - mit Hilfe des Einzelbilddurchlaufs bis ins Unendliche, fürchte dabei um die Haltbarkeit meiner Wertvollsten Videoaufzeichnung und ein wenig um meinen Verstand. Mein Vater betrachtet mein sonderbares Benehmen verwundert, aber nachsichtig; meine Mutter hört sich geduldig meine Monologe - abwechselnd pure Schwärmerei und Selbstanalyse - an (und findet den Mann mit der Zeit selbst immer attraktiver, was mich bedenklich stimmt, im Hinblick auf spätere reale Freunde). Ich selber stehe all die Zeit irgendwo neben mir und sehe mir befremdet und belustigt beim Anhimmeln zu. Ich beschließe, die Situation als eine Art psychologischen Selbstversuch zu betrachten, auf den ich mich eingelassen habe. Zu irgendeinem Zeitpunkt muß ich die Möglichkeit gehabt haben, mich dafür oder dagegen zu entscheiden, rede ich mir ein; es zuzulassen oder zu unterdrücken. (Heute bin ich mir nicht mehr so sicher, ob ich diese Möglichkeit hatte.)

In den auf jenen Donnerstag folgenden zwei Wochen gebe ich beinahe die Hoffnung auf ein Wiedersehen auf und leide an einer Art verdünntem Trennungsschmerz. Eines Tages fahre ich einkaufen und komme erst nachhause, als die Folge schon halb vorbei ist. Trotzdem schalte ich ein - Hoffen ist eine Begabung von mir - und... sehe IHN. In Großaufnahme. Siebter Himmel. (Vorsorglicherweise habe ich seit zwei Wochen den Videorekorder meiner Eltern so programmiert, daß er mir die Serie aufnimmt.) Auch am nächsten Tag ist er präsent. Am Tag darauf folgen Enthüllungen über seine FINSTERE Vergangenheit, die mich schwerer treffen, als ich bereit bin, mir einzugestehen. ("Und ich sah ein fahles Pferd, und der darauf saß, dessen Name war Tod und die Hölle folgte ihm nach." (Off.6:8) Wer die Serie gesehen hat, weiß, wovon ich rede; für den Rest spielt es wahrscheinlich keine große Rolle ;-)) Bin aufgewühlt und komme mir dabei unendlich albern vor. Fühle mich der Willkür der Drehbuchautoren ausgeliefert, die aus IHM alles machen können, auch einen Massenmörder. Beruhige mich dann langsam wieder und bin am Montag soweit, daß ich seine Vergangenheit als eine weitere Facette seines sehr heterogenen Charakters betrachten kann. (Oft frage ich mich, ob Methos von den Drehbuchautoren von vornherein so geplant war, oder ob er eine Art Unfall war, ob er sich "einfach so" aus den jeweiligen Drehbüchern entwickelt hat. Er unterscheidet sich so sehr von den anderen Figuren der Serie.) Rechne allerdings damit, ihn zu verlieren, da es der Moral der Serie entspräche, wenn er, selbst wenn geläutert, für seine Sünden mit dem Leben büßen müßte. (Nachtrag: Natürlich rechnete ich nicht damit, daß der Held, sein Freund, ihn enthaupten würde. Vielmehr erwartete ich, daß er auf irgendeine quasi heldenhafte Weise ums Leben kommen würde und dem Publikum dadurch beweisen würde, daß er sich wahrhaftig geändert hätte – und auf diese Weise nebenbei noch Buße tun würde...) Ich werde jedoch überrascht: man läßt ihn am Leben. Trotzdem rechne ich nicht damit, ihn in dieser Rolle wiederzusehen - er ist einfach zu kompliziert geworden für Highlander, glaube ich. (Nachtrag: Ich habe der Serie damals nicht so viel Mut zur Ambivalenz zugetraut...) Doch ich irre mich; nur wenige Tage später ist er wieder da und darf Predigten über die Unabänderlichkeit der Vergangenheit und über das Gute und Böse im Menschen halten.

Es ist Freitag, und ich sitze mit meiner Mutter beim Essen. Wir haben gemeinsam gekocht und ich habe ihr dabei Obenstehendes auseinandergesetzt. Um Viertel nach sieben sage ich, daß ich mal kurz reinschauen will, nur so für den unwahrscheinlichen Fall daß... Hoffentlich tritt er nicht auf, scherze ich, sonst kann ich wieder nicht essen. Dann, unter Guest Starring, der Name... Wie auf Befehl spielt mein Magen verrückt. Verdammte Hormone.

Mittlerweile wissen eine Menge Leute Bescheid; mein erstes Outing hat bei mir einen "Go, tell it from the mountain"- Effekt ausgelöst und ich muß mich regelrecht dazu zwingen, nicht alle Welt einzuweihen. - Darüber zu reden verstärkt das Gefühl eher noch, habe ich festgestellt...

