Vorbemerkung: Die X-Akten, Dana Scully und Fox Mulder gehören nicht mir, sondern Chris Carter.
Hans Mayr kommt aus meinem privaten Kosmos ungeschriebener Geschichten und gehört mir.
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Vorschau: Während Mulder den sprichwörtlichen Holzweg für eine Spur hält, hat Scully eine unheimliche Begegnung der vierten Art...


Fremde in der Nacht

von
Friedrich Kiefl



„Dana, bitte! Sagen sie mir daß ich meine Berichte heute noch bekomme!“, flehte es aus dem Telefonhörer. Dana Scully seufzte und lächelte zugleich.
„Hank - es ist fürchterlich, wenn Männer weinen.“
Die Bemerkung war ein Volltreffer. Es mußte einfach einer sein - oder warum sonst sollte Hank Wallingham drei Sekunden lang schweigen? Dann allerdings schlug der liebe Kollege mit einer Breitseite zurück. Er meinte lapidar:
„In diesem Fall ist das erlaubt. Wenn es darum geht, pünktlich einen Bericht von den X-Akten zu erhalten, brechen selbst die härtesten Agenten in Tränen aus. Das ist definitiv: Mission Impossible, die Teile eins bis unendlich. Demnächst wird sogar ein neues Erholungsheim gebaut!“
Dana wußte, sie sollte nicht fragen, aber sie fragte trotzdem:
„Für wen?“
„Für all die Kollegen, die verzweifelt versuchen von euch einen Bericht zu erhalten - und zwar dann, wenn sie ihn brauchen! Dana, ich brauche ihre Ergebnisse bis morgen Nachmittag! Jedesmal wenn ich Skinner sehe, plant er einen grausamen Mord! Glauben sie es mir - das ist der Blick eines mordlüsternen Psychopathen, ich kenne mich da aus!“
Das tat er tatsächlich. Hank Wallingham gehörte zu den besten Profilern des FBI - und er war ein netter Kollege mit dem Scully immer gut auskam. Nun ja, sie kam gut mit ihm aus, solange es nicht um Berichte ging.
„Hank, ich tue mein bestes. Sie kriegen den Bericht, glauben sie es mir.“
„Dana, ich brauche ihn morgen Nachmittag um drei. Um vier muß ich einen Vortrag halten, und der steht und fällt mit ihren Ergebnissen.“
„Sie kriegen den Bericht - versprochen.“
„Schön, ich verlasse mich auf sie.“
Hank war wirklich ein netter Kollege. Er blieb höflich und brachte seine Beschwerden witzig an. Andere Kollegen waren da schon weitaus gröber und aggressiver; sie kochten vor Wut und sahen keinen Grund es zu verheimlichen. Dana klingelten jetzt noch die Ohren von den Anrufen.
Dabei konnte sie sich nicht einmal richtig wehren, denn die Kollegen waren im Recht!
Das FBI war nun einmal eine große Organisation in der alle zusammen arbeiten mußten. Die Akten und Berichte der einen Abteilung waren die Arbeitsgrundlage der anderen, die oft in ihren Fällen steckenblieben, wenn die Berichte nicht rechtzeitig kamen.
Die X-Akten lagen etwas zurück.
Ein Fall hatte den anderen gejagt, so daß einfach keine Zeit mehr blieb für lange Berichte; aber das half den Kollegen, die mit ihren eigenen Fällen kämpften, auch nicht weiter - sie brauchten die Berichte.
Vor einigen Tagen hatte Dana zu Notstandsmaßnahmen gegriffen. Sie stapelte acht(!) schöne, dicke Leitzordner auf ihren Schreibtisch, schaltete den Computer an und legte spitze Bleistifte und Kugelschreiber zurecht. Als Mulder verblüfft fragte, was das sollte, knurrte sie ihn in einer Art und Weise an, die ihn an eine wütende Werwölfin erinnerte. Er murmelte etwas von wichtigen, unaufschiebbaren Terminen und verließ fluchtartig das Büro.
Seitdem kam Dana gut voran. Die Leitzordner wurden langsam weniger und auch die Anrufe ließen nach. Einige Kollegen sagten sogar schon wieder „Guten Tag“ und nicht „Ist mein Bericht noch immer nicht fertig?“.
Eineinhalb Ordner lagen noch vor ihr; das hieß, sie konnte bis morgen vormittag fertig sein. Wenn bloß nicht...
Die Tür ging auf.
„Scully! Wir haben einen Fall!“
Mulder stürmte herein und schwenkte wild einige Blätter.
„Allerdings. Meine gute Laune ist spurlos verschwunden. Ich frage mich, warum?“
Irgendwie brachte Mulder es fertig ihren Kommentar zu ignorieren. Er überhörte sogar ihren giftigen Unterton. Anstelle weiterer Erklärungen warf er ihr die Blätter auf den Tisch und begann in einem seiner Schränke zu wühlen.
„Es hier irgendwo, ich weis es.“, murmelte er dabei.
Scully hätte ihm sagen können, was sie wußte, aber sie schluckte den Kommentar hinunter. Statt dessen überflog sie kurz die Blätter.
Eine Außenstelle des FBI hatte den Bericht - schon wieder ein Bericht! - geschrieben.
