Heilige Kriege

Von Christina Özdemir coezdemir@cso.at

 

Zugehörigkeit

Highlander - Die Serie

Zeitpunkt 

Vor der Episode "Methos"

Vorkommende Charaktere

Methos

Kronos

Kurzbeschreibung

Gegenwart: Athena, eine alte Feindin von Kronos versucht diesen zu finden und entdeckt durch Zufall Methos. Kronos ist als Waffendealer im Nahen Osten unterwegs. Er plant gerade einen Handel mit biologischen Waffen als Athena ihn aufspüren kann. Es kommt zum Kampf…

Vergangenheit: Sowohl Methos als auch Kronos befinden sich im christlichen Heer, das im ersten Kreuzzug (1098) die islamische Stadt Antiochia belagert. Kronos versucht Methos für seinen Plan die Stadt zu beherrschen zu gewinnen. Methos lenkt scheinbar ein und schmiedet Pläne…

 

Vorwort

Verzeiht mir bitte alle Rechtschreib- und Tippfehler, ich habe leider nur eine englische Rechtschreibprüfung.

Um einige geschichtliche Fakten in der Story sofort verständlich zu machen habe ich Fußnoten benutzt, die sich am Ende der Story befinden.

Konstruktive Kritik ist mir willkommen, von Lobesgesängen kann ich sowieso nie genug bekommen ?

Wer allerdings glaubt mich und/oder meine Geschichte durch den Schlamm ziehen zu müssen, der wird geflissentlich ignoriert.

 

Disclaimer

"Highlander" sowie alle damit in Verbindung stehenden Namen und Charaktere sind Eigentum von Rysher Entertainment, Davis/Panzer Productions, Inc. Diese Story ist für Fans geschrieben, und ich verdiene keinen Groschen/Pfennig/Euro-Cent daran.

 

Quellen

Geschichte der Kreuzzüge, Steven Runciman

Die Kreuzzüge, Robert Payne

Die Assassinen, Bernard Lewis

Der heilige Krieg der Barbaren, Amin Maalouf

The Alexiad of Anna Comnena

 

Danksagungen

Fürs Betalesen: Rhiannon und Court Jester

Für die erste Veröffentlichung: Court Jester auf ihrer absolut schönen Schottland-Page www.come.to/Homeland

Für die Ermutigung weiterzuschreiben und wunderbare Lobgesänge: Die Mitglieder der absolut irren Mailingliste der "Immortals".

 

 

Marokko

In der Nähe von Casablanca, November 1994

 

 

"Mustafa, finde Kronos für mich?"

Athena lehnte in einen bequemen Feuteille, das Handy in der einen, die Fernbedienung für die Audio-Video-Anlage in der anderen Hand. Auf dem TV-Schirm vor Ihr das etwas unscharfe Standbild eines Mannes.

"Wen??" tönte es aus dem Hörer.

"Kronos, verdammt ich weiß nicht wie er sich jetzt nennt. Eine Narbe ziert seine gesamte rechte Gesichtshälfte. Alter um die 4000. Momentaner Aufenthaltsort: West Jordan Land. "

"Puhh 4000 Jahre. Wir sollten Aufzeichnungen über Ihn haben."

"Nun ja das solltet ihr tatsächlich. Suche unter folgendem: 1098, Rorik, Berater des Bohemund von Trahent, erster Kreuzzug, Eroberung von Antiochia. Der einzige andere Namen den ich noch kenne ist Ghregore Teodorescu, Kronstadt 1476. Suche überall dort wo besonders schmutzige Kriege geführt wurden und grausame Tyrannen geherrscht haben. Schicke mir die Akte von Caspian, und die Updates auf Methos und Silas. Verwende bitte den Provider in Auckland."

"OK. Bis wann?"

"Vorgestern!! Mus, das ist wichtig. Tu bitte dein Möglichstes."

Athena beendete die Verbindung und legte das Handy zur Seite. In Gedanken versunken starrte sie auf den Bildschirm. Er zeigte einen Mann Ende Zwanzig mit einer dünnen roten Narbe, die sich über die rechte Stirn bis zur Wange zog. Geistesabwesend drückte sie die Play-taste, und das Bild wurde schärfer, bewegte sich: Ein selbstsicheres, berechnendes Grinsen breitete sich über dieses Gesicht aus.

 

 

Antiochia (heutiges Antakia, Türkei),

Oktober 1097, 1 Kreuzzug

Antiochia war die größte und reichste Stadt an der palästinensischen Küste. Einst gehörte sie zu den drei größten Städten im römischen Reich. Und selbst im asiatischen Raum konnte es kaum ein anderes Zentrum mir ihr aufnehmen.

Die Befestigungsmauern zogen sich kilometerweit um die Stadt und reichten bis zum Gipfel des nahen Berges Silpius. Vierhundert Wachtürme wurden entlang dieser Mauern erbaut. Von ihnen aus konnte man jeden einzelnen Stadtteil überwachen, und von den höhergelegenen war es möglich bis zu der kleinen Hafenstadt St. Simeon zu blicken, die sich beinahe zwanzig Kilometer von Antiochia entfernt befand.

Vor zwei Wochen hatte das Kreuzfahrerheer der Christen mit der Belagerung begonnen. Jagi Sijan, der Kommandant Antiochias war sich der Stärke des Gegners sehr wohl bewußt, und auch der gefährlichsten Waffe, die dieser benutzen würde.

Eine Stadt wie Antiochia konnte man nicht einnehmen. Sie aushungern zu wollen, würde eine Belagerung von mindestens zwei Jahren, wahrscheinlich länger bedeuten. Ein Zeitraum, indem die Belagerer selbst mit Versorgungsproblemen zu kämpfen haben würden. Aber es gab einen entscheidenden Nachteil, der diese momentane Situation so gefährlich machte. Antiochia war zu einem großen Teil von Christen bewohnt. Und obwohl sich Jagi Sijan deren Loyalität gewiß sein konnte, so war der Verrat von innen – vor allem nach einer langen Belagerung – die größte Gefahr, und die einzige die Antiochia zu Fall bringen konnte.

 

*

 

Der Empfangsraum des Jagi Sijan war eine große Halle und hatte eine Galerie aus Holz. Die Fenster, die sich entlang dieser Galerie erstreckten waren rechteckige, mit einem feinen Holzgitter verzierte Auslässe, und ließen auf Räume dahinter schließen. Es war eine praktische Einrichtungen um die Ereignisse in der Halle belauschen zu können. So war es dem Kommandanten selbst möglich seinen Stellvertretern die täglichen Geschäfte zu überlassen, ohne Gefahr zu laufen, daß diese nicht in seinem Sinne handeln würden. Schließlich konnten sie sich niemals seiner tatsächlichen Abwesenheit sicher sein.

Athena stand hinter einem solchen Fenster und beobachtete durch das geschnitzte Holzgitter die Halle. Jagi Sijan hatte ihr befohlen, sich den Text, den er seinem Schreiber diktierte einzuprägen, um ihn jederzeit wieder zu Papier bringen zu können, sollte dieses wertvolle Schriftstück verloren gehen.

Als er mit dem Diktat geendet hatte nickte er ihr kaum merklich zu. Athena verließ den Raum und macht sich auf den Weg in die Empfangshalle.

Jagi unterschrieb soeben das Schriftstück, und ein Diener rollte das Pergament zusammen und befestigte das Ende mit Wachs. Der Kommandant nahm nun den Siegelstempel und drückte ihn in das noch weiche Wachs. Ohne von seiner Arbeit aufzusehen sprach er mit Athena.

"Überbringt diese Botschaft dem Atabeg von Mosul. Fatma, ihr müßt ihn davon überzeugen, wie brisant diese Situation hier ist. Das feindliche Heer ist groß, gut ausgerüstet und ihre Anführer sind erfahrene Krieger. Ich brauche die Unterstützung der Emire und Fürsten, ihre Heerscharen. Die Bevölkerung muß erkennen können, daß unsere Armeen stark genug sind Antiochia zu halten, sonst läuft diese Stadt Gefahr durch Verrat erobert zu werden. Verkleidet euch als armenische Marktfrau, und verläßt die Stadt durch das St. Georgstor und geht auf der Hafenstraße nach St. Simeon. Dieser Bereich wird noch von uns überwacht, aber es ist nur eine Frage der Zeit wie lange wir uns diese Versorgungsstraße noch offen halten können. Auf der halben Strecke wird man mit einem Pferd auf euch warten."

"Herr, ihr solltet meinen Herren davon unterrichten, er hat mehr Macht als die Emire."

"Ja, aber er hat keine Armeen. Seine Macht ist noch nicht bis zu den Christen durchgedrungen. Ich brauche die Armeen, um Macht demonstrieren zu können und keine Gerüchte über Attentäter."

Damit übergab er ihr die Pergamentrolle. Sie war entlassen. Athena neigte leicht den Kopf zum Gruß, und verließ, rückwärts schreitend den Raum.

Sie hatte beschlossen einen großen Langbogen, und ein schmales, kurzes Schwert als Waffe mitzunehmen. Zum einem hatte der Langbogen die Macht die von den Christen benutzten Kettenhemden zu durchschlagen, zum anderen verwendete der Feind hauptsächlich normannische Breitschwerter, die oft vier, fünf Kilo oder mehr wogen. Diese mußten mit zwei Händen gehalten werden und konnten nicht als Stichwaffe benutzt werden. Das kleine Schwert hingegen war leicht und hatte eine schmal zulaufende Spitze. Wollte sie auch nur den Funken einer Chance haben, so mußte sie auf ihre Geschicklichkeit und die erstklassige Qualität der Damaszener Klinge setzen.

Athena hüllte sich in lange, ärmlich aussehende Kleidung, und zog einen dunklen Schleier tief ins Gesicht. Auf ihren Rücken trug sie eine große Butte in der sich einige, nicht allzu wertvolle Stoffballen lagen. Das beste Versteck für den Langbogen.

Wie Jagi Sijan ihr gesagt hatte waren vor dem St.-Georgstor noch keine Kreuzfahrer postiert, und auch in weiteren Umkreis der Straße nach St. Simeon, waren keine Truppen zu bemerken. Sie machte sich auf den Weg.

Um keine Aufmerksamkeit zu erregen, verließ sie die Stadt in den Morgenstunden, legte aber, sobald sie außerhalb der Sichtweite der Torposten war, eine Rast ein. Sie beschloß erst in der Abenddämmerung zu dem vereinbarten Treffpunkt zu gehen.

Hatte sie einmal das Pferd galt es hinter die feindlichen Linien zu gelangen, und das wollte sie im Schutz der Dunkelheit bewerkstelligen.

 

*

 

Bis jetzt verlief alles zu ihrer Zufriedenheit.

Die Männer hatten mit dem Pferd auf sie gewartet. Sie hatte augenblicklich die Straße verlassen und versuchte nun südwärts nach Damaskus zu kommen. Die Sonne ging gerade unter, als sie in der Ferne die Lager der Kreuzritter ausmachen konnte. Diese Ruhe, die den Sonnenuntergang begleitete machte Athena nervös. Es war zu ruhig. Ihre Instinkte sandten Warnsignale aus, doch sie wußte nicht wie sie sie einordnen sollte. Athena zügelte den Hengst und lies ihn in langsamerer Ganart weitertraben. Sie holte den Langbogen, den sie unter die Halterung der Steigbügel befestigt hatte ein wenig weiter hervor, um ihn im Notfall schneller bei der Hand zu haben.

Und plötzlich spürte sie es. Ein Kribbeln, daß den Körper erfaßte, das Summen in den Ohren. Einer anderer war hier. Blitzschnell holte sie das Schwert aus der Hülle an ihrem Rücken. Der Hengst fing nun ebenfalls an unruhig zu werden, auch er konnte nun den anderen wittern. Athena suchte die Gegend ab. Es gab hier Dutzende von Felsbrocken, hinter denen man sich leicht verstecken konnte.

Sie hielt ihr Pferd an. Wenn dieser Unsterbliche sie zum Kampf fordern wollte, würde er es tun.

Und so mußte sie auch nicht allzulange warten. Ein großer Mann kam auf sie zu, unverkennbar in Kettenhemd mit dem roten Kreuz der bewaffneten Pilger auf der Schulter. Ein dunkelroter Umhang fiel lose von seinen Schultern. Einige Meter vor ihrem Pferd blieb er stehen.

"Nun seht Euch einer an, welch lieblichen Blumen man im heiligen Land begegnet."
Er deutete eine spöttische Verbeugung an.

Athena erkannte ihn sofort. Diese Stimme, dieses Gesicht würde sie immer und überall erkennen.

Ein wohlvertrautes Gefühl bemächtigte sich ihrer, es war als ob ihr jemand Mund und Nase zuhielt und die Luft zum Atmen nahm. Vergeblich versuchte sie ihre Atmung, die aus unkontrollierten Ein- und Ausatmen bestand, wieder in den Griff zu bekommen.

Angst.

Und diese erregende Mischung aus Vorfreude und Lust am Kampf.

Dieses Gefühl, das jegliche Vernunft besiegte.

Diese pure Lust daran sich mit dem Gegner zu messen, ganz gleich wie stark er war.

Die erregende Ungewißheit Sieger oder Verlierer zu sein, und dieses drängende Bedürfnis es herausfinden zu wollen.

Und Rache.

Den Beweis erbringen, daß der Sieger noch nicht feststand, der Krieg nicht entschieden war.

Für Dinge die schon so lange zurücklagen, und doch niemals in Vergessenheit geraten würden.

Mit einemmal war die Angst weg.

Jede Faser ihres Körper war angespannt. Ein Lächeln breitete sich auf ihrem Gesicht aus.

 

"Kronos? Ihr lebt? Hat euch der Teufel noch nicht geholt?"

Sie trieb ihr Pferd an und trabte auf ihn zu. Das letzte, das sie sich nun erlauben wollte, war den Anschein von Unsicherheit zu zeigen.

Nicht vor ihm.

Niemals.

Er lächelte sie sarkastisch an.

"Meine Liebe. Der Teufel kann mich nicht holen. Ihr wißt, ich bin der Teufel!"

Athena ließ ihr Tier einen Kreis um Kronos gehen, in der Hoffnung er würde sie im Auge behalten wollen, und sich um die eigene Achse drehen. Dies war eine Taktik die sie gelernt hatte, sie sollte den Gegner dazu bewegen unbewußt in die Defensive zu geraten, sich nach ihr richten zu müssen, zu akzeptieren, daß sie in dieser Situation die Oberhand hatte.

"Sehnsucht nach der alten Heimat, Kronos?"

Er tat ihr diesen Gefallen nicht sondern blieb stehen und bewegte noch nicht einmal den Kopf.

"Nein, Sehnsucht nach dem Blut."

"Nach meinem Blut?"

"Und eurem Kopf. Seid ihr bereit, oder wollt ihr weiterhin im Kreise reiten?"

"Seid ihr deswegen gekommen? Um meinen Kopf zu fordern? Oder folgt ihr dem Ruf der Christenkirche in den heiligen Krieg. Ihr wußtet gar nicht wo ich mich in den letzten Jahren aufgehalten habe?"

Kronos bog den Kopf nach hinten und lachte lauthals heraus. Dann, von einer Sekunde zur anderen wurde er sehr still und sah sie mit einem kalten Glitzern in den Augen an. Mit einer gefährlich leisen Stimme sagte er:

"Ihr ward einige Zeit in Europa. Irland, England bei den Franken, Dänen, Norwegern. Aber einer so sensiblen Natur wie Euch hat das rauhe Wetter in Europa nicht geschmeckt. Ihr seid zurück nach Persien. Haschaschinen* ?   FN 1 Hab ich recht?"

Athena stieg ab und gab den Pferd einen kleinen Klaps, damit es aus der Reichweite Kronos hinaustraben konnte. Ein Gefühl der Unsicherheit überfiel sie. Woher hatte er diese Informationen? Nein, das hatte er beabsichtigt. Das durfte sie nicht zulassen. Sie entledigte sich ihres Umhangs und zog sich ein Paar Handschuhe an. Eine Spezialanfertigung; sie waren in den Handflächen verstärkt und abgesteppt, so daß man mit ihnen ohne weiters die Klinge eines Schwertes umfassen konnte um es wie einen Stock zu benutzen.

"Ihr habt recht. Während ihr das Blut Unschuldiger geleckt habt, habe ich gelernt."

"Was habt Ihr gelernt? Wie man Kehlen aufschlitzt, Attentate verübt?"

Sie lachte mitleidig. "Ich übe dort mehr Macht aus als ihr es mit euren Reitern je vermocht habt. Ich töte keine Unschuldigen. Die Haschaschinen kennen mein Geheimnis. Sie wissen, daß ich nicht umzubringen bin." Damit richtete sie ihre Klinge auf ihn.

"Soll ich es euch beweisen, Kronos?"

Er hingegen stützte sich lässig, mit beiden Händen auf sein Schwert. Betont unbeschwert lächelte er sie an.

"Na das ist aber ein nettes kleines Messer, was wollt ihr damit? Äpfel schälen?"

Athena deutete einen spöttischen Hofknicks an. Der Kampf konnte beginnen. Die beiden begannen sich zu umkreisen. Athena wußte, daß Kronos nicht nur stärker und ausdauernder war als sie, sondern auch der taktisch bessere Kämpfer. Sie konnte sich nur auf ihre Geschicklichkeit verlassen, und auf das Aufspüren seiner Schwächen. Eines war das Breitschwert. Selbst für einen starken Mann wie ihn eine sehr klobige Waffe. Er würde sie nicht lange mit nur einer Hand schwingen können.

