In Vivio

Von Christina Özdemir coezdemir@teleweb.at

 

Zugehörigkeit
Highlander - Die Serie

Zeitpunkt
Nach der Episode "Not to be"

Vorkommende Charaktere
Joe
Amy
Methos
Richie???

Disclaimer
"Highlander" sowie alle damit in Verbindung stehenden Namen und Charaktere sind Eigentum von Rysher Entertainment, Davis/Panzer Productions, Inc. Diese Story ist für Fans geschrieben, und ich verdiene keinen Groschen/Pfennig/Euro-Cent daran.

In vivio…....: lat. Im Leben
In dubio.…..: lat. Im Zweifel
In realiter...: lat. In Wirklichkeit
In aeternun: lat. Auf Ewig :-)

 


Teil 1

In dubio

Paris,
Joe’s Bar

Blues - das ist Musik für eine ganz besondere Stimmung, Musik die man nicht so einfach komponieren oder spielen kann, sie möchte erlebt und gelebt werden. Der Rhythmus, der einem monotonen Trommelschlag gleicht, öffnet den Geist, und Klang und Text finden ihren Weg in das Innerste. Wie eine Droge vermag sie das Bewußtsein zu betäuben und die Flucht aus der Realität zu weisen.

Joe war schon am frühen Nachmittag in seine Bar gekommen, um die Akustik des großen Raumes nutzen zu können. So experimentierte er mit der Gitarre und versuchte seine Gedanken auf das Instrument zu übertragen. Seine Finger bewegten sich schnell und mühelos über die Silbersaiten und entlockten ihnen eine Melodie, die wie ein Spiegelbild seiner Seele im Raum widerhallte.

Plötzlich stoppte er und das Echo des letzten Tons hörte sich seltsam an, wie wenn etwas zerbrochen wäre, abrupt beendet worden wäre. Joe sah sich in der leeren Bar um, und ihm war, als könne er die Erinnerungen aus vergangenen Zeiten zum Leben erwecken. Erinnerungen an eine Zeit, da abends schon mal mehr Unsterbliche als Sterbliche hier waren, als etwas Besonderes sie verband. Ihn und Duncan, Methos, Richie, Amanda. Er schüttelte verwundert den Kopf. Wann war das letzte mal einer von ihnen hier?

Gut, Methos kam seit der Walker-Sache öfter mal vorbei. Amanda hatte es vorgezogen zu verschwinden – aus Paris und vor allem wieder einmal aus Duncans Leben. Duncan selbst zog es vor eine Weile in England zu bleiben – bei Claudia. Sie alle hatten wunderbare, glaubwürdige und akzeptable Ausreden um nicht mehr hier sein zu müssen. Aber in Wirklichkeit hatten sie alle Angst die ungeliebten Geister der Vergangenheit heraufzubeschwören zu müssen. Die Erinnerungen, die Joe jetzt so unvermittelt in den Sinn kamen, als noch nichts ihre Freundschaft belastete und ein jeder glaubte der andere wäre genauso, wie man ihn gerne hätte. Kein Zwiespalt mit den Beobachtern, keine pechschwarzen Vergangenheiten – Tausende Jahre im letzten Winkel der Erinnerung vergraben, keine Prophezeiungen, die sich in schrecklicher Weise erfüllten.

Joe konnte sie irgendwie verstehen. Diese Erinnerungen waren hier gefangen, hier in seiner Bar und sie brachen sich Bahn, kehrten zurück ins Bewußtsein und hinterließen ein Echo - gerade so als ob etwas zerbrochen wäre, abrupt beendet worden wäre.

Sein Handy piepste die ihm eigene Melodie und Joe holte das Gerät – dankbar dafür, das es ihn aus seinen melancholischen Gedanken riß - aus seiner Jeanstasche.

„Ja." meldete er sich, wohl wissend, das nur seine engsten Freunde die Nummer kannten.

„Joe?" Die Stimme klang zwar bestimmt, konnte aber eine kleine Unsicherheit nicht verbergen.

„Amy!?" Joe stellte sofort seine Gitarre neben sich auf den Boden. Amy. Sie hatte sich seit der Entführung von dem Unsterblichen Walker nicht mehr bei ihm gemeldet. Hoffnung keimte in ihm auf und für einige lange Sekunden war es still. Verdammt, alter Mann, sag etwas. Er holte tief Luft um irgendeinen Satz auszusprechen aber sie kam ihm zuvor.

„Joe, es gibt da etwas, über das ich mit dir reden möchte."

„Klar. Gerne, Amy." Er stieß erleichtert die überflüssige Luft - die er für einen längeren Satz geholt hatte - wieder aus.

„Es geht um eine Akte, besser gesagt um einen Unsterblichen. Es gibt da einige Unstimmigkeiten. Ich dachte du könntest mir vielleicht weiterhelfen?"

„Ja. Sicher." Er bemühte sich nicht zu enttäuscht zu klingen. Warum hatte er auch angenommen, sie hätte wegen ihm angerufen? Er konnte ihr keinen Vorwurf machen, das sie sich von ihm zurückzog. Aber es war schmerzlich. Es gab keinen Streit zwischen ihnen, der ihm die Hoffnung alles wieder ins Reine zu bringen zerstört hätte, aber trotzdem hatte sie nie wieder angerufen. Joe war sich bewußt, das Amy sich von ihm verraten fühlen mußte, das war ihr gutes Recht. Er hätte ihr viel früher die Wahrheit erzählen müssen – aber irgendwie fand er nie den Mut dazu – bis es zu spät war.

„Kann ich gleich zu dir kommen?"

„Ja. Natürlich. Ich bin in der Bar."

***

Als eine Stunde später die Türklinke langsam hinuntergedrückt wurde, bemerkte es Joe sofort. Hastig griff er sich seinen Stock und eilte Amy entgegen. Obwohl er innerlich jubelte mußte er sich zu einem Lächeln zwingen und selbst dabei hatte er das Gefühl das sein Gesicht nur zu einer Fratze verzogen war.

„Amy!"

Sie lächelte verhalten. „ Hallo Joe."

Er bot ihr einen Platz an einem der Tische an und holte ihnen etwas zu trinken, dann setzte er sich ihr gegenüber und überlegte ein paar Sekunden lang, was er nun sagen sollte. Es gab Tausende Fragen, ebenso viele Entschuldigungen und Bitten, die er loswerden mochte. Unsicherheit bemächtigte sich seiner. Sie kommt nicht um mit dir zu sprechen. Und so entschied Joe vorerst auf der sicheren Seite zu bleiben.

„Was kann ich für dich tun Amy?"

Sie öffnete ihre Handtasche und holte eine Akte daraus hervor, öffnete sie und schob sie zu Joe.

„Richard Ryan. Immortal. Schüler von Duncan McLeod. Vor drei Jahren von ihm geköpft. Ein Unfall, wie es in den Akten steht." begann Amy.

Joe starrte auf die erste Seite des Aktes, auf dem ein Foto von Richie war. Ein altes Foto, eines, das gemacht wurde, als man bei den Beobachtern den Akt eröffnete. Richie in Jeans, einem weißen T-Shirt, mit seinen strahlend blauen Augen, den dichten blonden Locken und dem unschuldigen Lachen. Offen, freundlich, sorglos. Erinnerungen bemächtigten sich seiner. Erinnerungen über diesen jungen Unsterblichen, der alleine durch die Tatsache, das Duncan sein Lehrer war eine wirkliche Chancen zum Überleben hatte. Richie, dessen Körper in der Jugend bleiben durfte, und der trotzalledem mit seinen Aufgaben und Erlebnissen wuchs, gefestigter – ja älter - wurde. Und dann dieser … Unfall.

Gewaltsam riß er seinen Blick von der alten Fotografie los und gab Amy den Akt zurück.

„Ja." antwortete er betrübt. „ein bedauerlicher Unfall. Stimmt etwas nicht mit der Akte?"

„Nein, der Akt ist in Ordnung." Bestätigte Amy, dann holte sie noch etwas aus ihrer Handtasche und schob es Joe wortlos zu.

Es war ein Computerausdruck eines Fotos, und Joe kniff die Augen zusammen um aus den verschwommenen Umrissen etwas erkennen zu können. „Das ist auch Richie. Aber eine spätere Aufnahme."

Amy sah ihn lange an, dann fragte sie ihn ernst. „Bist du dir sicher. Man kann nur schlecht etwas erkennen."

