Titel: The Beginning.... Giles fly to Sunnydale (08/00)
Autor: Kathrin (Little Shakespeare)
Altersfreigabe: ab 12
Rechte: Alle Rechte an der Fernsehserie "Buffy the Vampire Slayer" und ihren Charakteren gehören Joss Whedon, Mutant Enemy, Sandollar Productions, Kuzui Enterprises, 20th Century Fox Television und dem WB Television Network. 
Die Geschichte entstand aus reinem Spaß an der Serie und am Schreiben. Sie dient nicht zu kommerziellen Zwecken. Mein einziger Lohn sind hoffentlich viele nette Feedbacks.
Kategorie: Giles = Vergangenheit / Zukunft
Kommentar: Ich habe mich einfach irgendwann gefragt, wie es wohl gewesen sein könnte, als Giles nach Sunnydale kam. Was er dachte, was er empfand und was er auf dem Weg dorthin erlebte.
Feedback: schmorkopf@lycosmail.com

 

The Beginning... Giles fly to Sunnydale
von Kathrin

 

London Airport 5.00 Uhr morgens, ein Mann steht inmitten der großen Wartehalle, zwei schwere Koffer an seiner Seite, eine kleine Aktentasche als Handgepäck am Arm. Aufmerksam verfolgt er das um ihn passierende hektische Treiben, Stewardessen die zu ihren Maschinen schlendern, Touristen gestreßt kommen und gehen. Menschen die aneinander vorbei laufen und einander nie wieder sehen. So wie er, der diese Stadt verläßt für sehr lange Zeit, vielleicht für immer. Er weiß es nicht. In ein anderes Land, eine ferne, ihm fremde Welt weit ab von seiner Heimat zu einer Aufgabe die gleichzeitig seine Berufung und Pflicht ist. Gedankenverloren knöpft er die Jacke seines braun - grauen Tweedanzuges auf. Ihm ist nicht warm, aber er fühlt sich eingeengt zwischen diesem hektischen Treiben. Er denkt zurück an die Ruhe des Museums, wo er arbeitete, an die Gemütlichkeit seiner kleinen zwei Zimmerdachwohnung und an all die vielen kleinen Dinge, die London zu seiner Heimat werden ließen. 

Ein älterer Herr, in ähnlichem Outfit wie er, reißt ihn aus seinen Gedanken. Er spricht nicht fiel, überreicht ihm nur eine kleine Mappe, letzte Anweisungen, die gültigen Tickets, für einen Hinflug in das Land der sogenannten unbegrenzten Möglichkeiten und einen Schlüssel für sein neues Heim. Nickend, wortlos nimmt der Mann es entgegen, spürt die Kälte des Schlüssels in seiner Hand, am ganzen Körper, liest seinen Namen auf dem Ticket Mr. Rupert Giles, from London to Sunnydale over Chicago, Flight-No. 3577. Es ist unumstößlich, gibt kein zurück. War es ihm bis jetzt noch nicht in aller Tragweite bewußt, so steht es hier nun schwarz auf weiß. Sein Gegenüber läßt ihn wieder allein, verabschiedet sich ohne ein Wort. Das war es, der letzte persönliche Kontakt, das letzte Zusammentreffen mit Mitgliedern seiner Art.

Die Flugnummer 3577 wird aufgerufen, schallt ernüchternd durch seine Gedanken. Beinahe mechanisch gibt er sein Gepäck auf, folgt den anderen. Wie oft ist er schon geflogen? Er weiß es nicht, hat irgendwann aufgehört es zu zählen, auch wenn es schon länger her ist. Doch dieser Flug wird anders. Ihm ist klar, er wird sein Leben verändern. Sein ganzes bisheriges Sein bestimmen und ihn fordern, so wie es ihm vorher bestimmt ist und worauf er von klein auf vorbereitet wurde. Die Koffer verschwinden auf dem Förderband aus seinem Sichtbereich. Er muß an die gepackten Kartons und Kisten denken, die er noch vor wenigen Tagen einräumte. Die nun verpackt und verzurrt ebenfalls diesen weiten, endgültigen Weg antreten. Mit einem Lächeln erinnert er sich an all die Sachen, die ihm beim Einräumen nach Jahren wieder in die Hände fielen. Seine Schallplattensammlung, seine Gitarre die ungestimmt die wildesten Töne von sich gab, Fotoalben, Souvenirs aus fernen Ländern und sogar ein alter Teddy. Alles Dinge die er nicht zurück lassen wollte, auch wenn er sich fast sicher ist, einen Teil davon in seinem neuem Heim womöglich gar nicht wieder auszupacken. Sie gehören zu einem Abschnitt seiner Vergangenheit, auch wenn diese auf eine gewisse Weise hier zurück blieb.