Wenn sie es geschickt anstellten, und etwas Glück hatte , konnte es ihr gelingen ihn zu ermüden.

Athena beschloß defensiv zu bleiben, ihn zu Angriffen zu verleiten, während sie nur seinen Schlägen ausweichen und die Kraft in ihren Armen schonen wollte.

"Na was ist Mädchen? Wollt Ihr mit mir einen Bauchtanz aufführen?"

Kronos machte einen Ausfallschritt ohne jedoch sein Schwert zu heben, und augenblicklich wich Athena zurück. Er setzte nach, diesmal mit einem Schwerthieb. Sie wich wieder im letzten Augenblick nach hinten aus. Seine Schwertspitze donnerte zu Boden. Es kostete ihm Kraft, einerseits den Schwung ins Leere abzufangen, andererseits, die Waffe wieder in Position zu bringen. Athenas Taktik schien aufzugehen.

Wieder umkreisten sie sich wie kampfbereite Tiger. Athena versuchte nun einen Trick, sie täuschte einen Angriff vor, indem sie den Oberkörper ruckartig nach vorne schob, gleichzeitig aber wieder einen Schritt nach hinten machte. Er fiel darauf herein, holte aus und schlug zu. Wieder ging der Schlag ins Leere.

Wut stieg in ihm hoch. Er stürzte sich nach vorne und schlug kraftvoll nacheinander zu. Athena konnte ihm jedesmal ausweichen. Sie erkannte nun die Geschwindigkeit, mit der Kronos dieses Breitschwert führen konnte. Und das war erschreckend schnell. Er drängte sie immer weiter zurück in ein Terrain das Athena nicht mehr kannte, sie hatte Angst zu stolpern oder gegen ein Hindernis zu stoßen. Sie mußte nun anfangen sich zu verteidigen.

Den letzten Schlag parierte sie nicht indem nicht nach hinten auswich , sondern zur Seite sprang und sich einmal um die Achse drehte. Diese Bewegung brachte nun ihr kurzes Schwert in die Reichweite von Kronos. Noch während sich ihr Körper drehte hob sie es an und schlug zu.

Doch er erkannte zu früh ihre Taktik. Der Schlag traf ihm zwar ins Gesicht, hinterließ aber nicht mehr als eine kleine Schramme. Athena trat zwei Schritte zurück, um wieder außerhalb der Reichweite seines Schwertes zu kommen. Triumphierend lächelte sie ihn an.

"Ach Kronos, das sieht nun aber viel hübscher aus. Eure Narbe und nun meine kleine Verzierung auf der anderen Wange. Hat euer Prophet nicht gesagt. Wenn ihr geschlagen werdet, so haltet auch die andere Wange hin?"

Kronos lächelte nur milde, erwiderte aber nichts. Er hatte sie durchschaut. Sie hatte ihn in Wut versetzt, und er war daraufhin unvorsichtig geworden. Das würde ihm nicht noch einmal passieren. Wenn er diesen Fehler nicht noch einmal machte würde ihr kurzes Schwert es ihr nicht erlauben, ihm nahe genug zu kommen um ihn zu verletzen.

Kronos startete nun eine schnelle Attacke nach der anderen, er benutze ihre Taktik um sie zu ermüden. Unaufhaltsam führte er einem kraftvollen Angriff nach dem anderen aus. Mit tiefer Befriedigung erkannte er das seine Gegnerin zu ermüden begann.

Athena hatte Mühe den Schlägen auszuweichen, zu schnell, zu präzise wurden sie ausgeführt. Schlußendlich blieb ihr nichts anderes mehr übrig, als ihr Schwert beim Heft mit der einen Hand und an der Schneide mit der anderen Hand zu nehmen, um es wie ein Schild zu benutzen damit sie die Schläge Kronos abwehren konnte. Doch damit hatte sie sich vollends in die Defensive treiben lassen. Ihre Kraft würde nur für die Abwehr ein paar weniger dieser Attacken reichen.

Kronos hingegen spürte mit Genugtuung ihr Ermüden, er schlug weiterhin mit voller Kraft zu. Athenas Arme fingen vor Anstrengung zu zittern an. Für die Abwehr des letzten Schlages hatte sie nicht mehr genügend Kraft. Die eine Hand, mit der sie die Schneide des Schwertes hielt, gab nach. Kronos Schwert glitt an der Schneide des ihren ab und verletzte sie tief am Unterarm. Doch Athena konnte noch schnell genug reagieren. Sie packte sein Schwert an der Spitze und zog es mit aller Kraft - während sie sich zu Boden fallen ließ - zu sich.

Kronos verlor für einen kleinen Augenblick das Gleichgewicht und schwankte mit dem Oberkörper nach vorne. Diese Unachtsamkeit benutzte sie und stieß, selbst am Boden liegend ihre schlanke Klinge in seinen Oberkörper.

Er gab einen erstickten Laut von sich, und schwankte Weiter nach vorn. Doch Athenas Schwert hatte sich in den Gliedern seines Kettenhemdes verhakt. Sie vermochte es nicht mehr herausziehen, hatte aber, in ihrer jetzigen Lage auch nicht mehr die Kraft es ihm noch weiter in den Leib zu stoßen. Mit einem kurzen Ruck brachte sie ihn vollends aus dem Gleichgewicht, und sie konnte sich gerade noch mit letzter Kraft zur Seite zu rollen, bevor Kronos massiger Körper sie begraben konnte.

Schnell versuchte sie auf die Beine zu kommen und sein Breitschwert an sich zu nehmen. Kronos fiel glücklicherweise so ungünstig, das sich ihr Schwert noch ein wenig tiefer in seinen Körper grub.

Athena hob das Breitschwert, um den alles beendenden Schlag auszuführen. Doch dann hielt sie inne. Man würde das Licht und die Blitze, hier in der Wüste kilometerweit sehen. Die Truppen der Kreuzritter würden auf sie aufmerksam werden – genau in dem Augenblick, da sie am verwundbarsten war.

"Verdammt!!"

Frustriert trat sie ihm in die Seite.

"Verdammt Kronos, wir sehen uns wieder."

 

 

Paris 1994

Europeans Watcher Headquarter

 

Mustafa-al Assis wartete beim Pfortnerhaus als das blaue BMW-Cabriolett einbog. Er gab dem Pförtner ein Zeichen und stieg auf der Beifahrerseite ein.

"Schön dich zu sehen, so in einem Stück"

Athena lächelte ihn an. "Schön auch dich zu sehen. Mus. War es schwer mich da hinein zu bekommen"

"Naja, sagen wir mal es war nicht leicht sie davon zu überzeugen, daß ich einen externen Spezialisten für altertümliche Schriften brauche."

"Wird man mich nicht erkennen?"

Er sah sie genauer an. Sie hatte ihr Haar mit einem modisches Tuch bedeckt, das im Nacken verknotet war. Ihre Augen waren hinter einer Sonnenbrille versteckt. Nun, da sie in einem Cabrio saß, war das nicht weiter auffällig, und anhand der Kameraaufnahmen würde man sie nicht identifizieren können. Außerdem interessierte sich sowieso niemand für Athena. Mustafa sorgte schon dafür.

"Nein, keiner interessiert sich für dich. Deine letzte Quickening liegt mehr als hundert Jahre zurück. Kein anderer noch lebender Beobachter hat dich je gesehen. Du bist einfach nicht spannend genug."

Athena neigte in gespielter Enttäuschung den Kopf.

"Nett! Nun das wird sich schon sehr bald ändern. Mus, die Akten, die du mir geschickt hast stimmen nicht mit den Aufzeichnungen die ich noch von früher hatte überein."

"Von wieviel früher?"

" Jahrhundertwende. Methos-Akte. Jemand hat sie abgeändert."

"Wir haben vor 10 Jahren auf EDV umgestellt, möglicherweise ist …."

"Nein, keine Eingabefehler. Es fehlen Personen, Daten, Quickenings. Jemand versucht da einige Personen säuberlich aus dieser Akte heraus zu halten. Wer bearbeitet die Datenbank? "

"Adam Pierson."

"Vertrauenswürdig?"

"Ich denke schon. Ein ruhiger Charakter."

"Ich will mir die schriftlichen Aufzeichnungen in der Bibliothek ansehen. Hast du Zugang dazu?"

"Ja."

 

*

 

Athena pustete theatralisch die dicke Staubschicht von dem Buch.

"Sag mal seht ihr eigentlich auch noch hin und wieder einmal nach was man in den Jahrhunderten vor Bill Gates geschrieben hat."

"Nein, es ist alles in der Datenbank."

"Wer sagt das?"

"Es wurde zweimal überprüft."

"Und wenn jemand anfängt zu löschen?"

"Die Daten sind gesperrt. Niemand hat die Berechtigung sie zu löschen oder zu verändern."

"Nun Berechtigungen kann man ändern. Da sieh her."

Athena hatte ein altes Buch aufgeschlagen und zeigte Mustafa.

"Athena, das ist lateinisch!"

"Ja, das ist es. Und du solltest es als Beobachter beherrschen. Das hier ist eine der ersten Methos-Akten. Sie wurde im Jahr 1096 angelegt. Ursprünglich war sie als Kreuzzugs-Chronik gedacht. Damals gab es die Beobachter in diesem Stil eigentlich nicht. Aber es gab neugierige Mönche, und einen unvorsichtigen Methos. Siehst du hier den Eintrag über Kronos. Er wird nicht als Unsterblicher erwähnt, aber das ist hier noch egal. In diesem Buch gibt es den Eintrag, in der Datenbank nicht."

"Nun, wenn er nicht als Unsterblicher vermerkt ist, dann hat man es sicher nicht für wichtig genug gehalten, diesen Eintrag in die Datenbank zu übernehmen."

Athena sah ihn skeptisch an. "Komm schon, für euch ist auch ein Mäusefurz wichtig. Nein, in der Methos-Akte gibt es an keiner Stelle einen Querverweis zu Kronos, Silas, oder Caspian. Seltsamerweise wird in meiner eigenen Akte aber im 13 Jahrhundert sehr wohl ein Verweis auf Kronos und Methos gemacht. Wir haben uns damals getroffen. Drei Unsterbliche auf weniger als zwei Quadratmetern. In meiner Akte ist ein Verweis, in Methos Akte nicht. Und von Kronos gibt es auf einmal keine Akte mehr. Ich weiß aber aus sehr zuverlässiger Quelle, das sie existiert. Da ist was faul im Staate Dänemark. "

Athena legte das alte Buch wieder sorgfältig zurück und suchte weiter.

"Mus, bring mir mal eine Leiter."

Sie kletterte die Leiter hinauf und holte ein dünnes Buch aus der obersten Reihe der Regale. Wortlos entfernte sie den Staub, stieg wieder von der Leiter und gab es ihrem Beobachter. Es war ein dünnes, in dunkelrotes Leder gebundenes Buch und auf dessen Deckel stand in großen altdeutschen Buchstaben der Name KRONOS.

 

*

 

Mustafas Büro war ein verhältnismäßig kleiner Raum, indem allerdings alles durcheinander lag. Bücher lagen verstreut über Schreibtisch, Kästen und Boden. Alte gelochte Computerausdrucke lagen gestapelt, oder auch in einer endlos langen Schlange ausgebreitet am Boden, handschriftliche Unterlagen bedeckten die Schreibtischoberfläche und die Pin-Up Wand war übersät mit kleinen, selbsthaftenden gelben Zetteln, auf denen alles mögliche notiert war. Irgendwo aus diesem Schlachtfeld ragte eine braun gewordene Pflanze mahnend und anklagend hervor.

Athena sah sich skeptisch um.

"Mus, wirklich, wenn du Informationen brauchst, dann ruf mich doch bitte an!"

"Bitte!" Mustafa sah sie einen Augenblick verwirrt an. "Oh! Nein. Das ist nicht über dich. Ich habe mir noch einen zweiten Immie gesucht. Sei mir bitte nicht böse, aber dich zu beobachten ist gelinde gesagt besser als jedes Schlafmittel."

Athena beschloß das zu überhören und setzte sich zum PC. Mustafa beugte sich über ihre Schulter, ergriff die Maus, wechselte geschickt zum Keyboard, dann wieder zur Maus. "So jetzt bist du eingeloggt."

Athena rief einige Akten ab, von denen sie wußte, daß ein Querverweis in der Methos-Akte zu finden sein mußte. Aber alle schienen in Ordnung zu sein. Bis auf die drei Akten. Gedankenverloren murmelte sie:

"So,so, jemand versucht also die Existenz der Reiter zu vertuschen."

"Was?" Mustafa stand noch immer hinter ihr und war ihren Nachforschungen aufmerksam gefolgt. Athena war sich dessen nicht bewußt gewesen und blickte sich ein wenig überrascht um.

"Nichts, Mustafa. Ich habe gesehen, was ich sehen wollte. Wir können nun fahren.

Nachdem Mustafa seinen PC abgeschaltet und sein Büro verschlossen hatte, wandten sich Athena nochmals an ihn.

"Mustafa, warte, kannst du mir noch schnell die Akte von Adam Pierson auf Diskette sichern."

Er schob den Schlüssel, den er gerade in die Jackentasche stecken wollte nochmals heraus und schob ihn ins Schloß. Gerade als er die Tür aufsperren wollte legte sich Athenas Hand auf die seine.

"Nicht jetzt. Morgen. Verschwinden wir lieber von hier."

 

*

 

Am Gang gleich hinter Mustafa-al-Assis Büro drückte sich ein Mann an die Wand. Sein Atem ging schnell, und der Blick wirkte auf einmal gehetzt, der hastige Griff in seinen Mantel verebbte im Leeren.

Nachdem er sich gefangen hatte lief er schnell in die entgegengesetzte Richtung.

In seinem Büro angekommen schob er vorsichtig die Vorhänge zur Seite und sah gerade noch wie Athena und Mustafa ins Auto einstiegen.

Leise murmelte er:

"So, bist du also aus deinem Sandloch hervorgekrochen und direkt in die Höhle des Löwen gegangen."

 

 

Antiochia

Ende Mai 1098

 

Noch vor Weihnachten gelang es den Kreuzfahrern die Hafenstadt St. Symeon in ihre Kotrolle zu bringen, und somit die dringend notwendige Versorgung des Heeres mit Lebensmitteln zu gewährleisten. Dennoch waren die, bei Beginn der Belagerung noch reichlich vorhandenen Nahrungsmittel bald aufgebraucht. Überfälle der Türken und das schleppende Eintreffen der Schiffe verschlechterten die Lage noch. Im Jänner 1098 brach dann eine Hungersnot aus. Das Kreuzfahrerheer wurde beständig von zu Hilfe eilenden Truppen aus Damaskus und Aleppo bedrängt, und obgleich es ihnen jedesmal gelang diese Truppen zurückzuschlagen, machte sich Verzweiflung breit. Die Temperaturen fielen, es regnete wochenlang, ein starkes Erdbeben verängstige die Truppen, und als an eben diesem Tag auch noch Nordlichter über den Nachthimmel flackerten waren sich die Christen gewiß, Gott strafe sie für ihren Hochmut.

Die Wochen die danach folgten waren eine schwere Prüfung. Immer mehr Männer desertierten und die kleine Truppe des byzantinischen Kaisers verließ das Kreuzfahrerheer. Im März dann entspannte sich die Lage etwas. Aus England kam ein Schiff mit englischen und italienischen Truppen an. Bei einem Scharmützel gelang es einem der christlichen Fürsten beinahe Antiochia zu stürmen.

Schließlich konnte Bohemund von Tarent, einer der stärksten Anführer der Christen, auch das noch immer offene St. Georgstor besetzen. Antiochia war somit von den Versorgunsstraßen abgeschnitten.

 

*

 

Als Kronos das Zelt Bohemund von Tarent betrat, saß ebendieser hinter einem kleinem Tisch und studierte die Skizzen der Verteidigungsanlagen Antiochias. Ohne aufzusehen fragte er:

"Was berichten unsere Spione, Rorik?"

Kronos schnappte sich einen kleinen Stuhl und stellte ihn direkt vor Bohemunds Tisch. Dann schenkte er sich gelassen etwas von dem Wein in einen Kelch und setzte sich betont lässig in den Stuhl. Die Frage Bohemunds geflissentlich übergehend nahm er einen kleinen Schluck.

Bohemund sah von seiner Skizze auf und betrachtete Kronos. Er war sich noch immer nicht im klaren, was er von diesem Mann halten sollte. Er beeindruckte ihn durch seine skrupelloses Handeln, das anderes als bei anderen Kriegern die er kannte, nicht von dummer arroganter Selbstherrlichkeit getrieben war, sondern vielmehr einer gewissen Intelligenz nicht entbehrte. Dieser Rorik, der aus heiterem Himmel auf einmal in Konstantinopel zu seinem Heer stieß, zeichnete sich vor allem durch die richtigen Entscheidungen zum richtigen Zeitpunkt aus. Er war in genau dem Maße grausam, wie es sich für einen Heeresführer nach Bohemunds Geschmack gehörte. Sein Umgang mit den Männern war von stählener Härte, und dennoch bewunderten ihn viele. Aber die Gefahr, die ebenfalls von diesem Mann ausging, war greifbar. Bohemund fühlte, daß dieser Rorik sich nicht mit einer Feldherrenrolle zufriedengeben würde, und daß der Tag kommen konnte an dem sie sich als Todfeinde gegenüberstanden.

