Disclaimer: Die Highlander-Charaktere gehören immer noch Panzer/Davis und Rysher - ich möchte sie auch gar nicht haben, sie sind nur halt manchmal sehr aufdringlich! Mit dieser Geschichte mache ich kein finanzielles Geschäft, sie dient nur der Unterhaltung.
Fandom: HL:TS
Charakterliste: M, J
Kategorie: Humor
Zusammenfassung: Ein Abend in der Bar und seltsame Erinnerungen
Datum:
    24.06.2001


Märchenstunde
 
von  Counselor
 

Le Blues Bar, Paris - Herbst 2000


Joe beobachtete den unscheinbar wirkenden Mann schon längere Zeit. Er saß allein an einem etwas abgelegenen Tisch neben der Bühne, die kurzen, braunen Haare leicht zerstrubbelt und studierte ein dickes in Leder gebundenes Buch. - Und er dezimierte den Bier-Vorrat mit einer Selbstverständlichkeit, daß es dem Barbesitzer fast die Tränen in die Augen trieb. Nein, dieser Kunde brachte ihm keinen guten Umsatz - na gut, in seinem Falle sollte man vielleicht auch nicht von einem Kunden sprechen. Dieser Kerl war einfach ....absolut dreist, vereinnahmend, besitzergreifend, besserwissend, vor Sarkasmus triefend... und immer bereit sein Leben für Joe zu opfern. Gut - die Tatsache, daß eine Kugel ins Herz, tiefe Messerstiche und ähnliches, diesem Mann nicht besonders viel anhaben konnten, milderte die Heldenhaftigkeit seiner Bereitschaft - aber dennoch empfand der Barbesitzer und Beobachter Joe Dawson tiefe Freundschaft für den Unsterblichen. Und Freundschaft schloss für Adam Pierson, wenigen auch bekannt als Methos, großzügiges Teilen des jeweiligen Bier-Vorrats ein.

Den ganzen Abend hatte Joe darüber gerätselt, was den Unsterblichen so fesseln könnte. Leider hatte ihm der nicht abreißen wollende Kundenstrom in der Bar bisher noch kein privates Wort mit Methos erlaubt. Doch nun, nachdem der letzte - zahlende - Kunde verschwunden, die Tür verschlossen und die Bar auf Vordermann gebracht worden war, sah Joe die Chance gekommen, seine Neugier zu befriedigen. Mit einem frisch gefüllten Glas begab er sich an den Tisch seines Freundes und ließ seine müden Knochen auf einen Stuhl sinken. Aus den Augenwinkeln versuchte er, den Titel des Buches zu entziffern - was kläglich mißlang, da der Unsterbliche fast beiläufig seine Position veränderte. Auch der Beobachter verlagerte sein Körpergewicht und lehnte sich etwas zur Seite.

"Du musst mich nur fragen, Joe!" ertönte die Stimme des Unsterblichen und ein aufforderndes Grinsen zierte seine markanten Züge.

Frustriert darüber, daß er ertappt worden war, blickte der Beobachter demonstrativ in die entgegengesetzte Richtung und grummelte ein "Interessiert mich nicht!" in seinen Bart.

"Nein, natürlich interessiert es dich nicht - du platzt nur beinahe vor Neugier!" Methos vertiefte sich wieder in seine Lektüre, während Joe sich intensiv mit dem Inhalt seines Glases beschäftigte.

Nach einigen Minuten gewann Dawsons Beobachter-Bewusstsein die Oberhand. Schließlich hatte jede Information, die man dem über 5.000 Jahre alten Unsterblichen abringen konnte, erheblichen Wert. Wann traf man schon einen Zeitzeugen aus der Zeit vor Christi Geburt? Vielleicht handelte es sich bei dem Buch sogar um eine alte Chronik - Joe war davon überzeugt, daß Methos in seinen Lagerhallen etliche dieser alten Schriften über Unsterbliche versteckt hatte. Er holte tief Luft. "Ja, ich gebe mich geschlagen...... und nun sag' mir schon, was du da liest!!!" Erwartungsvoll blickte er auf seinen breit grinsenden Tischnachbarn.

"Grimms Märchen."

"Grimms.... Märchen?" Dawsons Stimme triefte vor Enttäuschung.