Der Flug wird erneut aufgerufen und er begibt sich mit den restlichen Passagieren zur Zoll- und Paßkontrolle. Der Beamte in dem kleinen Häuschen sieht ihn aufmerksam an, betrachtet das Bild in seinem Paß und dann wieder ihn. Ja, er weiß, dieses Foto ist schon etwas älter und die Brille ist seit dieser Aufnahme auch eine andere geworden. Gewinnend lächelt er den Beamten an und man winkt ihn weiter. Die Zollkontrolle geht schnell. Was soll er auch verzollen? Sein ledergebundenes Tagebuch welches er in seiner Tasche führt, hat zwar einen geheimnisvollen Inhalt stellt aber alles andere als Schmuckelware dar. Es hat höchstens Wert für ihn. Nur bei dem Schlüssel in seiner Hosentasche schlägt der Detektor an, aber das ist nichts ungewöhnliches. 

Die Maschine, eine amerikanische Boing, ist groß und geräumig, aber leider hat man ihn einmal wieder in der Touristenklasse untergebracht. Eine Tatsache die ihn schon immer ärgerte. Da verschrieb man sich und sein ganze Leben diesem Verein, riskierte hin und wieder sein Leben und noch nicht einmal ein erster Klasseflug ist als kleine Anerkennung dafür drin. Nun, aber wenigsten gibt es auf diesen Flügen keine Raucher und das begrüßt er sehr. Mit einem Fensterplatz hat es ebenfalls nicht geklappt und er darf in der Mittelreihe neben ein paar älteren, scheinbar deutschen Damen sitzen. Eine der weißhaarigen Ladys lächelt ihn schon beim Einsteigen, mit ihren falschen Zähnen, übertrieben freundlich an. Eine Reihe neben ihm steigt eine junge Frau mit ihrer kleinen Tochter zu. Die zwei haben einen Fensterplatz und das kleine Mädchen scheint sehr glücklich darüber. Mit zwei fehlenden Zähnen strahlt sie über das ganze Gesicht und dieses Mal fällt es ihm nicht schwer zurück zu lächeln.

All diese Menschen wird er nun fast zehn Stunden um sich haben und er weiß nicht so recht, ob ihn das freuen soll. Eigentlich ist er den Umgang mit Menschen und anderen Kreaturen gewöhnt, aber enge Räume ohne Fluchtmöglichkeit und ganz im speziellen überfreundliche, ältere Damen mit aufdringlichem Parfüm bereiten ihm Unbehagen. 

Nachdem sich die Maschine nach einer Weile endlich in die Luft erhebt, versucht er sich etwas zu entspannen. Schon seit den letzten Tagen lastet der Druck des Unbekannten, der großen Erwartung auf ihm. Und mit dem Betreten des Flughafens am morgen, hatte es noch zu genommen. Was würde ihn wohl an diesem so friedlich klingenden Ort namens Sunnydale erwarten? Wie würden die Menschen dort sein und vor allem, wie würde sie ihn aufnehmen, wenn sie erfuhr wer er in Wirklichkeit war? Wieder nur jemand der sie bevormunden wollte, ihr Anweisungen gab? Oder würde er es schaffen, daß sie ihn als neuen Wächter akzeptieren, in ihm vielleicht irgendwann einen Freund sehen könnte? Fragen die ihn mehr beschäftigten als er sich selbst eingestand, aber auf die er mit all seinem Wissen und all seinen Voraussetzungen einfach keine Antwort hat.