Ein gewisser Bill Blair sollte von Außerirdischen entführt worden sein!
Offensichtlich hatten die Kollegen sich gerade heftig gelangweilt, denn sie gingen der Anzeige tatsächlich nach, und das auch noch schnell:
Sie griffen zum Telefon und fragten beim Sheriff des betreffenden Ortes nach. Der schickte ihnen eine halbe Stunde später ein Fax mit seinem ... Bericht.
Bill Blair und seine Freunde wurden tatsächlich regelmäßig von Außerirdischen entführt. Und zwar immer dann, wenn ihnen wütende Ehefrauen auf der Suche nach ihrem Haushaltsgeld nachjagten. Es handelte sich bei ihnen um die schlimmsten Alkoholiker der Stadt.
Der Sheriff war gründlich; denn er legte medizinische Atteste bei, aus denen klar und deutlich hervorging, das sowohl Bill Blair als auch seine Freunde schwere Alkoholiker waren, bei denen ein Entzug kaum noch möglich war. Ebenso stand in dem Bericht, daß Blair sich nebenbei etwas Geld verdiente, indem er Berichte über seine Entführungen an Zeitschriften für UFO-Gläubige verscherbelte. Allerdings enthielt der Bericht auch die Frage, ob für Entführungen durch Außerirdische denn nun wirklich das FBI oder die NASA zuständig sei? Und ob sich in den USA sonst keine Verbrechen ereigneten, denn die Damen und Herren vom FBI schienen viel Zeit zu haben...
Scully schluckte,während Mulder jubelte:
„Hier ist es! Entführt von Außerirdischen, geschrieben von Bill Blair!“
Er hielt einen Zeitungsausschnitt hoch, der aus einer UFO-Zeitung stammte.
„Ich habe von Blair schon öfter gehört, er hat einen hervorragenden Ruf in der UFO-Szene. Seine Artikel sind sehr sachlich und fundiert. Ich wollte ihn schon immer mal treffen.“
„Naja, rufen sie halt mal in der Ausnüchterungszelle an und vereinbaren sie einen Termin.“
Es lies sich nicht verbergen: Dana Scully hatte schlechte Laune. Außerdem wurde sie gerade selbst zum Fall für die X-Akten: Sie litt unter beklemmenden Vorahnungen, was Mulder als nächstes sagen würde.
„Wir müssen sofort hinfahren. Mit dem Auto sind wir in vier Stunden dort. Vielleicht können wir dem armen Kerl noch helfen.“
Scully konnte in die Zukunft sehen. In Gedanken eröffnete sie bereits eine X-Akte mit der Überschrift: Die prophetischen Gaben von Special Agent Dana Scully; während sie resigniert fragte:
„Haben sie eigentlich den Bericht des Sheriffs gelesen?“
„Ach Scully, sie wissen doch, was von örtlichen Behörden zu halten ist.“
„Diese Leute leisten oft gute Arbeit.“
„Oft, aber nicht immer. Warten sie...“ Mulder wühlte wieder in einem Ordner. Schließlich zog er glücklich ein eng beschriebenes Blatt heraus.
„Was ist das?“
„Das sind die Adressen von Blair und seinen Freunden, die auch schon Entführungserlebnisse hatten. Sie stand in einer der Zeitungen.“
Er betrachtete die Liste nachdenklich.
„Einige Leute wohnen außerhalb der Stadt. Ich schlage vor, die befrage ich, sie übernehmen die, die in der Stadt wohnen.“
„Und ich schlage vor, wir fragen erst einmal den Sheriff, wen er in der Ausnüchterungszelle beherbergt.“
Es war sinnlos und sie wußte es. Mulder war wieder einmal auf einer heißen Spur und lies sich, wie immer, durch nichts davon abbringen sie zu verfolgen. Er hatte bereits Zimmer in einem Hotel besorgt!
Dana ergab sich resigniert in ihr Schicksal. Sie verkroch sich mit ihren Ordnern und einem Notebook auf dem Rücksitz und schrieb weiter Berichte. Vielleicht hatte das Hotel einen Internetanschluß, dann konnte sie Wallingham seinen Bericht auf diese Weise senden...
Mulder war die ganze Fahrt hin- und hergerissen. Der neue Fall reizte ihn ungemein, und drängte sich immer wieder in seine Gedanken. Aber warum war bloß Scully so verstimmt?
Das blieb ihm ein Rätsel...



Eines mußte man den Außerirdischen lassen - sie hatten sich ein hübsches Plätzchen für ihre Entführungen ausgesucht. Der Tatort lag an einem kleinen See, den dicht bewaldete Berge umgaben. Die Gegend war ideal um einen schönen, ruhigen Urlaub zu verbringen, und Mulder erwähnte tatsächlich, daß die Leute hier hauptsächlich vom Tourismus lebten.
Hier konnte man ein paar ruhige Tage ohne Akten und Computer verbringen. Ausschlafen, spazierengehen, ein bißchen im See schwimmen - es mußte herrlich sein.
„Keine Hinweise auf UFO’s.“
Mulder klang enttäuscht.