"Hey, das ist äußerst interessantes Kulturgut!" entrüstete sich der Unsterbliche. "Anhand der Märchen und Legenden einer Kultur kann man viel über sie lernen."

"Kann wohl sein - trotzdem verstehe ich nicht, wie du den ganzen Abend voller Inbrunst darin lesen kannst!" Joe leerte sein Glas und erhob sich.

Methos seufzte. "Erinnerungen der ein oder anderen Art...."

"Ach?" Joe versuchte, nicht zu wißbegierig zu klingen.

Der Unsterbliche deutete auf sein Glas und räusperte sich. "Joe, also es ist so trockene Luft hier drin... würdest du? Ja? Danke!" Er blickte dem Beobachter nach, der weniger nette Sachen in seinen Bart murmelte und gezwungenermaßen für Nachschub sorgte. Einige Momente später kam Dawson an den Tisch zurück.

"Das nächste Mal bedienst du dich gefälligst wieder selbst - wie sonst auch! Ein alter Mann wie ich muß sich schließlich irgendwann mal ausruhen!"

Methos Antwort bestand aus fragend hochgezogenen Augenbrauen und einem nachsichtigen Lächeln. "Du - alt? Schon klar!"

Joe widerstand der Versuchung, seinen Stock als Schlaginstrument einzusetzen und zählte innerlich geduldig bis 10, bevor er sich dem Unsterblichen erneut zuwandte. "Bekomme ich nun was zu hören - oder nicht? Die Vorstellung an mein weiches Bett stellt im Gegensatz zu deinen Spielchen eine erhebliche Verlockung dar!"

Der Unsterbliche verkniff sich die Nachfrage, ob das eine Einladung gewesen sei - denn Joes Geduldsfaden schien zum Zerreißen gespannt und übertreiben wollte er es auch nicht. Sonst hätte er ja niemanden mehr, der ihm zuhörte....

"Also, Joseph, dann hör' mal zu." Methos setzte seine Märchenonkel-Miene auf. "Es begab sich im Jahre... ähm, oh Mann, ich bin nicht so gut mit Zahlen.... um kurz nach 1800 ... oder vielleicht doch 1830? Jedenfalls war es zu der Zeit als die Gebrüder Grimm ihre 'Kinder- und Hausmärchen' veröffentlichten. Ich erteilte einem jungen Mann Nachhilfestunden in Geschichte und Archäologie, um ihm ... was war das gleich noch? Egal - sein Vater war übrigens Beobachter!"

Bevor Joe die Kontrolle über seine Kinnlade vollständig verlor, fuhr der Unsterbliche mit seiner Erzählung fort. "Gut, die Sache mit dem Beobachter lassen wir außer Acht. Das ist nur der Hintergrund für die erste Begegnung mit Grimms Märchen. Was mich von Beginn an faszinierte, war der Unterschied zu den Märchen und Legenden anderer Kulturen. - Schau nicht so fragend, Joe, ich erklär's ja jetzt!" Methos nahm einen Schluck Bier und sank etwas tiefer in den Stuhl. "In den meisten Kulturen steckte eine Lehre in den Märchen und diese Lehre war verpackt in eine Geschichte, die aber einen nachvollziehbaren Bezug zur Realität hatte. Bei den Gebrüdern Grimm aber, fehlte bei manchen Geschichten die Lehre. Oder was würdest du aus 'Hänsel und Gretel' schlußfolgern? - Nimm nie zwei halbverhungerte Gören auf, wenn du allein im Wald wohnst, sonst machen sie deinen Vorratsschrank leer und stopfen dich in den Kamin. Außerdem nehmen sie deine ganzen Ersparnisse mit und machen sich davon ein schönes Leben? Und dann diese ganzen Liebesschnulzen..... Schneewittchen, Dornröschen ... mal ganz ehrlich: ich würde Wilhelm und Jacob Grimm eher als frühe Soap-Opera Autoren bezeichnen!"

"Und darum hast du nun den ganzen Abend deine Nase in das Buch gesteckt?" Joe versuchte seine Gedanken zu ordnen und das Gehörte zu verarbeiten, aber der lange Arbeitstag forderte seinen Tribut und er fürchtete einzunicken - falls nicht doch noch etwas wirklich spannendes zur Sprache kam.

Methos ließ sich in seinem Erzähldrang nicht stoppen. "Dann diese Sache mit Rumpelstilzchen. Hüpft wie wild ums Feuer und freut sich, daß die Leute seinen Namen nicht wissen."