Was weiß er schon großartig über das junge Mädchen dem er, ein völlig Fremder, plötzlich Mentor, Lehrer und Wächter zu gleich sein soll? Er, der selbst nie seine Kindheit ausleben durfte, sollte nun über ein sechzehnjähriges Mädchen wachen, dem man die Last von Jahrtausenden auf die Schultern legte. Wie soll er sich in das Mädchen, ein halbes Kind noch, hineinversetzen können, wenn er selbst doch um einen der schönsten Teile der Jugend betrogen wurde. Ob er in der Lage sein könnte, neben dieser Aufgabe, neben dem Kampf gegen das Böse ihre Sorgen und Nöte des Erwachsen werdens zu akzeptieren und zu verstehen? Im Innersten ist er sich sehr wohl bewußt, daß dies wahrscheinlich eines der schwierigsten Teile sein würde und doch verdrängt er es. Aus dem einfachen Grund da er diese Stufe in seinem eigenen Leben übersprang. Er hatte zu schnell erwachsen werden müssen. Die Zweifel an sich und seinen Fähigkeiten begannen ihn wieder einzuholen, drohten ihn anzugreifen und schwach zu machen.

Die Maschine liegt gleichmäßig, ruhig in der Luft und die Anschnallzeichen sind erloschen. Der Druck des Starts ist gewichen und mit ihm für einen Moment auch die Last seiner Zweifel. Die Durchgänge zu beiden Seiten der Mittelreihe werden schlagartig bevölkert und die Stewardessen haben alle Not mit ihren beginnenden Speisevorbereitungen vorbei zu gelangen. Wieder mehr als einmal verflucht er diese Touristenklasse. Nicht das er etwas gegen die Menschen hätte die darin flogen, aber solche Flüge entpuppten sich meist schon nach den ersten Minuten als Streß. Jemand kommt vorbei und bleibt mit irgend etwas an dem Ärmel seines Anzugs hängen, ein leises Ratsch sagt ihm, daß da was kaputt ging, doch er schaut erst lieber gar nicht nach. Warum unnütz aufregen, sagt er sich. Die Ruhe zu bewahren gehört zu seinem Job, kann gewinnbringend und vor allem lebensnotwendig sein.

Als sich das erste hektische Gewimmel legt und die Stewardessen mit ihren Snacks sowie Dutty Free vorbei sind, beschließt er seine Aufzeichnungen zu vervollständigen. Beim Herausziehen des Tagebuches fällt ihm ein Foto seines jungen Schützlinges in die Hand. Bedacht das es niemand sieht, wirft er einen verstohlenen Blick darauf. Das Mädchen auf dem Bild wirkt schüchtern und nett, doch er weiß das der Schein trügt. Immerhin hatte sie schon dem Tod ins Auge geblickt und ist mit Dingen konfrontiert wurden die über die menschliche Vorstellungskraft hinaus gingen. Die Tatsache, daß sie bei einem Kampf gegen Vampire an ihrer alten Schule dabei sogar eine Turnhalle abbrandte, war nur ein kleiner Bruchteil davon. Sie schien eine starke Persönlichkeit zu haben, der sie sich jedoch wahrscheinlich selbst noch gar nicht bewußt ist. Dies würde nun zu seinen Aufgaben gehören, die junge Jägerin zu formen und sie ihre Stärken nutzen zu lassen.