„Ja, verdammt, ich bin mir sicher. Hast du ein Foto davon? Oder einen besseren Ausdruck? Es muß kurz vor seinem Tod aufgenommen worden sein"

"Die Aufnahme ist zwei Wochen alt."

„Nein, das gibt es nicht…" Joe lachte gequält auf. „Du mußt dich irren."

„Vor einer Woche bekam ich von einem Kollegen einen Anruf. Seine Frau arbeitet als Krankenschwester in einer Notfallklinik. Nun, es gab eine Konferenz oder soetwas ähnliches, und sie traf mit Krankenschwestern in aller Welt zusammen. In einer Pause fragte sie eine befreundete Pflegerin, ob ihr Menschen mit außerordentlichen Heilungsfähigkeiten bekannt wären. Sie wurde stutzig, anscheinend wußte sie von ‚Unsterblichen‘ und bat um genauere Informationen. Sie erhielt vor der Pflegerin dieses Foto und einen kurzen Krankenbericht. Aus Datenschutzgründen wollte sie ihr aber weder die Klinik noch den Namen des Patienten nennen. Ich habe das Foto elektronisch bearbeitet und es durch den Computer gejagt. Die größte Übereinstimmung fiel auf Richard Ryan. Aber der ist angeblich tot."

Joe sah sie perplex an. Das konnte nicht sein. Er hatte mit eigenen Augen gesehen, was geschehen war. Er hatte veranlaßt, das man den Körper vom Kampfplatz wegschaffte, hatte das Begräbnis organisiert. Er selbst hatte die Leiche in dem Sarg gesehen.

„Das ist unmöglich!" sagte er schließlich. „Diese Aufnahme muß älter sein."

Sie runzelte die Stirn in kleine Falten. „Das ist noch nicht alles Joe. In dem kurzen Krankenbericht steht, es handle sich um einen Patienten, der an Teilamnesie leidet und zu Tobsuchtsanfällen neigt. Er wurde vor drei Jahren in die Klinik eingeliefert. Zu genau der Zeit als Ryan angeblich starb."

„Amy, ich habe seinen Leichnam gesehen. ICH habe ihm im Sarg gesehen. Das kann unmöglich Richie sein. Vielleicht…." er hielt kurz inne und verscheuchte die Hoffnung die in ihm keimte und doch so unvernünftig war. Wie um sich selbst zu überzeugen erklärte er. „Vielleicht ist es nur jemand, der ihm ähnlich sieht, nichts weiter. Ja es ist sicherlich jemand der ihm ähnlich sieht, von dem wir noch keinen Akt haben."

Amy sah ihn bedauernd an. Sie merkte sehr wohl, wie sehr ihm der Tod des jungen Unsterblichen immer noch zu Herzen ging. Aber er war für sie ein Fremder, und sie wußte nicht wie sie sich verhalten sollte oder ihm helfen konnte. Fast entschuldigend sagte sie: „Ich wollte nur, das du es erfährst."

Joe quälte sich ein weiteres Lächeln ab. „Danke Amy. Ihr solltet ihn aber suchen. Die Wahrscheinlichkeit, das dieser Mann unsterblich ist, ist ziemlich hoch. Ihr müßt ihn finden, bevor es die Wissenschaft tut. Ich will nicht wissen, was passiert, wenn er einmal auf einem Operationstisch liegt."

***

Den ganzen Abend ging Joe dieses Bild nicht aus dem Sinn, und je mehr er darüber nachdachte, desto aufgewühlter wurde er. Der junge Unsterbliche beherrschte seine Gedanken, seine Erinnerung und der Schmerz über seinen Verlust brannte sich mit neuer Intensität in Joes Bewußtsein. Eine Hoffnung, so unvernünftig und surreal, keimte in ihm, wurde stärker und verlangte nach neuer Nahrung, nach Tatsachen und Beweisen.

Stunden verbracht mit Ungeduld und Ruhelosigkeit vergingen und als er die Bar weit nach Mitternacht endlich schließen konnte, schickte Joe seine Angestellten sofort nach Hause. Es gab eine einfache Möglichkeit herauszufinden ob Richie tot und der Mann auf dem Foto einfach ein Unbekannter war. Lange starrte er den Telefonapparat hinter dem Tresen an. Schließlich nahm er entschlossen den Hörer in die Hand und wählte eine Nummer. Aber bevor die Verbindung noch zustande kam, knallte er ihn wieder auf die Gabel.

Das war total übergeschnappt. Amy würde ihn in eine Klapsmühle einliefern lassen!

So holte er seinen Mantel, ging zur Tür und schaltete das Licht ab. Er kramte die Schlüssel aus der Manteltasche – und hielt dann doch inne.

Einen Fluch murmelnd machte er nochmals Licht und ging zum Telefon, wählte dieselbe Nummer und diesmal brach er nicht die Verbindung ab.

„Amy. Hör mir bitte zu. Wie schnell kannst du eine Exhuminierung organisieren?"

***

Der Friedhof hatte an diesem Tag etwas Unheimliches an sich. Irgendwie war ihm als würden die Toten sich über die Störung ihrer Ruhe beschweren. Joe war nervös. Er hatte Angst, die sterblichen Überresten Richies in dem Sarg vorzufinden, und er hatte Angst sie nicht darin vorzufinden. Er schalt sich einen alten, dummen Esel wußte aber auch irgendwie mit dieser spektakulären Aktion das Richtige zu tun – zumindest für sich selbst. Er wanderte auf und ab, schließlich ging er zu Amy, die die Öffnung des Grabes überwachte. Er stellte sich neben sie und bemerkte erst jetzt, das er außer einem knappen Gruß noch kein Wort mit ihr gewechselt hatte. Leise sagte er. „Danke."

Amy hob nicht den Blick von den Grabungsarbeiten sondern bemerkte nur vorwurfsvoll:

„Das nächste Mal Joe, ruf mich bitte zu einer christlicheren Zeit an, ich dachte tatsächlich du wärst betrunken."

„Ich wünschte ich wäre es gewesen." Antwortete er bitter. Amy hob den Blick und gestand sich schuldbewußt ein, das sie zu grob gewesen war. Sie wollte zu einer Entschuldigung ansetzten, aber er war schon wieder weiter gegangen.

Joe drehte sich wieder rastlos um und beneidete Amy um ihre stoische Ruhe. Als die Schaufel des Arbeiters einen dumpfen Klang von sich gab, eilte er wieder zu dem Grab.

Er beobachtete wie der Sarg langsam mit einer Seilwinde heraufgeholt wurde – zu langsam wie ihm vorkam. Als der Arbeiter ihn dann endlich auf dem Boden absetzte rief Joe ungeduldig. „Öffnet ihn!"

„Aber Monsieurdoch nicht hier, am Gelände – sozusagen in aller Öffentlichkeit." ermahnte der Friedhofsvorsteher entsetzt.

„Öffnet ihn!" wiederholte Joe bestimmt.

Amy faßte Joe beim Ellbogen und redete ihm beruhigend zu. „Komm, wir gehen jetzt zu den Gebäuden. Dort werden sie…"

Joe riß sich los. „Nein! Jetzt. Verdammt, macht das Ding auf!"

Der Friedhofsvorsteher ging zu dem Sarg und hantierte an dem Deckel herum, nicht ohne seine Mißbilligung zum Ausdruck zu bringen. Dann öffnete er ihn einen Spalt breit, und ließ ihn sofort wieder fallen. „Mon dieu!"

„Was ist?" rief Joe aufgeregt, und ging so schnell es ihm möglich war zu dem Mann.

„Er ist leer, Monsieur. Der Sarg ist leer."

***

Joe trank den Whiskey mit einem Zug aus, stellte das Glas hin, schenkte sich gut zwei Finger breit ein und setzte nochmals an. Amy kam zu dem kleinen Tisch in seiner Bar und stellte die Whiskeyflasche mit einem anklagenden Blick zur Seite.

Joe starrte sie über den Glasrand an und setzte dann sein Getränk wieder am Tisch ab.

„Und du kannst nicht mehr Informationen bekommen?" fragte er, bemüht zumindest nach außenhin die Fassung zu bewahren, die in seinem Inneren schon längst zusammengebrochen war. Amy preßte die Lippen zusammen und schüttelte wortlos den Kopf.

„Yeah!" sagte Joe gedehnt zu sich selbst." Das kann ja heiter werden."

Die Eingangstür wurde geöffnet und Joe – der nicht sehen konnte wer eintrat verdrehte mit einem Ruck den Rücken um den Eindringling sehen zu können.

„Wer?? Me …. Adam was zum Teufel machst du hier?"