 

Die Obsession hält an; ich versuche zu verstehen, was mit mir passiert - ist es eine Art Hysterie? Eine Sucht? Signalisiert mir meine Psyche, daß es Zeit wird, daß ich mir einen Freund suche? (Aber gibt es überhaupt irgendjemanden, der es mit IHM aufnehmen könnte? Nachtrag: bis jetzt nicht! *g*) Der Teil von mir, der beobachtet und einen kühlen Kopf bewahrt, diagnostiziert eine Art fiebrige Infektion, die man einfach ertragen muß, bis der Höhepunkt überschritten, der Erreger besiegt ist und die Genesung einsetzt.

Dann nähert sich die Serie wieder einem Ende; einem endgültigen Ende diesmal, und er macht sich rar. Zwei lange Wochen zehre ich nur von meiner Vorstellungskraft und meinen Videobändern. (Ich zehre? Es zehrt an mir.) Aus der Fernsehzeitschrift weiß ich jedoch, daß sich die vorvorletzte Folge vor allem um ihn drehen soll. Zwei Wochen lang warte ich auf den Großen Tag. Als er gekommen ist, sind abends zwei Freundinnen bei mir (das ist allerdings Zufall, hängt also nicht mit dem Fernsehprogramm zusammen), die Bescheid wissen; außerdem meine Mitbewohnerin, die, seit kurzem eingeweiht, endlich einmal sehen möchte, wer mir seit Wochen den Appetit raubt. Ich schäme mich zu Tode ob dieser massiven Aufmerksamkeit, schäme mich für jede alberne Szene, in der er mitspielen könnte, für die Albernheit der Serie allgemein... Dann beginnt die Folge und der Anfang kommt mir seltsam bekannt vor. - Irgendein Trottel bei vox hat die Folgen durcheinandergebracht; die gesendete Folge ist alt. Für den Rest des Abends gifte ich mich, schimpfe auf vox und bin wahrscheinlich keine sehr angenehme Gesellschaft. (Versetzt; im Stich gelassen.) Später am Abend, als ich wieder allein bin, rufe ich die Auskunft an und frage nach der Nummer des Senders, rufe dann dort an und schimpfe.(Bin mir dabei bewußt, daß mein Wahnsinn eine neue Qualität erreicht hat...) Ein netter Mensch bescheidet mir, daß schon mehrere angerufen hätten und daß die Folge wahrscheinlich wegfalle, da im Senderaster kein Platz sei für eine "Wiederholung" außer der Reihe. Das ist keine sehr überraschende Information für mich; ich habe nichts anderes erwartet. Ich lege auf, stütze den Kopf in die Hände und lache hilflos. Was ist in mich gefahren? - Den Rest des Abends frage ich mich verwundert, was für Leute - außer Verrückten wie mir - wohl bei vox anrufen, um sich über eine falsche Highlander-Folge zu beschweren. (Leute, wenn Ihr das wart: Meldet Euch bei mir! Ich frage mich nämlich immer noch, wer da wohl außer mir noch angerufen hat! LOL)

(Am nächsten Tag rufe ich noch einmal an und erzähle einer sehr netten Frau, daß ich die Serie nicht besonders gut finde - man könnte mich ja für einen Fan halten. Die sehr nette Frau hat leider auch keine Ahnung, wie ich in Genuß der fehlenden Folge gelangen könnte, es sei denn, ich warte sechs Monate, denn die Serie werde wiederholt. Auch das keine Neuigkeit. Schon vor Tagen habe ich mir einen kleinen Taschenkalender gekauft, habe alle entscheidenden Folgen, an die ich mich erinnere, in die hoffentlich richtige Reihenfolge gebracht und diese "relative Chronologie" dann in eine absolute umgewandelt, indem ich die Folgen zu konkret datierbaren Ereignissen in Beziehung gesetzt habe - Proseminar "Methoden der Archäologie" aufs tägliche Leben angewandt. Da ich im Supermarkt wieder in einer Fernsehzeitung geblättert habe, weiß ich, wieviele Folgen die Serie insgesamt hat und kann diese ausgehend von der letzten Folge rückwärts numerieren. Dies beschert mir eine relativ gute Näherung der wirklichen Folgennummern und macht es mir möglich, abzuschätzen, wie lange ich - bei fünf Folgen pro Woche, vom Sendetag der ersten Folge ab - ungefähr warten muß, bis ich meine Sammlung vervollständigen kann. So oft ich auch nachrechne, ich komme immer auf etwa drei Monate. Eine lange Zeit. Entschuldigung für die archäologische Abschweifung. Ich habe überlegt, ob ich sie rauskürze, aber dann fand ich's irgendwie ganz witzig...)

Das Ende fällt mit dem Beginn meiner Ferien zusammen. Ich gleiche das Fehlen von Nachschub durch vermehrten Genuß meiner Videoaufnahmen aus, bin mir jedoch bewußt, daß die Tage meiner virtuellen Affäre gezählt sind. Ich weiß, daß sich die immergleichen Bilder abnutzen werden, irgendwann; ich weiß, daß mit sinkendem Angebot auch die Besessenheit nachlassen wird. Die Gefühle werden sich abschwächen, dann werde ich einige Wochen eine gewisses Leere verspüren, eine Art Sehnsucht, und dann wird es vorbei sein, langsam und unangenehm, jedoch nicht direkt schmerzhaft. Ein wenig fürchte ich mich davor, denn ich möchte diese Euphorie nicht verlieren, die seit Monaten meine Tage und Nächte beherrscht. Vorerst jedoch ist das Gefühl noch da, und ich ergebe mich ihm im Wissen um seine Endlichkeit, genieße es und ignoriere seine Sinnlosigkeit. Warum sollte ich auch etwas anderes tun, solange ich mich so gut dabei fühle, denke ich. Ich sollte nur versuchen, mich nicht lächerlicher zu machen als nötig...