Kronos erwiderte, nachdem er den Kelch wieder absetzte Bohemunds Blick.

"Nun, nichts außergewöhnliches. Die Lage in der Stadt ist gespannt. Die syrischen Christen sind weiterhin Jagi Sijan gegenüber recht loyal – obwohl die Türken anfangen nervös zu werden. Sowohl die Griechen als auch die Armenier bilden eine Opposition zu den Türken. Jagi hat den Patriarchen einkerkern lassen, und wenn ihr genau schaut, könnt ihr ihn ebenjetzt über einen der Türme in einem Eisenkäfig baumeln sehen. Die Kathedrale von St. Peter dient nun den Türken als Pferdestall. Weder die Christen in der Stadt, noch die davor sind über diesen Zustand sehr erbaut. Es wird für uns jetzt leichter Spione in die Stadt zu schleusen."

Kronos machte eine kleine Pause um seine Worte wirken zu lassen.

"Ach ja, und eine Menge türkischer Spione verläßt als armenische Christen verkleidet, Antiochia. Wir sollten sie uns einmal genauer ansehen."

Ein breites Grinsen erschien auf Bohemunds Gesicht.

"Ach, ich denke, ihr werdet euch da schon was einfallen lassen."

Kronos lächelte verschwörerisch zurück, bevor der den Kelch wieder an die Lippen setzte und den verbleibenden Wein in einem Zug leerte. Er beugte sich nach vorne um den Kelch wieder am Tisch abzusetzen und hielt dabei für einige Augenblicke Bohemunds Blick fest. Das Lächeln verbreiterte sich zu einem teuflischen Grinsen, das auch seine Augen erreichte, und mit einer leichten, beinahe fröhlichen Stimme erwiderte er. "Oh, ich hab‘ da schon einige Ideen, edler Herr."

Bohemund ließ sich von Kronos Blick einfangen, und soetwas wie freudige Erwartung spiegelte sich in seinem Gesicht wieder. Was immer es auch sein mochte, daß sich in den Gedankengängen dieses Mannes zu einem Plan geformt hatte, es würde mit Sicherheit nicht nur ausgezeichnet funktionieren, sondern obendrein auch noch zu einem Spektakel werden.

Einige Momente lächelten sich die beiden Kriegsherren im stillen Einverständnis an, dann wurde Bohemund abrupt wieder ernst. Denn Blick von Kronos lösend, senkte er ihn wieder zu der Skizze vor ihm.

" Rorik, die Zeit wird uns knapp! Wir müssen handeln! Der byzantinische Kaiser beendet seinen Feldzug in Kleinasien und eilt unseren Truppen zu Hilfe. Wenn wir Antiochia nicht vor seiner Ankunft eingenommen haben, werden die Streitereien um die Herrschaft über diese Stadt erst recht losgehen. Von islamischer Seite rücken die Truppen des Atabegs von Mosul unaufhaltsam vor. Es ist ein riesiges Heer. Die Hungersnot vergangenen Winter hat uns jeden siebten Mann gekostet, und von den Pferden sind nur noch siebenhundert am Leben, und auch diese würden keine zwei Tageritte mehr bewältigen können."

Auch Kronos war still geworden. Er hatte die Arme an den Armlehnen des kleinen Stuhls abgestützt, die Finger einer jeden Hand an denen der anderen gelegt und überlegte. Plötzlich stand er mit einer schnellen, geschmeidigen Bewegung auf und ging um den Tisch herum, um sich hinter Bohemund zu stellen. Er deutete mit den Fingern auf die Skizze.

"Nun, die Stadt im Sturm erobern zu wollen, läßt sich nicht vom Zaun brechen. Dazu müßten wir einen günstigen Zeitpunkt abwarten. Die Türme in der Stadtmauer sind so errichtet, daß es keinen einzigen Punkt gibt, den die türkischen Bogenschützen nicht erreichen könnten. Wir müßten auf die Verstärkung der Byzantiner warten. Doch dann wird deren Kaiser sein Recht auf die Stadt geltend machen. Von den Verlusten, die diese Eroberung kosten würde ganz zu schweigen. Wir könnten die Stadt dann auch nicht mehr gegen die herannahenden islamischen Entsatzungsarmeen verteidigen. "

Kronos neigte den Kopf zu Bohemunds Ohr und sprach mit leiser, eindringlicher Stimme.

"Aber, laßt auch das getrost mein Problem sein. Wie ich schon sagte, ich habe da einige Ideen."

 

 

 

Paris

Dezember 1994

 

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Athena kannst du damit was anfangen??

 

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Athena,
Who Won the Wicked game?
Is Paris still the same?
Welcome tourism, come to see
Try popular places, my dear enemy
Catch 22, on the assasini‘s holy day
For the next decade I am on my way!

 

Athena lehnte sich in ihrem Stuhl zurück und nippte von dem Rotwein, den sie sich auf ihr Hotelzimmer hatte bringen lassen. Dies war die Nachricht des Unsterblichen, den sie im Beobachterhauptquartier gespürt hatte. Und es war eine verschlüsselte Ortsangabe, das war sicher. Aber was bedeuteten diese Zeilen?

Who Won the Wicked game?

Welches böse Spiel? Die Zusammenkunft? Welche? Aber gewonnen? Nein, die Zusammenkunft kann nicht gemeint sein. Sie ließ in Gedanken nochmals all ihre Kämpfe mit Unsterblichen Revue passieren. Es gab nur fünf Kämpfe die nicht entschieden wurden. Aber kein einziger machte Sinn.

Doch einer schon!

Kronos?

Meinte er ihr kleines Zwischenspiel im 1. Kreuzzug. Nein, Kronos konnte sich nicht bei den Beobachtern eingeschlichen haben, das würde er auf Dauer nicht aushalten. Doch andererseits, seine Akte ist plötzlich nicht mehr in der Datenbank. Und er scheint nicht in der Akte von Methos auf. Aber in ihrer eigenen schon.

Schlampig gearbeitet Junge?

Seit es die Beobachter gab hatten weder Silas noch Caspian Kontakt zu den beiden anderen.

Auch nur fingiert?

OK, sagen wir mal es sei Kronos, obwohl er das Spiel nicht gewonnen hatte, aber auch nicht verloren. Noch nicht.

Is Paris still the same?

"Nein! Verdammt! Paris ändert sich jeden Tag."

Frustriert knallte sie den Laptop zu, und sprang auf. Sie ging einigemale im Zimmer auf und ab, die Finger nervös aufeinander tippend. Sie überlegte jetzt schon eine gute Stunde, was diese Nachricht bedeuten könnte. Schließlich blieb sie, die Hände in die Hüften gestemmt, vor dem Fenster stehen. Draußen wurde es allmählich dunkel, der Abendverkehr hatte im vollen Maße eingesetzt, und der dadurch verursachte Lärm drang durch die Fenster in den Raum.

Is Paris still the same?

Nein, es war lauter geworden, dekatenter, hektischer und vor allem verdammt teuer!

Ihr Blick wurde für einen kurzen Augenblick von dem Licht der Straßenlampen abgelenkt, die soeben eingeschaltet wurden. Die Hektik, die dort draußen auf der Straße herrschte und mit dem Lärm anfahrender und hupender Autos auch in die ehemalige Stille ihres Hotelzimmers getragen wurde verstärkte nur ihre eigene Nervosität. Es wurde Zeit sich den Kopf von dem kleinen Rätsel freizumachen.

Athena schnappte sich die Fernbedienung und ließ sich ins Bett fallen. Ungeduldig surfte sie durch alle Fernsehkanäle, verharrte die wenigen Sekunden die ihr erlaubt waren auf sämtlichen Pay-TV-Sendern.

Schließlich suchte sie CNN, in der irrealen Hoffnung, vielleicht noch einmal ein Bild von Kronos zu sehen. Aber da wurden gerade die Wirtschaftsnachtrichten gesendet. Uninteressiert wollte sie weitersurfen, als der Nachrichtensprecher auf die aktuellen Informationen im Internet hinwies.

Sie dachte sich, warum nicht, holte sich den kleinen Block, der in dieser Art Hotel immer zu finden war und notierte sich die Adresse. Dann klappte sie ihren Laptop, fast zärtlich, um Vergebung für die rüde Behandlung von vorhin bittend, wieder auf und bootete das System.

Who Won the Wicked game???

Nachdem die Telefonverbindung zum Provider hergestellt war blickte auf die Uhr, schließlich waren Hoteltelefonrechnungen in der Regel doch um einiges teurer, vor allem wenn sich der Provider in London befand. Sie nahm den Notizzettel und klickte auf den Internet-browser. Sie tippte die Adresse ein.

http://www.

Who Won the Wicked game? Und hielt plötzlich inne. Na klar doch, deswegen diese Schreibweise. Ist ja fast wie ein Wink mit dem Lattenzaun.

World Wide Web!

Sicher, er hatte Zugriff auf ihrer Akte, kannte die Details ihrer IS-Ausbildung , die sie im vergangenen Sommer in London absolviert hatte. Er wußte von den TCP/IP Kursen.

Is Paris still the same?

Hmmm. Suchmaschine: Paris. Search!

8255 pages found.

Das ist eine ganze Menge zu durchsuchen! Nein Moment, wie war das gleich noch mal?

Welcome tourism, come to see

Klar, doch Tourismus. Wo werden Treffpunkte besser beschrieben!!!

Suchmaschine: Paris ++ tourism. Search!

Fond 24 Web-pages

Ja, das sieht schon besser aus!

1 Paris – tourism Hmm, mal nachsehen.

 

Sie rief den Link auf, fand aber nichts, was auf den Rest des Gedichts hinweisen konnte. Sie beendete die Page und kehrte zurück zu den Suchergebnissen.

2 Welcome to Paris Tourism Ja, das klingt gut!

Athena klickte den Link an, und langsam baute der Browser ein Bild auf. Sie überflog den Inhalt und ein triumphales Grinsen breitete sich auf ihrem Gesicht aus.

Try popular places, my dear enemy

Na klar, da gab es einen Link mit dem wunderschönen Namen "Popular Places"

Die Maus klickte.

Catch 22.

Tatsächlich, da waren sie fein säuberlich aufgezählt und nummeriert, die berühmten Sehenswürdigkeiten dieser Stadt. Roll-up.

 

22.) Basilique Saint-Denis Geweihter Boden, wie originell!

 

The assasini’s holy day.

Ja, auch das war in ihrer Akte vermerkt. Der Assasinen heiliger Tag. Könnte mit ziemlicher Sicherheit der Freitag sein, der islamische heilige Tag.

For one decade I am on my way!

Nun, das einzige das noch fehlte war die Uhrzeit. One decade? 10 Uhr?

Freitag, 10 Uhr, Basilika Saint Denis.

 

 

 

Paris

Dezember 1994

 

Anrufbeantworter von Mustafa al-Assis:

"Mustafa, ich muß mich mit dir treffen. Freitag früh 10 Uhr in dem kleinen Café am Fuß des Montmartre, du weißt schon, dort wo es dieses wundervollen Profiteroles gibt. Sei pünktlich!"

 

*

 

Die Basilika von Saint Denis füllte sich langsam mit Touristen, aber dennoch störte es in den weitläufigen Kirchenraum nicht weiter. Kirchen hatten als touristische Attraktionen den großen Vorteil, daß auch die Sterblichen eine gewisse Art von Ehrfurcht befiel, sobald sie heiligen Boden betraten. So verstummte hier das babylonische Sprachgewirr, welches sich zum Beispiel am Eifelturm zu einer nervtötenden Geräuschkulisse anschwellen konnte, die auch noch so friedliebende Unsterbliche zu einem automatischen Griff ins Mantelinnere verleitete.

Die Baumeister des Mittelalters wußten genau wie man mit Architektur die Stimmung der Menschen beeinflussen konnte. Keine moderne Kirche könnte einem je dieses Gefühl der Winzigkeit vermitteln, wie diese Prachtbauten der Gotik. Eine solche Kirche zu betreten, hieß – ganz gleich welcher Konfession man war – die Allgegenwart Gottes zu spüren.

Athena hatte ziemlich weit vorne beim Altar in einer der Gebetsbänke Platz genommen. Sie liebte die Friedlichkeit und die Stille dieser großen Kirchen. Sie schloß die Augen und atmete tief durch. Mit einemmale waren alle Gedanken um Kronos und diesen mysteriösen Unsterblichen bei den Beobachtern verschwunden. Die kalte Luft in dem Kirchenraum berührte sanft ihr Gesicht, ohne unangenehm zu wirken. Erinnerungen wanderten durch ihren Geist. Erinnerungen an die erste Kirche die sie besucht hatte. An die Zeit im Kloster. Es war die Zeit gewesen in der aus der unerbittlichen Kriegerin allmählich ein Mensch wurde, der mit sich und der Welt in Frieden zu leben vermochte.

Asolute Ruhe kehrte nun in sie ein, und vertrieb die hektische Betriebsamkeit, die sie für wenige Augenblicke von der Straße draußen hier hereinbegleitet hatten.

Und dann fühlte sie es, dieses Kribbeln. Doch sie ließ sich nichts anmerken, die Augen immer noch geschlossen, wartete sie. Was sollte auch schon passieren, Heiliger Boden, die vielen Menschen. Sie hörte wie sich Schritte näherten und jemand hinter ihr Platz nahm. Dennoch blieb sie weiterhin still sitzen und genoß den Frieden, der in sie gekehrt war. Seltsamerweise war sie jetzt, wo des Rätsels Lösung direkt hinter ihr saß, gar nicht mehr gespannt wer dieser Beobachter war. Im Gegenteil all die Spannung war von ihr abgefallen und die Ruhe wurde nun gestört.

Sie holte tief Luft, öffnete die Augen und stützte ihre Ellbogen auf den Knien ab. Dann drehte sie sich auf der Gebetsbank langsam dem Mittelgang zu und erblickte den Unsterblichen der hinter ihr saß.

Endlose Sekunden sahen sich die zwei nur stumm an.

Athena schmunzelte und legte den Kopf etwas schief.

"Adam, hmm? Nun, nur der älteste Unsterbliche kann die Unverfrorenheit haben sich den Namen des ersten Menschen zu geben."

Methos löste den Blick von ihr und richtete ihn zum Gewölbe der Basilika, dann kniff er die Augen zusammen und wandte sich ihr mit einer schnellen Geste zu.

"Was suchst du hier Athena?" Seine Stimme klang zurückweisend und kalt.

"Ganz einfach." erwiderte sie ebenso kalt "Wo ist Kronos?"

Methos stieß einen Seufzer aus, das ein irgendwo zwischen Verachtung und Lachen lag.

"Was willst du von Kronos?"

Sie stand abrupt auf und stellte sich vor Methos, die eine Hand an der Bank vor ihm, die andere auf der, auf der er saß abgestützt beugte sie sich nahe zu ihm herab. Ihre Gesichtszüge waren versteinert, und die Stimme zu einem leisen Zischen herabgesenkt sagte sie:

"Von dir will ich nur wissen wo er sich aufhält. Ich frage nicht danach was du mit den Akten der Reiter tust, es ist mir egal, solange ich erfahre wo er ist!"

"Ach, du willst mir also drohen?" Er machte eine kleine Pause. "Du, die du dich seit vierhundert Jahren von ausgewählten Personen beobachten läßt. Ein kleiner Wink von mir und sie werden erfahren das der Name Al-Asiss in irgendeiner Weise mit jedem deiner Beobachter in Verbindung zu bringen ist."

Athena setzte sich nun hinter ihn. "Du kennst die Gleichung mit dem Glashaus. Sie könnten auch Methos finden."

Er schnaufte verächtlich, ohne sich jedoch zu ihr umzudrehen.

"Und ich könnte dafür sorgen, daß sie das kleine Geheimnis Athenas erfahren. Dann ist ihnen Methos mit Sicherheit ziemlich egal, selbst wenn er zehntausend Jahre alt wäre! Das führt zu nichts! Laß Kronos in Ruhe, du hast keine Chance gegen ihn. Niemand hat die!"

Sie beugte sich nach vor und sprach so leise, das nur er ihre Stimme hören konnte.

"Nun, ich habe nicht die Absicht gegen Kronos zu kämpfen.

Ich will ihn nur umbringen.

Und du kannst dir sicher sein es wird nicht schnell gehen. Erinnerst du dich noch Methos?

An Chyrea?

Daran wie er sie umgebracht hat?

Wie er mit ihrem eigenen Blut eine Linie um ihren Hals gezeichnet hat?

Daran wie er mit dem Messer langsam der Linie folgte. Die Haut aufschnitt, die Muskeln durchtrennte, dann die Luftröhre, dann die Schlagader?

Wie er sie hat ausbluten lassen, wie ein Opfertier, und wie sehr er dabei geachtet hat, daß sie nicht starb sondern miterlebte wie er sich ihren Kopf holte?

Weißt du noch wie lange er sich dazu Zeit gelassen hat?"

Athena lehnte sich wieder zurück.