Methos hob in einer entschuldigenden Geste die Schultern und starrte Amy fragend an. Diese antwortete mit fester Stimme.

„Ich habe ihn vorhin angerufen und gebeten zu kommen."

Methos sah Joe an und bemerkte sofort, das etwas nicht stimmte. Er rückte einen Stuhl zurecht und fragte vorsichtiger Stimme – sich nicht ganz sicher, was für eine Tragödie sich da gerade abspielte. „So…. Was ist so dringend, das ihr beide unbedingt mich dazu braucht?"

Amy schob ihm das Bild zu und erzählte ihm die gleiche Geschichte wie am Tag zuvor. Als sie endete fügte sie noch hinzu. „ … Joe hat heute das Grab von Ryan öffnen lassen." Methos Kopf flog hoch, er starrte zuerst ungläubig Amy, und dann etwas entsetzter Joe an.

Der Beobachter hatte seinen Blick in die goldbraune Flüssigkeit in seinem Glas versenkt und ließ sie gedankenversunken kreisen. In seinem Kopf hatte sich eine Blockade errichtet, die ihn daran hinderte einen klaren Gedanken zu fassen, und so jagte eine Vermutung – kaum zu Ende gedacht - die andere, und er spürte, wie jedesmal sein Puls schneller wurde und ein Gefühl der Beklommenheit sich in seiner Brust breit machte. Wenn es doch nur wahr sein könnte….

„Der Sarg ist leer."

"Jemand hat ihn ausgebuddelt" sprach Methos die erste Erklärung aus, die ihm einfiel, und nickte dabei mit dem Kopf als müsse er es sich selbst bestätigen.

Joe holte tief Luft. „ Es war nie jemand in dem Sarg. Das hat die erste schnelle Untersuchung vor Ort ergeben. Es ist niemals jemand in dem Ding gelegen. Keine Haare, keine Fasern von Kleidungsstücken, und auch nicht der kleinste Blutrest, wie er zum Beispiel …" Er konnte sich ein kleines Kichern - die Paradoxie der ganzen Geschichte begreifend – nicht verkneifen. „… na sagen wir halt mal von einer mittelgroße Nackenwunde hinterlassen werden würde."

Methos öffnete den Mund um eine Menge Entgegnungen auszusprechen. Aber keine erschien ihm plausibel.

Joe ironisch lächelte ironisch. „Alter Mann, ich habe dich noch nie solange sprachlos gesehen!"

„Joe!" rief ihn Methos zur Ordnung.

„WAS?!" explodierte er „Gestern sehe ich ein wenige Wochen altes Foto – und ich würde mein Leben darauf verwetten, daß der Mann auf dem Bild Richie ist. Und heute morgen starre ich in einen leeren Sarg, indem eigentlich die sterblichen Überreste eines Menschen drinnen liegen sollten, der mir ziemlich viel bedeutet hat! WAS glaubst du eigentlich, wie ich mich jetzt fühle? Sicher wenn man so alt ist wie du, hat man wahrscheinlich eine gewisse Kälte!"

„ICH kenne die Fakten gerade erst mal fünf Minuten Joe! Aber wenn du unbedingt …. "

„Wie wäre es eigentlich, wenn ihr euch wieder beruhigt und versuchen würdet dieses Problem wie erwachsene Menschen zu lösen." Kam die ruhige, aber ziemlich scharfe Kritik von Amy und sie fuhr dann fort, bemüht ein Gespräch aufzubauen, das sie weiterbringen könnte. „Dieser Mann sieht Richard Ryan ähnlich. Er ist in irgendeiner Nervenklinik hier in Frankreich. Es gibt davon nicht unzählig viele."

„… aber die werden uns wahrscheinlich nicht verraten wollen, ob dieser Mann in ihren Anstalten weilt…." entgegnete Joe.

„Genau deswegen habe ich ja Adam geholt!" unterbrach ihn Amy. „Was wir wissen ist, das der junge Mann auf dem Foto unsterblich ist, also die Wunden außergewöhnlich schnell verheilen und" sie sah nun Adam an „er daher auch den Buzz besitzt. Wie auch immer er heißt, oder wer er ist. Wir müssen ihn finden, sonst haben wir eine mittelgroße Katastrophe sollte er entdeckt werden. DAS ist es, worauf wir uns konzentrieren müssen!"

Amy wartete nicht bis ein Einwand kam. Sie packte ihre Sachen zusammen. „Ich werde versuchen, ob ich etwas Informationsmaterial zusammenbekommen kann. Ich rufe dich dann an Joe."

Joe nickte und sah ihr nach als sie zur Tür hinausging.

„Nun, sie scheint wenigstens die Situation im Griff zu haben." bemerkte Methos nicht ohne einen gewissen Sarkasmus.

"Ja." bemerkte Joe verzagtund holte sich die Whiskey-Flasche wieder, „Und mich hat sie im Moment auch ziemlich im Griff. Mann. Sie muß denken ich sei total übergeschnappt."

„Was wissen die Beobachter über die Sache mit Ahriman?"

„Nicht allzuviel, ich habe die Berichte etwas …. oberflächlich geschrieben." Joe’s Stimme klang resigniert. Er selbst wußte nicht mehr was er denken sollte. Nichts paßte hier zusammen, keine Alternative, kein Szenario schien ihm glaubwürdig. Er beobachtete eine ganze Weile lang Methos, der ihm gegenübersaß, und scheinbar in die selben Gedanken versunken war wie er selbst. "Irgendeine Idee alter, weiser Mann?" fragte er schließlich.

Methos hob überrascht den Kopf. „Nein."

Joe nickte sarkastisch. „Ja, dann wollen wir mal hoffen, daß Amy diese Sache auch im Griff behält."


Teil 2

In realiter

„Nummer Fünf." bemerkte Methos, und lenkte den dunklen Land Rover in die begrünte Einfahrt zu einem Sanatorium etwas außerhalb von Paris. Er stellte das Fahrzeug auf einem der vielen freien Parkplätze ab und sagte fast beiläufig zu Joe. „Ich werde mal hineingehen und fragen. Bleibst du da?" Joe nickte kurz und vergrub das Kinn wieder in der Faust um nach draußen zu starren. „Hey, Joe." Versuchte ihn Methos aufzumuntern. "Es wird sich schon alles wieder klären." Er gab keine Antwort.

Methos schloß verzagt die Autotür und ging zum Empfang. Wie auch die viermal davor präsentierte er eine Geschichte, die so trivial war, das niemand glauben wollte, jemand hätte sich soetwas so schlecht ausgedacht. Aber was sollte er schon erzählen? Er forschte nach einem Mann, von dem er nur ein schlechtes Foto in der Hand hatte, weder Name noch Herkunft kannte. Und er konnte nur darauf vertrauen, das sie ihm vielleicht zu einem Patienten führten, auf dem diese Beschreibung zutraf und er die unverwechselbaren Erkennungsmerkmale eines Unsterblichen spüren konnte.

Als er mit seiner Beschreibung geendet hatte sah sich die Krankenschwester lange die Fotografie an und nickte schließlich. Sie stand auf und deutete Methos an, ihr zu folgen. Sie bat ihn in einen kleinen Raum, der mit einer bequemen Sofagarnitur ausgerüstet war und forderte ihn auf, Platz zu nehmen.

Methos setzte sich und versuchte die Spannung und Erwartung, die sich in ihm aufgebaut hatte etwas unter Kontrolle zu bringen. Er bemühte sich zwar vor Joe sein gewohntes eher unbeteiligtes Verhalten an den Tag zu legen – schon alleine deswegen um ihn nicht noch mehr durcheinanderzubringen. Er selbst konnte aber nicht behaupten, das diese Geschichte ihn nicht mitnahm. Er weigerte sich hartnäckig auch nur daran zu denken, all die Ereignisse der vergangenen Tagen könnten etwas mit Richie zu tun haben – schon allein aus Angst vor der Enttäuschung, die dann folgen würde. Aber etwas an alledem war bizarr. Zwar hatte er sein Erinnerungsvermögen und seine Chroniken nach etwas ähnlichem durchforscht, aber in seinem fünftausendjährigem Leben, war er bis vor kurzem mit Geschehnissen um Dämonen und Untoten verschont geblieben.