( Ein durch und durch eigenartiger Zustand; eine andauernde Beinahe-Ekstase. Verfrühte Frühlingsgefühle. Ich liebe das Leben. - Ironisch, daß so ein reales, ja überwältigendes Gefühl von einer irrealen Person, einem Fernsehbild ausgelöst werden kann.)

 

Ich rede mit einer Freundin über meine Situation. Diese erkennt mich kaum wieder und rät mir; erstaunt, amüsiert aber sachlich: Schau doch mal ins Internet! Da findest Du bestimmt irgendwas...

In der Tat.

Mein lieber, geduldiger Vater öffnet mir trotz Angst vor Viren den Weg ins Netz. (Ich, in einem Moment blitzartiger Selbsterkenntnis: "Ich hab 'nen Knall." - Er, ungerührt: "Ja.")

Es ist mitten in der Nacht. Wir lassen Yahoo nach dem Stichwort "Highlander" suchen und werden zu einer deutschen Fan-Seite geschickt. Ich habe vom Internet gehört, habe Zeitungsartikel gelesen über das, was Serienfans dort so treiben, aber das habe ich nicht erwartet. Irgend jemand hat sich sehr viel Arbeit gemacht, um eine irrsinnige Menge Informationen über eine nicht gerade großartige Fernsehserie der Öffentlichkeit des Netzes zugänglich zu machen.

("Wahnsinn. Wahnsinn. Wahnsinn. Der reine Wahnsinn. Ich wußte ja, daß es fanatische Akte-X- oder Star-Trek-Zuschauer gibt, aber das hier, das glaub' ich einfach nicht..."

"Wieso, du schaust dir das ja auch an."

"Ja, aber doch nicht, weil ich die Serie so toll finde!")

Ich klicke auf "Darsteller", dort auf "Peter Wingfield". Nach wenigen Sekunden erscheinen ein Foto und einige Zeilen Text. Geboren in Cardiff, Datum nicht bekannt. (Nachtrag: 1962) Abgebrochenes Medizinstudium. Ausbildung an verschiedenen Schauspielschulen. In Besitz eines "Advanced Stage Fighting Certificate". Marathonläufer; National Champion im Trampolinspringen. (Nachtrag: Im Alter von 15) Dann eine Liste von Film- und Serientiteln, keiner davon mir bekannt.

Trampolinspringen...

Doch im Grunde, das erkenne ich klar und deutlich, ist es nicht Peter Wingfield, der mich interessiert... Ich klicke mich durch die Seiten, finde das Stichwort "Methos". Aber der Schöpfer dieser Seite ist ein Highlander-Fan, kein Methos-Fan. Die Informationen sind spärlich. - Aber was war schon zu erwarten, schließlich ist er nur eine Nebenfigur, die gerade mal in 21 von 119 Folgen auftaucht...

Also weiter zu "Internationale Highlander-Links". Eine schier endlose Liste von Adressen flimmert über den Schirm. Ich scrolle durch; plötzlich bleibt mein Auge hängen: "The Methos Madness Page".

"Ich glaub's nicht." Höre in Gedanken die Stimme meiner Freundin, die mir den Rat gegeben hat, ins Internet zu schauen: "Du bist bestimmt nicht die einzige, der der aufgefallen ist..." Denke, "Madness" paßt ja.

Klick. - Das Inhaltsverzeichnis: The Methos Madness Gallery; The Essential Methos; The "Only If It's Got Methos In It"- Episode-Guide; Methos Erogenous Zone... Untertitel der Begrüßungsseite: "Does the term compulsive obsessive mean anything to you?" Immerhin Leute mit einem gewissen Maß an Selbstironie. (Nachtrag: alles, was ich hier aus dem Internet zitiere, zitiere ich aus dem Gedächtnis. Es können sich daher Fehler eingeschlichen haben.)

Ich bewundere einige Bilder (ER, herzzerreißend einsam im Mantel im Dunkel stehend - gerne würde ich schreiben: im Regen, aber ich bin mir nicht sicher, ob dieser Eindruck stimmt), neben denen Fans sich in Charakterisierungen versucht haben.

Auch hier gibt es Links zu weiteren Seiten, kommentiert von der Verfasserin(?) der Seite, auf der ich mich befinde: "Methos Methos Methos" ("possibly a Methos site"); "The Mostly Methos Sound Page" ("sounds from...uhm... Highlander - mostly Methos"); "The Kronos Madness Page" ("I had to link to it 'cause Kronos said he'd hurt Methos if I didn't.") Auf letztgenannter Seite finde ich einen Vergleich zwischen Methos und Kronos, seinem fiesen Freund aus seiner finsteren Vergangenheit: "Ten reasons why Kronos is better than Methos:" - Grund Nr. 5: "Kronos doesn't spend half his life drinking beer." - Grund Nr. 1: "Kronos wears cool black leather while Methos wears grotty brown sweaters that are too big for him."