"Und du glaubst ich würde es schnell machen mit einem kräftigen Schlag, selbst wenn ich ihn besiegen könnte? Chyrea war meine Lehrerin, sie hat mir mehr als nur den Schwertkampf beigebracht, sie hat aus einer kleinen dummen verängstigten Sklavin eine der besten Amazonenkriegerinnen gemacht. Ich werde sie rächen, und wenn ich noch mal dreitausend Jahre dazu benötige! "

Methos wandte den Kopf zu ihr und sah ihr fest in die Augen. " Du hast es in der vergangenen Ewigkeit nicht geschafft, Kronos zu finden, geschweige denn gegen ihn zu kämpfen, du wirst es auch nicht in der zukünftigen Ewigkeit schaffen, so sie dir vergönnt ist.

Vergiß Kronos! Vergiß ihn einfach und kehre zurück, von wo auch immer du aufgetaucht bist! Du hast keine Chance gegen ihn!"

Damit stand er auf und verließ die Basilika.

 

 

Antiochia

Ende Mai 1098

 

 

Methos saß vor seinem Zelt und beobachtete Bruder Agnus wie dieser die Ereignisse der letzten Tage und Wochen zu Papier brachte. Die Lage hier war von gespannter Ruhe, unheilverkündend. Es machte ihn nervös und ruhelos. Methos überlegte ob er einen Ausritt wagen sollte, um seine Nerven zu beruhigen. Seine Instinkte sagten ihm, daß es bald zu einem Kampf kommen würde. Zu dem entscheidenden Kampf. Und dennoch hielt ihn irgend etwas im Lager, so als würde er auf etwas warten und nicht riskieren wollen es zu verpassen.

Der kleine Mönch, der ihm gegenüber saß war vertieft in seine Schreibarbeit. Methos mochte ihn, er war zwar ganz sicher nicht einer jener Mönche die durch das Klosterleben und ihren tiefen Glauben zu einer gewissen Weisheit gelangt waren.

Nein eher im Gegenteil. Agnus war auf die typische Weise ins Klosterleben integriert worden. Als vierter Sohn einer Familie des niedrigen Adels hatten ihn seine Eltern bereits im zarten Alter von sechs Jahren einem Abt anvertraut und mit einer reichen Schenkung an dessen Kloster die Ausbildung ihres Sohnes gesichert. Durch irgendeinen seltsamen Umstand hatte ihn dann einer der reicheren Truppenführer als Chronist angeheuert, und Agnus, von der Vorstellung bei der Eroberung Jerusalems dabeisein zu können fasziniert, stimmte natürlich sofort zu.

Der Mönch hatte nie ein anderes Leben gekannt, als das Behütete hinter den Mauern eines Klosters, er war denkbar mangelhaft vorbereitet auf dieses Unterfangen. Agnus war kein Held, auch kein gelehrter Mann. Und hätte Methos nicht schon lange ein wohlwollendes Auge auf ihn geworfen, so wäre das Leben dieses Mönchs schon längst zu Ende gewesen.

Methos vermochte in seinem Gesicht zu lesen wie in einem offenen Buch. Agnus hatte ebensowenig gelernt seine Emotionen zu verbergen, oder auch nur je die Notwendigkeit gesehen seine Gefühle unterdrücken zu müssen. Er war in irgendeiner Weise kindlich, ehrlich, und direkt. Und er hatte ein Herz aus Gold, das nicht begreifen wollte, daß diese Welt mit Blut und Krieg regiert wurde.

Methos wollte seinen Augen nicht trauen, als dieser Mönch bei dem Zug durch Kleinasien jeden half, der Hilfe benötigte, und sich noch nicht einmal selbst fragte ob es nun der Feind, ein Freund, ein Pferd oder ein Hund war. Für ihn war nur die Hilfe wichtig, egal wer sie benötigte. Methos hielt ihn für sehr dumm, er tat es jetzt immer noch. Aber gerade diese Dummheit, die einzig und allein aus dem Mangel an Erfahrung gründete, berührte ihn auch irgendwo. Und manchmal hatte er den seltsamen Wunsch mit ihm tauschen zu wollen.

Einen Tag lang nichts zu wissen von dem was in dieser Welt vorging. Nichts von Krieg, Intrige und Machtgelüsten.

Einen Tag lang diese Welt sehen zu können, wie ein Kind sie sah. Klar, und ungetrübt, sich an einem Sonnenaufgang erfreuen, oder die Schönheit der Natur entdecken zu können.

Einen Tag lang die Besonderheit zu vergessen, die ihn von den anderen Menschen unterschied.

Einen Tag lang seine Vergangenheit zu vergessen.

Nur einen Tag lang.

 

*

Methos spürte nichts, als er den Reiter sah, dazu war er noch zu weit entfernt . Aber er würde ihn aus tausend anderen heraus erkennen. Es war dieser ihm eigene Stil, wie er im Sattel saß, den Körper fast unbewegt, während das Pferd unter ihm im scharfen Galopp rannte. Die Art wie er die Zügel hielt, fast achtlos, im festen Gewissen das Tier mit seinem bloßen Willen bezwingen zu können. Rücksichtslos preschte er durch das Lager und scherte sich nicht um die Menschen darin, oder deren Gut das unter den Hufen zertrampelt wurde. Und ebenso schnell wie er angeritten kam, so abrupt zwang er sein Pferd zum Stehenbleiben. Eine Staubwolke hüllte Methos und Agnus ein.

Der kleine Mönch war so in seine Schreibarbeit vertieft, daß ihn erst der Staub, der sich auf das Pergament legte, aufsehen ließ. Kaum das er den Reiter erblickte, packte er in beinahe lächerlich wirkenden Art hastig seine Schreibutensilien zusammen und verschwand im Zelt.

Methos konnte sich ein Lächeln nicht verkneifen.

"Nun, du kannst den Menschen immer noch Angst einjagen."

Kronos stieg ab und setzte sich auf Agnus Platz. Er nahm den Becher der dort stand und prüfte den Inhalt. Abfällig schnaufend schüttete er angeekelt das Wasser beiseite.

"Und ich will verdammt sein, wenn es nur noch dazu reicht einen Betbruder einzuschüchtern!"

Methos griff hinter sich und nahm den mit Wein gefüllten Lederbeutel um sich und Kronos einzuschenken.

"Was führt dich nun zu mir Kronos?"

Kronos prostete ihm zu, nahm einen Schluck und lehnte sich zurück. Mit einem berechnenden Grinsen, und der gewohnten Kälte in seinen Augen sah er Methos schweigend an.

Methos verschnürte den Lederbeutel wieder und nahm ebenfalls einen Schluck.

Dann erwiderte er Kronos Blick.

"Du kannst nichts mehr ausrichten! Caspian und Silas sind verschwunden, niemand weiß wo sie sind…. "

Kronos unterbrach ihn scharf.

"Ja. Ich weiß. Und du verkriechst dich in Klöstern!"

"Ich, Bruder, " Methos spie diese Wörter förmlich heraus "Ich trage ein Kettenhemd, Schwert und Schild. Ich, Bruder, werde mir einen schönen Flecken Land erkämpfen und das Leben als Landherr genießen."

Und dann, um seinen Worten wieder die Schärfe zu nehmen fügte er noch, beinahe entschuldigend hinzu. "Außerdem bin ich zu alt um Tag und Nacht in der Gegend herumzuziehen."

Kronos warf den Kopf in den Nacken und lachte laut heraus, um ebensoschnell wider zu verstummen und mit jener ernsten Stimme, die Methos von jeher gefesselt hatte, sprach er weiter.

"Ich rede nicht von uns vier Reitern, Methos. Das ist fast zweitausend Jahre her. Die Zeiten ändern sich. Wir waren damals dumm. Wir sind mordend und plündernd über die Dörfer und Wüstenlager hergefallen und haben uns genommen was armen Leuten gehörte.

Nein, diese Zeiten sind vorbei.

Doch sieh nur." Er machte mit der Hand eine ausladende Geste die das gesamte Kreuzfahrerlager einschloß. "Sieh dir das an!"

Methos starrte ihn gebannt an: "Und was sehe ich da, Bruder?"

"Vier Reiter? Warum vier Reiter? Das Eigentum von Dorfbewohnern? Warum Dorfbewohner? " Kronos machte eine lange Pause um dann mit gesenkter, aber um so eindringlicher Stimme fortzufahren. "Warum Dörfer wenn wir die reichsten Städte dieser Welt haben könnten? Und warum vier Reiter wenn wir vierhunderttausend befehligen könnten?"

 

 

Paris

30 Minuten später

 

Athena starrte in das vorwurfsvolle Gesicht ihre Beobachters und versuchte eine schuldbewußte Mine aufzusetzen.

"Tut mir leid. Ich habe verschlafen."

Mustafa schnaufte verächtlich und erwiderte. "Na, ich bin es ja gewohnt. Was genau willst du mit mir besprechen?"

Athena stoppte den Kellner, der soeben an ihrem Tisch vorbei eilen wollte und bestellte sich einen Milchkaffee

.

"Ich werde wieder in etwas belebtere Gegenden ziehen. Marokko im Winter und Norwegen im Sommer sind nett, aber auch ziemlich langweilig. Ich möchte gerne in eine europäischen Metropole ziehen, vielleicht ein Geschäft aufmachen oder studieren oder sonst was machen."

Mustafa sah sie interessiert an und antwortete dann knapp. "Kämpfen zum Beispiel?"

Athena ignorierte es. "Vielleicht Paris, aber ich denke mir behagt London mehr, oder auch Brüssel. Nun, ich muß dann wohl auch wieder etwas aktiver in dem alten Spiel werden. "

Seine Mine erhellte sich, ein erfreutes Lächeln machte sich breit. "Gut. Aktive Unsterbliche – kurzweiliges Beobachterleben."

Athena lächelte und sagt nur knapp. "Das Hausmädchen."

"Ach komm schon, das wäre zu auffällig gewesen. Der Bäcker."

"Was, du hast mich in Marokko von dem dicken Idioten beobachten lassen, bist du verrückt?"

Er kicherte. "Sein Haus war auf der Einfahrtsstraße zu deinem Haus. Ich hab ihm gesagt, ich arbeite fürs CIA und muß genau wissen wann du kommst und gehst. Außerdem, einen Freßsack läßt man am Besten von einem Lebensmittellieferanten beobachten! "

Athena kickte unter dem Tisch nach seinem Bein.

"Autsch. Na das stimmt doch. Übrigens ich will nicht aus Paris weg. Also vergiß London."

Der Kellner brachte den Kaffe und Athena nahm einen großen Schluck. Einige Sekunden starrte sie in die Tasse und blickte dann wieder auf..

"Nein, umgekehrt. Du vergißt mich am besten."

Mustafa runzelte die Stirn und sah sie fragend an. Athena holte tief Luft.

"Ich will nicht, daß sie es merken, das werden sie aber. Zusammentreffen, andere Beobachter, die Wahrscheinlichkeit das es ans Tageslicht kommt ist zu groß. Never interfere. Du hast dich bis jetzt daran gehalten."

Er lachte kurz auf. "Oh ja. Ich hab mich niemals eingemischt. Das kann ich beim Leben meiner Mutter schwören." Dann beugte er sich weit über den Tisch zu ihr hinüber und mit vor Sarkasmus triefender Stimme fuhr er fort. "Aber nur weil es nie etwas gab, in das ich mich hätte einmischen können.

Aber Moment mal, was hab ich da gemacht? Nennt man das Spionage?" Er setzte eine erschrockene Mine auf. "Oder gar Verrat? Streng geheime Daten an Außenstehende weitergegeben. Tsstss, böser Beobachter, der ich bin."

Athena grinste breit und stupste ihn mit dem Finger an die Nasenspitze.

"Oh ja ein böser Beobachter bist du. Und das sollst du auch bleiben. Schließlich will ich im Voraus wissen, wer sich in meine Nähe begibt…", sie legte den Kopf schief und tat so als überlegte sie angestrengt"..wie wäre es mit einem Netzwerkzugang? Dial-in?"

Er beugte sich abrupt wieder zurück und antwortete sarkastisch.

"Ähm. Entschuldigung Herr Administrator. Ich bräuchte da einen Account…na sie wissen ja wie das so ist mit diesen Unsterblichen, die wollen immer ihre Chroniken korrekturlesen.

Athena du spinnst!"

Sie zuckte mit den Schultern. Dann kramte sie in ihrer Tasche und holte ein paar Münzen hervor.

"Mus, ich meine das ernst. Finde einen anderen Beobachter für mich. Es ist sonst zu gefährlich."

Sie stand auf, beugte sich zu ihm. Und hauchte ihm einen Kuß auf seine Wange.

"Wirst du das tun?"

Mustafa seufzte und antwortete schließlich resignierend. " Ich werde sehen, was sich machen läßt. Schließlich hat es in Marokko auch funktioniert."

Athena belohnte ihn mit einem strahlenden Lächeln "Danke. Ich muß jetzt gehen. Wir sehen uns."

Mustafa wartete bis sie das Lokal verlassen hatte und holte dann sein Handy heraus. Er tippte eine kurze Nummer ein und wartete bis sich jemand meldete.

"Marcel? Wo war sie heute morgen?"

"Sie hat um 8:30 das Hotel verlassen und ist dann mit der Metro Richtung Ile de France gefahren. Danach ist sie einige male umgestiegen und hat halb Paris abgeklappert. Ich habe sie dann im morgendlichen Gewühl verloren. Es tut mir leid."

"Ist OK. Warte beim Hotel. Sie wird da irgendwann auftauchen, und verliere sie nicht wieder!"

 

 

Antiochia

Ende Mai 1098

Methos hatte beschlossen seiner inneren Unruhe nachzugeben, und einen Erkundungsritt in die Umgebung zu wagen. Er wollte zur Hafenstadt St. Simeon und dann an der Meeresküste Richtung Süden weiterreiten.

Doch bereits kurz nach dem Verlassen des Lagers hörte er Hufgetrampel hinter sich und spürte auch fast zeitgleich den anderen Unsterblichen hinter sich. Mit einem verzweifeltem Seufzer zügelte er sein Pferd und wartete bis Kronos ihn eingeholt hatte.

"Ein wirklich schöner Tag für einen Ausritt, meinst du nicht auch Bruder?"

Kronos Stimme war voll Sarkasmus und verstellter Freundlichkeit. Methos wollte ihn nicht ansehen, er richtete den Blick starr auf den Horizont und antwortete mit harter Stimme.

"Ja, allerdings. Ohne Begleitung wäre es ein schöner Ausritt geworden."

"Ach? Wolltest du in Erinnerungen schwelgen?"

Kronos machte es ihm gleich und sah zum Horizont vor ihnen. Er schnupperte in die Luft, so als wolle er etwas vertrautes wittern, und setzte danach einen zufriedenen Gesichtsausdruck auf.

"Du hast recht.

Dieser Duft.

Wilder Thymian, gemischt mit dem schwachen Aroma einer Meeresbrise."

Er stütze den Unterarm am Sattelknauf ab und wendete den Oberkörper Methos zu, und sprach dann mit einer betont leidenschaftlichen Stimme .

"Weißt du, du hast recht. Das weckt tatsächlich Erinnerungen in mir."

Er machte sich über Methos lustig. Kronos wußte genau wie unwillig sein einstiger Kampfgefährte die Liason mit ihm wieder aufnehmen wollte. Er konnte förmlich den Unmut, der von der starren Körperhaltung ausging spüren. Der starre Blick, das ausdruckslose Gesicht. Das alles waren die Zeichen dafür, daß Methos sich hinter einer Maske zu verstecken versuchte. Eine Maske, die die Angst, die Verbitterung verbergen sollte. Eine Maske die er nicht für Kronos, sondern auch für sich selbst aufgebaut hatte.

Er beobachtete ihn still. Mit tiefer Befriedigung nahm Kronos wahr, wie sehr Methos seinen inneren Kampf ausfocht. Er war seit jeher ein Gegner für ihn gewesen. Schwer zu kontrollieren, schwer zu halten. Aber das machte den ganz besonderen Reiz an Methos aus. Er war eine Herausforderung. Nicht wie Silas, der in seiner Einfältigkeit an alles glaubte was Kronos sagte, oder Caspian, für den es in seinem wirren Bedürfnis nach Gewalt eine Ehre war mit ihnen reiten zu können.

Methos kämpfte im Gegensatz zu den anderen beiden hauptsächlich mit seinem Kopf. Er entwickelte die Taktiken. Taktiken die nicht plump waren, oder auf den Schrecken der Reiter beruhten. Wenn sich die Menschheit heute an sie als die Apokalyptischen Reiter erinnerten, so war das Methos Werk. Er hatte aus ihnen eine Legende, einen Mythos gemacht, der jenseits ihrer tatsächlichen Schreckenstaten lagen. Er hatte ihre Überfälle geplant und in Szene gesetzt. Und er hatte schlußendlich auch dafür gesorgt, das man über sie sprach. Sie nicht als irdisch ansah.

Er hatte Götter des Schreckens aus ihnen gemacht.

Aber nichts von alledem war geschehen, weil Methos es wollte. Es passierte weil er, Kronos es wollte. Weil er ihr Anführer war, weil er jeden Schritt, jeden Gedanken seiner Kampfgefährten unter Kontrolle hatte. Weil keiner von ihnen ihm entkommen konnte. Auch Methos nicht.Auch jetzt nicht.Es war nun an der Zeit Methos das wieder in Erinnerung zu rufen.
Er richtete sich nun wieder im Sattel auf und sog noch einmal theatralisch die Luft ein.

"Hatten wir nicht unser Lager hier? Damals! Du weißt schon."

Methos wandte sich nun Kronos zu. Sein Blick war leer und kalt, und mit eisiger Stimme antwortete er.