Er konnte eine gewissen innere Unruhe nicht verleugnen – sie war da, nur vermochte er sie besser zu verbergen, als es Joe möglich war. Methos stand auf und ging zu dem Fenster, von dem aus man den Parkplatz sehen konnte. Er konnte Joe erkennen, der sein Gesicht immer noch in seiner Faust vergraben hatte und mit seinen Gedanken weit weg schien. Als Duncan damals einfach verschwand und Joe mit alledem allein in Paris zurückließ, kümmerte er sich so gut es ging um ihn. Richies Tod alleine schon hatte Joe in tiefe Trauer gestürzt, aber die Umstände unter denen es passierte ließen ihn schier verzweifeln. Und dann war da auch noch die nie ausgesprochene, aber immer presente Sorge um Duncan. Niemand wußte wie er – oder besser gesagt ob er überhaupt damit fertig werden würde. Methos hatte damals das Bedürfnis einfach zu gehen - den Tatsachen zu entfliehen und den Erinnerungen zu entkommen. Die Freundschaft mit Duncan und auch mit Joe, mühsam gekittet nach den vorangegangenen Ereignissen, schien nun endgültig zerbrochen. Zum einen weil Duncan ihnen nie wieder in die Augen sehen könnte ohne sofort an seine Tat erinnert zu werden, zum anderen weil sowohl Joe als auch er nicht wußten wie sie mit seinen Schuldgefühlen umgehen sollten. Aber Joe’s Gemütszustand hielt ihn davon ab, es sich wieder in Kathmandu gemütlich zu machen.

Plötzlich spürte Methos etwas Vertrautes, und aus seinen Gedanken gerissen ließ ihn eine unkontrollierte Reflexbewegung ins Mantelinnere greifen. In letzter Sekunde konnte er die Hand stoppen, die schon den Schwertgriff umfaßte. Dann ging die Tür auf.

Die Krankenschwester, die ihn in diesen Raum geführt hatte hielt die Tür auf und winkte jemanden ungeduldig. Doch dieser schien nicht so recht hereinkommen zu wollen. Es kam ihm eine Ewigkeit vor bevor jemand in der Tür erschien.

Methos bemerkte nicht, das er den Mund aufmachte und vergaß ihn wieder zu schließen, oder das er, Halt suchend sich langsam zu dem nächstgelegenen Sofa tastete, sich darauf setzte und mit weit geöffneten Augen sein Gegenüber anstarrte – unfähig zu einem weiteren Gedanken, oder einer weitere Bewegung.

Der junge Mann, der soeben durch die Tür gekommen war, setzte sich Methos gegenüber hin. Er nickte einige Male freundlich, nicht so recht wissend, warum ihn dieser Fremde hier besuchen wollte, und warum er ihn ansah als sei er entstellt oder sonst irgendwie merkwürdig. Aber er war schon einiges gewohnt, hier, wo man diejenigen hinschob, die nicht den normalen Verhaltensregeln zu folgen vermochten.

„Hi." Sagte er, aber sein Gegenüber regte sich nicht. Er drehte sich fragend zur Krankenschwester um und zuckte mit den Schultern. Die Pflegerin sah Methos konsterniert an und fragte.

„Monsieur, ist das der Mann, den sie suchen. Oliver Perrier. Das Foto war nur sehr schlecht, aber ihre Beschreibung paßt genau auf ihn."

Methos reagierte nicht sofort, erst nach einer kleinen Ewigkeit schienen ihre Worte bis zu ihm vorgedrungen zu sein. Er wendete den Blick von dem Patienten ab und blickte die Krankenschwester – immer noch mit offenem Mund - an. Diese hatte bereits in Erwartung seiner Antwort die Augenbrauen fragend gehoben. Er schluckte einmal um sicherzugehen, das ihm seine Stimme nicht im Stich lassen würde und bestätigte.

„Ich denke – ja – das ist er." Er atmete einmal tief ein um sich wieder unter Kontrolle zu bringen, dann wendete er sich dem jungen Mann zu und stellte sich mit seinem unverbindlichen Lächeln vor. "Adam Pierson."

„Und was wollen sie von mir?"

„Ähhh." Methos suchte nach einer Erklärung, wußte nicht was er sagen sollte, doch dann fiel ihm diese Geschichte ein, die er der Krankenschwester erzählt hatte. „Naja, das ist so – sie haben eine Erbschaft gemacht, und …."

„Eine Erbschaft? Sie machen Witze! Ich habe keine Verwandten."

Die Krankenschwester wollte gerade gehen und der Patient drehte sich kurz zu ihr um und bat. „Schwester, könnte ich eine Schmerztablette haben? Ich habe wieder so komisches Kopfweh."

Methos sah ihn entsetzt an.

Ein Pfleger kam herein und stellte sich neben die Tür. Der junge Mann lächelte und deutete mit der einen Hand über die Schulter. „Darf ich vorstellen, das ist Rene, mein Bodyguard." Dabei zwinkerte er mit seinem linken Auge und kicherte über seinen eigenen Scherz.

Methos wendete langsam den Kopf und nickte Rene zu. Dann setzte er sich auf, straffte die Schultern und versuchte ein Gespräch zu beginnen, nur wußte er nicht so recht über was er sprechen sollte. Immer noch konnte er den Blick nicht von seinem Gegenüber losreißen. Der schlanke Körperbau, die kurzen blonden Haare, hellblaue Augen, diese außergewöhnlich langen Finger.

„Ich würde ihnen gerne jemanden vorstellen." sagte Methos schließlich und deutete dann mit dem Arm in Richtung Fenster. "Er wartet im Auto und würde sie sicher gerne kennenlernen. Es wird nur einen Moment dauern."

Hastig, bemüht nur rasch aus diesem Zimmer zu kommen, stand er auf und ging hinaus. Vor der Beifahrertür hielt er inne, zuerst mußte er selbst mal Ordnung in seine Gedanken bringen, bevor er Joe da mit hineinziehen konnte. Methos fuhr sich mit der Hand übers Gesicht und atmete einige Male tief durch. Wie würde Joe das alles auffassen? Seine Aufgewühltheit beunruhigte Methos. Vielleicht wäre es vieleicht klüger nach Paris zurückzufahren und mit kühlen, sachlichen Menschenverstand die Sachlage hier zu klären. Ohne Hast und auf den Tatsachen beruhend

Ja, das wäre allerdings vernünftiger.

Zum Teufel mit der Vernunft!

Er riß er heftig die Tür auf und sah Joe an.

„Was ist los?" fragte Joe, der sofort bemerkte, das etwas nicht stimmte.

„Komm mit Joe." Ungeduldig riß er an seinem Arm, trieb ihn zu ungebührlicher Hast an, bis dieser anfing sich bitter zu beschweren.

„Verdammt, Methos. Was soll das? Ich bin ein alter Mann." Aber Methos kümmerte sich nicht darum. In der Eile verlor Joe seinen Stock und Methos bückte sich rasch um ihn aufzuheben, drängte ihn aber dann in dem schnellen Tempo weiter. Als sie im Gebäude angekommen waren, griff Methos unter Joes Ellbogen und stützte ihn, als wäre er nicht fähig sich selbst auf den Beinen zu halten.

„Methos!! So alt bin ich wieder auch nicht. Laß mich gefälligst los! Was ist bloß in dich gefahren?" Er versuchte sich loszureißen. Mittlerweile hatten sie den Besucherraum erreicht und während Joe sich noch verbissen gegen die für Methos so übertriebene und untypische Fürsorglichkeit wehrte – hielt dieser inne, verstärkte aber den Druck mit dem er ihn stützte. Joe begriff zuerst nicht, wendete sich dann aber ab und blickte in den Besucherraum. Augenblicklich griff er auch mit der anderen Hand zu Methos um Halt zu finden.

„Richie." Flüsterte er.

Der junge Mann lächelte, aber dann schien er ihn zu erkennen. Seine Gesichtszüge änderten sich langsam zu ungläubigen Erstaunen. Vorsichtig, wie um dieses Wort zu testen, sagte er. „Joe?"

Methos spürte wie Joes Kraft nachließ und er geleitete ihn vorsichtig zu dem nächstgelegenen Sofa, damit er sich setzen konnte. Er nahm neben ihn Platz und musterte Richie vorsichtig.

„Sie erkennen ihn?" fragte er schließlich.

Richie starrte Joe an, als wäre dieser ein Geist. „Nein, eigentlich nicht. Aber ich habe oft Alpträume. Dieser Mann kommt darin vor, er heißt Joe." Er schloß die Augen und schüttelte den Kopf als wollte er eine schlimme Erinnerung vertreiben. „Und noch andere Namen kommen darin vor."

„Was genau passiert in diesem Alptraum?" fragte Methos.