(Ich mag Männer in zu großen Pullovern.)

Den großartigsten Fund mache ich auf der Seite mit dem redundanten Namen. Dreizehn Seiten englische Originalzitate. ("Why quote Methos? Because he gets most of the good lines, or at least the witty, cynical and philosophical ones...") Wir laden sie aus dem Netz auf unseren PC und drucken sie aus. Ein Bild ist auch dabei. Jetzt kann ich IHN zusammenrollen und überallhin mitnehmen...

In dieser Nacht gehe ich mit dem beglückenden, doch etwas beängstigenden Gefühl zu Bett, daß es Leute gibt, die noch einen größeren Knall haben als ich.

 

Soweit meine "Geschichte". Ich habe sie einer ganzen Reihe von Leuten erzählt, nachdem ich mich endlich entschlossen hatte, zu meinen Gefühlen und meinem Verhalten zu stehen, egal, wie verrückt es auf andere wirken mochte. Die Reaktionen waren unterschiedlich, für verrückt hat mich jedoch keiner erklärt (zumindest nicht mir gegenüber). Allerdings habe ich natürlich auch nicht jedem Alles erzählt... Manche haben mich bedauert und mir gewünscht, daß ich so etwas doch mal in der Realität erleben möge. Ich habe darauf meistens geantwortet, daß das, was ich gerade erlebe, wohl eine Vorbereitung auf die Realität sei, eine Art Trockenübung, die andere Menschen für gewöhnlich ein paar Jahre früher durchlaufen; aber bei mir ginge ja alles etwas langsamer... Teilweise glaube ich, trifft diese Erklärung auch zu. Trotzdem bin ich mir nicht sicher, ob das alles ist...

Schon immer habe ich große Teile meines Lebens an irrealen Orten zugebracht. Ich schreibe hier absichtlich "Orte", weil meine Tagträume durchaus nichts Flüchtiges, Vergängliches haben, sondern tatsächlich beinahe immer eine "Welt" für sich waren, die parallel zur "wirklichen Welt" existierte. (Das klingt jetzt doch sehr nach Wahnsinn. Flucht vor der Realität? Sicher, gewissermaßen, und doch auch wieder nicht, denn die Realität war ebenfalls immer "da", ich habe sie nie ausgeblendet...) Was ist schon "Wirklichkeit"? Dinge, die in meinem Kopf passieren, sind auf ihre Weise ebenso wirklich wie die Realität... Solange ich meine Welten auseinanderhalten kann, besteht, so hoffe ich, keine Gefahr für mich... (Anmerkung: An diesem Punkt scheint es mir angebracht zu fragen, ob nicht vielleicht das, was wir als "normal" bezeichnen, nur ein sehr unzulängliches Konstrukt ist. Vielleicht würde jedes Menschen "Innenleben", schonungslos ehrlich offengelegt, ein bißchen wahnsinnig wirken?)

Die Welten, in denen ich mich bewege, müssen keine reinen Eigenschöpfungen sein - wenn sie es wären, könnte ich Bücher schreiben... Jedes Buch, jeder Film, jedes Computerspiel und jede noch so bescheuerte Fernsehserie kann eine Tür zu einer Welt sein, oder, um eine bessere Analogie zu finden: Die Realität, ebenso wie Bücher, Filme usw. sind gigantische Steinbrüche, in denen ich mir Brocken zusammensuche, die mir zusagen und die ich dann weiterverarbeite. Daß ich nicht die Einzige bin, die sich auf diese Weise eine zweite Realität schafft, hat mir der kurze Besuch im Internet gezeigt. Sehr viele Leute scheinen eine ähnliche Methode zu haben, mit den "Realitäten", die uns die Medien anbieten, umzugehen. Vielleicht ist dieses Phänomen am deutlichsten bei Serienfans zu beobachten.

Fernsehserien haben in besonderem Maße Steinbruchcharakter; sie sind vom Prinzip her unabgeschlossen, auf das Weitererzählen angelegt. Es gibt immer "lose Enden", die noch darauf warten, verknüpft zu werden, während bei einem Film oder Buch am Schluß normalerweise alle Erzählstränge zusammengeführt oder aufgelöst werden und so ein Eindruck von Geschlossenheit entsteht. Serien hingegen verhalten sich in dieser Hinsicht eher wie das reale Leben, selbst wenn die Geschichten, die sie erzählen, haarsträubend unrealistisch sind; man spürt immer, daß es irgendwie weitergeht. Ein Abenteuer mag vorbei sein, ein Problem gelöst, aber die Protagonisten werden auch am nächsten Tag (oder in der nächsten Woche, je nachdem) wieder zur Stelle sein...