Gerade als er sein privates ledergebundenes Tagebuch aufschlagen will, schubst ihn plötzlich jemand von der Seite an. Die älteren Damen haben spontan die Plätze getauscht, damit jede einmal am Fenster sitzen kann und nun bekommt er in der Mittelreihe Gesellschaft von der besonders freundlich Lächelnden. Wieder blitzt ihn ihr perlweißes Gebiß an und in gebrochenem Englisch beginnt sie, mit Händen und Füßen, von ihrer bevorstehenden Urlaubsreise zu erzählen. Wahrscheinlich hat sie gefallen an ihm gefunden, stellt er mit Entsetzen fest, denn als es wieder ans Plätze tauschen geht, lehnt sie dankend gegenüber den anderen ab. In der Zwischenzeit packt er sein Tagebuch ein. Er kommt ohnehin nicht zum schreiben. Zudem weiß er nicht, ob die Gute nicht womöglich doch etwas davon lesen kann. Wie soll er ihr dann erklären, daß er gerade seine Gedanken über bevorstehende Vampirjagd, Dämonenverfolgungen und andere mystische Ereignisse niederschreibt. Sein Flug über den großen Teich ist alles andere als ein Urlaubstrip. Was die Dame an seiner Seite allerdings zu seiner Erleichterung wirklich gar nicht zu interessieren scheint. sie erzählt ihm fast ohne Luft zu holen von ihrer bevorstehenden Rundreise, die sie über Los Angeles, Las Vegas, den Grand Canyon wieder zurück nach Neff Jorg führen soll. Bei letzterem Wort muß er sich allerdings unweigerlich das Lachen verkneifen. Ihr Englisch allein ist Haare raufend, aber der Ausspruch Neff Jorg anstelle New York ist der krönende Höhepunkt. Da es ihm schon schwer fällt ihren Erzählungen zu folgen, fällt es ihm noch schwerer ihr überhaupt zu antworten. Bedächtig langsam wählt er seine Worte und versucht sich dabei jedesmal irgendwie aus dem Gespräch zurück zu ziehen. Erst nach einiger Zeit, als endlich das Hauptmenü serviert wird, hat er für eine Weile Ruhe. Mehr aus der Not heraus, um den Mund voll zu haben und nicht antworten zu müssen, vertilgt er das Mikrowellen gewärmte Flugzeugmahl. Dabei grübelt er über die Fragen nach, die ihm die Frau stellte? Würde er den Grand Canyon besuchen? Keine Ahnung, er weiß es nicht. Er war schon in so vielen Ländern und Städten, doch Zeit für die Sehenswürdigkeiten und Schönheiten der Natur hatte es fast nie gegeben. Selbst in Ägypten hielt ihn damals eine auferstandene Mumie davon ab, ein Auge für eines der sieben Weltwunder, für die Pyramiden zu haben. Würde er Zeit finden in San Francisco einmal über die Golden Gate zu laufen? Nachdenklich schiebt er sich ein Stück welken Salat in den Mund. Vielleicht irgendwann, wenn es einen Grund gab dieser Stadt einen Besuch abzustatten. Würde er sich jemals nach Las Vegas verirren und sich von den bunten Lichtern der Spielkasinos gefangen nehmen lassen? Also diese Frage hatte er ihr gleich mit einem eindeutigen Kopfschütteln verneinen können. Schon allein der Gedanke daran verursacht ihm eine Gänsehaut. Das alles waren Fragen die man einem gewöhnlichem Touristen stellte, doch das ist er nicht und würde er auch nie sein. Nach einer Weile bemerkt er, daß die Frau an seiner Seite plötzlich still ist. Sie ist zu seinem großen Glück eingeschlafen. Beim erneuten Versuch sein Tagebuch herauszuholen, scheitert es an dem Film, den man den Passagieren als Zeitüberbrückung zeigt. Die Hauptbeleuchtung in den Gängen wird ausgeschaltet und nur die Leselampen sowie die Notbeleuchtung funktionierten. Zu seinem Pech ist jedoch die Lampe über seinem Sitz defekt und ihm bleibt nichts anderes übrig, als sein Buch wieder weg zu packen. Resigniert läßt er die Rückenlehne des Sitzes ein Stück nach hinten und widmet sich dem vorgeführten Film. Welch Ironie des Schicksal muß er feststellen, ausgerechnet den neusten Hollywoodschinken "Interview mit einem Vampir" tut die Fluggesellschaft den Passagieren und vor allem ihm an. Nicht genug das er schon von klein auf mit solchen Kreaturen konfrontiert wurde, sie leibhaftig kannte, nein jetzt muß er sich das Ganze auch noch aufgewärmt per Video antun. Während er noch überlegt, ob es nicht vielleicht besser sei die Augen zu schließen und zu schlafen, hört er das kleine Mädchen in der Reihe neben sich entzückt juchzen. Sie scheint ein Fan des einen Schauspielers zu sein, erschrickt jedoch kurz darauf ganz fürchterlich als dieser sich in ein blutrünstiges, mit spitzen Schneidezähne versehenes Monster verwandelt. Weinend kuschelt sie sich in die Arme ihrer Mutter und lugt immer wieder neugierig hervor. Obwohl sie dieser Film offensichtlich zu gruseln scheint, kann sie sich aber der entspringenden Faszination nicht entziehen. Schulterzuckend wendet die Mutter sich ihm entgegen, als sie bemerkt, daß er sie beide die ganze Zeit beobachtet. Für einen Moment ist es ihm peinlich dabei ertappt wurden zu sein, denn ihn geht diese kleine Familie nichts an. Und doch fragt er sich, warum die Mutter es zu läßt, daß ihre Tochter so etwas sieht. Liegt es daran, daß einem dieser Film mehr oder weniger aufgezwungen wird und das Kind nicht schlafen will oder hatte sie einfach kein Problem damit? Unweigerlich mußt er dabei an seine Kindheit denken. Wie man ihn mit zehn Jahren unausweichlich vor die Tatsache stellte, das zu werden was er heute ist. Ein Wächter an der Seite einer Jägerin im Kampf gegen Dämonen und Vampire. Die leitende, führende Hand der Jägerin, ein Wächter der stets und ständig auf alles eine Antwort haben mußte, Dinge deuten und voraussehen sollte. Eine Aufgabe auf die er damals gern verzichtet hätte. Die aber jetzt sein ganzes Leben bestimmt und wahrscheinlich mit dieser Reise auch komplett verändern würde. 

