Halloween
Salandra



Duncan MacLeod reckte sich müde auf seiner grünen Ledercouch und blätterte weiter in seinem Buch. Aber irgendwie er kein Interesse mehr an "Satre" und er blickte ungeduldig auf seinen Armbanduhr. Erst vier Uhr! Joe hatte sicherlich noch nicht geöffnet, also mußte er sich noch mindestens zwei Stunden alleine hier in seiner Wohnung langweilen. Oder wenigstens so tun als würde er Satre lesen, obwohl er im Augenblick nicht die Nerven hatte, um sich mit hochphilosophischen Themen auseinanderzusetzen.
Duncan legte das Buch beiseite und setzte sich mühsam auf. Ein Tee würde ihn sicher wieder auf die Beine bringen, damit er sich auf seinen Lektüre konzentrieren konnte.
Doch zum Teekessel kam Duncan nicht mehr, denn die Klingel schellte.
Erleichtert atmete Duncan auf. Besuch! Jemand zum Reden, keine Langeweile!
Duncan tänzelte freudig auf die Wohnungstür zu, als sich ein sanftes Kribbeln in seinem Bauch bemerkbar machte. Verstört blieb er stehen und betrachtete die Tür. Trotz Langeweile fehlte ihm die Lust auf einen ordentlichen Schwertkampf.
Die Glocke schellte zum zweiten Mal, diesmal deutlich ungeduldiger.
Duncan stöhnte resigniert, zuckte mit den Schultern und öffnete dem Unsterblichen die Wohnungstür.
Als er sein Gegenüber sah, blieb ihm fast der Luft weg. Ein KÜRBIS grinste ihn frech in Augenhöhe an. Das Ding besaß Augen, Nase, einen frechen Mund und sprach auch noch.
"Mach den Mund zu, Mac. Ich bins!" knurrte der Kürbiskopf, drängte sich an ihm vorbei in die Wohnung und ging zielstrebig auf den Kühlschrank zu.
"Hast Du ein Bier?!" verlangte er zu wissen.
Duncan stand immer noch mit offenem Mund in der Tür und starrte den Kürbismenschen entgeistert an. Soweit er sich erinnern konnte, kannte er niemanden, der einen Kürbiskopf besaß.
Der Kürbis stöhnte ein weiteres Mal. "Du bist so einschläfernd, MacLeod!" knurrte er, bevor er sich die Frucht vom Kopf zog. Darunter steckte doch tatsächlich ein menschlicher Schädel mit Haaren, Augen, Mund und einer riesigen Nase.
"Methos!" rief Duncan erschrocken. "Versuchst du dich zu verstecken?"
Methos breites Grinsen verflog plötzlich. "Nein, du begriffsstutziger Schotte, ich wollte dich erschrecken! Aber anscheinend ist bei dir sogar auch noch der Humor eingeschlafen!"
Duncan grinste breit. "Was willst du hier?"
Methos zuckte mit den Schultern. "Bier trinken. Mein Kühlschrank ist leer und Joe hat noch geschlossen."
Duncan nickte Verzweiflung heuchelnd. "Jaja, und ich dachte schon du willst mir Gesellschaft leisten. Wie konnte ich mich nur so in Dir täuschen!"
Methos lächelte. "Tja, weil Du mich eben doch nicht so gut kennst, wie du immer behauptest."
Duncan nickte still und ließ sich der Länge nach auf sein Sofa fallen.
Methos kam, mit einer Bierflasche in der Hand, auf ihn zugeschlendert. "Weißt Du eigentlich, was wir heute für einen Tag haben?" fragte er wissend.
Duncan zuckte mit den Schultern. "Den 31. Oktober, wenn ich mich nicht irre."
Methos nickte eifrig. "Und was noch?"
"Dienstag?"
"Ja, das auch. Aber was noch?", fragte er nun schon etwas ungeduldiger.
"Keine Ahnung, hast du Geburtstag?"
Methos schüttelte energisch den Kopf. "Nein!, Also was haben wir heute?"
"Man, Methos, ich habe keine AHNUNG. Sag's mir!"
Methos stöhnte entnervt auf. "HALLOWEEN! Wir haben heute HALLOWEEN!"
Duncan fiel müde in sich zusammen. "Und deswegen machst du so einen Aufstand? Ein Tag wie jeder andere auch!"
"Das glaubst DU! Weißt du überhaupt was das bedeutet?"
Duncan schloß müde die Augen und schüttelte den Kopf.
"Heute Nacht gehen die Welten der Toten und der Lebenden ineinander über, wir haben Sam Hain, Duncan. Die Grenzen zwischen sichtbarer Wirklichkeit und Übernatürlichem sind aufgehoben. Sag' nur, Du hast noch nie Halloween gefeiert?"
Duncan zuckte mit den Schultern. "An so etwas haben meine Eltern nicht geglaubt."
"Pah! Deine Eltern haben vermutlich zu dem abergläubischsten Völkchen aller Zeiten gehört. Halloween wird seit ....5000 Jahren gefeiert."
Duncan blickte plötzlich auf. "Dann ist das ja so etwas wie dein Geburtstag?"
Methos schüttelte energisch den Kopf. "Ich feiere Halloween aus einem ganz andern Grund."
"Und der wäre?"
"Weil ich mich an die Toten, an die Menschen die ich verloren habe, erinnern will. Dieses Fest steht für alle Toten und ihre Verbindung zu den Lebenden. Deshalb."
Duncan lächelte amüsiert. "Und Du willst mit mir feiern?"
Methos nickte. "Wenn Du es willst?"
Duncan lächelte. "Ich könnte mir nichts schöneres vorstellen, als Samhain mit Dir zu feiern."
Methos Gesicht mutierte zu einem einzigen Grinsen. "Aber da Du anscheinend noch nie Halloween gefeiert hast, müssen wir beim Spaß an diesem Fest anfangen, ehe wir zum Ernsten Teil übergehen."
Duncan hob interessiert eine Augenbraue.
"Süßigkeiten!"