"Nein. Du hast Unrecht Bruder. Unser Lager hatten wir damals nicht hier!"

Kronos ließ sich mit einemmal in den Sattel zurückfallen und beendete den Mummenschanz. Interessiert blickte er seinen Weggefährten an.

Methos antwortete mit einem kurzen zynischen Lächeln.

"Wir lagerten weiter südlich. Einen halben Tagesritt weiter südlich um exakt zu sein!"

Damit trieb er sein Pferd an und galoppierte weiter. Kronos konnte sich ein Lächeln nicht verkneifen. Es war bei Gott nicht schwer Methos wieder an ihn zu binden. Aber es war eine Herausforderung, die er schätzte. Ein Kampf, den zu gewinnen ihm eine Menge Spaß bereiten würde.

 

*

 

Er ließ ihn in der nächsten Stunde vor sich herreiten, fiel dann und wann soweit zurück, daß Methos ihn nicht mehr spüren konnte, und holte wieder auf, um ihm seine Präsenz zu vergegenwärtigen. Schlußendlich beschloß Kronos das Spiel zu beenden, und den nächsten Schritt in seinem Plan zu wagen. Er trieb sein Pferd an und trabte neben Methos her. Nach einer Weile sprach er wieder. Diesmal bar jeden Übermutes.

"Antiochia ist zu gut befestigt um einen Angriff wagen zu können. Unsere Heere sind zu dezimiert um die Stadt einnehmen zu können. Dennoch bleibt uns keine Zeit mehr. Der byzantinische Kaiser ist mit seinen Truppen kaum mehr 3 Tagesritte entfernt. "

Methos hatte mit dieser Frage gerechnet, und kaum das Kronos letzter Satz Zuende gesprochen war setzte er in ruhigem, aber auch hastigem Ton fort.

"Antiochia hat nicht einmal den Besitzer gewechselt, und dennoch wurde diese Stadt in seiner Geschichte kaum im Sturm erobert. Als sie die Türken vor wenigen Jahren einnahmen war Verrat von innen der ausschlaggebende Punkt. Wenn wir es nicht schaffen in die Stadt zu gelangen und die Tore zu öffnen, werden wir auch noch nächstes Jahr davor herumsitzen.
Wir brauchen jemanden, der die Macht hat die Befehle zum Öffnen der Tore zu geben. Jemanden, den man leicht überzeugen kann."
Methos sah nun Kronos herausfordernd ins Gesicht.

Jemanden, der einsieht, daß Verrat für seine Mitbürger wesentlich," er suchte nach einem passenden Wort " angenehmer ist als eine Eroberung. Jemanden, für den es eher eine Befreiung als eine Eroberung ist"

Kronos kannte den Tonfall dieser Stimme und den Ausdruck in diesem Gesicht. Methos hatte bereits angefangen einen Plan zu schmieden. So zu schmieden wie er es wollte.

Methos wendete abrupt sein Pferd, und hielt kurz vor Kronos an.

"Jemanden, den es nicht schwer fällt seine Loyalität dem Kommandanten Antiochias gegenüber zu vergessen. Und im Notfall könnte man da etwas nachhelfen."

 

 

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Antiochia

Kreuzfahrerlager, 1. Juni 1098

Kronos führte den kleinen Trupp berittener Soldaten an, der am späten Nachmittag in das Lager des Bohemund von Tarent zurückkehrte. Umkreist von den Rittern liefen gut zwei Dutzend ärmlich gekleideter Männer einher, alle an den Händen gefesselt und mit einem Strick an den Hälsen aneinandergebunden. Er gab dem Trupp mit einer knappen Handbewegung ein Zeichen zum Halt und ritt weiter zum Zelt Bohemunds.

In dessen Lager angekommen gab er einem Knappen den kurzen Befehl seinen Herrn zu holen, und einen anderen dessen Pferd bereitzuhalten.

Er selbst machte sich nicht die Mühe abzusteigen, sondern wartete im Sattel.

Bohemund kam wutentbrannt aus seinem Zelt und blickte seinen Berater mit einem schneidenden Blick an. Kronos sah selbstsicher, ja fast herausfordernd auf den Fürsten herab. Er begann den nächsten Schritt in seinem Plan. Er hatte geschickt erreicht das Bohemund ihn mit der Ausführung seiner Pläne betraute.

Nun mußte er ihn in die Defensive drängen.

Ihn verunsichern.

Seine eigene Macht hervorheben.

Bohemund wollte soeben eine scharfe Zurechtweisung hervorbringen. Nicht vom Pferd zu steigen, war eine Beleidigung, vor allem von einem Mann der keinerlei Titel trug. So brillant auch die Pläne dieses Mannes waren, so genial auch seine Führung der Kriegsheere war, dies war ein Affront, den er – Bohemund von Tarent, Herrscher über Süditalien – nicht dulden durfte.

Doch bevor er noch seinen Mund zu einer Erwiderung öffnen konnte, wendete Kronos und nahm die Zügel von Bohemunds Pferd entgegen um es dem Kriegsherrn zu bringen.
Es war die Geste eines Dieners.
Es verwirrte Bohemund.
Das war Kronos‘ Absicht.
Bohemund saß mit einer geschmeidigen Bewegung auf und fragte mit harter Stimme:

"Nun, meine Kundschafter berichteten mir, ihr habt euch mit der Beseitigung des Problems der Spione beschäftigt? Ihr wahrt - hoffe ich - erfolgreich?"

"Ja, wir haben einige eingefangen. Doch denke ich solltet ihr dafür sorgen, daß sich kein einziger mehr trauen wird diese Stadt freiwillig zu verlassen."

Der Fürst lenkte sein Pferd so, daß es direkt neben dem von Kronos zu stehen kam, und er ihm in die Augen blicken konnte.

"Und? Habt ihr euch auch etwas überlegt, um dieser Plage ein für allemal Herr zu werden?"

Kronos stützte sich mit dem Ellbogen an den großen Sattelknauf ab und legte die andere Hand darüber. Seine Augen blitzen und er setzte wieder dieses Lächeln auf, daß bar jeder Heiterkeit war, gefährlich und bedrohend zugleich. Bohemund wußte augenblicklich, das, was immer er sich aus ausgedacht hatte, es würde funktionieren. Kronos antwortete ihm.

"Wir sollten ein …" ,er machte eine Pause und drehte den Kopf in die andere Richtung. Lange blickte er zu den Köchen, die in einiger Entfernung mit der Zubereitung des Abendmahls begannen, wandte dann wieder langsam den Kopf zu Bohemund und fuhr, sein Lächeln verstärkend, fort, "…Festmahl zubereiten."

Bohemund lachte laut heraus und trieb sein Pferd an. Er befahl seinen Köchen ihm zu folgen.

 

*

 

‚Was für ein prächtiges Paar‘ dachte Methos. Er war von einem Kontrollritt durch das Lager auf den zurückgekehrten Spähtrupp mit den Gefangenen gestoßen, genau in dem Augenblick als Bohemund und Kronos eintrafen.

Bohemund saß aufrecht auf seinem massigen Schlachtroß. Er war ungewöhnlich groß und hatte, selbst für einen erfahrenen und durchtrainierten Ritter, starke breite Schultern. Sein Haar war von goldfarbenen blond und er trug es entgegen der normannischen Sitte nicht hüftlang, sonder bis kurz ober die Ohren geschnitten. Kein Bart zierte sein breites Gesicht, das so wohlgeformt war, daß es für einen Kriegsherrn beinahe lächerlich wirkte. Eisblaue Augen blickten mit genau eben dieser Kälte herausfordernd in die Welt. Bohemund war sich seines Aussehens sehr wohl bewußt, kannte die Wirkung die er auf andere hatte. Und es spielte keine Rolle, ob er an einer Tafel mit anderen Edlen saß, die Damenwelt bei Hofe beeindrucken wollte oder im Lager der einfachsten Kriegsknechte auftauchte – der Aufruhr, den sein Erscheinen verursachte, war gewiß. Er war ein Mann der sich seines Aussehens wohl bewußt war, der seine teuflische Grausamkeit und den Willen diese Welt zu beherrschen wie ein zweites Gewand zur Schau trug FN 2.

Neben ihn ritt Kronos. Seine Haltung zu Pferd war der von Bohemund gleich. Auch er hatte das, ihm eigene kalte berechnende Grinsen im Gesicht, und den kalten Glanz in den Augen, nur im Gegensatz zu Bohemund war in seinem Blick etwas berechnendes, verschlagenes.

Methos kannte Kronos gut genug um zu wissen, was sich dahinter verbarg. Er selbst war nicht wirklich mit der Absicht zu kämpfen in das heilige Land aufgebrochen, sondern eher aus einem Bedürfnis heraus seßhaft zu werden. Land sein eigen nennen zu können, und in der Abgeschiedenheit jener Wüste, die er so gut kannte, vielleicht ein paar Dekaden länger als üblich verweilen zu können. Er war fest entschlossen, sich an einer ertragreichen Karawanenstraße eine Festung zu erobern, und die bewaffneten Pilger dann ziehen zu lassen, damit sie ihr irrwitziges Vorhaben, die Stadt Jesu – jenes Mannes, der sein ganzes Leben nichts anderes als Friede und Vergebung gepredigt hatte – mit Blut und Zerstörung zu erobern.

Dann war auf einmal Kronos wie aus dem Nichts in Konstantinopel aufgetaucht, und sein erster Weg hatte ihn zu Methos geführt. Keine Andeutung, kein Versprechen, keine Geste hatte darauf hingedeutet, daß er ihn wieder um sich haben wollte. Während dem durch das anatolische Landesinnere ließ Kronos sich nicht in seiner Nähe blicken. Doch seit der Belagerung Antiochias änderte sich das schlagartig. Kronos begann sein Spiel - wie eine Katze, die mit der Maus spielt bevor sie sie auffrißt. Er spann in den letzten Monaten ein feinmaschiges Netz des stillen Terrors um Methos. Seine gelegentliche Besuche, die andeuten ließen, daß er seinen Bruder nicht vergessen hatte, die aber keine Forderungen an ihn stellten. Seine ständige Präsenz im Lager, das bewußte Auftauchen in seiner Nähe, bei dem Methos jedesmal sein Herz für einen Schlag lang aussetzte. Er kannte die Zeichen, er wußte Kronos hatte etwas geplant. Und der erste Schritt war, ihn dafür zu gewinnen. Und damit hatte Kronos bereits begonnen.

Bohemund ritt die Reihe, in der die Gefangenen standen ab. Er stoppte hin und wieder um ein Kreuz, daß einer der Unglücklichen um den Hals trug, zu begutachten. Er riß es dann ab, und warf es seinem Kaplan zu, damit er es im nächsten Gottesdienst wieder weihen konnte. Der Fürst wandte sich nun der Menschenmenge zu, die sich bereits recht zahlreich versammelt hatte.

"Nun, wie es scheint gibt es eine Menge Kundschafter bei den Ungläubigen, die meinen, sich so einfach in unsere Lager schleichen zu können. Und das mit nichts als einem Kreuz um den Hals. Einem Kreuz, das sie irgend einem unschuldigen Christenpilger abgenommen haben, bevor sie ihm die Kehle aufschnitten." Er hielt demonstrativ das letzte Kreuz hoch, damit es jeder sehen konnte.

"Wir müssen dem ein Ende bereiten."

Bohemund lenkte sein Pferd zu den Zuschauern ritt langsam an ihnen entlang, das Kreuz jedem einzelnen zeigend, damit dieser sich das Opfer vorstellen konnten, wie es blutüberströmt irgendwo auf dem Weg nach Jerusalem in einem Graben lag, gemeuchelt von jenen Männern, die gebunden vor ihnen standen.

Ein noch leises Gemurmel erhob sich.
Bohemund war zufrieden, seine Worte hatten exakt die Wirkung, die er erhofft hatte. Er verlieh nun seiner Stimme mehr Enthusiasmus. Und hatte er die Worte davor noch äußerst ruhig gesprochen so stellte er sich jetzt in den Steigbügeln auf und schloß die Hand zu einer Faust, die er gegen den Himmel reckte.

"Ich sage euch. Wir werden es den Ungläubigen zeigen! Niemand vergreift sich ungestraft an denen, die unseren Herrn Jesu Christi dienen!"

Das Gemurmel wurde lauter. Vereinzelt war zustimmendes Kopfnicken auszumachen.

"Niemand wird mehr unsere Brüder und Söhne ermorden!"

Es wurden die ersten Stimmen laut.

"Niemand mehr unsere Schwestern und Töchter versklaven!"

Die Menschenmenge geriet in Bewegung. Fäuste wurden gehoben und geschwungen. Zustimmende Stimmen wurden lauter. Bohemund hatte sie auf seiner Seite. Zufrieden mit sich selbst, setzte er sich wieder in den Sattel und warf das letzte Kreuz seinem Kaplan zu, dann erhob er wieder die Stimme.

"In den Höllenfeuern sollen sie schmoren!"

Diesmal jubelte ihm die Menge zu. Bohemund winkte seine Köche zu sich. Dann zeigte er auf die Schar der Gefangenen.

"Bereitet uns ein Festmahl!"

Die Köche sahen zuerst erschrocken Bohemund an und blickten dann unsicher in die Menschenmenge. Diese war auch im ersten Moment verunsichert von dem Befehl ihres Fürsten.

Methos hatte sich diese Farce bis jetzt angesehen. Nun allerdings drängte er sich nach vorne und rief.

"Das kann doch wohl nicht euer Ernst sein! Ihr wollt Menschen als Mahlzeit zubereiten? Das ist eine…."

Bohemund stoppte ihn mit einer schnellen Handbewegung und antwortete rasch. "Was soll daran so falsch sein? Ich tue es doch für einen guten Zweck!" FN 3

Die Menschenmenge jubelte Bohemund lautstark zu. Die Köche zögerten noch, kamen aber dann den Befehl ihres Herrn nach.

Methos schwieg, er hatte keine Möglichkeit in die Ungeheuerlichkeit dieses Geschehens mehr einzugreifen. Sein Blick schweifte von Bohemund ab und richtete sich voll Verachtung auf Kronos, der selbstgefällig etwas abseits auf seinem Pferd saß. Kronos erwiderte den Blick. Eine unausgesprochene Warnung in dem kalten Grün seiner Augen.

 

 

 

Paris

2. Dezember 1994

 

Betrifft: Aktenauszug/Naher Osten

 

… Intensive Waffentransporte erfolgen zur Zeit aus den ehemaligen sowjetischen Teilrepubliken. Es handelt sich dabei vornehmlich um automatische und halbautomatische Handfeuerwaffen aus Beständen der Sowjetarmee. Die Transportwege führen über Armenien in die Türkei. Drehscheibe des Handels ist Antakia, von wo aus die Ware nach Syrien und in den Libanon gelangt...

 

Es war eine Kopie eines längeren Textes, der jedoch vor dem Kopiervorgang sorgfältig verdeckt worden war. Auf einem farbigen Sticker, der darauf klebte stand folgende handschriftliche Notiz:

Er hat die Finger im Spiel.

Antakia, 13.12

Jemand hatte diese Nachricht an der Hotelrezeption für sie hinterlegt. Sie steckte in einem weißen, neutralen Kuvert auf dem nichts weiter stand als der Name mit dem sie eingecheckt hatte. Katherine Richards.

Der Schriftzug auf dem Kuvert als auch auf dem Sticker war ordentlich und sauber, beinahe wie Schulschrift. Sie hatte nicht die geringste Ähnlichkeit mit der unachtsamen, hastig dahin gekritzelten Klaue, die Mustafa so eigen war.

Athena betrachtete den gelben Sticker nochmals, irgend etwas erinnerte sie an diese Schrift. Sie hatte diese schon mal gesehen. Ja, diese Schrift sah aus wie eine nachgeahmte Handschrift für Textprogramme. Genauso exakt, routiniert und sauber.

Diese Information war alles was sie brauchte. Sie zuckte mit den Schultern, vielleicht ein Beobachterkollege von ihm. Sie zerriß die Botschaft in kleine Stücke und verbrannte sie.

Den nächsten Tag verbrachte sie damit Visa für die Türkei, Syrien, Libanon und Israel in verschiedene Pässe eintragen zu lassen.

Am Abend buchte sie den nächsten Flug nach Ankara.

 

Antiochia

2. Juni 1098

Es war nicht schwer an diesen Abend durch das kleine Tor in die Stadt zu kommen.
Die schreckliche Nachricht über das Massaker der Belagerer an den angeblich türkischen Spionen hatte sich wie ein Lauffeuer verbreitet. Methos war nun bewußt geworden, daß genau das Kronos‘ Absicht gewesen war. Er hatte diese Schreckenstat initiiert damit sich für sie die Tore der Stadt wesentlich schneller und leichter öffnen würden. Und tatsächlich fragte kaum jemand nach ihrer Identität. Für die Wachleute waren sie zwei arme Teufel, die entkommen konnten.

Wenn es unabwendbar war sprach Methos in griechisch, und er hatte jedesmal Angst enttarnt zu werden. Er hatte diese Sprache seit fast tausend Jahren nicht mehr gesprochen, und war ihrer nur noch durch die zahllosen Übersetzungen antiker Dichter ins lateinische mächtig. So gab er nur knappe Antworten, und hoffte, daß sein Akzent ihn nicht verraten würde.