Ein zufälliger Zuschauer könnte auf die Idee kommen, daß es in den Dutzenden von Serien, die jede Woche auf über dreißig Sendern laufen, vorrangig um "Action" geht, d.h. um die Handlung, doch dem ist nicht so: Denn wenn man erst einmal eine gewisse Anzahl von Folgen einer Serie gesehen hat, rückt die Handlung plötzlich in den Hintergrund, oder besser: Der Hintergrund rückt in den Vordergrund. Einen "Fan" interessiert häufig nur noch sekundär, ob Superman wieder mal die Welt rettet, die Cardassianer Deep Space Nine einnehmen oder die Verschwörer aus der 49.(?) Straße die Vereinten Nationen kontrollieren. Wirklich interessant sind dagegen die Dinge, die nur angedeutet werden, in Blicken, in Nebensätzen... Und die Dinge, die immer nur beinahe geschehen, die dazu verdammt sind, auf ewig "in der Luft zu hängen", da die Serie sonst eine Abgeschlossenheit gewinnen würde, die ihr auf lange Sicht nicht gut täte... Eine durchschnittliche Serienfolge dauert 45 Minuten, und in diesen 45 Minuten wird mitunter genug Handlung für einen ganzen Film untergebracht. Dabei kommt notgedrungen einiges zu kurz. Meistens ist dies die Charakterisierung. Es folgt eine Vermutung, eine These, über die ich mir noch nicht ganz im klaren bin: Möglicherweise ist es gerade dieses Defizit, von dem viele "Endlosserien" leben. Das, was der Zuschauer wirklich über die Charaktere erfahren will, wird er nie erfahren; was er wirklich sehen möchte, wird nie geschehen - zumindest nicht auf dem Bildschirm... Doch im Kopf des Zuschauers ist alles möglich. Die Serie stellt das Ausgangsmaterial dar, den roh behauenen Steinblock; das eigentliche Endprodukt jedoch entsteht im Kopf des Zuschauers, und dieses Endprodukt muß nicht mehr viel Ähnlichkeit mit dem Ausgangsmaterial haben. Mit einer Serie lebt der Zuschauer und Serien leben nur durch den Zuschauer.

Und so lebt denn auch der Mann, der mich so fasziniert, eigentlich nur in meiner Vorstellung. Er hat das Gesicht von Peter Wingfield und Methos Charakter, doch er ist mehr (Wir basteln uns einen Traummann, Lektion 1...)

 

Seit Beginn meines "Protokolls" ist ungefähr ein Monat vergangen. Im Moment ist es halb zwei. Ich sollte wohl besser schlafen, aber ich kann nicht. Das hier verlangt danach, sofort festgehalten zu werden:

Von der Hiobsbotschaft schwer getroffen, daß die Serie - mitten in der Wiederholung und lange vor Vervollständigung meiner Sammlung - binnen kurzem abgesetzt wird, habe ich die letzten Tage über verzweifelt nach einem Weg gesucht, meiner Obsession neue Nahrung zu verschaffen...

Heute abend war es dann so weit. Wieder einmal habe ich mich im vollen Bewußtsein der Gefahr und zugleich in der Überzeugung, daß es im Grunde früher oder später so kommen mußte, in gefährliche Gewässer begeben.

Mit jeder Minute, die ich mich im Internet aufhalte, wird mir klarer, daß ich mich darin verlieren kann - daß ich darin versinken und vielleicht ertrinken kann. (Wie kann es nur sein, daß ich so schwach bin; daß ich langsam aber sicher jede Kontrolle zu verlieren scheine?)

Diesmal habe ich keine halben Sachen mehr gemacht: Ich habe sofort das Stichwort "Methos" eingegeben - und der gesammelte Wahnsinn von möglicherweise tausenden von Fans ergoß sich gleich einer Flutwelle über mich. (Ich bemerke, daß zu so später Stunde mein Stil etwas blumig wird...)

Yahoo listete mir eine schier endlose Zahl von Einträgen (einzelne Seiten, nicht Homepages) auf. Aus irgendeinem schwer definierbaren Grund löste diese Flut heftige Übelkeitsgefühle bei mir aus.

Ich habe also angefangen, die Liste Adresse für Adresse durchzuarbeiten, und schon nach kurzer Zeit wurde mir klar, daß das, was mich vor wenigen Wochen so in Erstaunen versetzt hatte, kaum mehr als ein bescheidener Vorgeschmack gewesen war...

Die erste Seite, die ich aufsuchte, war, glaube ich, der "Methos Harem", eine "close-knit sisterhood" von 57 Personen vermutlich größtenteils weiblichen Geschlechts (Anmerkung: An dieser Stelle ist mir soeben ein angesichts der Verwirrung der Identitäten im World Wide Web sehr sinnreicher Schreibfehler unterlaufen: Ich schrieb: "weblichen Geschlechts". Vielleicht die Bezeichnung für all jene Netsurfer?), die sich vor allem der Verehrung des "Blue Faced Love God" - insbesondere seiner Zehen - widmen. Beinahe jede der Haremsdamen hatte Proben ihres schriftstellerischen Könnens zur Verfügung gestellt. Von dieser Fan-Prosa überflog ich teilweise: "The Peter Wingfield Fiasco" (Fan begegnet P. W. im Pub und überschüttet ihn vor Aufregung mit Bier) sowie "Close Encounters of the Budweiser Kind" (Junges Mädchen begegnet Methos in einer Kneipe. - Bier spielt auch hier eine Rolle.)