***

Dreamtime

Richie schlug die Augen auf und nahm verschwommen grelle Lichter an einer weißen Decke wahr. Aus den Augenwinkeln heraus erkannte er, ebenfalls nur verschwommen, weiße Wände. Er schüttelte leicht den Kopf um den Schleier, der seinen Blick trübte loszuwerden, das Resultat jedoch war, daß sich alles um ihn herum zu drehen begann. Mit einem Stöhnen wollte er sich mit der Hand an den Kopf fassen, aber etwas hinderte ihn daran. Er riß an dem Arm und hob den Kopf um zu sehen, was seine Hand festhielt. Mit Schrecken erblickte er die Fesseln, mit denen seine Handgelenke an dem Bettgestell festgebunden waren. Instinktiv rüttelte und riß er daran, bevor sein Verstand wieder halbwegs einsetzen konnte, und er die Sinnlosigkeit dieses Unternehmens einsah. Stimmen drangen an sein Ohr, aber sie waren seltsam verzerrt, als würde man eine Tonbandcassette mit nur halber Geschwindigkeit abspielen. Er versuchte sich auf diese Stimmen zu konzentrieren, aber auch das mißlang. Es war zu anstrengend, ermüdete ihn sehr rasch. Er gab auf, spürte wie sich die Muskeln an seiner Stirn und seiner Brust entspannten. Dann erkannte er ein Wort, ohne sich jedoch erinnern zu können, daß er es gehört hätte. Joe.

„Joe!" seine Lippen formten das Wort, aber die Stimme versagte ihm. Ein leises Krächzen, in dem niemand den Sinn erkennen konnte, war die Folge. Er konzentrierte sich mit der Macht der Verzweiflung, die mittlerweile über ihn gekommen war „JOE!"

Richie drehte den Kopf um seinen Freund zu suchen und tatsächlich, unweit von ihm entfernt stand er, gestützt auf seinen hölzernen Stock, die Stirn in viele Furchen gelegt und den Mund verbittert zusammengekniffen.

***

„Es ist ein Jammer!" bemerkte Joe resignierend zu dem Arzt. „Er ist noch so jung. Aber die Krankheit schreitet immer schneller voran. Mittlerweile wird er regelrecht gewalttätig, und danach verteidigt er sich mit dem Hirngespinst eines Dämonen, der von ihm Besitz ergriffen hätte. Ich kann ihn nicht mehr bei mir behalten, so gern ich das auch tun würde."

Der Arzt hörte ihm anteilsvoll zu und während er einen kurzen Blick zu dem jungen Mann warf, der gerade an den Handschellen an seinem Bett rüttelte erklärte er. „Das ist eine sehr schwerwiegende psychische Erkrankung. Verzeihen sie mir die Anmaßung, aber sie können nicht mehr für ihn sorgen. In ihrem Alter und mit ihrer Behinderung können sie einer eventuellen Raserei des Patienten nicht standhalten. Machen sie sich keine Vorwürfe. Er wird in unserer Anstalt bestens versorgt werden." Der Arzt lächelte ihn vertrauensselig zu und fügte dann noch mit leiser Stimme hinzu. „Verabschieden sie sich von ihrem Neffen. Im Moment haben wir ihn medikamentös ruhiggestellt. Er wird sie deshalb möglicherweise nicht erkennen." Damit faßte er Joe aufmunternd auf die Schulter und verließ dann das Krankenzimmer.

Joe ging zu dem Krankenbett und nahm Richies Hand in seine. „Richie." Sagte er leise.

Richie sah Joe an, erkannte ihn. Ein leichtes Lächeln huschte über seine Gesichtszüge. „Joe" murmelte er kaum verständlich „Was ist los? Wo bin ich?"

Und dann mit einem Male verschwammen Joes Gesichtszüge. Aus dem warmen Lächeln wurde ein kaltes, arrogantes, siegesgewisses. Die Furchen auf seiner Stirn verschwanden. Die Wangen, an denen der Weißschwarze Bart prangte wurden glatt. Das freundliche goldbraune Schimmern seiner Augen veränderte sich zu einem metallisch kalten Blau.

„Joe?" stieß Richie ungläubig aus, und dann, mit dem Erkennen entkam ihm ein Schrei.

„NEEEEEIIIIINNNN!" Er rüttelte wie besessen an seinen Fesseln. „NEEEEIIIINNN. Was hast du mit Joe gemacht?" Er war außer sich, vor Wut, vor Sorge, vor Haß. Die Emotionen, die auf ihn einstürzten setzten immense Kräfte in ihm frei. Wie ein Wahnsinniger bäumte er sich in dem Krankenbett auf, riß an den Handschellen und schrie.

Der Mann verließ schließlich das Zimmer.

Aber er sah nicht mehr wie Joe aus. Ein hochgewachsener blondhaariger Mann ging stoisch die langen sterilen Gänge der Nervenklinik entlang.

James Horton.

Ahriman.

***

Zurück in Paris

Kaum zurück in Paris, in Joe's Bar, marschierte Methos sofort hinter den Tresen und holte sich eine große Flasche Cognac und zwei Gläser. Er schenkte sich und Joe ein und trank hastig aus. Joe verzichtete auf das Glas und schnappte sich gleich die Flasche. Nachdem beide ihre Nerven mit einer gehörigen Portion Alkohol etwas betäubt hatten starrten sie sich eine Weile lang gegenseitig an. Keiner von ihnen wollte so recht glauben was soeben passiert war. Sie hatten Angst jeden Moment aufzuwachen, und zu erkennen, das das eben Erlebte nichts weiter war, als ein bösartiger, schlechter Traum. Aber nichts dergleichen geschah. Die Stille zwischen ihnen wurde drückend und beide wußten sie sollten jetzt etwas sagen - nur was bloß? Genausowenig wie sie sich gestern abend gestatteten zu hoffen, gestatteten sie sich jetzt zu akzeptieren. Alles wirkte so irreal, so fremdartig - eben wie ein Traum.

Methos dachte zurück, an diese seltsame Begebenheit vor über zwei Jahren. Duncan konnte nicht mehr unterscheiden zwischen Realem und Halluzinationen. Aber er war trotzalledem vorsichtig, erkannte, das er sich selbst nicht mehr trauen konnte. Dieser Dämon mußte, um Duncan besiegen zu können, ihn so sehr verwirren, so sehr in Angstzustände versetzen, das seine Vernunft aussetzte. Aber wie brachte man jemand von Duncans Format in einen Zustand in dem er nur noch aus Instinkten heraus handelte?

Wie kann man einen Gegner besiegen, der besser und stärker ist als man selbst?

Indem man in seinen Schwächen bohrt, wie in einer offenen Wunde.

Methos lächelte in sich hinein. Ja, das konnte eine Erklärung sein.

"Es war ein brillanter Schachzug von diesem Dämonen. Er merkte, das Duncan zu stark war."

Joe sah ihn fragend an.

"Ich meine das so. - Unser Boyscout. Er ist ein uneinsichtiger Grübler, neigt zu übertriebenen Selbstgerechtigkeit und hat die ganze Welt als seinen Clan adoptiert um sie vor dem Bösen beschützen zu dürfen. Und das einzige, was ihm wirklich fehlt ist ein Heiligenschein über seinem sturen Schädel.

ER ist der perfekte Kämpfer wenn es um den Kampf zwischen Gut und Böse geht. Aber auch die Guten haben so ihre Schwächen - und eine von Duncans Lieblingsschwächen sind seine ausgeprägten Schuldgefühle!"

Er schüttelte den Kopf und leerte das Glas in einem Zug.

"Also, wenn ich ein Dämon wäre, ich würde dafür sorgen, das er eine ganze Menge Schuldgefühle bekommt!"

"Was ihm auch gelungen ist." Schlußfolgte Joe. Methos beachtete den Einwurf nicht und fuhr fort. "Was wir wissen ist, das Duncan Visionen hatte. ABER all diese Visionen handelten von Menschen die bereits tot waren. Die Prophezeiung lautete, die Toten werden auferstehen. Horton, Kronos, Allison – sie alle waren bereits tot. Was den Schluß nahelegt das Ahriman - oder was auch immer das war - nicht die Gestalt von Lebenden annehmen konnte. Richie aber lebte noch als Duncan diese eine Vision hatte…."

Joe sah ihn ernst an: "Was willst du damit sagen?"