„Die verstecken sich nur. Sie wissen ja, wie gut die sich tarnen.“
„Danke Scully. Es tut gut, das wenigstens sie an mich glauben!“
Zum Glück sah er nicht, wie sie die Augen verdrehte. Während der ganzen Fahrt hatte Scully an ihren Berichten gearbeitet. Nachdem Mulder es aufgab sie anzusprechen kam sie wieder gut voran. Außerdem wirkte sich das Training der vorangegangen Tage aus. Von Bericht zu Bericht gewann sie mehr Routine und wurde schneller und besser. Noch zwei Stunden ruhiger und ungestörter Arbeit und sie hätte es geschafft, aber statt dessen steuerte Mulder den Wagen zielstrebig die Hauptstraße entlang, bis zum Büro des Sheriffs.
Dana seufzte, legte ihre Ordner und ihr Notebook weg und kam folgte Mulder in das Büro.
Der Sheriff paßte zu dem Städtchen, fand sie. Er war ein breiter, schon etwas älterer Mann mit dem ersten Grau in den Haaren, der nicht so aussah, als würde er sich schnell aus der Ruhe bringen lassen.
Er hielt allerdings auch nichts davon, um den heißen Brei herumzureden.
Als Mulder sie vorstellte und erklärte, warum sie hier waren, musterte der Sheriff ihn langsam von oben bis unten und meinte dann:
„Wenn das FBI bei den wirklich wichtigen Fällen auch so schnell wäre, wäre es hierzulande wesentlich sicherer.“
Es war nicht Mulders Tag. Er hätte diese Antwort auf die leichte Schulter nehmen können, aber anstelle einer diplomatischen Entgegnung produzierte er nur ein wütendes:
„Sheriff! Wir reden hier von einer Entführung!“
„So? Wer wurde denn entführt?“
„Na Bill Blair natürlich, wer denn sonst?“
„Aha.“ Der Sheriff nickte bedächtig und sann über diese Antwort nach. „Aber sagen sie, Mr. FBI, wenn Bill Blair entführt wurde, wer ist dann der Kerl, denn ich vor einer Stunde in Bill Blairs gebracht habe? Er sah aus wie Blair, er stank wie Blair, er fluchte wie Blair und er war besoffen wie Blair! Das war dann wohl eine ganz teuflische, außerirdische Intrige, wie? Alles ganz paranormal, mysteriös und unerklärbar.“
Der Sheriff gehörte offensichtlich zum realistischen Teil der Menschheit, und damit war er natürlich der völlig falsche Gesprächspartner für Fox Mulder, denn alles was der mitbekam war:
„Sie meinen, Blair ist wieder aufgetaucht? Wo? Unter welchen Umständen?“
„Na, genau da, wo er immer nach einer Entführung auftaucht: Unter dem Tisch in seiner Stammkneipe. Als er wieder halbwegs nüchtern war, packte ich ihn ins Auto und fuhr ihn nach Hause.“
Mulder wußte nicht, was schlimmer war: Der süffisante Ton des Sheriffs, oder das freundliche Desinteresse seiner Partnerin, die das alles irgendwie nichts anging. Aber nachdem es wirklich nicht sein Tag war bohrte er ungerührt weiter:
„Und was ist mit den Zeugen? Blair hat Zeugen für seine Entführungen! Das können sie doch nicht so einfach ignorieren!“
„Ach, die Zeugen. Ja, die gibt es auch noch. Wollen sie mal einen sehen?“
„Wie meinen sie das? Ist einer hier?“
„Ja doch! Nur für sie! Kommen sie mit!“
Der Sheriff grinste hinterhältig. Er schien doch tatsächlich Fox Mulder nicht leiden zu können. Warum war Mulder ein Rätsel; er machte hier doch nur seine Arbeit.
Der Zellentrakt lag in einem Rückgebäude und war nicht sonderlich groß. Fünf Zellen reihten sich aneinander, bei vieren davon standen die Türen sperrangelweit auf. Wenn das alles war, was man hier an Zellen brauchte, dann schien trotz der häufigen Entführungen durch Außerirdische die Verbrechensrate hier sehr niedrig zu sein. Nur die letzte Zelle war verschlossen; aus ihr drangen grunzende, keuchende Laute, die kaum noch etwas menschliches an sich hatten.
Erst als sie sich der Zelle näherte, erkannte Scully die Laute als Schnarchen. Der Schläfer selbst lag mit dem Rücken zu ihnen auf einer Pritsche. Seine Kleidung war verdreckt und seine Haare lang, fettig und ungepflegt.
Wie weit sprangen Flöhe? Scully trat jedenfalls einen Meter vom Gitter zurück. Mit sich zufrieden stellte sie fest, daß der Sheriff den gleichen Sicherheitsabstand einhielt.
„Das ist einer ihrer Zeugen, Agent Mulder. Wollen sie mit ihm sprechen?“
„Natürlich! Was denken sie denn?“
Scully schüttelte mißbilligend den Kopf, mit dem Tonfall mußte Mulder den Sheriff ja gegen sich aufbringen.
Der Sheriff holte tief Luft und schrie in die Zelle hinein:
„He George! Wach auf! Du hast Besuch!“
Nach dem dritten oder vierten Schrei verstummte das Schnarchen tatsächlich und George erhob sich zu seiner vollen Pracht und Schönheit.