Auf das Ausfüllen eines Aufnahmeantrags verzichte ich vorerst... Doch wer weiß, wie weit es noch abwärts geht mit mir? Eines ist sicher: noch vor Wochen hätte ich es nicht für möglich gehalten, daß ich einmal bei vox anrufen, geschweige denn Fanseiten im Internet aufsuchen würde... Mittlerweile bin ich klug genug, um zu erkennen, daß es mich sehr schwer erwischt hat und bin geneigt zu glauben, daß von den zwei auf Seite 1 angebotenen Erklärungen wohl eher die erste stimmt. Der Teil von mir, der noch klar denken kann, kommt kaum noch aus dem Kopfschütteln heraus....

Auf meiner mehrstündigen Internet-Odyssee verschlägt es mich auf Seiten, auf denen man unzählige Bilder bewundern kann, darunter auch einige von einem recht spärlich bekleideten Methos - offensichtlich aus der Folge, um die mich die Programm-Chaoten von vox betrogen haben -, sowie von einem kopfstehenden Peter Wingfield auf einem Fanclubtreffen (wohl eher einer convention) (Beim Betrachten dieses Fotos frage ich mich, ob er sich als Objekt der Begierde wohl eher geschmeichelt oder belästigt fühlt und ob ich sein Engagement eher nett oder eher peinlich finde); ich werde Zeugin einer durchaus philosophischen Diskussion über die psychologischen Konsequenzen unendlichen Lebens, erfahre vom offiziellen Fanclub-Paten-Schwein Matilda, von einer ziemlich heiligen Gabel in Besitz des besagten Fanclubs, von der ER angeblich mal gegessen hat und finde heraus, daß jedes Gefühl, das ich gefühlt habe, schon tausendfach gefühlt, jede Beobachtung, die ich gemacht habe, schon tausendfach gemacht, jede Frage, die ich mir gestellt habe, schon tausendfach gefragt - jedoch nicht notwendigerweise beantwortet - worden ist. (Häufigste Frage laut Fanclub-Statistik: Welche Farbe haben denn nun seine Augen?! Nachtrag: Gute Frage.)

Sehr hübsch auch eine Seite, auf der man - neben einigen Bildern - auf Knopfdruck auch etwas O-Ton Methos zu hören bekommt: "I´m just a guy!" - Vielleicht eine Mahnung an all jene, die ihn bereits zum Gott erheben...

 

Meine Obsession verläuft in Wellen: An manchen Tagen schwellen die Gefühle zu nahezu unglaublicher Heftigkeit an, dann wieder habe ich für Tage oder Wochen meine Ruhe. Zu Hochzeiten steht er tatsächlich uneingeschränkt im Mittelpunkt meines Denkens; sämtliche Assoziationen führen dann zu ihm. Es ist schon beinahe lächerlich, auf welche Weise sich mein Gehirn verbiegt, um auch noch den hinterletzten Gesprächsfetzen mit ihm in Verbindung zu bringen.

In Zeiten heftigsten Videokonsums glaube ich manchmal zu spüren, daß ich beginne, mich zu bewegen wie er, werfe bange Blicke in den Spiegel in der Erwartung, eine seltsame Metamorphose vor sich gehen zu sehen. (In Ermangelung eines Gegenübers wird man sich selbst zum Gegenüber...) Zumindest ein Teil meiner Faszination beruht auf einer starken Identifikation...

 

Darüber zu reden macht es realer. Darüber zu schreiben ebenso; und daher ist das Internet ein hervorragendes Mittel, um die Leidenschaft am Leben zu halten. All diesen Fans, die ihre "fan fiction" im Internet veröffentlichen, geht es (vielleicht) nicht so sehr darum, ein Publikum für ihre literarischen Versuche zu finden, sondern darum, ihre ganz private Welt realer zu machen. Indem man anderen Zugang zur eigenen Phantasiewelt gewährt, dehnt man diese Welt auf andere Gehirne aus, und in dem Maße, wie sie für andere realer wird, gewinnt sie auch für einen selbst an Substanz. (Versuche, Dinge, die ich eher empfinde als verstehe, in Worte zu fassen und scheitere dabei kläglich...)

Wieder war ich im Internet, habe mich auf privaten homepages und auf den Seiten des offiziellen Peter-Wingfield-Fanclubs herumgetrieben, an den ich eine e-mail geschickt habe in der Hoffnung, daß mir dort irgendjemand bei der Beschaffung der mir noch fehlenden 11 Folgen helfen kann. (Bin jedoch noch nicht soweit, daß ich dem Club beigetreten wäre...) Auf diesen Seiten habe ich unter anderem auch selbstverfaßte Kurzbiographien vieler Mitglieder gefunden, die ich jedoch, da ich ein wenig unter Zeitdruck stand, nur teilweise überfliegen konnte. Trotzdem war die Lektüre aufschlußreich.

