Es gibt keine Gründe,
wieso das Leben so ist,
wie es ist.
Es ist einfach so...
 


Mädchen weinen nicht...mehr
von
Layhla



 
Draußen regnet es in Strömen. Liter von Wasser, nein Berge, kennzeichnen das Land.
Und jeder Tropfen könnte eine Geschichte erzählen.
Viele Geschichten, von Helden, Tod und neuem Leben.
Denn Wasser währt ewig.
Es setzt sich in der Erde fest und steigt wieder auf, in den Himmel.
Ein Kreislauf, unergründlich. Genau wie wir Menschen.
Wiederholt er sich, immer und immer wieder.
Woher ich das weiß?
Die Frage stelle ich mir jeden Tag.
Jede gottverdammte Stunde, die ich erlebe.
Immer wieder.
Und die Anwort, großgeschrieben in jedem Gesicht, dass ich sterben sah.
Gesichter von Freunden, Familien, Kindern...
Doch ich lebe weiter. Jahrhunderte.
Jahre der Kriege, Jahre der Tränen.
Die, wie der Regen Bestandteile eines Ganzen sind.
Und ich bin wie das Wasser.
Unsterblich...

Meinen Namen habe ich vergessen.
Ich hatte schon viele Namen. Zu viele.
Es ist wie ein Fluch. Jedes neue Leben. Einen anderen Namen, eine andere Identität.
Ein Spiel.
Du kannst sein wer du willst.
Ein ewiges Theater.
Und du bist der Hauptdarsteller.
Eine Zeitlang dachte ich, ich sei die einzige.
Ein Phantom, mit einem einzigartigen Schicksal.
Wandelnd zwischen Realität und Traum.

Jetzt sitze ich hier.
Der Fernseher läuft.
Aber ich höre nichts.
Es stürmt immer noch.
Wenn er vorüber ist, werde ich aufbrechen müssen.
Von diesem Leben, in ein nächstes...

1: Euphorie

Langsam zwängen sie die ersten Strahlen durch das dunkel Wolkendickicht am Horizont.
Der Himmel wird blau.
Wie oft hat sie das schon erlebt.
Solch schöne Momente genossen.
Vielleicht zu oft.
Es mag banal klingen.
Aber man könnte es als Routine bezeichnen.
Und wieder wird ihr bewußt, was sie ist, und was sie nie sein wird.
In Frieden ruhend.
Niemals werden Blumen auf ihrem Grab liegen, denn es existiert keines.
Niemand wird je um sie weinen.
Keine einzige Tränen fließen.
Starr blickt sie auf die Ebene hinab. Tiefe Wälder, Seen. Ein Anblick wie aus einem der Bücher.
Plötzlich steht ein Mann hinter ihr.
Ein langer schwarzer Mantel ziert seinen Körper.
An der linken Seite ein Schwert.
Sie dreht sich um und schaut ihn an.
Keine Worte.
Die Augen sagen alles.
Es ist Zeit, nicht wahr?
Ja.
Es ist Zeit.
Zu gehen.
Zeit, einen neuen Namen anzunehmen.
Von diesem Leben, in ein nächstes...
 

 
2: Gewissheit

Das rattern des Zuges reißt sie aus dem Schlaf.
Wieder diese Träume.
Von Menschen. Tiefster Vergangenheit angehörend.
Ihre Schreie, die unerträglichen Schmerzen.
Vielleicht war es der Krieg, oder die Geister derer, die sie umgebracht hat.
Bestialisch ermordet.
Im Auftrag anderer.
Ihr Blick fällt auf die Hände.
Sie sind zierlich.
Nichts deutet auf ihr wahres Alter hin.
Weiß, und wunderschön.
Ein Klopfen an der Tür schreckt sie hoch.
Ein Lichtstrahl fällt hinein.
Die Vorhänge sind zugezogen.
Sie kann es nicht ertragen sich zu sehen.
Diejenige.
Die Mörderin.
Er tritt ein.
Wir sind gleich am Ziel.
Ja, einen Moment noch.

Mit behagten Bewegungen steht sie von ihrem Sitzplatz auf.
Das lange blonde Haar fällt über die Schulter.
Dann streicht sie die Kleidung glatt.
Der enge Raum macht ihr Angst.
Doch das nimmt sie in Kauf.
Die Einsamkeit.

Im Gang wartet er auf sie.
Ihr Begleiter.
Das Gehen fällt immer noch schwer.
Er stützt sie.

Am Bahnsteig herrscht helles Treiben.
Leute, ganze Familien warten auf die Abreise.
Ihr Hab und Gut in Koffern und Kisten verpackt.
Der materielle Wert.
Doch sie bemerkt es nicht.
Keinen einzigen.
Versunken in ihrer eigenen Welt.
Ein Taxi hält.
Es soll sie zurückbringen.
An ihre Geburtsstädte.
Dort soll sie Frieden finden. Endgültigen.

Der Fahrer schaut etwas irritiert.
Solche Menschen hat er noch nie gesehen.
Ein Mann und eine junge Frau.
Nein, ein junges Mädchen.
Es ist nicht die Kleidung, oder das Äußere, dass ihm Merkwürdig erscheint.
Es ist die Art der beiden.
Wie sie miteinander sprechen.
Ein Gespräch ohne Worte.
Es sind die Augen, die ihm auffallen.
Ihre scheinen alt, sehr alt und sehr weise.
Wohin kann ich sie bringen?
Fahren sie einfach die Strasse entlang. Wir haben kein bestimmtes Ziel.
Dann bemerkt er das Schwert. Fast verdeckt von der schwarzen Robe.
Nur die Klinge ist zu sehen.
Ähm, ...Ein Räuspern ist zu hören.
Sind sie sicher?
Ja, fahren sie einfach.