Methos hatte einen langen Umhang mit einer großen Kapuze an. Um seinen Hals baumelte ein handflächengroßes silbernes Kreuz im orthodoxen Stil, daß er sorgsam unter seinem Hemd versteckte, und nur als Erkennungsmerkmal herzeigte. Ein christliches Symbol offen zu tragen wäre genauso klug, wie sich sofort als Spion zu erkennen zu geben. Kronos folgte ihm, er hatte seine Kapuze tief ins Gesicht gezogen, um seine Narbe zu verdecken, die zu einprägsam gewesen wäre.

Als sie schließlich die Wachleute an den Mauern hinter sich gelassen hatten, übernahm er die Führung. Die Straßen Antiochias waren menschenleer und gespenstisch still. Kaum in einem Haus brannte Licht. So zogen sie es vor sich dicht an den Hausmauern vorbei zu bewegen und versuchten jedes Geräusch zu vermeiden. Kronos öffnete schließlich das Tor einer kleinen, unscheinbaren Kirche und deutete Methos an ihm zu folgen. Im Inneren des Gotteshauses zog sich Kronos die Kapuze mit einem verächtlichen Schnaufer vom Kopf und marschierte auf den Altar zu.

Methos war im verwirrt. Er wußte, daß sie sich mit dem griechischen Hauptmann treffen würden. Jenem Mann, den Kronos dazu auserkoren hatte den Verrat zu verüben. Aber heiliger Boden?

Während Kronos sich betont lässig auf den Altar setzte und sich auf die Schwertspitze abstützte, ging Methos langsam auf ihn zu und sah ihn skeptisch an.

"Welche Bewandtnis hat es mit dem Hauptmann?"

Kronos blickte für einen Augenblick verwirrt auf " Welche Bewandtnis?… Ach keine."

Eine kleine Seitentür in unmittelbarer Nähe des Altars ging auf, und ein schmächtiger Junge mit einer kleinen Lampe kam herein. Er blickte kurz beide Männer an und ging dann zu Kronos. Er gab ihm die Lampe und flüstere etwas. Genauso schnell wie er gekommen war, verschwand er auch wieder aus dem Gotteshaus.

Methos sah Kronos an und zog die Augenbrauen fragend in die Höhe.

Der Schein des Lampenfeuers spiegelte sich in Kronos Augen, und verlieh ihnen einen unheimlichen Glanz.

"Nun, unser kleiner Freund hat mir soeben mitgeteilt, daß unser Überzeugungsversuch geklappt hat. Der Hauptmann ist ganz begierig darauf uns zu helfen. Er bittet uns zu sich in sein Haus. "

Methos lächelte zufrieden.

"Und wie hast du es zu Wege gebracht?"

"Weißt du Methos, Firuz unserem Griechen hat man gar übel mitgespielt. Als die Türken die Stadt eroberten mußte er zum Islam übertreten." Kronos verzog ein wenig die Mundwinkel und sprach dann mit gebührenden Sarkasmus weiter. "Aber es wird vermutet, daß ihm die Aussicht auf die Beförderung zum Hauptmann diese Entscheidung nicht wirklich schwer gemacht hat. Wie dem auch sei, unser Grieche bereut seinen Schritt zutiefst und möchte sich wieder dem Christentum anschließen."

Kronos schmunzelte als er die wachsende Skepsis in Methos Gesicht sah und fuhr fort.

"Nun, seine Frau mit einem Türken im Bett zu erwischen, wird diesen Wunsch noch wesentlich verstärken. Ich habe soeben die Kunde erhalten, daß dies auch geschehen ist." FN 4

 

 

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Antakia

13. Dezember 1994

 

Dmitry Kropaczek

 

Der Hotelangestellte an der Rezeption warf einen kurzen Blick auf die Kreditkarte und sah den neuen Gast prüfend an.

"Für wie lange wollen sie unser Gast sein, Sir?"

"Vorerst drei Nächte."

Er setzte ein unverbindliches Lächeln auf, das jedoch den Mann an der Rezeption nicht beruhigte, sondern noch mißtrauischer machte. Dieser steckte die Karte in das Prüfgerät und wartete scheinbar gelassen auf die Bestätigung von der Kreditkartenfirma.

"Darf ich um ihren Reisepaß bitten, Sir."

"Wozu?"

"Nur für statistische Zwecke."

Kronos setzte zu einer Erwiderung an, aber die beschwichtigende Hand an seinem Unterarm ließ ihn innehalten. Sein Partner sprach in gebrochenen Russisch.

"Laß es sein Dmitry. Sie behandeln hier jeglichen Personen aus dem ehemaligen Ostblock äußerst skeptisch."

Dann sagte er etwas auf türkisch zu dem Angestellten und dieser gab die Kreditkarte zurück und antwortete freundlich.

"Danke Sir. Wir benötigen ihren Paß nicht mehr."

 

*

 

"Welche Qualität hat das Material?"

Kronos zog die Hand zurück, mit der er die Gardine in seinem Hotelzimmer ein wenig zur Seite geschoben hatte, um das Geschehen auf der Straße unter ihm zu beobachten. Jetzt drehte er sich wieder um und sah den anderen aufmerksam an.

"Ausgezeichnete Qualität. Es ist einsatzbereit. Das Material war im Besitz der russischen Armee in Georgien. Nach der Unabhängigkeit Georgiens wurde es in ein Speziallabor nach Krasnowodsk gebracht. Unser Mann konnte - bis jetzt - unbemerkt eine Probe entnehmen. In einem stillgelegten Labor konnte er es weiter kultivieren."

Gut. Wann kann er liefern?"

"Die Ware ist bereits in der Stadt. Sobald die Zahlungsmodalitäten geklärt sind, können sie sie entgegennehmen."

"Die Zahlungsmodalitäten werden sicher kein Problem darstellen. Sagen sie das ihren Mann. Machen sie einen Termin aus. In zwei Tagen. Er soll sich mit der Ware bereithalten. Ich werde das Geld bereithalten."

Sein Partner erhob sich vom Stuhl und ging zur Zimmertür, um dann plötzlich innezuhalten, so als ob er etwas vergessen hätte:

"Ach ja, noch etwas Dmitry."

Er drehte sich um und sah Kronos ernst an.

"Jemand fragt nach ihnen. Schon seit geraumer Zeit."

Kronos sah ihn überrascht an.

"Wer?"

"Eine Frau. Kein Geheimdienst. Keine Mafia. Um konkret zu sein, sie ist uns gänzlich unbekannt. Aber sie macht auch kein Geheimnis an ihrem Interesse an ihnen. Sie können sie jeden Abend in der Bar im Defay-Hotel finden."

 

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Antiochia

2. Juni 1098

 

 

Methos stand mit verschränkten Armen nahe dem Eingang des großen Zeltes. In dessen Mitte waren sämtliche Führer der christlichen Heere vertreten und berieten seit Stunden die weitere Vorgehensweise.

Kronos hatte direkt hinter Bohemund Platz genommen und Methos sah des öfteren wie er dem Fürsten etwas ins Ohr flüsterte. Die Stimmung, die hier herrschte war äußerst gespannt, die christlichen Führer in zwei starke Lager gespalten. Wie eine Meute Wölfe beäugten sie sich skeptisch und vorsichtig, und kaum brachte der eine ein Argument ein, so vielen die anderen verbal über ihn her. Im Endeffekt ging es hier seit Stunden nicht um irgendwelche Schlachtpläne zur Eroberung der Stadt sondern nur schlicht und ergreifend darum wem von ihnen sie schlußendlich gehören sollte.

Bohemund beanspruchte Antiochia für sich selbst und Methos war überzeugt, daß er von Anfang an nichts anderes geplant hatte, als die erstgrößte reiche Stadt, deren die Christen habhaft werden konnten sein eigen zu nennen. Auch hier in dieser Versammlung verschaffte ihm sein Charisma und seine Überzeugungsfähigkeit große Sympathien.

Methos beobachtete wie Kronos und Bohemund in ein längeres Streitgespräch vertieft waren. Er wußte nicht welchen Plan Kronos gefaßt hatte. Sein Kampfgefährte brauchte ihn um einen Plan für die Eroberung der Stadt zu entwickeln, aber sicher nicht um sie dann Bohemund zu übergeben. Kronos war als Rorik bekannt. Ein Krieger von niedrigem Stand. Wie sollte er je an die Herrschaft gelangen?
Bohemunds Züge erhellten sich und er stand wieder auf um das Wort zu ergreifen. Methos lauschte gespannt den Worten. Es waren beinahe dieselben, die er schon vor Stunden gebraucht hatte. Er führte ihnen noch einmal vor Augen, daß, wenn sie nicht sofort handeln würden, die drei Tagesritte entfernte islamische Entsatzarmee ein Blutbad unter ihnen anrichten würde. Oder der byzantinische Kaiser, dessen Truppen ebenfalls sehr nahe waren die Stadt für sich beanspruchen würde. Dann aber überraschte er selbst Methos.

"… deswegen schlage ich vor. Antiochia soll demjenigen gehören, dem es gelingt die Stadt einzunehmen…"

… demjenigen, dem es gelingt sie einzunehmen…

Methos ließ ungläubig die Hände fallen und blickte Bohemund entgeistert an. Dann suchte er Kronos. Dieser nickte ihm triumphierend zu.

 

*

 

"Heute Abend. Methos." sagte Kronos knapp als er aus dem Zelt trat, und seine Stimme vibrierte vor Vorfreude. Methos folgte ihm.

" Firuz hat seinen Sohn heute morgen zu Bohemund geschickt" fuhr Kronos fort " mit den Anweisungen für uns. Bohemund wird ihn als Geisel behalten, bis wir in der Stadt sind. Unser Heer wird in den Abendstunden die Belagerung abbrechen und nach Akkon weitermarschieren. Sechzig Ritter werden sich hier in der Nähe verstecken und wenn es soweit ist auf den Turm den Firuz befehligt hinaufklettern um die Tore für das zurückkehrende Heer von innen zu öffnen."

Er drehte sich zu Methos um und nickte ihm anerkennend zu "Es läuft alles genauso wie du es geplant hast." Dann wendete er sich ab und schritt eilig vorwärts.

Methos ging langsam zurück in sein Lager zurück. Er möchte zwar einen guten Plan für Antiochia haben, aber er hatte keinen Plan für Kronos. In seinem Zelt angekommen erwartete ihn Bruder Angus bereits. Der kleine Mönch rieb vor Neugierde die Hände aneinander und fragte aufgeregt "Nun? Man sagt das Lager wird heute abgebrochen und wir ziehen weiter nach Jerusalem."

Methos lächelte gequält und antwortete. "Ja, wir brechen heute auf, aber nur um in den frühen Morgenstunden wieder umzukehren und die Stadt mit einem Überraschungsangriff einzunehmen."

Der Mönch setzte ein erleichtertes Lächeln auf und machte sich eilig daran die wenigen Habseligkeiten, die er besaß zusammenzupacken und in die kleine Holztruhe zu verstauen. Als er auf dem Weg aus dem Zelt war, packte ihn Methos sanft beim Arm und sagte mit eindringlicher Stimme. "Angus. Was immer heute abend passiert. Bleibe in meiner Nähe, bis ich dir sage du sollst gehen. Sobald zum Sturm auf die Stadt aufgerufen wird, will ich, daß du dich vor den Stadttoren versteckst, bis die Sonne aufgeht. Dann komm in die Stadt und suche die Nähe von Bohemund, Rorik oder mir!"

Als der Mönch ihn ungläubig ansah und zu einer Erwiderung ansetzen wollte entgegnete Methos nochmals mit Nachdruck. "Es ist wichtig. Für mich und vor allem für dich! Tu was ich dir gesagt habe!"

"Aber es wird viele Menschen geben, die meiner Hilfe bedürfen."

"Bei Sonnenaufgang Angus. Bei Sonnenaufgang!"

 

 

südlich von Antiochia

3. Juni, 1 Uhr früh

 

Kronos wendete sein Pferd und ritt die lange Reihe der Kreuzritter zurück. Unterwegs brachen immer wieder vereinzelt Ritter aus der Reihe aus und folgten ihm. Kurz vor Methos hielt er kurz an und nickte ihm zu, dann galoppierte er Richtung Antiochia davon, gefolgt von gut 50 Rittern.

Methos beugte sich zu Angus, der neben ihn ging herab und flüsterte ihm zu.

"Angus. Fang an den Rosenkranz zu beten! Wenn du bei der Hälfte bist, gehe zu Bohemund und sage ihm folgendes: Er soll 2 Stunden vor Sonnenaufgang in Antiochia sein. Hörst du! Sag‘ ihm 2 Stunden vorher, nicht wie ursprünglich ausgemacht knapp vor Sonnenaufgang. Und sage ihm, daß du Gerüchte gehört hast betreffend eines Attentats, das man plant. Ein Attentat dessen Opfer er selbst ist."

Der Mönch sah ihn erschrocken an. Methos fuhr fort. "Wenn er dir nicht glaubt, dann gib ihm das hier." Er übergab Angus einen kleinen keltischen Dolch. "Der gehört Rorik. Bohemund wird ihn erkennen! Sag ihm Rorik würde ihm diese Nachricht übermitteln. Du darfst ihm auf keinen Fall erzählen, daß du diese Warnung von mir hast!"

Angus nickte nur und wiederholte das Gesagte leise murmelnd, um sich zu vergewissern, daß er auch alles richtig verstanden habe. Methos hörte ihm, immer noch weit zu ihm hinabgebeugt aufmerksam zu, schließlich warnte er ihn nochmals: "Ich sehe dich dann bei Sonnenaufgang Angus, und keinen Augenblick davor. "

 

 

Antakia,

14. Dezember 1994

Athena spürte ihn noch bevor sie die Empfangshalle des Defay-Hotels betreten hatte. Ohne nach ihn Ausschau zu halten ging sie zur Bar und orderte zwei Drinks. Dann drehte sie sich langsam um und suchte in der kleinen Bar nach ihm.

Kronos saß an einem Tisch im hinterem Ende des Raums, indem die Beleuchtung bewußt im Halbdunkel gehalten wurde. Er fixierte sie mit einem Blick der belustigte Neugier verriet.

Athena nahm die beiden Drinks und ging zu ihm. Sie stellte einen vor Kronos ab und nahm ihm gegenüber Platz.

"Ich denke du magst diese Art Drink."

Kronos nahm das Glas und musterte dessen Inhalt interessiert.

"Bloody Mary? Ich mag diese Farbe." Er nahm einen Schluck und verzog das Gesicht genüßlich. "Und den Namen auch. Er erinnert mich an etwas." Kronos setzte das Glas wieder ab und zwinkerte ihr wissend zu. "Dich doch auch! Nicht wahr?"

Athena hatte Mühe den Zorn in ihr zu bändigen. Sie biß die Zähne zusammen und Kronos konnte sehen wie sich ihre Gesichtsmuskeln anspannten. Er erhob nochmals das Glas und beäugte den Inhalt, dann sah er ihr prüfend ins Gesicht. Mit einer tadelnden Stimme fuhr er fort.

"Weißt du, diese Farbe da in dem Glas, die ist fast genauso rot wie die in deinem Gesicht."

Athena senkte den Blick, um ihm nicht die Wut und die Verletztheit darin zeigen zu müssen. Nach wenigen Augenblicken fühlte sie, das sie sich wieder besser im Griff hatte. Kalt entgegnete sie.

"Und so rot wie sich dein Hemdkragen morgen färben wird."

Kronos nahm sein Glas und stieß den Rand an das ihre an, daß am Tisch stand.

"Auf dich Amazonenkriegerin. Du hast die Wahl. Die Letzte."

"Morgen früh 6 Uhr auf dem Weg zur Zitadelle. Du weißt wo."

 

 

*

 

Methos saß am Steuer eines gemieteten Geländefahrzeuges und beobachtete Kronos als er das Hotel verließ. Er ließ den Motor an und lenkte den Wagen aus dem Parkplatz hinaus.

In einem nahen Teegarten blickten zwei junge Männer gelangweilt von ihrem Backgammonspiel auf. Der eine nickte dem anderen kaum merklich zu und verließ dann das Lokal um Kronos zu folgen. Der andere kramte einige Geldscheine aus seiner Tasche und ging damit zur Teeküche um zu zahlen.

Athena trat einige Augenblicke später aus dem Hoteleingang. Sie blickte die Straße hinauf und suchte sie nach Kronos, oder einem Beobachter ab. Plötzlich hielt sie inne, als sie das vertraute Kribbeln wahrnahm.

"Verdammt!" fluchte Methos und lenkte den Wagen blitzschnell an die Straßenseite. Er duckte sich auf die Beifahrerseite.

Athena suchte hastig die Gegend ab, konnte aber niemanden entdecken. Panik machte sich in ihr breit, sie war sich absolut sicher, das Kronos ihrer auflauern wollte. Ohne weiter nachzudenken lief sie in die Straße entlang.

Nach einiger Zeit setzte sich Methos wieder auf. Er sah gerade noch Athena in der Menge verschwinden, und einen jungen Mann hinter ihr hereilen. Erleichtert holte er tief Luft und schloß die Augen. Das wäre beinahe schiefgegangen.

 

Antiochia,

3. Juni 1098, 3 Uhr früh

 

"Wir haben nur so wenig Franken" rief Firuz entgeistert aus, als er die knapp 60 Mann über die Leitern in seinen Turm steigen sah. "Wo ist Bohemund?"

Kronos ignorierte den griechischen Hauptmann und machte sich sofort daran die Treppe hinabzusteigen. Methos beruhigte den Mann.