Er war groß und aufgedunsen vom Alkohol, hielt sehr wenig von Hygiene und demonstrierte das überaus deutlich. Scully hätte sich mit einer zurückhaltenderen Demonstration begnügt, aber ihre Meinung kümmerte hier niemanden. Je näher George ans Gitter kam, desto intensiver wurde ein unangenehmer, säuerlicher Geruch.
Scully suchte sich die Liste heraus die Mulder ihr gegeben hatte. Tatsächlich, mitten drin stand ein George Wush. Und da waren noch acht andere Leute, die sie verhören sollte - alles gute Freunde von George...
Seine Augen blickten verschwommen drein und er brummte etwas, das klang wie:
„Wa... Was ist denn? Kann man hier nicht mal in Ruhe schlafen?“
Der Sheriff kannte seinen George schon.
„Du kannst dich gleich wieder hinlegen. Dieser Mann hier hat nur ein paar Fragen an dich. Dann kannst du weiterschlafen.“
„Fragen?“ George sah ganz so aus, als müßte er erst einmal nachdenken was Fragen überhaupt waren.
Aber Mulder war durch nichts zu Bremsen, er mischte sich einfach ein und legte los:
„Sie wurden doch von Außerirdischen entführt!“
George wurde plötzlich munter. Das Wort „Außerirdische“ schien etwas in ihm ausgelöst zu haben.
„Natürlich! Weil ich sie doch immer wieder beobachtet habe. Ich und meine Freunde, wir wissen nämlich alles über sie, wissen sie? Darum entführen sie uns immer wieder - weil wir viel zu viel über sie wissen. Sie wollen unsere Gehirne löschen!“ - an diesem Punkt murmelte Scully leise, das es hier wohl nicht mehr viel zu löschen gäbe, woraufhin der Sheriff grinste. George bemerkte das Grinsen, faßte es aber völlig falsch auf. Er plusterte sich auf und brach in einen erneuten Redeschwall aus:
„Ja, grinsen sie nur! Ich habe ihnen doch gesagt dieser Kerl ist ein Außerirdischer! Wie der Kerl schon redet! Das ist doch kein Mensch! Er ist oben am See gelandet! Was heißt gelandet? Er war -Schwups! - von einer Sekunde zur anderen da! Und jetzt spioniert er alles aus! Holen sie doch endlich die Army! Dieser Teufel ist eine Gefahr! Aber der hat sie ja völlig unter Kontrolle! Sie sind doch auch schon hypo... hygo...hydreronotisiert!“
Der Sheriff seufzte und betrachtete George mit einem Blick, in dem sich Abneigung mit Mitleid mischten.
„Sicher George. Du und deine Freunde, ihr seid die letzte Chance der Menschheit.“
Er zuckte hilflos und ein bißchen traurig die Schultern, bevor er Mulder und Scully zunickte : „Wenn sie mich suchen - ich bin in meinem Büro.“
Scully sagte schnell:
„Ich komme mit. Da gibt es noch einige Fragen zu klären.“
Mulder blieb allein in dem Zellentrakt zurück. George war eine wertvolle Informationsquelle, da war er sich sicher. Und als Scully ihm zum Abschied einen ihrer „Sie sind auf dem Holzweg Mulder“-Blicke schenkte, war er sich doppelt so sicher.
Der Sheriff betrachtete Scully unterdessen nachdenklich.
„Sie scheinen mit den Theorien ihres Kollegen nicht einverstanden zu sein.“
In den Rücken fallen wollte sie Mulder nun doch nicht, deshalb sagte sie so neutral wie möglich:
„Er ist der Chef unserer Abteilung.“
Der Sheriff verstand und grinste.
„Wollen sie einen Kaffee?“
„Das ist das beste Angebot des Tages.“
Der Kaffee war wirklich gut und Scully entspannte sich halbwegs als sie die ersten Schlucke trank.
„Sagen Sie, was ist das für ein Kerl, von dem George da redet?“
Der Sheriff grinste schon wieder.
„Das ist so eine typische Geschichte.“ Er lehnte sich etwas in seinem Stuhl zurück. „Die Version von George kennen sie ja bereits. Meine Deputys und ich haben in den letzten Tagen ein wenig recherchiert, nur so zum Spaß - es war hier ziemlich ruhig - und ich kann ihnen eine andere Version anbieten.“
„Erzählen sie.“
„Da hat sich vor ein paar Monaten so ein Firmenkonsortium zusammengetan, um hier gemeinsam Geschäfte zu machen. Irgendwie hat es durcheinander gegeben - die Amerikaner hatten ihre Vorstellungen vom Geschäft, die Kanadier andere und die Japaner wieder ganz andere. Und den Deutschen ist irgendwann der Kragen geplatzt und sie haben einen ihrer Leute herübergeschickt um alles wieder aufzuräumen. Der arme Kerl hat sich wochenlang durch alle möglichen Akten und Berichte gewühlt, sich alle eine Unzahl von Beschwerden angehört und so nach und nach wieder alles auf die Reihe bekommen. Jetzt läuft die Firma wieder, aber ihm schwirrt der Kopf. Also gönnte er sich hier ein paar ruhige Tage; bevor er morgen nach Deutschland zurückfliegt.
Jedenfalls - er kam vor zwei Tagen hier an, nahm sich das beste Zimmer im Hotel und ging spazieren. Wir haben für die Touristen ein paar Wanderwege eingerichtet, und der schönste geht gleich hinter dem Hotel los, führt in den Wald zu einem kleinen See und in einem Bogen wieder zurück.
