Heimweh
von Christina Özdemir

 

Zugehörigkeit
Highlander - Die Serie

Zeitpunkt 
Während der Episode "Homeland" 

Vorkommende Charaktere
Duncan McLeod  

Disclaimer
"Highlander" sowie alle damit in Verbindung stehenden Namen und Charaktere sind Eigentum von Rysher Entertainment, Davis/Panzer Productions, Inc. Diese Story ist für Fans geschrieben, und ich verdiene keinen Groschen/Pfennig/Euro-Cent daran.

  

Der See lag eingebetet zwischen Berghängen in der Talsenke. Seine Ufer waren von hohen Nadelbäumen gesäumt die einem unvermittelt das Gefühl von Schutz vermittelten. Die Wasseroberfläche des Sees war ruhig. Der leichte Wind, der in kurzen, kaum wahrzunehmenden Böen wehte vermochte nicht mehr als ein Kräuseln des Wassers zu verursachen. Ein Hauch der Leben verhieß in dieser Landschaft, die so reglos, so friedlich wirkte als wäre sie nicht real sondern dem Ölbild eines längst verstorbenen Künstlers der Vergangenheit entsprungen. Nahe am Ufer ragte ein entwurzelter Baum halb aus dem Wasser und berührte mit der Vielzahl seiner laublosen Äste den Kiesboden der Küste. Ein Zeichen der Vergänglichkeit in diesem rauhen Land.

Die Farben, die diese Landschaft prägten waren von einer bestimmten Mattheit durchsetzt. Es fehlte ihnen an Leuchtkraft, an Lebendigkeit. Sie verstärkten die Herbheit dieses Landstrichs und vermittelten den Eindruck als läge eine Patinaschicht über dem Kolorit, die dem Bild ein antikes Aussehen verlieh.  

Duncan sah starr auf den See hinaus. Er fragte sich ob seine Eindrücke tatsächlich die Wirklichkeit widerspiegelten, ob sie von einem fremden Besucher genauso empfunden würden, oder ob die Erinnerungen die ihn mit diesem Land verbanden dazu verleiteten Dinge zu sehen, die so gar nicht existierten.  Er drehte den alten breiten Armreif in der Hand, blickte versonnen von Zeit zu Zeit darauf und musterte ihn dann, als sähe er ihn zum ersten Mal. Er bemühte sich ein Gefühl aus seinem Inneren heraufzubeschwören, von dem er vor noch einigen Stunden hätte schwören können er hätte es längst vergessen. Aber das stimmte nicht. Er kannte es, liebt es, vermißte es all die Jahrhunderte lang, die er über den Erdenball gewandert war. Nicht die Überzahl der gemeisterten Abenteuer, nicht der stechend scharfe Schmerz der zahllosen Enttäuschungen, noch das Glück seiner Lieben konnten das Wissen um die Gefühle seiner Jugend auslöschen. Er sehnte sich nach dieser Naivität, die ihm in diesen frühen Tagen zueigen war. Nach den klaren Linien zwischen Gut und Böse, Richtig und Falsch. Die Welt war damals klein, überschaubar und das hatte nichts mit der Abgeschiedenheit seiner Heimat zu tun. Es beruhte darauf, das er das Leben in all seinen Facetten nicht kannte – nein – genauer noch nicht einmal eine leise Ahnung davon hatte welche Abgründe und schwindelerregende Höhen es für ihn bereithielt. Wie einfach erschien ihm damals sein Leben.

 Aber dieser Abschnitt in seinem Leben wurde jäh beendet. Er stürzte in sich zusammen wie ein Kartenhaus und sandte ihn in eine Hölle aus Schmerz, Schlud und Einsamkeit. Duncan kniff die Lippen zusammen. „Dieser Armreif hat etwas mit mir gemeinsam. Er hat die Jahrhunderte überdauert. Einige Schrammen und Unebenheiten sind alles was daran erinnern. Aber er hat seine Bedeutung verloren. Wer kann schon ermessen was er jenen wert war, die ihn besaßen. Sein wahrer Wert wurde begraben – mit den Menschen deren Eigentum er war. Heute ist er bloß ein Stück Metall und Stein in einer harmonischen Form.“

Er steckte den Armreif in die Innentasche seiner Jacke. Der Versuch war gescheitert. Er konnte nicht das Glück seiner Jugend in sich wachrufen sondern nur den Schmerz über dessen Verlust. Wütend griff er sich einen kleinen Stein aus dem Schotter des Ufers und warf ihn mit aller Kraft hinaus auf den See. Mit Spannung wartete er darauf, das sein Wurfgeschoß auf die Wasseroberfläche traf, und damit den Frieden zerstörte, der sich so trügerisch über diese Landschaft ausgebreitet hatte.

 Der kleine Stein versank mit einem kaum wahrnehmbaren Geräusch im See, einige Wassertropfen spritzen hoch, und sanfte Wellen breiteten sich ringförmig von der Stelle aus. Dann war wieder alles still, alles harmonisch, als hätte nie etwas die Ruhe dieses Bildes gestört.

 „Es ist wie die Heilungskräfte eines Unsterblichen“ schoß es Duncan durch den Kopf „Kaum tritt eine Verletzung auf, so heilt sie sofort wieder, als sei nie etwas geschehen.“

 Aber genauso, wie der Stein im See versank, so brannten sich die Erlebnisse in die Erinnerungen. Mögen die äußeren Verletzungen auch heilen und die Illusion erzeugen, unverwundbar zu sein, tief in seinem Inneren brannten die Wunden weiter. Er konnte den Schmerz ignorieren indem er eintauchte in die hektische, mit Reizen überladene Welt der modernen Großstädte. Er konnte ihn auch verjagen, indem man sich bewußt anderer, schönerer Erinnerungen bediente. Der Schmerz aber blieb, wartete auf seine Gelegenheit wieder an die Oberfläche des Bewußtseins steigen zu können um dann, in einem ruhigen Moment, indem er eigentlich etwas anderes erwartete genauso überraschend wie ungewollt sich wieder mit frischer Intensität bemerkbar zu machen.

 Es gab so viel, daß Duncan mit diesem Stück Erde verband, so viel, daß ihm unendlich viel bedeutete. Aber all dies war tief begraben unter den abertausend Erinnerungen, die er im Laufe der Jahrhunderte gesammtelt hatte. Wie der kleine Stein, der nun am Grund ruht, bedeckt von den Wassern des Loch Shiel.

 Ende