Eine Zeitlang folgt er dem flimmernden, bunten Treiben der blaß geschminkten Schauspieler. Einige Szenen findet er interessant und gut dargestellt, vor allem das Theater der Vampire in Paris gefällt ihm. Lächelnd schaut er in die Runde. Was würden nur all die Leute hier denken und sagen, wenn sie genau wüßten, daß solche Kreaturen und noch viel schlimmere wirklich existierten? Das es Dämonen gab und immer geben würde. Wahrscheinlich würden sie zunächst fürchterlich geschockt und erschrocken sein, dann aber wieder wie üblich zur Tagesordnung über gehen und alles verdrängen. Das hatte er in alle den Jahren so oft erlebt. Es war nichts ungewöhnliches, sondern einfach normal und natürlich. Der Mensch verstand es eben Dinge so zu sehen wie er es wollte, wie er es am einfachsten, problemlos und am unkompliziertesten war. Zum einfachen Verdrängen gehörten natürlich auch diese bunt, laufenden Horromärchen auf der Leinwand. Er kann nicht abstreiten, daß die Story über diesen hübschen blonden Vampir Lestat und seine Erschaffung Louis irgendwie interessant und spannend sind, aber es entspricht nicht der Wirklichkeit und das war der springende Punkt. Sicherlich zählt die Autorin zu einer der bekanntesten in Gruselkreisen und er will ihr auch nicht absprechen, daß sie wirklich gut ist, auch wenn er bisher noch nie etwas von ihr gelesen hatte. Für ihn ist solche Literatur nur nichts was der Wirklichkeit und Realität entspricht. Es ist nicht greifbar, nicht beweisbar. Diese Figuren existierten nicht, im Gegensatz zu denen die er aus alten Schriften, Chroniken, Lexika kennt und vor allem denen er schon selbst begegnete.