Der Deutsche ging wie gesagt spazieren und hat oben am See das Panorama bewundert.
Bill Blair hat da oben auch seine Hütte und George war zu Besuch bei ihm. Die beiden haben sich wie immer betrunken, und als George nach Hause torkelte, bemerkte er diesen Touristen - der wie aus dem Nichts erschien. Was zwischen lauter Büschen und Bäumen nun wirklich kein Kunststück ist. Na ja, der Mann hat ein paar Worte mit George gewechselt und der hält ihn seitdem endgültig für einen Außerirdischen. Unser Mann, er heißt übrigens Hans Mayr, spricht natürlich mit einem leichten Akzent. Damit ist er für George eindeutig ein Außerirdischer.“
„Also, wenn jeder der Englisch mit Akzent spricht, ein Spion ist, dann bekommt das CIA viel zu tun.“
„Die müssen Überstunden einlegen.“
Scully und der Sheriff nickten sich mit einem Seufzer zu, während sie, jeder für sich, aber in schönster Gemeinschaft, dachten, daß die ganze Sache nun wirklich lächerlich wurde.
Da schoß Mulder wieder zur Tür herein.
„Ich fahre hinaus zu Blair,“ erklärte er entschieden. „Sie kümmern sich um die Leute auf der Liste - und auch um diesen Fremden, von dem George gesprochen hat. Der Mann scheint wirklich verdächtig zu sein.“
Er lies Scully gerade noch Zeit, ihre Sachen aus dem Auto zu holen, dann brauste er auch schon mit dem Wagen davon.
„Den sehen sie vor morgen Vormittag nicht wieder. Erst darf er Blairs Selbstgebrannten trinken, dann laufen die beiden die ganze Nacht durch den Wald und sehen den Außerirdischen bei ihrer Invasion zu. Immer begleitet von ein paar Flaschen Schnaps.“
Der Sheriff bemerkte Scullys fragenden Blick und zuckte die Schultern.
„Glauben Sie es mir - das ist kein Witz. Noch jeder, der sich mit Bill Blair auf ein Gespräch über Außerirdische eingelassen hat, endete so. Von was für einer Liste hat ihr Kollege da gesprochen?“
„Einige Leute die ich befragen soll. Hier ist sie.“
Der Sheriff warf einen Blick darauf und lachte.
„Wissen Sie was? Warten sie einfach bis morgen früh. Dann sind die alle bei mir in der Ausnüchterungszelle. Jetzt schauen sie nicht so skeptisch. Heute ist Donnerstag da...“ Er verstummte schlagartig um Scully anzugrinsen, bevor er weitersprach: „Die Treffen sich heute alle bei Blair! Ihr Kollege fährt dem Kater seines Lebens entgegen.“
„Sind sie sicher?“
„Ganz sicher. Es ist jeden Donnerstag das gleiche: Sie treffen sich um sieben bei Blair und leeren die ersten Flaschen. Dann verteilen sie sich in Gruppen über die Kneipen - oder sehen den UFO’s beim Landen zu - und so zwischen Mitternacht und drei Uhr morgens fangen meine Deputies an sie einzusammeln. Das ist unsere übliche Donnerstag-Abend Routine.“
„Aha. Wann wäre denn so die beste Zeit - morgen früh?“
„So um halb acht.“
Scully nickte sinnend. Solche Ermittlungsmethoden gehörten sich natürlich nicht für eine pflichtbewußte Agentin. Andererseits - sie könnte in aller Ruhe ihren Papierkrieg beenden und Berichte schreiben gehörte zu ihren Pflichten...
Sie entschloß sich, systematisch zu handeln und alles in Ruhe durchzudenken.
Zunächst einmal galt es ihre Taschen ins Hotel zu bringen. Sie konnte die Leute schließlich nicht befragen, während sie noch ihre Koffer herumschleppte.



Das Hotel erwies sich als ein gemütlich-altmodisches Haus mit bequemen, großen Zimmern, zu denen auch ein großes Bad gehörte.
Es donnerte, als Scully die Badewanne betrachtete und begann fürchterlich zu regnen. Die ganze Zeit über hatten sich dicke, schwarze Wolken über dem Ort zusammengezogen, jetzt brach das Unwetter los. Es schüttete und stürmte, daß es nur so eine Pracht war. Und da sollte sie durch die Stadt laufen und ihre lieben, sauber gepflegten und für ihre guten Umgangsformen bekannten Zeugen befragen.
Nun, so zerknittert wie sie nach der langen Autofahrt aussah, ging das sowieso nicht; denn schließlich repräsentierte sie das FBI! Da stellte ein heißes Bad eine dienstliche Notwendigkeit dar...
Sie hatte diese Gedanken noch nicht einmal zu Ende gedacht, da lief schon das Wasser in die Wanne.
Außerdem half ihr das Bad sich zu entspannen und innerlich auf die kommenden Verhöre einzustellen. Das überlegte sie sich, als kalte, schwere Regentropfen an die Scheiben hämmerten und der Wind um die Ecken heulte, während sie sich zwischen viel heißem Wasser und noch mehr dickem, weichem Schaum räkelte, der noch dazu hinreißend duftete.