"Bohemund wird bald hier sein. Er führt das Hauptheer an." FN 5

Die Ritter verteilten sich in der Stadt und weckten die Bewohner der christlichen Vierteln auf, damit diese ihnen halfen die Wachen an den Toren der Stadt zu überwältigen.

Wenig später standen die Tore offen und das Heer, angeführt von Bohemund stürmte in die Stadt. Kronos stand wie versteinert da. Starr blickte er Bohemund an.

"Wenn ich diese Stadt nicht bekomme, so sollst du auch nichts davon haben!" murmelte er leise vor sich her. Dann eilte er zu seinen Männern.

Eine ausgeplünderte Stadt hatte bei weitem nicht den Wert, den Bohemund sich gewünscht hatte.

 

*

 

Das Heer fiel, aufgewiegelt von einigen Anführern in wildem Blutrausch über die Bevölkerung der Stadt her. Selbst die christlichen Einwohner der Stadt waren nicht vor ihnen sicher, und so mußte auch der Bruder von Firuz sein Leben unter den Lanzen der Eroberer lassen.

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Antakia,

15. Dezember 1994

 

Die niedrigen Steinwälle ließen nur erahnen wo einmal die Zisterne der Stadt Antiochia gestanden haben mag. Sie hatte den kleinen japanischen Geländewagen am Fuße des Hügels geparkt - weit für jedermann ersichtlich - und sich zu Fuß zum vereinbarten Treffpunkt begeben. Es war erst 6 Uhr früh, und die Morgendämmerung hatte kaum eingesetzt. Aber sie wollte zuerst die Gegend erkunden.

 

 

Antiochia

3. Juni 1098

 

Die kleine Gruppe rannte den Berg hinauf zur befestigten Zisterne der Stadt. Unter Ihnen befand sich der Sohn von Jagi Sijan, der Kommandant selbst hatte mit einigen wenigen Getreuen den Versuch gewagt, aus dem Hexenkessel dieser Stadt zu entfliehen um den Truppen Kerborgahs entgegenzueilen. Nur eine Handvoll Wachen begleitete sie.

Athena bildete das Schlußlicht, sie drehte sich während sie lief des öfteren um, um die Entfernung, die zwischen ihnen und ihren Verfolgern lag abschätzen zu können. Die Ritter mußten übermenschliche Kräfte haben, denn sie kamen, trotz der anstrengenden Kämpfe, die hinter Ihnen lagen und trotz der schweren Kettenhemden schnell immer näher. Und dann spürte sie es.

Kronos.

Er war hier. Sie wußte es, bevor sie sich noch umdrehte.
Und er war nahe, sehr nahe.

 

 

Antakia,

15. Dezember 1994

 

Eine Stunde war vergangen. Das Licht war immer noch ziemlich diesig. Auf der Straße, die zur alten Zisterne führte kam ein Land-Rover heran. Er parkte keine 200 Meter von ihr entfernt und stellte das Licht ab.
Athena umklammerte die durchgeladene Pistole in ihrer Tasche und drückte mit dem Oberarm die Vorderseite ihrer Jacke an sich, um den beruhigenden Druck des Schwertes zu fühlen. Adrenalin jagte durch ihre Adern und machte das Atmen beschwerlich. Kronos gegenüberzustehen ist etwas anderes als sein Gesicht auf einer Videoaufzeichnung zu sehen. Es ging etwas Bedrohliches von ihm aus. Etwas, das sich nicht in Worte fassen läßt. Er hatte eine Ausstrahlung, die wie ein unsichtbarer Nebel um ihn herum war, dessen kalte Luft sie nun berührte und Wellen der Unsicherheit und der Furcht durch ihren Körper jagte.

Die Fahrertür öffnete sich, und gleichzeitig ging das Kabinenlicht an. Es wurde von einer Eisenklinge reflektiert.

 

 

Antiochia

3. Juni 1098

 

Sie blieb abrupt stehen und drehte sich um. Mit einer geschmeidigen Bewegung holte sie einen Pfeil aus dem Köcher auf ihrem Rücken und spannte den Bogen.

Die Verfolger waren keine drei Pferdeslängen mehr von ihr entfernt. Ihr Anführer hob die Hand und deutete damit den Rittern stehen zu bleiben. Sein Gesicht war von der Anstrengung schweißnaß und die Narbe, die sich über das rechte Auge zog war purpurfarben.
Er lächelte.

Dieses kalte berechnende Lächeln.

Dieses siegessichere Lächeln.

Dieses Lächeln das sagte: ‚Vergiß es, du hast keine Chance. Vergiß es, denn ich werde nicht sterben, aber du wirst es. Du wirst von den Schwertern meiner Männer in Stücke geteilt, und ich werde vollenden, was sie begonnen haben.‘

 

 

Antakia,

15. Dezember 1994

 

Kronos stieg aus, wieder dieses Lächeln im Gesicht, und kam langsamen Schrittes auf sie zu. Er schwang das Schwert einigemale im Kreis und blieb einige Meter vor ihr stehen.

 

Antiochia

3. Juni 1098

 

Athena spannte den Bogen stärker. Ihr Gesicht war versteinert und zeigte wilde Entschlossenheit. Die Entfernung war kurz, und ihre Kraft würde allemal reichen um dem Pfeil die nötige Geschwindigkeit zu geben, damit dieser die Maschen des Kettenhemdes durchschlug und sich in Kronos Herz bohren konnte.

Diese Ruhe kehrte wieder in sie ein, dieses Gefühl, daß sie nach dem Beginn eines Kampfes immer hatte. Die Angst und Aufregung waren verschwunden. Sie hörte die Schreie und Stimmen des Gemetzels um sie herum nicht mehr. Alle Sinne waren einzig und allein auf ihren Gegner und ihr Ziel gerichtet.

Momente lang standen sie nur da, und doch brauchte weder Kronos noch Athena etwas zu sagen. Beide hatten dieselben Gedanken, wogen Für und Wieder ab. Kronos wußte, daß sie den Pfeil auf ihn abschießen würde, es sogar mußte. Er wußte, sie würde ebenso sterben. Er wußte auch, daß damit seine Hoffnungen auf die Herrschaft über Antiochia begraben sein würden. Er war tot, und es gab eine Unmenge von Zeugen.

Tötete sie ihn nicht, wäre es ein leichtes für ihn sie gefangen zu nehmen, und dann…

Auffordernd hob er die Augenbrauen.

Verhöhnte sie.

Siegesgewiß.

Athena hatte keine Alternativen. Für eine Flucht war es zu spät.

Schmerzhaft erinnerte sie sich an das letzte Mal, da sie die Gefangene der Reiter war.

An die Folter.

An Chyrea.

An deren Tot.

Diesmal würde niemand die Fesseln durchschneiden.

Und ihr ein Pferd geben.

Ihr den Weg zur Flucht weisen.

Doch sie hatte die Entscheidung getroffen. Jagi Sijans Sohn mußte zwischenzeitlich die Zisterne erreicht haben, und dort war er fürs erste in Sicherheit. Kerborghas Truppen müßten spätestens morgen hier eintreffen. Es war ein Hauch von Hoffnung, an den sie sich klammern konnte.

Sie justierte die Pfeilspitze noch einmal sorgfältig auf Kronos Herz.

 

 

Antakia,

15. Dezember 1994

Athena zog die Waffe aus der Jackentasche und richtete sie auf Kronos. Er sah sie überrascht an und neigte den Kopf. Das Lächeln verschwand aus seinem Gesicht.

 

 

Antiochia

3. Juni 1098

 

Plötzlich war ein Zischen zu vernehmen und Kronos faßte sich verwundert an den Hals, in dem ein langer seldschukischer Pfeil steckte.

Die Ritter, die er angeführte suchten augenblicklich an der Hausmauer Deckung. Kronos selbst versuchte einen Befehl zu erteilen, aber durch die Verletzung konnte er keinen Ton hervorbringen. Schließlich schwanden ihm die Sinne und er fiel zu Boden.

Athena nutzte die Verwirrung und rannte so schnell sie konnte den Hügel hinauf in Richtung schützende Zisterne.

 

Antakia,

15. Dezember 1994

 

Kronos Augen weiteten sich plötzlich vor Schrecken. Er ging langsam in die Knie und fiel schließlich vornüber.

 

 

Antiochia

3. Juni 1098

 

Er suchte hinter dem Fenster aus dem er geschossen hatte Deckung und hoffte, daß ihn niemand erkannt hatte. Langsam und leise schlich er sich zurück zu dem toten Seldschuken, den er Pfeil und Bogen abgenommen hatte und drückte ihm die Waffe in die leblose Hand. Es würde nicht lange dauern, bis die Ritter das Haus erstürmten und nach dem vermeintlichen Schützen suchen würden. Sie würden den toten Soldaten finden.

Es hatte ein Ende.

Kronos war tot.

Für Bohemund, für seine Soldaten, für die Christenheit.

Nur er wußte, daß er weiterleben, und ihn eines Tages wieder finden würde.

 

 

Antakia,

15. Dezember 1994

 

Athena war einen Moment lang starr, sie wußte nicht was geschehen war. Instinktiv suchte sie die Gegend ab. Da riß sie plötzlich ein Schlag nach hinten. Wage nahm sie noch wahr, daß sie fiel und die Umgebung sich vor ihren Augen zu bewegen begann, undeutlich und verschwommen. Schließlich wurde alles schwarz.

 

*

 

Methos legte das Gewehr zur Seite und nahm statt dessen sein Schwert, welches er neben sich auf den Boden gelegt hatte, zur Hand. Scheinbar gelassen schritt er langsam auf Kronos zu. Er schob seinen linken Fuß unter den leblosen Körper und drehte ihn mit einem kräftigen Ruck um. Einige Augenblicke lang starrte er in seine, vor Überraschung noch weit geöffneten, starren Augen. Er war tot, aber Methos hatte das Gefühl, als ob Kronos ihn beobachten würde. Er schloß gepeinigt die Augen und hob das Schwert. Eine Weile schwebte es still über seinen Kopf, dann zuckten die Muskeln in seinen Oberarmen kurz, und die Klinge senkte sich ein wenig. Unentschlossen hob er es wieder an. Es schien ihm als ob eine Ewigkeit verging. Schließlich öffnete er wieder die Augen und blickte zu Kronos, in dessen Augen, deren Glanz gebrochen war, und die dennoch so präsent waren, anklagend, warnend, die ihm die Vergangenheit zurück ins Gedächtnis riefen.

Eine Vergangenheit die er zu vergessen versuchte. Aber auch eine Zeit in der sie Brüder waren, in der es nichts gegeben hätte, daß sie trennen konnte. Nie zuvor – und niemals danach - hatte er je wieder einen solchen Gemeinsamkeit erlebt, eine Freundschaft so tief, das sie sein ganzes Sein erfaßte. Sie waren nicht nur vier Reiter, sie waren die vier Reiter. Und ihr Zusammenhalt, ihre Übereinstimmung in Gedanken und Taten wirkte wie ein Aphrodisiakum, welches mit jedem Überfall, mit jedem Sieg noch stärker in der Wirkung wurde.

Ihm war damals nie in den Sinn gekommen zu hinterfragen was sie taten oder warum. Es war nur wichtig das sie es taten. Und nichts und niemand hatte genug Kraft und Macht sie aufzuhalten. Nur er erkannte eines Tages, daß selbst das Wesen dieser Freundschaft nach langer Zeit einen fahlen Geschmack hinterließ. Sie mochten am Anfang gleich gewesen sein. Aber er entwickelte sich weiter. Weder Silas noch Caspian waren je fähig gewesen ihren Kopf zu gebrauchen. Kronos schon, ebenso wie er selbst.

Aber Kronos ordnete seine Intelligenz seiner ausgeprägten Gier nach Macht unter. Und für Methos war es nicht mehr wichtig das Gefühl der Macht über andere zu haben. Es gab Neues das zu erobern er gedachte. Und diese Dinge waren nicht von materieller Art. Kronos würde das niemals verstehen können. Und wann immer er einen großen Plan zu schmieden begann, so würde Methos der Erste sein, an den er sich wenden würde. Aber eines Tages würde Kronos bemerken, das er selbst es ist, der seine Vorhaben zum Scheitern brachte – und das würde der Tag sein, an dem ein anderer der älteste Unsterbliche werden würde. Aber wie sollte er - Methos - es verhindern?

Kronos Körper zuckte. Methos bemerkte es augenblicklich. Einmal zögerte er noch kurz. Dann stieß er einen Schrei der Frustration aus und rammte das Schwert in Kronos‘ Herz.

 

 

Antiochia,

11. Juni 1098

 

"Ein Wunder ist geschehen!! Sie haben die heilige Lanze gefunden!"

Angus rannte durch die Stadt und schrie immer wieder "Sie haben die heilige Lanze gefunden! Sie war versteckt in der St. Peters Kirche. Jesus selbst hat uns gezeigt wo!"

Er hielt aufgeregt einige Passanten auf um ihnen die Neuigkeit zu erzählen.

"Die heilige Lanze. Die Lanze mit denen die Römer unseren Heiland töteten. Sie war in der Kirche vergraben!!" Dann rannte er weiter.

"Du dummer Narr!" flüsterte Athena in das Taschentuch, mit dem sie sich Nase und Mund zuhielt.

Der Gestank, der die Stadt erfüllte war nicht auszuhalten. Kurz nach den Massakern erreichten die islamischen Truppen aus Damaskus Antiochia. Die Christen hatten keine Zeit mehr die abertausenden Leichen der ehemaligen Bewohner Antiochias aus der Stadt zu schaffen. So ließen sie sie einfach in den Straßen liegen, und das heiße Wetter tat sein übriges. Athena hatte bereits viele Kriege , Hungersnöte und Naturkatastrophen miterlebt. Aber der Anblick der verwesenden Toten, an denen sich bereits diverse Insekten an ihre Arbeit gemacht hatten war selbst für sie zuviel. Erst heute morgen hatte sie sich, in einem Anfall von Ironie gewundert wie sie es zustande brachte sich nochmals zu übergeben. Schließlich konnte sich nichts mehr in ihrem Magen befinden.

Aber es half alles nichts. Sie hatte sich als Christin verkleidet und versuchte nun zu spionieren um dem Entsatzungsheer möglicherweise nützliche Hinweise geben zu können. Aber so schlecht der Zustand des Christenheeres auch sein mochte – sie besaßen eine bewundernswerte Motivation. Die Menschen waren ausgehungert von der langen Belagerung, erschöpft von den Strapazen der langen Reise und dennoch so voll Mut und Zuversicht. Das in letzter Zeit immer häufigere Auftreten von kleineren und größeren Wundern half mit die Hysterie um ihren Glauben zu stärken.

Sie preßte, das mit reichlich Rosenöl getränkte Taschentuch noch fester an ihr Gesicht und überwand sich einmal mehr über eine der Leichen zu steigen. Dann spürte sie es.

‚Kronos‘ war ihr erster Gedanke, und sie faßte nach dem Schwert, das unter ihrem Umhang verborgen war. Im nächsten Augenblick sprang jemand aus einem Hauseingang heraus. Athena stürzte sich mit dem Schwert auf ihn zu und hieb einige Male kräftig auf den Unsterblichen ein, jedoch wurde jeder ihrer Schläge pariert.

"Das ist kein guter Kampfplatz. Man rutscht so leicht in den Eingeweiden der Toten aus."

Athena hielt inmitten der Bewegung inne und starrte ihr Gegenüber an.

"Methos?" kam es ungläubig von ihren Lippen. Sie senkte das Schwert und plötzlich veränderte sich auch ihr Gesichtsausdruck. Sarkastisch bemerkte sie.

"Klar, wo er ist, kannst du natürlich auch nicht weit sein! Ich dachte es sei vorbei."

Methos trat näher an sie heran und faßte sie grob am Oberarm. Mit Bestimmtheit sagt er "Es ist vorbei." Und fügte dann noch schnell und provokant hinzu. "Oder glaubst du es war dein Pfeil, der ihn getroffen hat?"

Athena sah in erstaunt an, allerdings konnte er auch beinahe an ihrem Gesicht ablesen, wir sie sich ihre eigene Version der Geschehnisse zusammenreimte.

Methos drängte sie in das Haus, aus dem er gekommen war. "Komm mit."

 

*

 

"Klug." Bemerkte Athena und goß sich und Methos noch etwas von dem Tee ein. "Du hast also den Plan für den Verrat geschmiedet und im letzten Augenblick verhindert, daß Kronos die Stadt gehört. Du hast Bohemund glauben lassen, die Warnung käme von seinem treuen Vertrauten und somit den Verdacht, den Kronos hegen mochte, von dir gewiesen. Damit ist Bohemund der Herrscher von Antiochia und nicht ein namenloser Ritter aus dem Nirgendwo. Aber warum hast du ihn auf offener Straße ermordet?"

Methos lächelte sarkastisch.

"Nun, er denkt jetzt sicher du wärst es gewesen. Warum soll ich mir seinen Zorn zuziehen, wenn derjenige, den er für dich hegt sowieso schon grenzenlos ist?"

Athena nahm einen Schluck des heißen Getränks und lächelte gequält.

"Danke vielmals. Ich wüßte nicht wer meinen Ruhm sonst vermehren sollte wenn nicht du!"