„Ahriman mußte – um sich seiner bedienen zu können - Richie ausschalten. Töten konnte er ihn nicht, denn Duncan sollte ja denken er hätte es getan. Also mußte er ihm zumindest solange das Bewußtsein rauben, damit der Hokuspokus mit Duncan funktionieren konnte. Joe. Er kann sich an nichts mehr erinnern. Er weiß noch nicht einmal das er ein Unsterblicher ist, und das er den Buzz gespürt hat. Er dachte es wären Kopfschmerzen. Er erkannte mich nicht. ABER er weiß von seinen Träumen wie du aussiehst und welchen Namen du hast. Möglicherweise ist das kein Traum sondern eine Erinnerung."

"Jaaa." Joe machte eine abwertende Bewegung. "Eine Erinnerung. Klar."

"Komm schon Joe! Es könnte einen Sinn ergeben. Du weißt selbst am Besten zu was Ahriman fähig war! Richies Bewwußtsein mußte ausgeschaltet werden - also ließ er ihn mit Drogen vollpumpen. Und - ehrlich - wo würde gerade Richie am wenigsten auffallen?"

Methos lehnte sich im Sessel zurück und verschränkte die Arme mit sich selbst zufrieden vor der Brust, während er die Frage wirken ließ. Dann setzte er ein spitzbübisches Grinsen auf und beantwortete sie selbst:

"In der Klapsmühle."

Joe mußte verhalten kichern, dann warf er den Kopf in den Nacken und sein erleichtertes Ausatmen klang, als wären mit einem Male sämtliche Steine, die seine Seele belasten mochten, abgefallen. "Ja. Er lebt. Unser Richie lebt."

***

am nächsten Tag,
im Sanatorium

Der Arzt spielte sich mit einem Bleistift und sah den Besucher skeptisch an. "Wissen sie, der junge Mann wurde vor zweieinhalb Jahren von seinem angeblichen Onkel bei uns eingeliefert. Aber Nachforschungen ergaben, das Name und Adresse nicht stimmten. Und nun kommen sie, geben mir eine schlechte Fotografie und verlangen, das ich den Patienten in ihre Obhut entlasse."

Methos nickte einige Male mit dem Kopf, setzte sein unschuldigstes Studentenlächeln auf und antwortete erwartungsvoll. "Ja."

Der Arzt sah ihn bedauernd an und fuhr mit belehrender Stimme fort: "Nun ganz so einfach, wie sie sich das vorstellen, ist das leider auch nicht. Sehen sie: Der Patient leidet an Amnesie und an Tobsuchtsanfällen. Es hat schon einen Grund, warum er sich in einer Anstalt befindet. Er könnte sich selbst und andere verletzen."

"Aber…" Methos machte eine kleine Pause um die volle Aufmerksamkeit des Arztes zu gewinnen. "seinem Krankenblatt ist zu entnehmen, das er seit über einem Jahr nicht mehr auffällig war. Die allgemeine Verwirrung, die Amnesie mit sich bringt könnte ohne weiteres für seine Anfälle verantwortlich gewesen sein. Wenn wir ihn in eine vertraute Umgebung bringen, könnte das die Wiedererlangen seiner Erinnerung wesentlich beschleunigen."

„Nun, sie müßten sich verpflichten den Patienten, regelmäßig zu uns zwecks weiterer Untersuchungen zu bringen."

Er lächelte zuversichtlich. „Selbstverständlich."

 


 Teil 3

In aeternum

 

Methos verabschiedete sich vom Arzt. Er hatte das gute Gefühl, Richie auf legalem Wege aus der Anstalt hinauszubekommen – und wenn nicht, dann müßte er halt entführt werden. Wie auch immer, beides stellte keine allzu große Herausforderung dar, und das der junge Unsterbliche Frankreich verlassen mußte war in beiden Fällen unvermeidbar. Aber Richies Gedächtnisverlust war ein schwerwiegendes Problem. Wenn die Amnesie so verlief, wie bei „normalen" Menschen, dann konnte er davon ausgehen, daß er den Schwertkampf immer noch beherrschte – ohne zu wissen warum. Aber alle anderen Informationen, die für ihn so lebenswichtig waren, mußte er neu erlernen. Am Besten wäre es er würde sich solange auf heiligen Boden aufhalten – aber wer sollte ihn lehren?

Was auch gleich zum zweiten Problem, an dem vor allem Joe nagte, führte.

Duncan.

Jemand sollte ihm nun möglichst bald sagen, das das, was er als seinen größten Fehler ansah nie passierte – sondern nur eine weitere, genauso perfekte wie bösartige Täuschung Ahrimans war. Aber obgleich dies wohl die beste Nachricht war, die man dem alten Schotten überbringen konnte, so zögerten sie dennoch es zu tun. Joe hielt es für die bessere Idee Richie erstmal aus der Klapsmühle zu „befreien", und dann würden sie schon weitersehen.

Methos hatte sich bereits verabschiedet und wollte das Zimmer verlassen, als er sich noch einmal umdrehte und den Arzt fragte: „Ähhm, könnte ich vielleicht noch mit ihm sprechen?"

Er unterhielt sich mit Richie eine ganze Weile lang, versuchte abzuschätzen inwieweit die Chance bestünde, das er wieder Herr über sein Leben – oder besser gesagt über seine Vergangenheit werden könnte. Aber Methos Wissen über Medizin war schon etwas angestaubt, und jenes in Psychologie erschöpfte sich in seiner Menschenkenntnis. Allerdings besaß er davon außerordentlich viel.

Richie war ein Straßenkind. Er hatte gelernt zu kämpfen, und er würde es auch weiterhin tun. Und wenn man von seiner Lebensspanne ausging, so hatte er auch alle Zeit der Welt mit dem ganzen Debakel über Unsterblichkeit und Schwertkämpfen und rollenden Köpfen wieder von vorne anzufangen.

Methos war zufrieden mit dem was er von dem jungen Unsterblichen hörte. Es waren immer wieder Schlüssel zu vergangenen Ereignissen in seinen Träumen vorhanden. Er wollte nur noch an einer Sache nachbohren.

„Was genau hat es mit den Kopfschmerzen auf sich?"

„Naja – wissen sie, es ist nicht nur ein Kopfschmerz. Irgendwie spüre ich es im ganzen Körper. Aber erst seit kurzer Zeit. Früher hatte ich sie nie."

„Niemals? Vielleicht litten sie schon seit – ihrer Jugend daran?"

Richie schüttelte den Kopf. „Nein, ich denke nicht. Erst seit ein paar Tagen. Sie traten wenige Tage bevor sie kamen das erstemal auf, und nun habe ich sie ständig. Meistens in der Nacht."

Für einen kurzen Moment mußte man die Besorgnis in Methos Gesicht gesehen haben, denn Richie sah ihn fragend an. "Wieso interessieren sie sich so dafür? Hat es etwas damit auf sich?"

Methos machte noch einen halbherzigen Versuch eines beruhigenden Lächelns „Kein Grund zur Besorgnis. Das ist ein …… vererbtes …. Problem!"

Sobald er sein Auto erreicht hatte, holte er sein Handy heraus und rief Joe an. „Schlechte Nachrichten Joe. Noch jemand hat Richie entdeckt."

***

Joe spähte durch das Fernglas, auf die Klinik, die in der klaren Nacht durch die Beleuchtungskörper und den hellen Mond trotz der Entfernung gut auszumachen war. Immer wieder schüttelte er Methos Hand, die nach dem Instrument greifen wollte, wie eine lästige Fliege ab. Schließlich wurde es ihm zu bunt und er herrschte ihn an. „WAS?"

„Ich bin der Unsterbliche." Erklärte Methos bestimmt, und griff noch einmal nach dem Fernglas, doch bevor er es noch in Augenhöhe brachte, wurde es ihm auch schon wieder entrissen. „Ich bin der Beobachter! ICH beobachte……ohh-ohh." Joe’s Haltung wurde angespannter und es war unverkennbar, das er jemanden entdeckt hatte. „Da treibt sich ja tatsächlich jemand auf dem Gelände herum. Haben die denn keine Bewegungsmelder?"

„Und weißt du auch wer das ist?" fragte Methos provokant.

Joe nahm das Fernglas ab und gab es Methos dann bemerkte er. „Denke schon. Ist schwer zu erkennen, aber er sieht aus wie Farai Sabeta, ein ziemlich junger Unsterblicher aus Zimbabwe, der ausschließlich Jagd auf noch jüngere – vor allem aber schwächere Gegner macht. Er ist der klassische Jäger . Farai ist vor ein paar Wochen in Frankreich eingereist. Aber ich müßte nochmals die Datenbank durchforsten…."