Die Waldwege sollten bei diesem Wetter schnell schlammig werden, hatte der Sheriff gemeint, und dann blieb praktisch jedes Auto stecken. Wenn sie Glück hatte blieb Mulder auch stecken und kämpfte sich durch Wind und Regen zu Blairs Hütte. Bei diesem Gedanken räkelte sie sich noch ein bißchen wohliger in ihrer Wanne.
Auch ihren nächsten Schritt plante sie so, wie es sich für eine FBI-Agentin und Wissenschaftlerin gehörte. Als Medizinerin wußte sie ganz genau, wie sehr Hungergefühle der Konzentration schadeten und wenn sie bedachte, daß sie seit dem Frühstück nichts mehr gegessen hatte - und mittlerweile war es sieben Uhr abends - dann mußte sie erst einmal Essen gehen, um ihre Ermittlungen richtig fehlerfrei durchführen zu können. Das Hotelrestaurant sollte sehr gut sein, und noch dazu preiswert.
Allerdings war es auch ziemlich voll. Bei diesem Wetter trieb sich niemand auf den Straßen herum, und so sammelten sich die Leute an angenehmeren Orten. Scully entdeckte in einer Nische den letzten freien Tisch und beschlagnahmte ihn sofort - fürs FBI.
Während sie noch die einsatztaktisch wichtige Frage klärte, ob sie nun Pasta nehmen sollte oder eines der indischen Gerichte, bemerkte sie die Kellnerin, wie sie mit einem verlegenen Lächeln auf sie zusteuerte. Da wollte noch ein Hotelgast hier essen, aber alle Tische seien schon besetzt und der letzte freie Platz war an ihrem Tisch...
Scully warf an der Kellnerin vorbei einen Blick auf den Gast.
Nicht schlecht. Schlank, sportlich und der Anzug kam ganz sicher nicht aus dem Kaufhaus. In einem Anfall von Großzügigkeit sagte sie „Ja, natürlich“.
Er verbeugte sich leicht und stellte sich formvollendet als „Hans Mayr“ vor. George’s Außerirdischer!
Hans war mittelgroß, schlank und trieb anscheinend intensiv Sport. In seinem schmalen, etwas kantigen Gesicht, saßen blaue Augen, um die sich Lachfältchen sammelten. Blond war er auch noch, aber für einen Geschäftsmann hatte er eine ungewöhnliche Frisur: Er trug die Haare halblang und ihn die Stirn frisiert, die Strähnen fielen ihm bis über die Augenbrauen. Das gab ihm etwas jungenhaftes, fand sie, und schätzte den ganzen Mann auf fünfunddreißig bis vierzig Jahre. Sein Anzug war zwar teuer, aber nicht protzig. Er hatte sich für einen dezenten, zurückhaltenden Stil entschieden, und das paßte zu ihm.
Und Mulder hatte gesagt, sie sollte sich um diesen Mann kümmern. Wenn sie so an George dachte und seine Freunde, die sie verhören sollte, dann blieb ihr nur der Schluß übrig, daß dieser Hans Mayr etwas unglaublich Verdächtiges an sich hatte. Vielleicht war diese Geschichte mit der Firma nur eine intelligente Tarnung? Zwar hatte der Sheriff behauptet, er hätte ermittelt, aber sicher war er die Sache nicht mit dem nötigen Ernst angegangen und überhaupt, was die örtlichen Behörden und ihre Ermittlungen betraf, da entwickelte jede kluge FBI-Agentin eine gewisse Skepsis. Wenn ein so vertrauenswürdiger, seriöser Zeuge wie George behauptete, dieser Mann sei ein Außerirdischer, dann mußte sie da schon gründlich nachforschen.
Zuerst einmal galt es, ihn in Sicherheit zu wiegen, sie mußte über unverfängliches sprechen um ihn abzulenken. Freundlicherweise kam Hans ihr gleich ein Stück entgegen.
„Essen sie zum ersten Mal hier?“
„Ja, ich staune gerade über die Speisekarte.“
Hans schmunzelte.
„Der Koch ist ein Inder, den es irgendwie hierher verschlagen hat. Probieren sie mal das Hähnchen-Curry mit einem Glas Riesling dazu und vorher vielleicht noch den Gewürztee. Sie werden es nicht bereuen.“
Scully wiegte den Kopf hin und her.
„Na ja, das wäre erst einmal zu beweisen.“
„Und das heißt?“
„Ich probiere das jetzt, und wenn ich es bereue, dann haben sie etwas zu bereuen.“
„Darauf lasse ich es ankommen.“
Er bestellte für sie beide.
Scully hielt sich noch immer strikt an ihre psychologischen Verhörmethoden. Sie plauderte über unverfängliche Themen wie Musik und Malerei, Literatur und Poesie. Er wußte ziemlich wenig über die amerikanische Seite dieser Themen, aber was die europäische Seite betraf und speziell die deutsche kannte er sich hervorragend aus. Ihn interessierten auch die Menschen, die hinter den Kunstwerken standen, und nachdem er auch noch ein guter Erzähler war, breitete er vor Scully einen funkelnden Strom von Anekdoten und Geschichten aus vielen Jahrhunderten aus, er wußte von Albrecht Dürer zu erzählen und wie der seine Reisen nach Italien finanzierte, von Goethe und seinen Teltower Rübchen, von Bettine von Arnim, den Brüdern Humboldt, da tauchten die tatsächlichen Forschungsreisen eines Johann Ludwig Burckhardt auf und die erfundenen eines Karl May. Und Scully hörte zu, genoß jede Sekunde des Gesprächs - pardon, tat als ob sie es genießen würde, sie war ja dienstlich hier - und gratulierte sich selbst zu ihrer Verhörtechnik.