Dann ist nur noch das Aufheulen des Motors zu hören,
und das Gefährt verschwindet in den Nebeln der Nacht.
Von diesem Leben, in ein nächstes...
 

3: Charisma

 
Endlich sind sie angekommen.
An dem Ort des Schicksals. Ihres Schicksals.
Und wissend, sie wird es nicht ändern können.
Jetzt nicht, niemals.

Die Nacht ist dunkel. Kein Stern, nicht mal der Mond scheint zu existieren.
Es ist, als ob sie Angst hätten,
Angst Abschied zu nehmen, von ihrer Seele.

In dem Gasthaus werden sie freundlich empfangen.
Keiner ahnt etwas.
Es ist ein altes Gemäuer. Doch kann ihr nicht das Wasser reichen.
Die Zimmer sind klein.
Ein Bett, ein Schrank, das Badezimmer. Spärlich möbliert.
An der rechten Seite, ein Spiegel.
Über dem Bett hängt das Kreuz Jesu, wahrscheinlich Katholiken.

Erschöpft läßt sie sich auf einem Stuhl nieder.
Er stellt ihr Gepäck ab, und verschwindet leise durch die Tür.
Sie will allein sein, und er weiß es.
Diesen letzten Wunsch respektiert er, wie die anderen.
Ein lauer Windzug berührt ihre Wangen. Das Fenster ist geöffnet.
Sie steht auf und wirft einen Blick hinaus.
Dann gehen ihr viele Gedanken durch den Kopf.
Gründe, für die es sich lohnt, weiter zu leben.
So weiter zu machen, wie bisher.
Doch, sie scheinen alle weit fort.
Verschwunden und verborgen in ihren vergangenen Taten.
Den Morden, Hinrichtungen.
Und vielleicht ist es besser so.
Für sie, für ihn, für die Welt.
Von diesem Leben, in ein nächstes...

 
4: am Ende des Weges

Der Gesang der Vögel weckt sie am Morgen.
Verschlafen dreht sie sich um, vergebens.
Da ist nur noch die Helligkeit.
Müde reibt sie ihre Augen.
Jetzt ist auch das letzte bißchen Schlaf verschwunden.
Heute ist es soweit.
Das Ende der Reise.
Vielleicht ein neuer Anfang.
Unsicherheit.
Doch die Angst ist gering.
Irgendetwas wird kommen, nach dem Tod.
Bald steht sie auf.
Die Kleider liegen schon bereit.
Weiß. Ein weißes Seidenkleid.
Das ihrer Mutter.
Der Umhang ihres Vaters.
Der Schmuck ihrer Schwester.
Der Spiegel strahlt ihr entgegen.
Ein letztes mal wird sie hineinsehen.
In ihr Gesicht.
Und was sie sieht, stimmt sie glücklich.
Die blonden Haare bleiben offen.
Traurigkeit schimmert in ihrem Augen,
Sie sind blau.
Blau wie der Ozean, den sie sah.
Doch, das ist schon lang her.
Ihr Körper ist schmal und schlank.
Vom Essen hat sie nie viel gehalten..
Aber es ist nicht mehr wichtig.

 
5: Ungewissheit

Den Rest des Weges geht sie allein.
Er schaut ihr hinterher.
Die Statur, immer kleiner werdend, bis nur noch ein Punkt zu sehen ist.
Doch auch dieser schwindet.
Nur noch die frische Brise des Meeres scheint vorhanden.
Allein
Sie hat ihn darum gebeten.
Und er respektiert es.
Wie immer.
Noch lebt sie, er fühlt es einfach.
Die Verbundenheit.
Sekunden werden zu Minuten.
Stunden zu Tagen.
Tage der Tränen, wie sie es immer nannte...

Dann ein kurzer Augenblick der Ruhe.
Die Vögel haben aufgehört zu schreien, der Wind steht still.
Ja, sogar das Meer und dessen Wogen aufgehört zu schlagen.
An die Felsen, und er weiß, sie ist gegangen
Endlich hat sie ihren Frieden gefunden.
Irgendwo.
Auf welche Art und Weise auch immer.
Von diesem Leben, in ein nächstes...
 

6: Ich weine...

Jetzt ist er allein.
Der letzte unter vielen.
Das Holzkreuz, um das sie ihn bat, befestigt er auf einem Hügel,
von dort aus man alles überblickt.
Die tiefen Wälder, die Seen. Wie aus einem ihrer Bücher...
Möge sie in Frieden ruhen.

Neben dem Gasthof ist eine Kirche.
Ja, dahin will er gehen und Abschied nehmen.
Er ist Katholik. Streng erzogener Sohn, gläubiger Eltern.
Und doch, trotz seiner Religion versteht er den Sinn nicht.
Den Sinn des Sterbens.
Es fällt ihm schwer loszulassen.
Auf einer Bank kniend, faltet er die Hände zum Stillen Gebet.

 
..........du gabst meinem Leben den Sinn, du gabst allem Leben einen Sinn,
und ich bin stolz dir gedient zu haben, in guten, wie in schlechten Tagen. Vielleicht warst du zu lang unter
uns. 5000 Monde. Du nahmst Namen an, neue Identitäten, neue Leben. Irgendwann hast du aufgehört zu zählen. Es erschien dir sinnlos. Dein Werk ist vollbracht. Im Namen des Vaters, des Sohnes, und des heiligen Geistes.
 

A M E N