Das kleine Mädchen in der Reihe neben ihm ist mittlerweile eingeschlafen und ihre Mutter hält sie zärtlich im Arm. Sie selbst verfolgt den Film noch immer fasziniert und bemerkt nicht, wie er sie erneut beobachtet. Die Frau an seiner Linken schnarcht zu seiner Beruhigung noch und auch er wird langsam müde. Kein Wunder, war er doch die letzte Nacht vor dem Abflug gar nicht mehr zum schlafen kam. Wie auch, wo seine Möbel und das Bett alles schon versandfertig waren. Ein Bekannter bot ihm zwar an diese Nacht bei ihm zu verbringen, aber er lehnte dankend ab. Er wollte diese letzte Nacht allein verbringen, allein mit der Einsamkeit der leeren Wohnung und der Erinnerung an die letzten Jahre in London. Er hatte einfach nur da gesessen und auf die Lichter der Straßenlaternen, die sich im Wasser der Themse widerspiegelten, geblickt. Hatte daran gedacht wie er vor knapp zwanzig Jahren hierher kam, weil ihn das Studium zu erdrücken drohte, wie er sich in einem Sumpf von Magie und Mystik verirrte und dabei beinahe den Weg seiner Berufung verlor. Dann als ihn seine Bestimmung wieder einholte und die Faszination des Bösen ihren Reiz verlor, war es diese Stadt die ihn beschwor zu bleiben und das fortzuführen was er einmal begann. Doch jetzt sitzt er hier in diesem Flieger und kann förmlich spüren wie sich all das bisherige von ihm entfernt und zu alten, schönen und weniger schönen Erinnerungen formt. Müde schließt er die Augen, streift vorsichtig die Schuhe von den Füßen und streckt die Beine aus so gut es geht. Richtigen Schlaf wird er wahrscheinlich nicht finden, denn die Beengtheit dieser Maschinen macht ihm jedes Mal aufs Neue zu schaffen. Er weiß einfach nicht mit seinen langen Beinen wohin. Es hat zur Folge, daß sie beginnen zu kribbeln und ihm am schlafen hindern. Eine Möglichkeit wäre natürlich aufzustehen, sich ein wenig zu bewegen. Doch die Gefahr die ältere Dame neben sich zu wecken, ist dafür zu groß und das will er nicht riskieren. Auch wenn er nicht richtig schläft so döst er doch leicht vor sich hin und vor seinem geistigen Auge tauchen vergessene Bilder, kleine Momente auf. Da ist das Museum wo er die letzten Jahr arbeitete, sein Büro welches selbst ein Stück antike Geschichte auf wies und da ist seine junge, nette Mitarbeiterin, die ihm hilfreich zur Seite stand. Sie war es immer, die ihm etwas mehr Privatleben entlocken wollte und sagte er solle nicht so viel arbeiten. Woher sollte sie auch wissen, daß er nicht nur Kurator war, sondern auch noch eine andere Tätigkeit ausübte. Eine Aufgabe die seine ständige Präsenz erforderte. Immerhin hatte er es einmal geschafft mit ihr Essen zu gehen, was einen sehr schönen Abend in seinen nun zurück gelassenen Leben aufwies und nun zu den Erinnerungen zählte an die er gern dachte. Andere Dinge zählten weniger darunter. Auseinandersetzungen mit höheren Mitgliedern, Meinungsverschiedenheiten, Abmahnungen und letztendlich die Versetzung an diesen vor ihm liegenden Ort. Nicht das er sich nicht darauf freute, ganz im Gegenteil. Immerhin arbeitete er jahrelang daraufhin, aber es war die Art und Weise wie man es ihm mitteilte. Mit den Worten, man würde ihn im Auge behalten, jeder noch so kleine Fehler, noch so kleine Eigenwilligkeit würde Konsequenzen nach sich ziehen. Er sollte strikt den Anweisungen folgen, das Mädchen leiten und führen, ihr beiseite stehen und doch Abstand wahren. Anweisungen die eindeutig, aber doch nicht immer nachvollziehbar für ihn sind. Doch er würde sich daran halten, was blieb ihm schon anderes übrig, denn mittlerweile ist er mit Leib und Seele Wächter und hatte nun endlich die Möglichkeit dies auch zu beweisen.

Leichtes Rucken und eigenartiger Druck auf den Ohren schrecken ihn auf. Die Anschnallzeichen über ihm sind erleuchtet und er fragt sich was geschehen ist. Mit einem Blick auf die Uhr stellt er fest, daß er scheinbar doch eingeschlafen sein mußte und die Maschine sich gerade im Landeanflug zum Zwischenstop in Chicago befand. Die Frau neben ihm ist ebenfalls erwacht und krallt sich leicht erschrocken in seinem Arm fest. Mit einem verlegenen "Sorry" auf den Lippen blitzt sie ihn wieder mit ihren unnatürlich weißen Zähnen an und wendet sich dann ihren Freundinnen zu. Die Wahrscheinlichkeit, daß er die Horde Damen im nächsten Flieger noch um sie haben würde, war zum Glück gering und aus diesem Grund schafft er es sogar ihr entschuldigendes Lächeln zu erwidern. 

Als die Maschine landet, sind die Damen die ersten die nach draußen drängeln und er somit zu seiner Erleichterung um eine Verabschiedung kommt. Das kleine Mädchen neben ihm hat von alle dem gar nichts mitbekommen und schläft seelenruhig. Als er sieht, daß die Mutter versucht, möglichst leise und vorsichtig all ihr Handgepäck zu verstauen, bietet er sich an ihr zu helfen. Er hat außer seiner Tasche immerhin nichts weiter bei sich und somit noch eine Hand frei. Während die Mutter das Mädchen nach draußen trägt, nimmt er ihre Sachen. Die zwei sind scheinbar am Ziel angelangt, denn die Mutter verabschiedet sich dankbar von ihm und verschwindet mit ihrer Tochter in der Menschenmenge. Zunächst folgt er ihr ein Stück, denn auch er muß auschecken und für den Weiterflug erneut einchecken. Wie schon in London mustert der Zollbeamte ihn aufmerksam. Das Bild im Paß entspricht wirklich nicht mehr dem neusten Stand. 