Methos fuhr fort

"Mir ist es egal wem welche Stadt oder welches Land gehört. Ich will hier in der Abgeschiedenheit ein paar Dekaden verbringen. Europa ist zu unsicher, Familienfehden und Machtgelüste lassen es ausbluten. Diese Region war vor 2000 Jahren bereits fortgeschrittener, als sie es die heute in Europa ist. Kronos wird das nie verstehen können, er sieht nur den Reichtum und die Macht, die hier auf ihn warten. Aber jetzt ist dieses Land für ihn für einige Zeit tabu. Zeit genug für mich. Ich werde mich rar machen."

Athena sah ihn seltsam, beinahe traurig an, dann seufzte sie.

"Ich wünschte dein Plan würde funktionieren."

Methos neigte fragend den Kopf.

"Kronos lebt." Erklärte sie.

"Ich hab ihn auch nur erschossen."

"Nein, Methos. Er lebt für diese Menschen hier. Er hat sich den allgemeinen Aufruhr, den der Fund der Lanze verursacht hat zunutze gemacht, und den Christen gleich sein persönliches Wunder verkauft. Sie denken er sei von den Toten zurückgekommen - sozusagen als göttliche Belohnung für seine Taten bei der Eroberung von Antiochia."

 

 

***

 

Ankara

15. Dezember 1994

 

Athena wachte mit furchtbaren Kopfschmerzen auf. Sie befand sich in einem Hotelzimmer, aber es war nicht dasselbe wie in Antakia. Sie stand auf, und alles drehte sich um sie herum. Stöhnend ließ sie sich wieder auf das Bett zurücksinken. Sie blickte sich vorsichtig um.

Seltsam, ihr Gepäck stand am Fußende des Bettes.

Sie suchte das Nachtkästchen ab und fand einen Notizblock mit der Anschrift des Hotels.

Ankara.

Wie zum Teufel war sie nach Ankara gekommen?

Weiter unten stand in derselben Handschrift wie auf dem Brief in Paris eine kurze Notiz.

Er ist weg.

Und durch den Schleier ihrer Verwirrtheit erinnerte sie sich, wo sie diese Handschrift schon einmal gesehen hatte.

 

 

Antiochia

15. Juli 1098

Die Straßen der Stadt waren um diese Zeit recht belebt. Der Gottesdienst in der St. Peters Kirche hatte soeben geendet, und die herausströmenden Menschen verweilten noch auf dem Platz vor der Kirche um dieses und jenes zu besprechen, oder sie setzten sich in eine der zahlreichen Tavernen. Vor zwei Wochen hatten die Christen das islamische Entsatzheer vernichtend geschlagen. Seitdem herrschte Friede. Man ruhte sich von den Strapazen des letzten Jahres aus und genoß das Leben.

Kronos und Methos hatten sich ebenfalls mit einigen ihrer Kampfesgefährten an einem Tisch außerhalb eines dieses Gasthäuser niedergelassen. Und obwohl es erst später Vormittag war, so hatten ihre Freunde doch schon dem Wein mehr zugesprochen, als gut für sie war.

Methos selbst begnügte sich mit einem Becher, an dem er mehr lustlos nippte, und er wußte, das auch Kronos es hier nicht wagen würde sich zu betrinken. Trotzalledem war die Stimmung ausgelassen, und das laute Gelächter und die gelegentlichen Belästigungen den vorübereilenden Passanten gegenüber lenkte die Aufmerksamkeit der Menschen auf sie.

Aber irgend etwas störte ihn an der Szenerie. Methos hatte ein Gefühl, daß er nicht einordnen konnte. Die Ahnung einer Gefahr, die auf ihn lauerte, die aber nicht faßbar, nicht mit Mitteln der Vernunft zu erklären war. Wäre er in einem Lager außerhalb der Stadtmauern gewesen, so hätte er – dieser instinktiven Warnung vor Gefahr – vertraut. Aber hier? Mitten in dieser Stadt, die mittlerweile so friedlich und abgesichert war?

Kronos zog mit einem anzüglichen Lächeln eine der Mägde auf sein Knie. Er flüsterte ihr etwas ins Ohr, worauf diese ihm mit gespielter Empörung eine Ohrfeige verpaßte, die jedoch in keinster Weise ernst gemeint war. Sie rappelte sich wieder hoch und dabei schwappte etwas von dem Wein in dem Krug, den sie hielt über und tröpfelte auf Kronos Hosenbein. Eine Entschuldigung murmelnd nahm sie ihre Schürze und versuchte den Fleck trockenzureiben. Dabei neigte sie ihren Oberkörper gerade soweit nach vorne, um Kronos ihren üppig gefüllten Mieder in Augenhöhe zu präsentieren. Sie setzte ein verführerisches Lächeln auf. Kronos genoß sichtbar den Ausblick und lies seine Hand auf ihr Hinterteil niedersausen. Eine Geste, die von seinen Kumpanen mit lautem Gegröle quittiert wurde.

Methos sah das Mädchen ernst an. Er wußte, daß sie noch in dieser Nacht ihre Unverfrorenheit bitter bereuen würde.

Die Magd stellte den Weinkrug in die Mitte des Tisches, ohne ihren Blick von Kronos abzuwenden und verschwand dann, die Hüften kokett wiegend in der Taverne. Unanständige Bemerkungen und Witze machten die Runde, und Methos lächelte mehr gequält mit. Inmitten dieser ausgelassenen Stimmung kamen zwei Jungen an den Tisch, knapp zwanzig Jahre alt, beide in Lumpen gekleidet. Sie richteten sich an Kronos und bettelten um ein paar Münzen. Kronos holte mit einer schnellen Bewegung seiner Hand aus, und schlug den einen Jungen so fest ins Gesicht, daß dieser nach hinten auf die Straße stürzte.

Was danach passierte war so schnell, daß Methos selbst nicht bemerkte, was sich tatsächlich abspielte. Der andere Junge trat an Kronos heran und fuhr mit einer blitzschnellen Bewegung zu seinem Gesicht, danach lief er davon und verschwand in der Menschenmenge. Es fielen lautstarke Bemerkungen über das feige Verhalten des Jungen, und es wurde gelacht, mit Wein gefüllte Becher wurden wie zur Bestätigung erhoben und auf einen Zug geleert.

Nur Methos bemerkte, daß Kronos die Augen unnatürlich weit offen hatte und mit einer Hand seinen Hals umfaßt hielt. Er schien starr ins Leere zu blicken. Er richtete sich auf um seinen Freund zu fragen was den los sei, und dann sah er, daß Blut zwischen Kronos‘ Fingern hervorquoll. Methos sprang auf und riß die Hand seines Freundes weg.

Entsetzt starrte er auf den klaffenden Schnitt, der sich quer über seinen Hals zog. Blut floß im Rhythmus seines noch schlagenden Herzens aus der Wunde und tränkte sein Gewand.

Methos Blick flog sofort zu dem Jungen, der noch auf der Straße liegen mußte. Doch dieser war ebenfalls verschwunden. Als nächstes blickte er die Straße hinunter um den Fliehenden vielleicht noch zu sehen. Doch er konnte niemanden mehr erkennen. Er wollte sich wieder Kronos zuwenden da bemerkte er sie.

Athena stand etwas abseits an einer Hausmauer. Gerade soweit entfernt, daß sie sie nicht spüren konnten. Ihr Gesicht war starr und ohne das geringste Anzeichen einer Gefühlsregung. Langsam ging sie zu den beiden.

Kronos röchelte, das Blut drang in seine Lungen und löste einen Hustenreiz aus. Doch plötzlich hielt er inne, er spürte einen weiteren Unsterblichen. Panik macht sich in ihm breit. Er wendete mühsam den Kopf ein wenig in die Richtung, in der er den anderen vermutete. Nun sah er sie auch.

Athena stoppte. Sie wollte nur, daß Kronos wußte wer hinter diesem Attentat stand. Wer seine Pläne nun schlußendlich vereitelte. Eine große innere Ruhe erfaßte sie, und die Befriedigung ihn besiegt zu haben.

Vorläufig zumindest.

Aber trotzdem.

Sie blickte von Kronos auf und sah Methos an. Dann machte sie kehrt und ging langsam die Straße hinunter.

Plötzlich schrie jemand schrill und von Angst erfüllt: "Assassinen! Die Assassinen!" Methos löste den Blick von der Straße und sah verwirrt zu der Frau die diese Worte immerwieder wiederholend hinausschrie.

"Die Assassinen!"

Ihre Augen waren vor panischer Angst weit aufgerissen und sie zeigte mit den Finger auf den Tisch. Ein Mann kam zu ihr und drückte ihren Arm beschwichtigend herab. Er nahm sie in die Arme und versuchte sie zu beruhigen.

Methos nahm wahr, daß viele in der Menschenmenge der Schaulustigen betroffene Gesichter machten. In anderen war blanke Angst zu sehen. Er sah zum Tisch hinab, auf den die Frau gezeigt hatte. Dort lag ein längliches Fladenbrot, in der Mitte zusammengeschlagen. Er nahm die eine Hälfte und klappte sie auf. In der Mitte des noch warmen Brotes lag ein blutiger silberner Dolch.

 

ENDE

 

Epilog

 

 

Syrische Wüste,

Ende September 1098

 

Methos richtete sich mit einem Male im Sattel auf, und seine Augen suchten aufmerksam die Gegend ab, bis er aus den Augenwinkeln zu seiner Linken eine Bewegung ausmachen konnte.

Hinter einem steilen Hügel erschien ein Reiter, das Gesicht nach Art der Araber mit einem weißen Turban verhüllt. Er legte seine rechte Hand an den Griff seines Schwertes und brachte sein Pferd mit einem Schenkeldruck zum Stehen. Je näher der Reiter kam, desto deutlicher wurde das Surren in seinem Inneren, und es wurde ihm auch vertrauter.

Der Reiter lenkte sein Pferd direkt neben das seine, und er konnte sein kurzes Schwert an dessen Schenkeln baumeln sehen. Erleichtert nahm er seine Hand von der Waffe und suchte in dem vermummten Gesicht an irgend einem Anzeichen einer Gefühlsregung. Doch da waren nur ein Paar von olivgrünen Augen, die ihn aufmerksam musterten.

Er wandte sich ab und richtete den Blick starr zum Horizont.

"Warum?"

Es war keine richtige Frage, knapp und unwillig ausgesprochen, anklagend.

Athena zog das Ende des Turbans, das um Nase und Mund gewickelt war herab und antwortete bitter.

"Weil ich nicht will das sich wiederholt, was seit einer Ewigkeit schon vorüber ist. Und weil er immer noch zuviel Macht über dich hat."

Seine Mimik versteinerte. Da war wieder diese Maske, die er hervorkramen konnte, wenn das Gespräch auf ein Thema kam, daß ihn nicht behagte. Er trieb sein Pferd an.

Athena folgte ihm verärgert. Ihre Stimme wurde lauter und zorngeladen.

"Verdammt, Methos bleib stehen! Warum läufst du vor ihm davon? Du kannst gegen ihn kämpfen. Du bist gut genug! Nein, du bist besser als er. Kronos ist stark, stärker als die meisten von uns…" Methos befahl seinem Pferd eine schnellere Gangart, als wolle er ihren Worten entfliehen, doch Athena wollte diesesmal nicht aufgeben. Sie galoppierte an ihm vorüber und griff in die Zügel seines Pferdes um es zu stoppen."….aber er ist nicht unbesiegbar. Niemand kennt ihn besser als du. Du kannst ihn besiegen!"

Methos sah sie, das Gesicht wutverzerrt, an:

"Oh ja. Ich könnte ihn vielleicht besiegen. Ich hätte es sogar tun können – gegen Kronos kämpfen – das Schwert gegen meinen Bruder …" er spie das Wort heraus " …zu richten. Aber was hätte es mir gebracht? Letzten Endes, hätte ich es nicht gekonnt. Letzten Endes hätte ich ihm nicht den Kopf von den Schultern trennen können. Letzten Endes, hätte er dasselbe Problem bei mir nicht gehabt. Letzten Endes….wäre ich tot und er am Leben"

Damit riß er ihr die Zügel aus der Hand und ritt weiter. Athena rief ihm nach:

"Aber um Gottes willen warum Methos."

Er hielt sein Pferd an und wendete es.

"Das, Athena, wirst du nie verstehen! Es ist eine zu alte und zu lange Geschichte…" und so leise, daß sie es nicht verstehen konnte fügte er hinzu "… zu alt und zu lang, als daß ich sie selbst verstehen könnte."

Athena hatte ihn wieder eingeholt. Sie holte aus der Satteltasche ein eingerolltes Stück Pergament hervor und reichte es ihm. So als ob ihr Gespräch nie stattgefunden hätte sagte sie ruhig und gelassen.

"Du wolltest eigenes Land. Hier drinnen ist eine Festung eingezeichnet, die nahe an den von euch eroberten Gebieten liegt. Sie kontrolliert eine Karawanenstrecke zu den Häfen. Die Einnahmen aus den Schutzzöllen sind nicht weltbewegend, aber sie reichen für ein Leben im Wohlstand. Außerdem gibt es einen tiefen Brunnen, der das angrenzende Land mit Wasser versorgen kann. Der jetzige Kommandant der Festung betrügt uns schon seit geraumer Zeit, und der Befehl ihn zu ermorden ist bereits erteilt worden.

Die Truppen, die er befehligt sind stark dezimiert und moralisch am Ende. Es sollte kein Problem sein diese Festung einzunehmen. Doch du mußt rasch handeln, solange er noch am Leben ist. Danach arrangiere dich mit den Assasinen, und du wirst keine weiteren Probleme mehr haben."

Methos nahm überrascht das Pergament an sich und sah sie fragend an.

" Kronos kann sich hier in den nächsten zehn Jahren nicht blicken lassen. Selbst wenn ihn der Trick mit dem göttlichen Wunder der Wiederauferstehung glücken sollte, so ist haftet ihm doch der Makel der Feindschaft mit den Assasinen an. Er ist damit zur Unperson gestempelt, und niemand wird sich in seine Nähe wagen. Mit ein wenig Glück verliert er das Interesse an seinen Plänen und dir." Sie lachte plötzlich auf "… und frag mich bloß nicht warum ich das tue."

Sie stieß ihrem Pferd die Fersen in die Flanken und galoppierte in Richtung Westen davon.

"Was wirst du jetzt tun?" rief Methos ihr nach.

Ohne ihr Pferd anzuhalten drehte sie sich kurz um und antwortete.

"Ich habe einen neuen Auftrag. Ich reite nach Jerusalem!"

 

 

 

Fußnoten

 

FN 1 Haschaschinen oder Assasinen waren im Mittelalter im arabischen Raum eine Sekte, die sich hauptsächlich mit politischem Mord Macht verschaffte. Sie gingen dabei folgendermaßen vor: die Mitglieder der Sekte vorwiegend sehr junge Männer wurden mit Drogen (Haschisch; daher der Name Haschaschinen) gefügig gemacht. Man brachte sie darauf in einem paradiesartigen Garten und führte ihnen junge Mädchen zu. Dabei redete man ihnen ein sie seien im siebten Himmel, dem Paradies Allah’s. Nachdem die jungen Männer wieder ernüchtert waren, taten sie alles um noch einmal in diesen "paradiesischen Garten" zu gelangen. Die übliche Methode ihres Terrors war Mord durch Aufschlitzen der Kehle, sozusagen als Visitenkarte hinterließen sie beim Opfer ein Fladenbrot. Die Assasinen hatten zu der Zeit unglaubliche Macht, und konnten Regierungen stürzen, was sie auch hin und wieder taten. Ihr Sitz war in Masief, einem Berg in Persien; angeführt wurden sie von einem bereits sehr altem Mitglied der Sekte, daher auch der Name "der Alte vom Berg". Die Assasinen werden gerne als das arabische Gegenstück zu den Tempelrittern gesehen.

 

 

FN 2 Diese Beschreibung stammt sinngemäß aus der "Alexiad" – eine der bedeutendsten byzantinischen Schriftstücke aus dieser Zeit. Sie ist eine Biographie über Alexius Comnena, den, während des ersten Kreuzzugs herrschenden byzantinischen Kaiser. Verfaßt wurde die "Alexiad" von Anna Comnena, seiner Tochter, die Bohemund von Tarent 1097 in Konstantinopel erstmals persönlich kennenlernte und von ihm auf sehr weibliche Art und Weise fasziniert war. Sie war damals 13 Jahre alt.

 

 

FN 3 Diese Szene hat sich so ähnlich tatsächlich begeben. Bohemund ließ die Gefangenen als Festmahl zubereiten und hat sich mit der Ausrede vom "Guten Zweck" verteidigt. Ob die Ritter die Gefangenen tatsächlich gegessen haben ist unbekannt. Bekannt ist jedoch, das Kannibalismus im 1. Kreuzzug recht weit verbreitet war, teils aus der unvorstellbaren Hungersnot, die zeitweise ausbrach, teils aus unkontrollierbaren Fanatismus.

 

FN 4 In einigen Chroniken wird erwähnt, daß letztendlich der Ehebruch von Firuz Frau ihm zum Verrat verleitet haben soll.

 

FN 5 Bohemund wußte tatsächlich nichts davon, daß seine Männer sich bereits in der Stadt befanden. Erst als ein italienischer Fußsoldat ihm davon berichtete, machte er sich mit dem Heer auf den Weg. Die Tore der Stadt waren zu diesem Zeitpunkt schon weit geöffnet. Und Firuz beschwerte sich auch über die geringe Anzahl der "Franken"