Die Bedienung verstand das alles völlig falsch.
Sie sagte zum Koch:
„Da an Tisch acht, da läuft gerade der Flirt des Jahres. Jede Wette, nach dem Dessert haben die beiden es brandeilig zu verschwinden.“
„Ich setze eine Flasche Wein.“
„Die kannst du schon einpacken. Ich werde jeden Schluck genießen.“
Scullys ... Verhörtechnik führte tatsächlich zum Erfolg. Als er so bei den letzten Bissen des Desserts war, wirkte Hans plötzlich nachdenklich. Allerdings funkelte der Schalk in seinen Augen.
„Da fällt mir ein, ich habe ja Amerika schwerstens geschadet.“
„Sooo? Was haben sie den getan?“
„Na ja, zu meinem Gepäck gehört eine Flasche Wein, so als Reiseproviant und ich glaube, die habe ich nicht verzollt.“ „Da ist Amerika allerdings aufs höchste gefährdet. Andererseits heißt Glauben nicht Wissen.“
„Ich werde das bei Gelegenheit prüfen.“
Für den Bruchteil einer Sekunde zögerte Scully. Sollte sie oder sollte sie nicht? Aber sie wollte endlich einmal wieder Dana Scully sein, nicht Special Agent Scully, sondern einfach nur Dana Scully, oder Dana. Einen Abend lang wollte sie alle Sorgen vergessen; nicht mehr an Außerirdische denken oder den Chip in ihrem Nacken, sondern einfach nur sie selber sein. Und darum schüttelte sie energisch, aber mit einem Lächeln auf den Lippen den Kopf.
„Das wird nicht reichen ... Hans.“
Es war das erste Mal, das sie ihn beim Vornamen nannte.
„Warum nicht, Dana?“
Sie beugten sich zueinander.
„Bei einem so schweren Anschlag auf die amerikanische Sicherheit muß ich einfach sichergehen - ich kontrolliere lieber selber nach ob hier alles ordnungsgemäß verzollt ist.“
„Die Flasche ist aber oben.“
„Keine Ausreden. Wir gehen hoch und kontrollieren das.“
„Ihr Einsatz für ihr Land ist wirklich bewundernswert.“
Sie zahlten bei einer Bedienung, die nur mühsam ihr Grinsen verbarg; und sie waren noch nicht einmal bei der Treppe, da steckte die Bedienung auch schon ihren Kopf in die Küche und rief laut:
„Gewonnen!“



Seine innere Uhr weckte Hans zur richtigen Zeit, eine Stunde bevor die Sonne aufging. Dana hatte sich neben ihm in die Kissen gerollt. Im Schlaf wirkte ihr Gesicht entspannt und friedlich. Er beugte sich über sie, küßte sie auf die Wange und sagte leise:
„Ich muß jetzt gehen. Auf Wiedersehen, Dana.“
Sie murmelte etwas verschlafenes und bewegte sich ein wenig, aber sie wachte nicht auf.
Vielleicht war das gut so, denn sie hätte sonst Dinge gesehen, die sie an ihrem Verstand zweifeln ließen.
Da war erst einmal, das Hans kein Licht einschaltete, sich aber durch die Räume bewegte, als wäre es der hellste Tag. Im Wohnzimmer sammelte er schmunzelnd ihre verstreuten Kleidungsstücke wieder ein, schlichtete die von Scully sorgfältig auf einen Sessel und die seinen in einen Koffer. Er holte aus dem Koffer auch noch seine letzte Flasche Wein und einige Blätter Papier, auf die er einen Abschiedsbrief schrieb, wozu er noch immer kein Licht brauchte. Den Wein und den Brief legte er zu Scullys Kleidung.
Dann legte er seine letzten Habseligkeiten in die Koffer, verschloß ihn - und sah zu wie sich alles in Nichts auflöste. Um seinen Körper formte sich Kleidung, aus Materialien, die alle Forschungsabteilungen des FBI, der NASA und der Army in den Wahnsinn getrieben hätten. Die in das Gewebe eingebauten Geräte hätte man zwar nicht entdeckt, aber die größeren Geräte in dem breiten Gürtel hätten die Wissenschaftler auch nicht beruhigt.
Noch beunruhigender aber war, daß Hans alle diese Geräte nicht brauchte, um unsichtbar zu werden.
Nur unsichtbar?
Er ging durch Wände und Türen als existierten sie nicht und wanderte wie ein Geist durch das Hotel.
