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Little One
by Jaxa, Mai
1999
(Überarbeitete Fassung, 03. Oktober 1999)
(EMail: jaxa@psicorps.com)
Ein Lachen ist ein Geschenk. Vielleicht das schönste Geschenk, das ein Mensch zu vergeben hat.
Mein Vater hat immer gesagt, ich hätte ein wunderschönes Lächeln, meine Augen würden dabei leuchten, wie er es noch nie gesehen habe und er könne es gar nicht oft genug sehen. Ich habe oft für ihn gelacht und auch mit ihm gelacht. Selbst an den schlimmsten Orten ...
Aber jetzt ist er tot.
Wie Mama, und alle anderen auch.
Ich weiß noch genau wie sie kamen. Alle ganz in schwarz und ihr Augen waren so hart. Ich konnte ihre Kälte schon von weitem spüren, das hatte uns sonst immer gerettet, aber diesmal waren sie zu schnell. Bis ich meine Eltern gewarnt hatte, war es schon zu spät.
Niemals werde ich diesen Moment vergessen können.
Die Tür flog auf und meine Mutter schrie. Mit gezückten PPGs stürmten sie herein, wie eine Flutwelle, die uns alle mit sich in den Abgrund reißen würde. Mein Vater packte mich und ging mit mir hinter dem großen Tisch in Deckung. Dicht vor meinen Augen war die Maserung des Holzes, Wirbel und Linien, sie formten ein Gesicht, den Mund zu einem stummen Schrei weit aufgerissen. Der Geruch des feuchten Holzes mischte sich mit dem Geruch von Angst.
Plötzlich war da ein Summen und dann einen Knall, das Geräusch lief eisig meinen Rücken hinunter und ich spürte wie das Tor sich öffnete. Ich war nicht mehr in unserer kleinen Küche, ich stand auf einer Wiese, ein Gewitter verdunkelte den Himmel über mir, das Grollen des Donners füllte meine Ohren und Blitze blendeten mich.
Da stand meine Mutter. Sie blickte mich mit ihren dunklen Augen an, ihre traurigen Augen. Ein schwarzer Ring umschloss die Pupillen und ich hatte jedesmal das Gefühl, ihr Blick würde bis in meine Seele reichen.
Ich kann ihr Gesicht nicht mehr sehen. Das macht mich so traurig, nur ihre Augen existieren noch in meiner Erinnerung.
Am Ende der Wiese, am Ende des Lebens, sah ich das Tor. Es war rund, doch die Grenzen schienen zu verschwimmen, es waberte und ich hatte das Gefühl, als würde es mich rufen, zu sich ziehen, als erwartete es mich.
Meine Mutter drehte sich von mir weg und lief langsam auf das Tor zu. Ich wollte schreien, ihr sagen, sie dürfe nicht gehen, doch kein Ton verliess meine Kehle. Meine Beine schienen festzustecken, versunken in dieser Welt, ich konnte sie nicht erreichen. Tränen liefen über mein Gesicht, und ich weiß, daß damals das Lachen meine Augen verließ.
Mama drehte sich kurz vor dem Tor noch einmal um, Müdigkeit lag jetzt in ihren wunderbaren Augen, und ich hörte zum letzten Mal ihr andere Stimme. Sie war warm und sanft, so traurig wie der Blick ihrer Augen jetzt, und sie verabschiedete sich.
*Ich liebe dich, Schatz, ich werde dich immer lieben. Es tut mir so leid, daß ich gehen muß. Oh Gott, es tut mir so leid! Vergiss nie, du darfst dich niemals aufgeben. Sei stark und lass sie nie über dich bestimmen.*
Ihre Stimme verstummte und sie wurde in das Tor gezogen, der Wirbel aus Zeit und Raum verschlang sie.
Mein Kopf fuhr hoch, Rauch brannte in meiner Kehle. Ich war wieder in unserer Küche.
Ich mußte nicht hinüberblicken zu dem reglosen Körper, ich wußte, daß meine Mutter tot war."Tara, hörst du mich?" Mein Vater drehte sich zu mir um. In seiner rechten Hand, der Hand, die so wunderbar alles malte, worum ich ihn bat, der Hand die immer so sanft mein Haar streichelte, wenn ich krank oder traurig war, in dieser Hand hielt er eine Waffe. So fest, daß die Knöchel weiß hervortraten, verkrampft, um das Zittern zu unterdrücken.