Natürlich weiß man - als "normaler" Mensch - von der Existenz solcher Vereine; man hält diese Leute für etwas seltsam, man nimmt vielleicht an, daß es in ihrem Leben ein Defizit gibt, das auf diese Weise ausgefüllt wird. - Bedauernswerte, vereinsamte Menschen, die mit realen Personen nicht umgehen können, mit ihrem Leben nicht klarkommen und sich aus Angst vor der Wirklichkeit in Fernsehwelten oder ins Internet zurückziehen...? (Meine eigenen Vorurteile.)

Ich habe meine Vorurteile, meinen Hochmut gegenüber "solchen Leuten" schon seit einiger Zeit immer wieder revidiert und Stück für Stück abgelegt, seit ich einsehe, daß mich mit diesen Leuten eine Menge verbindet.

Beim Überfliegen der Lebensläufe verspürte ich dann auch ein Gefühl warmen Verständnisses - zumal aus vielen das gleiche Erstaunen über sich selbst herauszulesen war, wie auch ich es empfinde, wenn ich meine eigene Entwicklung in den letzten Monaten betrachte.

Was für Leute treten nun also in einen Peter-Wingfield-Fanclub ein? - Ganz normale Leute. Junge Frauen; verheiratete Frauen im mittleren Alter mit zwei Kindern und/oder zwei Katzen, alte Frauen (z.B. Jahrgang 1931); Universitätsabsolventinnen, Büroangestellte; verhinderte bzw nicht verlegte Fantasyschriftstellerinnen. Keine hysterischen Teenager, sondern Leute, die "eigentlich ganz vernünftig klingen". Dies setze ich in Anführungszeichen, weil mir die Dummheit des Vorurteils, das aus der Formulierung spricht, vollkommen bewußt ist.

 

Ich fasse zusammen: Entgegen meinen eigenen langgehegten Vorurteilen stelle ich bei meinen Besuchen im Internet, meinem ersten nicht durch die Medien gefilterten Kontakt mit "richtigen Fans", fest, daß diese größtenteils "normale", intelligente Menschen mit Familie, Freunden, "normalen" Berufen und Hobbies sind. - Sogar noch lange, nachdem ich vielen Freunden von meiner Besessenheit erzählt hatte, habe ich mir eingeredet, daß mein Fall anders sei, daß mich irgendetwas von anderen Fans, deren Verhalten ich immer als würdelos empfunden habe, abhöbe. Ich sträubte mich dagegen, mir einzugestehen, daß ich Teil einer Gruppe von Menschen bin, die - nicht nur von mir selbst - meist mit einer Mischung aus Mitleid, Verachtung und Ironie betrachtet wird. Ich versuchte mich durch Selbstironie vor dieser Erkenntnis zu schützen ("Seht her, ihr braucht euch nicht die Mühe zu machen, euch über mich lustig zu machen; das erledige ich schon selbst!). Nur langsam lerne ich - notgedrungen, da ich sowieso keine Kontrolle über den Lauf der Dinge mehr habe -, diese Leute und damit auch mich selbst ernstzunehmen. Ich will und muß mich nicht über meine Gefühle lustig machen oder mich dafür entschuldigen, denn die Gefühle sind real; daß sie sich auf eine irreale Person beziehen ist nichts, dessen man sich schämen müßte.

Genauere Betrachtung meines Schamgefühls: Im Grunde schäme ich mich vielleicht vor allem deshalb, weil der "BFLG, a.k.a. ROG" ("Blue Faced Love God, also known as Really Old Guy" - LOL - Laughing Out Loud...) Teil einer Fernsehserie ist, die meinen Ansprüchen nicht genügt. Oder, noch ehrlicher: Ich schäme mich, weil zumindest ein Teil dieser Serie wohl doch meinen Ansprüchen genügt... Wie bereits weiter oben festgestellt, gilt mein Hauptinteresse Methos, nicht Peter Wingfield; ich bin verliebt (ein ernsthaftes Wort für ein ernsthaftes Gefühl) in einen fiktiven amoralischen Fünftausendjährigen, nicht in einen Schauspieler, der sich für seine Fans buchstäblich auf den Kopf stellt; und diese Tatsache bedeutet auch, daß ich das Universum, in dem dieser Mann lebt, bis zu einem gewissen Grad akzeptieren muß. Tatsächlich tue ich das, ich muß es gestehen... Ich war schon immer - oder zumindest, seit ich zu solchen Dingen eine Meinung habe - der Meinung, daß Fantasy nicht notwendigerweise platt sein muß. In den letzen Monaten bin ich außerdem zu dem Schluß gekommen, daß auch einigermaßen intelligente Menschen einer schlechten Fantasyserie etwas abgewinnen können. (Schlimmer Satz, aber ich lasse ihn mal so stehen... Siehe: nächste und übernächste Anmerkung.)