Die Empfangsdame handelte plötzlich sehr merkwürdig: Sie buchte den Gast Hans Mayr aus, als würde der sich ganz normal abmelden und steckte die Geldscheine, die aus dem Nichts erschienen, ein, als sei es das normalste der Welt. Sie bedankte sich sogar für das große Trinkgeld und versicherte laut, daß man Dana Scully selbstverständlich um halb sieben mit einem großen Frühstück wecken würde. Und sie erinnerte sich ganz genau, das sie noch eine Viertelstunde mit dem Gast Hans Mayr plauderte, bevor ihn ein Bekannter mit dem Auto abholte - es war ein großer, dunkler Wagen, es könnte eine ausländische Marke gewesen sein, sie war sich aber nicht sicher. Und das Nummernschild hatte sie sowieso nicht erkennen können.
In Wirklichkeit aber wanderte Hans wie ein Phantom durch den Wald zum See. Sein Ziel war genau die Stelle, an der George ihn beobachtet, als er auf dieser Erde ankam. Er hatte George sofort bemerkt, auch wenn der zweihundert Meter entfernt unter einem Busch lag, aber als er erkannte, das es sich um einen Säufer handelte, dem ohnehin niemand glaubte, verzichtete er auf weitere Maßnahmen. Er begnügte sich damit, dem Sheriff und einigen anderen Leuten falsche Erinnerungen unterzuschieben. Das hatte sich als völlig ausreichend erwiesen.
Nahe am Seeufer stand eine Gruppe von Männern, die sich lautstark miteinander unterhielten. Sie konnten ihn nicht bemerken, auch nicht als er neben sie trat.
Die Männer waren verwahrlost, nass von dem Regen, der noch immer strömte, und trugen große Flaschen in den Händen. Einer war nicht ganz so verwahrlost, aber genauso nass und sehr müde und verzweifelt.
„Kommen sie Agent Mulder! Diese Stelle müssen sie sich ansehen! Da landen immer ganz seltsame Außerirdische! Die sind ganz klein und weiß - sehen fast aus wie Mäuse.“
„Weiße...Mäuse?“
„NEEEIIIIN - keine Mäuse. Außerirdische die sich als Mäuse verkleiden! Das sind ganz sicher Spione! Wer paßt schon auf eine Maus auf? Kommen sie, das müssen sie sehen!“
Die Männer rissen den müden Mulder mit sich, irgendwo hinein in den Wald.
Hans schüttelte den Kopf. Die Frauen waren wirklich das größte Rätsel des Universums, wieso verliebte sich eine Frau wie Dana Scully ausgerechnet in so einen? Noch immer kopfschüttelnd ging er zu seinem Treffpunkt.
Es war vielleicht eine Minute später, als sich Fox Mulder kurz umdrehte. Von seinem Standpunkt aus konnte er zum Seeufer sehen. Und einen Moment, einen kurzen Moment lang, glaubte er einen Mann in einem seltsamen Anzug zu sehen, der sich in einem vielfarbigen Licht auflöste. Aber es war nur ein kurzer Moment und die Flasche in seiner Hand war schon fast leer...
„Mulder! Was haben sie denn gemacht?“
Scully musterte ihn von oben bis unten, als er in das Restaurant wankte. Es war kurz nach neun und sie saß bei einer Tasse Kaffee. Neben ihr lagen ein paar Papiere.
Die Bedienung schoß herbei.
„Hören sie mal! Sie können doch nicht so ins Restaurant kommen! Die Leute wollen hier essen! Duschen sie erst mal!“
„Ich bin vom FBI!“
„Und wenn sie Edgar Hoover persönlich wären: Sie gehen jetzt erst einmal duschen! Sie sehen ja aus wie Rübezahl!“
Mulder war viel zu müde für einen Kampf.
„Ich gehe gleich. Kann ich noch kurz mit meiner Kollegin reden?“
„Aber nur kurz!“
Die Bedienung sah Scully noch mitleidig an, dann ging sie wieder. Das letzte was Mulder hörte war:
„Die nehmen aber auch jeden beim FBI.“
Scully musterte Mulder mit falschem Mitleid.
„Sie hatten keinen Erfolg?“
Mulder schüttelte müde den Kopf.
„Scully, sie sind meine letzte Hoffnung. Haben sie die Leute befragt?“
„Ja, alle.“
Der Sheriff hatte recht behalten. Um halb acht hatte sie alle, die auf Mulders Liste standen, in der Ausnüchterungszelle gefunden. Nachdem ihnen der Sheriff mitteilte, das sie Kaffee und Aspirin nur bekämen, wenn sie redeten, waren sie sehr auskunftsfreudig geworden. Scully wußte nicht, was Amnesty International von solchen Methoden hielt, aber sie waren sehr wirkungsvoll.
„Nun ja - ihre Außerirdischen sind zwischen zwanzig Zentimetern und drei Metern groß, sie haben einen bis achtzehn Arme, sind weiß, schwarz, rot und manchmal auch lilablaßblau gepunktet. Sie spionieren bevorzugt in Bars und Kneipen und benutzen Whisky als Treibstoff für ihre Raumschiffe. Hilft ihnen das weiter?“
Mulder schüttelte bloß den Kopf und meinte:
„Ich gehe jetzt duschen.“
An der Tür blitzte ein letzter Hoffnungsschimmer auf:
„Scully - dieser Deutsche, was ist mit dem? Haben sie ihn überprüft.“
„Aber sicher doch Mulder, ich tue doch alles für sie. Aber glauben sie es mir: Der ist ganz sicher kein Fall für die X-Akten.“




Ende