„Zu spät Joe." Erklärte Methos, der den Unsterblichen jetzt beobachtete. „ Farai-oder-wer-auch-immer ist gerade im Begriff auch noch den Rest der Alarmanlage auszuschalten - und mir fällt nur einen einziger Grund ein, warum er das tun sollte."

***

„Das ist Einmischung!" rief Farai Methos zu „Der Kampf hat bereits begonnen!"

Methos schien den Einwurf nicht zu hören und ging stoisch mit gezogenen Schwert weiterhin auf ihn zu.

Farai hatte es geschafft Richie aus der Klinik herauszuholen, doch genauso wie Joe es befürchtet hatte, zog er sein Schwert, sobald sie außerhalb der Sichtweite der Klinik waren. Richie starrte ihn nur entgeistert an, ohne irgendeine Ahnung zu haben was das Ganze bedeuten mochte. Er war unbewaffnet und ohne die leiseste Ahnung über seine Besonderheit. Leichte Beute für einen Jäger.

Methos wußte, das er zu spät gekommen war, um den Kampf zu vermeiden. Die Forderung war ausgesprochen, das Schwert gezogen. Er konnte versuchen sich einmischen, aber Farai würde es nicht zulassen. Die Regel besagte anderes, und sie zu brechen konnte schlimme Folgen haben.

Er wußte das.

So blieb ihm nichts anderes übrig als darauf zu hoffen, das die Gehirne der Unsterblichen genauso funktionieren mögen wie die der normalen Menschen auch – nämlich das angelernte Bewegungsabläufe und Fähigkeiten von Gedächtnisverlust nicht betroffen waren.

Und das der Schwertkampf ein Bewegungsablauf war, der mit Fahrrad fahren gleichzusetzen ist - zumindest im Gehirn eines Unsterblichen.

Er mußte nur Richie noch dazu bringen, das zu akzeptieren, sein Schwert zu nehmen und einfach zu kämpfen…….

Methos verzog das Gesicht zu einer herablassenden Maske. „Kampf? Das ist eine Hinrichtung, kein Kampf."

Er ging zu Richie und gab ihm sein Schwert. Dieser sah ihn entsetzt an, er öffnete die Hände vor seinem Körper in einer abwehrenden Geste. „Nein - nein. Hört mal… ihr könnt ruhig machen was immer ihr wollt. Aber ohne mich…."

Methos ergriff ihn grob im Nacken, zog seinen Kopf nah zu sich und fauchte ihn an. „Hör zu – Junge! Der Typ da drüben wird seine Waffe benutzen und dir den Kopf von Rest deines Körpers abtrennen. Du kannst dastehen und dich schlachten lassen – oder du nimmst das Schwert und kämpfst!"

Richies Augen waren groß und seine Stimme überschlug sich aus Panik. „Aber ich kann doch gar nicht mit so einem Ding umgehen!"

Methos löste den Griff und wechselte genauso schnell wieder seinen Ton. Er klopfte ihm beruhigend auf die Schulter. „Du kannst. Glaub mir, du kannst es."

Richie verstärkte den Griff um die Waffe, testete ihr Gewicht, ihre Balance. Er dachte dieses Gefühl zu kennen, das schwere Schwert in seiner Hand fühlte sich genauso selbstverständlich an, wie ein Löffel oder ein anderer Gegenstand des alltäglichen Lebens. Er ging in Verteidigunshaltung über, die Beine leicht gekrätscht, die Knie leicht gebeugt, das Schwert vor seinem Körper. Jederzeit bereit eine blitzschnelle Bewegung zu jeder Seite zu machen. Automatisch änderte sich seine Atmung, wurde von dem oberflächlichen Luftholen der panischen Minuten zuvor zu einem tiefen, bewußten Atmen. Wie von alleine beruhigte er sich, merkte, wie sein Leben, das ihm wie ein aus dem Rhythmus gekommenes, wild kreisendes Pendel erschien, langsam wieder seine Balance fand.

Farai fing an ihn zu umkreisen, und augenblicklich folgte Richie seinen Bewegungen. Zuerst dachte er, er hätte das alles irgendwann einmal in einem alten Mantel und Degen-Film gesehen, oder in dem Piratenfilm letzte Woche. Aber dazu war es ihm zu vertraut.

„Instinkt" sagte er sich selbst. "Vertrau auf deinen Instinkt."

Und der befahl ihm jetzt das Schwert zu heben und seinen Gegner anzugreifen, aber ein Gefühl der Unsicherheit hielt ihm noch davon ab.

Farai griff ein paar mal an, nicht ernsthaft, sondern nur um zu testen wie stark sein Gegner war. Er wollte seine Schwächen auszuloten um gegebenenfalls seine eigene Taktik zu ändern. Richie wich geschickt aus, zumeist nach hinten, seltener zu Seite. Farai lächelte herablassend, sein Gegner hatte scheinbar tatsächlich keine Ahnung von Kampf.

„Vertrau dir selbst!" Die Stimme kam von hinten, sie mußte von diesem Adam Pierson stammen. Irgend etwas sträubte sich in Richie ihr zu vertrauen, aber der Sinn der Worte hatte sich bereits in sein Unterbewußtsein geschlichen, und versuchte dort nun den letzten Rest der Vernunft, die ihm noch geblieben war auszuschalten. Richie war es als fiel er in eine Art Trance. Seine Muskeln, seine Handlungen schienen nicht mehr seinem Bewußtsein zu gehorchen, sondern intuitiv von seinen Instinkt geleitet zu werden.

Farai startete wieder einen halbherzigen Angriff. Aber diesmal wich Richie nicht mehr aus. Er parierte mit solcher Kraft, das er damit seinen Gegner aus dem Gleichgewicht bringen konnte. Noch bevor Farai sich von der Überraschung fangen konnte, startete Richie eine Reihe von Angriffstechniken, die seinen Gegner zwangen in die Defensive zu gehen. Er drängte ihn immer weiter zurück. Entdeckte jedesmal eine neue Lücke in seiner Verteidigung und nutzte sie. Es war wie Methos gehofft hatte; Richies Fähigkeiten traten ans Licht, sobald nicht mehr bewußt über seine Handlungen nachdachte.

Wie ein bösartiges Insekt schwirrte Richie’s Schwert um Farai, hieb mal auf die eine Seite, mal auf die andere Seite. Er ließ seinen Gegner keinen Augenblick Zeit, sich zu erholen, eine neue Taktik zu entwickeln oder auch nur einen Gegenangriff zu starten. Farai wurde sich seiner ausweglosen Situation bewußt. Panik verdrängte die kühle Gelassenheit, mit der er den Kampf begonnen hatte. Schweißperlen glänzten auf seiner Stirn und von der anfänglichen Überheblichkeit war nichts mehr in seinen Gesichtszügen zu erkennen.

Richie konnte die Verwirrung seines Gegners geschickt nutzen. Nach ein paar weiteren Angriffen gelang es ihm, nahe genug an ihn heranzukommen. Er wendete einige Techniken an um die Deckung des Gegners zu öffnen und zielte hauptsächlic auf Farais Kopf. Dieser riß sein Schwert hoch um zu parieren und im selben Moment brach Richie die Technik ab und zog die Klinge über die ungeschützte Mitte seines Gegners.

Farai sah ihn fassungslos an. Mit einer Reflexbewegung faßte er mit seiner linken Hand zu der Bauchwunde, dann blickte er an sich hinab und sah sein eigenes Blut zwischen den Fingern hervorquellen. Es schien, als ob ihm die Verletzung erst jetzt bewußt würde. Die Finger der rechten Hang lösten sich vom Schwertgriff und die Waffe fiel auf den Boden. Farai sank langsam in die Knie und fiel schließlich vorne über.

Richie blieb vor Anstrengung keuchend vor dem leblosen Körper stehen. Er drehte sich um und merkte, das Methos hinter ihm stand. Mit einem Male schien Richies Bewußtsein wieder zurückzukehren. Er lockerte den Griff um das Schwert, umfaßte es nur noch mit drei Fingern, als würde er sich davor ekeln. Kurze Sequenzen des eben erlebten blitzten durch seine Erinnerung. Er schüttelte den Kopf, ungläubig über das was passiert war. Ungläubig darüber, was er soeben getan hatte, und vor allem mit welcher Leichtigkeit er es getan hatte. Das erstemal seit er in dieser Klinik war, wünschte er sich nicht zu wissen, wie sein Leben davor ausgesehen haben mag. Zum erstemal hatte er Angst davor. Er streckte den Arm aus und wollte das Schwert Methos zurückgeben.

