ANMERKUNG DER AUTORIN:   Meine Version dessen, was wohl während der Exil-Jahre auf Tatooine in Obi-Wan Kenobi vorgegangen sein mag. Im Ergebnis eher eine Charakterstudie als eine tatsächliche Geschichte. Ich hoffe, ihr habt trotzdem Spass daran  :-)
Bimo,  Jan. 2002

 

LOST SAINT

von Bimo

 

Sein drittes Jahr auf Tatooine. Die Sandstürme überfallen ihn nicht mehr aus heiterem Himmel. Er hat gelernt, sie zu erfühlen, bevor sie heraufziehen. Es ist das leichte Kribbeln der Luft, das sie ihm ankündigt, ihm die feinen Härchen auf Armen und Nacken zu Berge stehen lässt.
Von der Felsklippe aus schweift Obi-Wans Blick in die Ferne. Dünen und Geröll, bis hin zum Horizont. Noch einmal lauscht er hinaus in die Stille, Stille die bereits das Heulen und Schaben des Windes in sich trägt, dann beginnt er den Abstieg. Zügig und konzentriert, sorgfältig auf jeden einzelnen Schritt achtend. Das Geröll ist trügerisch, voll loser Steine und verborgener Spalten. Ein gebrochener Knöchel und mehrere Tage im Freien, bis ein Trupp Jawas ihn findet, sonnenverbrannt und  halb verdurstet,  sind das letzte, das er gebrauchen kann. Er muss auf sich acht geben. Ausharren, gesund und bei klarem Verstand. Nicht um seiner selbst Willen, sondern um Lukes.
Trotz ihrer Gefahren erscheint die Wüste ihm wie eine Freundin. Hart zwar, und fordernd, doch zuverlässig.  Wenn die Gespenster der Vergangenheit an ihm zehren, hält sie ihn im Hier und Jetzt. Sie zu durchstreifen, mildert die Wunden. Betäubt. Heilt. Während er den Gedanken zuende bringt, lächelt er, denn fast hört er die Stimme Qui-Gons darin. Verliere dich nicht in deinen Ängsten, Padawan. Achte einfach auf den Moment.  Wie sehr er den Klang dieses Namens vermisst. Padawan. So tröstend, so sanft.
Bei seiner Rückkehr zur Hütte tanzen bereits die ersten Staubwirbel. Ballgespinnste aus losem Dorngras huschen über felsigen Boden, heben und senken sich mit den erstarkenden Böen zum Spiel. Eines verfolgt Obi-Wan sogar bis ins Innere des Gebäudes. Er bückt sich nach ihm, betrachtet das spröde Geflecht von Blättern und Ästchen. Rau. Vertrocknet. Er könnte es nachher ins Feuer werfen, oder morgen früh wieder hinaus in die Freiheit. Wohl eher letzteres,  denkt er bei sich, und das stille Wissen, dass er diese Lektion nicht von Qui-Gon lernen konnte, sondern allein durch Krieg und Exil, erfüllt ihn mit Trauer. Respekt und Zuneigung  selbst für geringste Dinge. So weit also schon, Obi-Wan, dass du in einem dürren Bündel Zunder nach Erleuchtung und Freundschaft suchst.
In der Dunkelheit des Nachtlagers zerrinnen die Stunden. Sein Körper zwar müde, doch der Verstand arbeitet und arbeitet. Erinnerungsfetzen. Freischwingend, in wildem Leerlauf ziehen sie an ihm vorbei. Manche von ihnen grausam,  andere nur bizarr. Er sehnt sich danach, das Chaos zu stillen, nach Klarheit, vollkommenem Frieden.  Die Macht ist noch immer um ihn und in ihm, aber er wagt nicht, sich ihr zu öffnen. Noch nicht. Das letzte Mal, als er es tat, spürte er zu deutlich das Sterben der anderen Jedi. Kleine helle Lichter, treibend  im flüsternden Strom des Universums. Flamme um Flamme ausgelöscht und erstickt. 
Fast überstieg der Kummer darüber die Grenzen seiner Seele. Einen Tag und eine Nacht lang, die er hinaus in die Wüste schrie. Nur einen einzigen Atemzug davon entfernt, nachzugeben. Friede. Es gibt keinen wirklichen Tod, nur die Macht. Dann komm, Macht, und nimm mich. Stoße diese physische Hülle über die Klippen. Verschlinge mein Ich, meine Schuld, meinen Schmerz  und lass sie aufgehen in Dir.
Vielleicht musste er dem Abgrund so nahe kommen, um zu erkennen. Er ist derjenige, der ausharren muss. Beschützen. Bewahren für zukünftige Generationen, wenn aus dem Ende der Lichter keine ewige Dunkelheit werden soll.
Anakin. Luke. 
Padawan, der Komos schenkt für jeden erloschenen Stern einen Neuen.
Eine Weisheit, deren Wert nicht in Wahrheit gemessen wird.  Obi-Wan liegt völlig regungslos, doch in seinem Herzen flüstert er  sie auf und ab wie ein Mantra. Solange bis Worte die Bilder vertreiben und die Stimme Qui-Gons lauter ist als der Wind.