Eineinhalb Stunden später kam Methos wieder aus dem Bad, Duncan erhob sich verschlafen. Der Highlander trug nun einen kurzen blauschwarz karierten Schottenrock, dazu passende Kniestümpfe, und Gamaschen, ein weißes Rüschenhemd, den passenden Hut und einen Ledergurt über der Schulter. Er sah aus wie, wie .... Duncan MacLeod vom Clan der MacLeod. Einfach zu Anbeißen.
Dagegen sah Methos wie der reinste Vagabund aus. Er hatte eine weiße Hose, hohe Stiefel, ein weißes grobes Baumwollhemd, darüber ein Lederwams, die mit runden Metallplatten verziert war und unterarmbedeckende Lederarmbänder. Zu allem Überfluß hatte er sich auch noch eine schwarze Langhaarperücke aufgesetzt und sein Gesicht zur Hälfte blau bemalt.
Abgerundet wurde seine ganze Erscheinung noch von einem weißen Umhang, den er sich kunstvoll um die Schultern geworfen hatte.
Methos setzte ein Grinsen auf und musterte Duncan. "Meinst Du nicht, das es für Rock und Strümpfe ein bißchen zu kalt ist?"
Duncan räusperte sich. "Ein Schotte kennt keine Kälte!"
Methos nickte amüsiert. "Gut, hast du deinen Beutel?"
Duncan nickte.
"Dann kann es ja losgehen." sagte Methos und ging Richtung Tür.
"Du willst doch nicht in dem Aufzug auf die Straße, Methos?" fragte Duncan empört.
Methos drehte sich um und nickte eifrig. "Wenn du als Duncan gehst kann ich doch wohl so gehen, oder?"
Duncan zuckte mit den Schultern und folgte ihm schweigend.
Nach einiger Zeit fragte er ihn: "Wen stellst du eigentlich dar?"
Methos zuckte mit den Schultern. "Irgendwen."

"Du sagst es!" rief Methos empört.
"Ich denk nicht mal im Traum dran. Das war Deine bescheuerte Idee, also sagst Du es!" Duncan kreuzte stur die Hände vor der Brust.
Methos wollte gerade ansetzten, ein weiteres Mal zu protestieren, als die Haustür sich öffnete und eine Frau Mitte fünfzig sie angrinste.
Methos starrte sie verdutz an und versetzte Duncan einen kräftigen Stoß in die Rippen. Dieser zuckte zusammen und preßte "Süßes oder Saures!" heraus. Bevor er ausholte, um Methos zurückzuschlagen. Dieser wich geschickt aus und hielt der Frau auffordernd seinen Beutel hin.
Deren Lächeln verbreiterte sich noch weiter. "Meine Herren, sind Sie nicht schon ein bißchen alt, um Süßigkeiten zu erbetteln?"
"Verehrteste, man ist nie zu alt." lächelte Methos und forderte Duncan auf, ebenfalls seinen Beutel hinzustrecken.
Die Frau lächelte. "Nun, dann seid schön brav und eßt nicht alles auf einmal auf, wenn ihr zu Hause seid, sonst bekommt ihr noch Bauchschmerzen." Sie verteilte einige Schokoriegel in die beiden Beutel, kniff erst Methos und dann Duncan in die Backen und schloß lachend die Haustür von innen.
Methos und Duncan sahen sich an, zuckten mit den Schultern und schlenderten weiter.
Der Frau folgte ein Mann, der ihnen statt Süßigkeiten eine Flasche Bier gab, danach ein Mann, der sie fortjagte und so weiter. Bei ungefähr der Hälfte bekamen sie Süßigkeiten, bei der anderen Bier, Schnapps oder Schläge.
Nach ungefähr zwei Stunden machten sie sich auf den Weg zu Joe, wo sie den Rest des Abends verbrachten.
Der Watcher schüttelte nur den Kopf, als er die beiden verkleideten Unsterblichen mit vollen Tüten in seine überfüllte Bar schlendern sah.
"Viel erbeutet?" fragte er beiläufig, als sie sich an die Bar setzten.
Duncan nickte. "Ich hatte lange nicht mehr so viel Spaß wie heute abend." Er sah Methos dankbar an.
"Gern geschehen, Blauröckchen."