„Nein, nein." Methos machte keine Anstalten die Waffe anzunehmen. Seine Stimme und seine Augen wurde kalt. „Schlag ihm den Kopf ab."

„WAS?" explodierte Richie. „ Sie sind krank!"

Mit einer einzigen geschmeidigen Bewegung hatte Methos einen Revolver aus seiner Manteltasche gezogen und hielt ihn an Richies Kopf.

„Ich sagte: `Schlag ihm den Kopf ab`!"

Richie schluckte schwer. „Niemals! Sucht euch einen anderen für eure perversen Spiele!"

„Schlag ihm den Kopf ab, oder du hast eine Kugel in deinem eigenen!"

Richie fühlte, wie sich das kühle Metall des Revolverlaufes in seine Schläfe bohrte. Hilflos blickte er sich um und erspähte Joe etwas abseits stehen. Für einen kurzen Moment dachte er, er würde diesem grausamen Spiel ein Ende setzten. Sein Gesichtsausdruck wirkte besorgt, aber auch entschlossen. Von dieser Seite war keine Hilfe zu erwarten. Richies Gedanken kreisten in einem wilden Wirbelwind durcheinander. Die Angst vor der Waffe an seiner Stirn löste sich mit der Angst jemanden zu töten ab. Sein Atem ging heftig und sein Körper fing zu zittern an.

„Ist er es wert, für ihn zu sterben?" wie der Hauch des Todes streifte Methos Atem Richie’s Wange und er zuckte unwillkürlich zusammen.

‚Nein. Er ist es nicht wert.‘ Dachte Richie.

Er hob das Schwert über den Kopf.

Der Lauf der auf ihn gerichteten Waffe folgte den Bewegungen seines Kopfes.

Er zögerte einen Moment.

Der Druck an seiner Schläfe verstärkte sich.

Richie schloß die Augen und ließ das Schwert niedersausen.

Stille.

Ein weißer Nebel quoll in langsamen Wellenbewegungen aus der Leiche heraus, sammelte sich und floß in seine Richtung. Kleine Blitzen zuckten daraus hervor. Zuerst noch ohne Ziel verebbten sie im nichts. Doch auch sie folgten dem Nebelgebilden und trieben in seine Richtung. Sie wurden heftiger, schlugen in nahestehende Büsche ein, und ließen diese in einem Feuerball explodieren. Richie fiel auf die Knie. Heftig hob und senkte sich sein Brustkorb unter dem schweren Atem. Er spürte wie der Druck des Revolverlauf verschwand und unmittelbar darauf traf ihn der erste dieser Blitze. Er schrie, zuerst noch vor Überraschung, dann vor Angst, dann vor Schmerz, dann vor Erstaunen über diese machtvolle Energie, die sich mit jedem Einschlag in ihm ausbreitete. Bilder aus einem fremden Leben flackerten kurz und bedeutungslos durch seinen Kopf, vermischten sich mit vertrauteren Sequenzen, mit Gefühlen und Emotionen, die er einzuordnen kaum im Stande war.

Mein Gott.‘ dachte er voll Panik. ‚So muß es sein wenn man stirbt, und man sieht sein ganzes Leben wie in einem Film." Nur war es nicht sein Leben – oder doch?

Der Nebel verschwand, und mit ihm die Blitze. Irgendwo brannte noch ein Busch oder ein Baum, und verbreitete beißenden Qualm. Vor ihm lag die kopflose Leiche eines Unsterblichen. Richie hob den Kopf und starrte sie an. In seinen Augen lag kein Bedauern. Am Rand seines Blickfeldes nahm er eine Bewegung war und drehte sich um. Er erkannte Methos, der neben ihm in die Hocke ging und ihm beruhigend eine Hand auf die Schulter legte.

Richie stieß erleichtert die Luft aus. „Jetzt weiß ich wieder warum ich dich noch nie leiden konnte!"

Methos grinste breit. „Ja, manchmal muß man dich zu deinem Glück zwingen"

***

Paris,
Flughafen Charles de Gaulle

"Wir werden Mac in London aufsuchen. Das heißt Joe zuerst, und dann erst ich." Richie kicherte leise in sich hinein. "Sonst bekommt er noch einen Herzinfarkt, oder er denkt der Dämon wäre zurück und versucht gleich noch einmal mich einen Kopf kürzer zu machen."

Joe lachte laut heraus und schüttelte den Kopf. Er spähte zu Methos hinüber und fragte sich, ober der alte Mann wußte, daß das Quickening Richie’s Gedächtnis wieder auf die Sprünge helfen würde. Er entschied sich dann aber im Stillen dafür, das selbst einem fünftausend Jahre alten Mythos zuweilen der Zufall zu Hilfe kommt, und ihn wieder um ein kleines Stück weiser macht.

"Drei Jahre sind eine lange Zeit, Richie." Bemerkte Methos sachlich, bemüht sich seine kleine, aber doch vorhandene Besorgnis nicht allzusehr anmerken zu lassen." Etwas Training wäre nicht schlecht…" und beschloß, jeden Zweifel seiner Zuhörer diesbezüglich mit einem trockenen Kommentar sofort wieder zu zerstreuen. "…Obwohl … den Grabstein haben wir ja schon ... und den Sarg auch."

"Ohhhh - ich würde sie verkaufen." beeilte sich Richie. "Second Hand sozusagen - noch nie gebraucht. Also - ich jedenfalls habe keine allzu große Sehnsucht nach dem Ding."

Eine unverbindlich höfliche Stimme tönte blechern durch die große Halle und gab das Boarding für ihren Flug nach London bekannt. Richie wollte sich verabschieden. Er hatte das Gefühl irgendwelche Worte des Dankes oder sonst etwas zu Methos sagen zu müssen, aber statt dessen entstand nur ein langes Schweigen.

„Ach komm schon, Kleiner. Verschwinde und fall‘ dem Schotten auf die Nerven." spie er in gespieltem Ärger aus.

„Versprochen." Konterte Richie.

Amy stellte sich auf die Zehenspitzen und gab Joe einen Abschiedskuß auf die Wange, den er spontan mit einer Umarmung erwiderte. Es war eine unbedachte, instinktive Geste. Sie hatten soeben eine Barriere niedergerissen ohne es zu merken, und nun und als sie beide registrierten, was es für sie bedeutete, entstand ein Moment der Spannung zwischen ihnen. Amy senkte beinahe beschämt den Blick, ebenso wie Joe. Aber nach einiger Zeit entstand dieses verhaltene, ihr zueigene Lächeln auf ihrem Gesicht. Ein Lächeln das aus dem Herzen kam, geboren aus Selbstironie für ihre eigenen gespaltenen Gefühle und einer gewissen Erleichterung, daß Zorn und Enttäuschung ihre fragile Beziehung zu Joe nun nicht mehr so stark beeinflussen würde.

Auch einen langen Weg kann man nur mit einem Schritt nach dem anderen bewältigen.

Sie sah Joe in die Augen, und sah die Hoffnung darin keimen. Sie hatte genug Zeit gehabt um sich klar zu werden, wie sie mit ihren Gefühlen für ihn umgehen sollte. Diesmal würde sie die rauhe Abweisung wie beim letzten Mal nicht benötigen um die Distanz zwischen ihnen wieder herzustellen, die sie damals so dringend gebraucht hatte. Dieses Stück des Weges lag nun hinter ihr.

Richie zog Joe am Ärmel und deutete auf die Anzeigetafel. "Wir sollten langsam gehen."

Joe nickte, und verabschiedete sich von Methos. Als man ihre Flugtickets kontrollierte, blickte er noch einmal zu Amy. Sie stand immer noch dort und beobachtete ihn.

"Scheint vererbbar zu sein." Es klang beinahe wie eine Anklage. Amy sah noch ein letztes Mal auf die Schiebetür, hinter der Joe verschwunden war und drehte sich dann um. Methos hatte die Augenbrauen fragend gehoben und sie erklärte ihm. "Interference, Adam. Die Eide der Beobachter. Alles was das Leben so regelt zwischen Unsterblichen und Beobachtern. Ich befürchte ich gerate in dieser Beziehung ziemlich nach Joe."

"Wenn es die Umstände erfordern werden auch heilige Eide und Schwüre gebrochen."

"Ich nehme an Freundschaft ist ein solcher Umstand."

Methos lächelte.

"Ja, Freundschaft." bestätigte er fast abwesend. Aber es gibt auch noch andere wollte er sagen, aber er schwieg. Sie wußte auch so was er meinte.

 

ENDE