Bis zum Weiterflug bleibt ihm noch eine Stunde. Er muß sein Gepäck in Empfang nehmen und es wieder aufgeben. Es ist auf eine Art schon faszinierend welche Logistik hinter diesem System steckt. Allerdings fragt er sich mit leichter Befürchtung, ob er seine Koffer, die er selbst von einem Förderband auf ein anderes transportiert, und mit vielen weiteren fremden Gepäckstücken davon verschwinden, auch wirklich dort ankommen werden wo sie hinsollen. Für einen kurzen Moment ist fast so etwas wie Panik in ihm, denn einige seiner wertvollsten Bücher befinden sich darin. Stücke die unersetzbar sind. Doch dann ermahnt er sich, wie albern diese Sorge doch ist und er sich benimmt als mache er das erste Mal solch eine Reise. Nun bleibt ihm nicht mehr viel Zeit. Bisher ist er noch nie in Amerika gewesen. Er ist erstaunt wie riesig dieser Flughafen ist. Man transportiert die Leute von einem Flieger zum nächsten sogar mit einer Art separater unterirdischer Bahn. Zwischendurch fährt der Zug ein Stück oberirdisch, aber die Strecke ist zu kurz um einen Blick auf die Stadt zu erhaschen. Doch im Grunde interessiert es ihn gar nicht, denn er will endlich weiter und an seinem Bestimmungsort ankommen. Die letzten paar hundert Meter bis zu den Gates führt man die Passagiere auf einem rollenden Band durch einen mit lauter kleinen beleuchteten Lichtern erhellten Tunnel. Skeptisch betrachtet er das Band und beschließt nebenher zu laufen. Die Bewegung nach den vielen Stunden sitzen würde ihm gut tun und außerdem hat er immer noch drei Stunden Flug vor sich. Er kann es kaum noch erwarten.

Dieses Mal ist es nur eine kleine Maschine mit der es weitergeht und soviel wie er mitbekommt, ist dieser Airport wo er landen soll nicht sonderlich groß und bedeutend. Die anderen Mitfliegenden sind größtenteils Amerikaner, Familien die die Inlandflüge nutzen wie andere Leute die Bahn oder den Bus. Er hebt sich in seinem Tweedanzug ab von den anderen und sein Akzent verrät, daß er Engländer ist. Doch im Grunde interessiert das niemanden und daher fragt auch keiner.

Eigenartiger Weise vergehen diese drei fast vier Stunden Flug schneller als gedacht und eine etwas verwirrende, leichte Unruhe beschleicht ihn als der Flieger zur Landung ansetzt. Nicht das er Angst hat abzustürzen, nein das ist es nicht. Es ist eher die Aufregung vor dem Neuen, die Neugier auf das Bevorstehende und die Vorfreude auf das zu Erwartende. Die Räder der Maschine setzen auf dem Boden auf, ein letztes Rucken geht durch den Flieger und kurz darauf kehrt Ruhe ein. Sie sind in Sunnydale gelandet. 

Für einen Moment sind sie wieder da die Zweifel und die vielen unbeantworteten Fragen. Wie soll er sich dem Mädchen zu erkennen geben? Wie wird sie auf ihn reagieren? Was werden wohl für Monster und Dämonen auf sie lauern? Haben sie gemeinsam eine Chance alle zu bekämpfen? Ist die Schulbibliothek der geeignete Ort für ihre und seine geheime Arbeit? Können sie verhindern, daß Unbeteiligte in diesen Kampf hineingezogen werden? Würde er all dem gewachsen sein? Sie, die Jägerin in allen Situationen beraten und schützen können? 

All diese Fragen galten ihr und der Pflicht, aber ganz tief im Innersten sind auch noch andere Dinge die ihn beschäftigten. Die jedoch an aller letzter Stelle für ihn kamen. Hatte er eine winzige Aussicht auf ein eigenes Leben abseits dieser Pflicht? Bestand, wenn überhaupt, eine kleine Chance er selbst zu sein? Und hatte er es geschafft, einen Teil seiner Vergangenheit zurück zu lassen oder würde sie ihn auch hier einholen?

Alle Bedenken, Ängste und Erwartungen beiseite schiebend, greift er nach seiner Tasche und betritt die Gangway. Grelles Sonnenlicht blendet ihn, ein trockener warmer Wind schlägt ihm ins Gesicht und schlagartig wird ihm bewußt, daß dies der Ort ist wo die Bestimmung, die Berufung seinen wahren Anfang nimmt.
 
 

 

>>> The end of the beginning <<< 

 

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