*Ja Papa.* Ich blickte ihn an. Nur mühsam konnte ich meine Augen von der PPG losreissen. Ich hatte meinen Vater noch nie mit einer Waffe gesehen. Er sagte immer, das Waffen böse seien und ich niemals einen Menschen töten dürfe. In diesem Moment wurde mir klar, daß meine Eltern heute beide sterben würden. Ich sah es in seinen Augen.
"Sprich laut, sie könnten deine andere Stimme hören."
"Ich habe Angst, Papa. Warum sind sie nur so böse? Warum können sie uns nicht alleine lassen?"
"Ich weiß es nicht, ich weiß es wirklich nicht ..."
Plötzlich hörte ich eine fremde Stimme in meinem Kopf, sie war nicht so sanft wie die meiner Mutter, oder so freundlich wie die meines Vaters, sondern durchdringend und laut, sie schmerzte und ich mußte den heftigen Impuls, mir die Ohren zuzuhalten, unterdrücken.
*Geben sie auf, Kay! Wir haben sie eingekreist und es gibt keine Fluchtmöglichkeit mehr. Sie wollen doch sicher nicht, daß es ihrer Tochter so geht wie ihrer Frau?*
Ich spürte ein fremdes Gefühl in den Gedanken meines Vaters, nicht nur Wut, sondern Hass. Aber er antwortete dem Mann nicht, stattdessen blickte er wieder zu mir herab.
"Hör mir genau zu, little one. Erinnerst du dich daran, wie Mama und mit dir geschimpft haben, als du auf dem Spielplatz das eine Kind zum Weinen gebracht hast?", flüsterte er jetzt leise.
Ich erinnerte mich. Damals waren meine Eltern sehr sehr böse gewesen, obwohl ich zuerst gar nicht verstand, warum. Ich hatte einen Jungen mit meinen Gedanken zum Weinen gebracht, nachdem er mich getreten hatte. Dabei hatte ich noch nicht einmal zurückgetreten. Heute verstehe ich, warum sie so wütend waren. Ich hätte damit beinahe das Corps auf uns aufmerksam gemacht. Und das war das Schlimmste, was passieren konnte.
"Du mußt das jetzt wieder machen." Er spürte mein Zögern. " Nein, bei diesen Leuten darfst du das machen, sie sind gefährlich. Aber du sollst sie nicht zum Weinen bringen, versuche ihnen Angst zu machen, wie damals, als du diesen schlimmen Alptraum von ihnen hattest. Projiziere diesen Traum, ich weiß, daß du das kannst."
Ich fühlte, daß das nicht alles war.
"Und wenn du das gemacht hast, mußt du laufen, so schnell du kannst. Du darfst nicht anhalten, und dich nicht einmal umdrehen, egal was passiert!"
"Aber du kommst doch mit, Papa?" Ich konnte die Angst nicht aus meiner Stimme verdrängen. Ich konnte ihn nicht auch noch verlieren, wie Mama ... meine Kehle schnürte sich zu.
"Ich werde nachkommen, sobald ich diese Männer hier aufgehalten habe. Keine Angst, little one." Er lächelte mich aufmunternd an, aber ich sah die Trauer in seinen Augen.
Er würde nicht nachkommen.
Ich war noch jung, aber diese Wahrheit spürte ich, obwohl mich ihr Gewicht auf meinem Herz zu erdrücken drohte.
"Ich liebe dich, Papa."
Mein Vater sah mich an, und in diesem Moment schien auch er erkannt haben, daß ich jetzt erwachsen war. Natürlich, mein Körper würde dazu noch viele Jahre brauchen, aber in diesem Augenblick hatte ich den letzten Rest meiner Kindheit an das Corps verloren.
Während wir sprachen hatte er immer wieder ungezielt in Richtung der Männer geschossen, aber sie kamen immer näher, ich hatte das Gefühl, daß ihre harten Gedanken sich wie Lanzen in meinen Rücken bohrten.
"Es wird Zeit. Wenn ich 'jetzt' sage, mußt du den Gedanken projizieren. Sie werden für einen kurzen Augenblick blockiert sein, das mußt du ausnützen und durch die Tür wegrennnen."
"Ich will nicht ohne dich gehen!"
"Ich werde doch nachkommen, little one." Auf seinem Gesicht lag wieder dieses traurige Lächeln, ich unterdrückte nur mühsam ein Zittern.
Vielleicht war es die Wahrheit der Kindheit oder einfach nur meine starken Psi-Fähigkeiten, aber ich wußte, daß er log. Das erste mal in meinem Leben, daß mein Vater mich wirklich anlog.