Meiner Meinung nach verdient "Highlander" eigentlich keine besondere Aufmerksamkeit. Es gab Zeiten, in denen ich behauptet habe, sie gehöre zu den Top Ten der Schlechtesten Serien Aller Zeiten, doch ich habe seitdem einige Blicke ins Fernsehprogramm geworfen und festgestellt, daß auch noch eine Menge anderer und wesentlich größerer Mist läuft. Mein allzu hartes Urteil war vermutlich darauf zurückzuführen, daß ich auch nicht den Schatten eines Verdachts aufkommen lassen wollte, daß ich ein Highlander-Fan sein könnte. (Klarer Fall von Überkompensation. Ich entschuldige mich hiermit bei allen 'wirklichen' HL Fans. Ein großer Teil meiner Arroganz hat sich verflüchtigt, seit ich das hier schrieb...)

Ich habe oben die 'Steinbruch-Theorie' über den Umgang mit Fernsehserien u.ä. erläutert. Im Highlander-Steinbruch wird eher grobes Material gewonnen, und dementsprechend grob und undifferenziert sind oft Figuren und Handlung. Hier hat der Zuschauer noch viel zu tun. Man muß ein vielverzeihender Mensch sein, wenn man sich auf die Serie einläßt: die oft überaus lächerlichen Spezialeffekte, der gelegentlich meterhoch erhobene Zeigefinger und der Held, der außer Heldenblick und Muskeln nicht viel zu bieten hat, sind nur einige Beispiele. Wohlgemerkt: Mit dem zugrundeliegenden Plot könnte ich leben; aus diesem Plot muß nicht unbedingt etwas Plattes werden, selbst wenn gelegentlich Leute mit Schwertern aufeinander losgehen. (Okay, ich entschuldige mich noch einmal. Das hier ist schon die entschärfte Version... Ich hatte wirklich ein *ziemliches* Problem mit HL. Ich habe einiges von dem problematischen Material hier stehenlassen, da das nun mal die Meinung ist, die ich damals hatte, und ich den Text nicht verfälschen wollte. Es war ein weiter Weg bis zu meiner heutigen, wesentlich toleranteren Haltung!)

Was mich an Methos fasziniert, ist seine Einsamkeit, seine Distanziertheit, seine Undurchsichtigkeit, sein (beinahe) bedingungsloser Überlebenswille. Methos ist für mich die Essenz der Unsterblichkeit und somit auch die Essenz der Serie. - Ich bin natürlich etwas (etwas??? LOL!) voreingenommen; trotzdem, glaube ich, ist mein Urteilsvermögen hier noch nicht allzusehr getrübt. Methos kann einem einen Schauer über den Rücken jagen, und zwar nicht nur weil er ein interessantes Gesicht, eine undefinierbare Augenfarbe, schöne Hände und, ja, darüber habe auch ich mir schon Gedanken gemacht, wahrscheinlich auch wunderbare Füße hat.

Ich habe noch nicht sehr viel vom Internet gesehen, kann nur meinen ersten Eindruck wiedergeben, doch die - wenn auch nur auszugsweise und oberflächliche - Lektüre von fan fiction und von Beiträgen zu online-Diskussionen läßt mich vermuten, daß viele der Highlander- und besonders der Methos-Fans das ähnlich empfinden. (Fanzitat aus dem Internet: "He added to the series something that was missing.")

Ich habe im Internet viele "echte" Highlander-Fans unter den Methos-Fans gefunden und mich natürlich gefragt, wie man diese Serie ernstlich gut finden kann. Ich bin zu dem Schluß gekommen, daß es dafür eigentlich nur zwei mögliche Erklärungen gibt: Entweder sind diese Leute - und vielleicht auch ich- bereits rettungslos verflacht, oder ganz im Gegenteil dazu fähig, hinter der Flachheit eine Tiefe fühlen, die nicht unbedingt auf das Können oder auch nur die Absicht der Serienautoren zurückzuführen ist, sondern vor allem auf die Phantasie der Zuschauer.

(Und das ist letztlich das Einzige, worauf es ankommt: Was *wir* aus dem Material machen. Das ist es, worum es beim Fan-sein geht...

Anmerkung: Natürlich gibt es noch eine dritte Erklärung, wie man HL ernsthaft gut finden kann: Vielleicht ist die Serie gar nicht so übel, wie ich glauben wollte... ;-))

 

 

vorläufige Fassung 5.Juli 1998, Anmerkungen 11.3.2000

 

 

Einige typische Zitate:

"Have a beer." (so ziemlich der erste Satz, den er in der Serie sagt...)

"Why would I tell the truth?"

ONH: "You don´t trust anyone, do you?"

ROG: "I find it safer not to make a habit of it, no!"

(ONH=Our Noble Hero=Duncan Macleod - nun ja, nicht mein Held...;

ROG=Really Old Guy=Methos - Im Internet gibt es für alles eine Abkürzung...)

(Hier geht es um einen Freund des ONH:)

ROG: "So lure him outside and take his head. Problem solved."

ONH: "I never know when you´re kidding."

ROG: "Part of my charm."

(Genau.)

 

Und natürlich - von Fans häufig zitiert - ein Zitat aus seiner finsteren Vergangenheit:

"I am Methos. You live to serve me. Never forget that."

(Wie könnte ich!?!)