"Jaja, Namen sind Schall und Rauch!" gähnte Joe.

"Genau." bestätigte Methos. "Wie hieß gleich noch der Kerl, der bis vor ein paar Jahren das Hausboot bewohnte?"

"Wer?" Dawson schreckte aus einer Art Sekundenschlaf auf.

"Siehst du!" Der Unsterbliche fühlte sich bestätigt. "Aber zurück zu diesem Rumpelstilzchen. Dieser Kerl hätte doch besser in ein indianisches Powwow gepasst als in ein deutsches Märchen. Und wer reißt sich schon aus Wut in der Mitte auseinander? - Hm, Caspian hat aus Wut des öfteren ein Bein abgehackt .... aber nicht sein eigenes.....!" sinnierte er.

Langsam lullte Methos' Stimme den Beobachter ein und Joe gab nur hin und wieder ein zustimmendes Grunzen von sich.

"Das Beste aber: Rapunzel!" Methos kicherte leise. "Das erinnert mich an diese alte Jungfer, der Kronos und ich mal begegnet sind. Stell' dir vor, wir reiten so vor uns hin - es war übrigens lange nach der Horsemen-Zeit - durch den Wald. Dort hatten Dorfbewohner einen Turm gebaut, aber er war nicht sonderlich hoch, und die erwähnte Jungfer reingesperrt. Sie war so häßlich, daß niemand sie im Dorf haben wollte ... so von wegen, schlechtes Omen. Wenigstens brachten sie ihr täglich Essen - Essensreste, aber immerhin. Als Kronos die Geschichte gehört hatte, wollte er natürlich unbedingt diesen Weg einschlagen. Er war davon überzeugt, daß er ihr einen Gefallen tut, wenn er sich ein wenig mit ihr beschäftigt.... aber ich glaube, darüber möchtest du lieber nichts hören!? Joe?" Als keine Antwort kam, zuckte der Unsterbliche die Schultern und erzählte weiter. "Diese Frau hatte wirklich Haare bis fast zum Boden - ok, sie war nicht mehr die Jüngste und saß auch schon einige Zeit in dem Turm fest - und Hausbesuche vom Friseur gab's damals noch nicht. Womit wir nicht gerechnet hatten: sie hatte einen heimlichen Verehrer, der just diesen Tag ausgewählt hatte, um die Jungfer - die keine mehr war - wieder mal zu beglücken. Kronos im Turm, ich mit den Pferden hinter einer hohen Böschung versteckt .. und dieser Kerl, der vor dem Turm steht und ständig brüllt 'Lass dein Haar herunter!'. Nach 'ner Weile war Kronos so genervt, daß er das Haar runterließ - nur hing der Kopf noch dran." Der Unsterbliche grinste breit, die Gedanken in einer weit zurückliegenden Vergangenheit gefangen. "Jaaa, Kronos hatte schon einen etwas makabren Humor!"

Joes lautes Schnarchen hallte durch die leere Bar und entlockte Methos einen erstaunten Blick.

"Da nervt er mich ständig mit Fragen über meine Vergangenheit - und wenn ich ihm dann was erzählen will, schläft er einfach ein. Soll das jetzt heißen, meine Vergangenheit ist langweilig?" murmelte der Unsterbliche vor sich hin, bevor er sich erhob und seinen Freund an der Schulter rüttelte.

"Aufwachen, Joe! Zeit zum schlafengehen."

".....hmpf...." grummelte Dawson schlaftrunken in seinen Bart, ließ sich aber anstandslos von Methos in eine stehende Position bringen und schlurfte dann fast im Blindflug durch die Bar.

Der Unsterbliche löschte das Licht und verließ die Bar durch den Keller. Während er sich auf den Heimweg machte, führte er leise Selbstgespräche. "Das nächste Mal erzähle ich ihm die Geschichte von 'Ali Baba und den 40 Räubern'! Pah, daß Geschichten-Erzähler immer so übertreiben müssen - schließlich waren wir nur 4! Die Tatsache, daß Ali Baba kein Junge, sondern eine Frau war ... ähm, verschweige ich besser ... die Geschichte ist so schon peinlich genug...."

Langsam verhallten seine Schritte in der Nacht und ein weiteres Märchen ging zu Ende.


E N D E