Ich umarmte ihn, versuchte mir diesen Moment, diesen letzten Moment für immer einzuprägen. Seine Arme waren stark und ich schien in seiner Umarmung zu versinken. Ich drückte meinen Kopf gegen sein Hemd und atmete tief den Geruch seines Eau de Toilettes ein. Ich fühlte mich geborgen und sicher und wollte nie wieder loslassen, aber das war unmöglich.
Mit Tränen in den Augen drehte ich mich weg und konzentrierte mich.
*ANGST ANGST ANGST. ALLEIN, ICH BIN ALLEIN. MEIN HERZ RAST. ICH BIN ALLEIN. DUNKELHEIT. SCHWÄRZE. ICH ZITTERE. ANGST ANGST ANGST*
Mit aller Kraft sandte ich diesen Gedanken zu den Männern, es fiel mir nicht schwer, denn die Angst vor dem Verlust, die Angst vor der Einsamkeit füllte wirklich all meine Gedanken.
Dann stand ich auf, meine Beine zitterten so heftig, daß ich mich an der Kante des umgestürzten Tisches vor mir abstützen mußte. Die Kante des rauhen Holzes prägte sich tief in meine Handfläche.
Die Männer standen reglos da, die Szene wirkte wie eingefroren, als hätte Gott selbst die Zeit angehalten.
Doch Gott war nicht mit uns, ich glaubte schon lange nicht mehr an ihn. Auf den Gesichtern der schwarzen Männer stand blankes Entsetzen. Die, die nie Angst hatten und garantiert nie Angst zeigten, känpften mit dem Drang zu schreien.
*Lauf, Tara, lauf!* Die Gedankenstimme meines Vaters war nicht so ruhig wie sonst, ich konnte die Todesangst, die ihn zu überwältigen drohte, spüren.
Ich ließ den Tisch los, und mit ihm mein gesamtes Leben.
Mein Herz schlug so heftig, ich hörte nur noch das Donnern der Pulses und das Rauschen meines Bluts.
Dann rannte ich, ich rannte wie nie zuvor. Ich stürmte an den reglosen Figuren meiner Alpträume vorbei, durch die alte hölzerne Tür hindurch, und stoppte auch in unserem Vorgarten nicht. Wie aus einer anderen Welt drang der Geruch des feuchten Grases in meine Nase. Meine Beine schienen viel zu kurz für meine Geschwindigkeit zu sein, nicht schnell genug für den Sturm der Angst, der mich vorwärtstrieb.
Als ich den Hügel am Ende der großen Straße erreichte, verlor ich die Kontrolle über die Männer, die Männer, die immer noch bei meinem Vater waren.
Mit einem Schrei des Entsetzens stoppte ich auf der Spitze des Hügels als ich den Schuß hörte. Nein, ich hörte ihn nicht, ich spürte ihn. Er schien meinen Geist zu zerreissen, drohte mich unter endlosem Schmerz zu begraben.
Wieder war ich an dem Ort.
Diesmal sah er anders aus, es gehörte zu meinem Vater. Keine Wiesen, sondern das Meer.
Mein Vater hat das Meer geliebt, die frische Brise am Morgen, der Duft des Salzwassers, das Geräusch der leisen Wellen, die endlos seit Anbeginn der Zeit an den Strand rollen und die Steine zu Sand zermahlen.
Ich hörte den Schrei einer Möwe über mir und der Wind peitschte mir ins Gesicht. Dort stand er, eine entfernte Gestalt, und jetzt drehte er sich langsam zu mir um.
Tränen standen in seinen Augen, sein Gesicht war voller Schmerz.
*Ich will dich nicht alleine lassen, little one, aber ich muß gehen.*
*Ich weiß.* Tränen rollten ungebremst meine Wangen hinab, ich versuchte nicht einmal mehr sie zurückzuhalten.
*Ich konnte sie lange genug aufhalten können, um dir die Flucht zu ermöglichen, aber sie werden dich bald verfolgen. Du mußt so schnell du kannst von hier verschwinden und du darfst nie zurückblicken.*
In Gedanken klammerte ich mich an ihn.
Mein Vater wurde von mir weggezogen, der Wirbel würde ihn bald verschlingen.
Das Band das unsere Gedanken verband wurde dünner.
*Ich liebe dich, so wie deine Mutter, und wir werden hier auf dich warten und für dich da sein, wenn deine Zeit gekommen ist.*
*Ich will mit dir kommen! Ich will nicht hier bleiben, alleine ...*
Jetzt lag große Sorge in seinem Blick. *Deine Zeit ist noch nicht gekommen, Kleines. Ich will nicht, daß du stirbst. Du hast noch so viel Zeit, versuche glücklich zu werden. Du mußt mir das versprechen, gib niemals auf.*
Ich blickte ihn an und nickte langsam.
Während unseres Gesprächs hatte ich ihn eingeholt und wir waren gemeinsam auf das Portal zugelaufen. Jetzt standen wir direkt davor.
*Meine Zeit ist gekommen, ich spüre es. Ich kann dich jetzt nicht mehr länger beschützen. Aber auch wenn du allein bist, du darfst dem Corps niemals erlauben dich zu fangen. Vertraue ihnen nicht. Sie sind gefährlich.*
*Ja, ich weiß. Ich weiß was sie machen. Ich werde sie bekämpfen. Eines Tages wird es sie nicht mehr geben und niemand wird mehr so leben müssen wie wir, immer auf der Flucht.*
*Du bist so alt geworden, Tara. Mein Gott, du bist doch erst zehn Jahre alt.* Tiefe Trauer über eine Welt, die so etwas zuließ erschütterte seine Seele.
*Ich war doch nie wirklich ein Kind ... Aber ich will, daß meine Kinder eines Tages glücklich sein werden, ich will, daß sie eine Kindheit haben.* Ich versuchte zu lächeln, für meinen Vater. Doch nur ein schwacher Schimmer erreichte meine Augen und wir beide sahen es.
Der Strudel war gewachsen und er drehte sich immer schneller und heftiger. Die Zeit des Abschieds war gekommen. Diese letzte Grenze konnte ich weder überwinden noch zerstören. Er würde ohne mich gehen.
Das Abbild meines Vaters umarmte mich mit solcher Liebe, daß ich wieder zu weinen anfing.
*Pass auf dich auf, mein Kleines, und sei stark. In deinem Herzen werden wir dich immer begleiten, ganz egal was passiert.*
Ich schenkte ihm ein letztes Lächeln, mein letztes wirkliches Lächeln, und er drehte sich zu dem Strudel um. Aufrecht und ohne Angst trat auf den Wirbel zu und streckte vorsichtig aus eine Hand aus.
Das Tor hing wie ein Spiegel aufrecht in der Luft, doch nicht das Abbild der Menschen spiegelte sich in ihm, sondern ihre Seele und ihr Leben.
Für einen kurzen Moment spürte ich den Hauch einen telepathischen Kusses und dann trat er hindurch. Er blickte nicht mehr zurück und war von einer Sekunde zur anderen verschwunden. Ein Echo seines Geistes schien kurz in der Luft zu verweilen und ich hörte wie der Ursprung dieses Echos auf der anderen Seite des Spiegels vibrierte. Ich wollte ihm folgen und trotz seiner Mahnungen streckte ich meine Hand nach dem Wirbel aus.
Ein elektrischer Schlag schien durch meinen Körper zu fahren und ich fühlte, wie ich von einer unsichtbaren Kraft weiter hineingezogen wurde. Ich konzentrierte mich darauf an Ort und Stelle zu verharren, aber vorsichtig steckte ich meinen Kopf durch den Vorhang aus Nebel.
Licht.
Wärme.
Geborgenheit.
Dann plötzlich ein Knall, ein Donnern. Etwas riss mich fast von den Füssen, tausende Stimmen füllten meinen Kopf, Bilder von undendlichen Welten drehten sich vor meinen Augen. Ich spürte, wie ich mich selbst verlor.
Dann war plötzlich eine Hand auf meinem Arm, ein fester Griff holte mich zurück, stabilisierte mich.
Meine Mutter.
Mein Vater.
Sie umarmten mich.
*Deine Zeit ist noch nicht gekommen, Tara. Geh zurück, du hast noch dein ganzes Leben vor dir in der anderen Welt. Aber wir werden immer hier sein und auf dich warten.*
Da verstand ich.
Langsam drehte ich mich um, schwebte nach oben, unten, vorne? Dort war das Portal, die Rückseite, Vorderseite?, des Spiegels.
Ich ging, schwebte, flog hindurch und stand wieder am Meer, die salzige Brise spielte mit meine langen Haaren.
Dann verschwand auch dieses Bild und ich stand wieder auf dem Hügel, dem Hügel am Ende der Straße.
Ich hörte die kalten Stimmen der Männer in meinem Kopf und ich wußte es war Zeit, Zeit zu fliehen.
Das Psi Corps wußte jetzt, wer ich war.