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Psi Factor – In eigener Sache

von  Stephanie Tallen

 

 

Connor brach die Verbindung ab.
Was hatte das zu bedeuten? Connor Doyle widersetzte sich offiziell seinen Anweisungen?
Frank Elsinger, Einsatzleiter des O.S.I.R., war leicht irritiert. So ein Verhalten hatte er nicht erwartet, nicht auf diese offenkundige Art und Weise und schon gar nicht von Connor Doyle. Irgend etwas stimmte nicht. Doyle hatte nicht gut ausgesehen...Dann schoss es Elsinger durch den Kopf: war er womoeglich infiziert? Weigerte er sich deshalb diesen, zugegebenermassen, wirklich gefaehrlichen Organismus zu ueberfuehren?
Elsinger konnte und wollte kein Risiko eingehen. Zwar hatte er von dem Parasiten gewusst und natuerlich waren Mitarbeiter ersetzbar, doch dieses Team war momentan zu wertvoll um es zu riskieren...
Er griff zum Hoerer. Durch einige Tastendrucke erstellte er eine abhoersichere Leitung, von der nur zwei Personen Kenntnis hatten: er selbst und der Leiter des Gamma-Teams, den er in diesem Augenblick kontaktierte.
"William? Hier Frank", begann er und fuhr fort. "Ich brauche ein vollstaendiges Team. Einsatzort: Russland. Die Nummer der offiziellen Akte ist 321147, die notwendigen Zusatzinformationen findest du in der inoffiziellen Akte 321147-Gamma-3719.'
Ein Alpha-Team ist bereits vor Ort. Es gibt vermutlich Schwierigkeiten.Connor Doyle ist moeglicherweise infiziert, die anderen vielleicht auch. Sie und Ihr Team haben den Auftrag, sie da herauszuholen, ich kann nicht den Verlust eines ganzen Teams riskieren. Aber", warf er ein, "niemand darf Sie und Ihre Aktionen bemerken. Viel Glueck."
Mit diesen Worten legte Elsinger den Hoerer auf die Gabel. In seinem Gesicht zeichnete sich deutlich der Ernst der Lage ab, doch das war nicht das einzige, was sein Ausdruck widerspiegelte. Es lag noch etwas anderes in ihm... Besorgnis?

 

***

 

Er hatte Schmerzen. Sein Koerper schien von innen zu verbrennen, doch er durfte sich nichts anmerken lassen. Nicht vor seinem Team, das haette nur alle in ihrer Konzentration gestoert und sie von ihrer Arbeit abgelenkt, die
momentan unweigerlich wichtiger war, als sein koerperliches Wohlbefinden. Er musste den Auftrag zu Ende fuehren, aber nicht, wie Elsinger es von ihm verlangte, sondern auf seine Weise. Und er wollte sein Team unbeschadet aus dieser Sache fuehren. Das war das Mindeste, was er ihnen nach dieser langen gemeinsamen Dienstzeit schuldig war.
Er selbst ahnte, dass er diese Mission vermutlich nicht ueberleben wuerde und das stimmte ihn nachdenklich und traurig. Es gab so viel, das ungesagt bleiben wuerde... Gegenueber seines Teams... gegenueber Lindsay. Niemals hatte er ihr sagen koennen, was er wirklich fuer sie empfand. Und nun war es zu spaet. Es jetzt zu tun, wuerde alles nur viel schlimmer machen und er schwor sich, es ihr zu sagen, wenn er diese Situation heil ueberstehen sollte, doch im selben Moment kam es ihm wie ein feiges Versprechen vor.
War er vielleicht im Unterbewusstsein schon davon ueberzeugt, nicht zu ueberleben und konnte sich deshalb solche Schwuere leisten? Er wusste es nicht und beschloss, nicht weiter darueber nachzudenken und das Beste zu hoffen.

 

***

 

"Gamma-2 an Gamma-1, wir sind auf Position. Richtmikrophone, Ultraschall- und Infrarotsensoren, sowie Waerme- und Bewegungsdetektoren sind installiert und funktionsbereit. Leiten jetzt alle Messdaten und Videosignale zu Ihnen weiter."Gamma-1 an Gamma-2, verstanden. Datenuebertragung erfolgreich. Erbitte Berichterstattung ueber jegliche sonstige Vorhaben und Aktionen des Alpha-Teams."
"Verstanden, Gamma-1" Drei schwarz gekleidete Mitglieder des Gamma-Teams huschten durch die Dunkelheit des Gebaeudes. Zwei riesige Parasiten schlaengelten sich in unmittelbarer Naehe an ihnen vorbei, nahmen jedoch keinerlei Notiz von ihnen. "Gamma-2 an Gamma-1, Schutzanzuege getestet und einsatzfaehig."
"Verstanden, Gamma-2", bestaetigte William den Funkspruch und sah wieder auf seine Monitore, die in einer kleinen, versteckten Basis, 200 Meter hinter dem Fabrikgebaeude, aufgebaut waren. Viele kleine Bewegungspunkte waren sichtbar, doch nur ein kleiner Bruchteil davon war menschlichen Ursprungs. Es verbargen sich bereits viele dieser Parasiten in den dunklen Winkeln dieses alten Gemaeuers, zu viele.
Die ganze Operation hatte sich auf ein Niveau gehoben, das zum Sicherheitsrisiko der hoechsten Ebene eskalieren koennte. Dagegen musste etwas unternommen werden. Zu diesem Schluss war das derzeit operierende Alpha-Team offenbar ebenfalls gelangt, denn sie schienen zum Aufbruch bereit. Vor wenigen Augenblicken war Dr. Cooper, der Zoologe des Teams, von einem dieser Parasiten angegriffen worden. Nicht einmal das Gamma-Team hatte dies verhindern koennen. Zwar hatten sie die Position des Parasiten lokalisiert, doch was haetten sie tun koennen? Ihnen waren die Haende gebunden. Sie mussten unentdeckt bleiben. Gluecklicherweise war Cooper am Leben, doch wie lange noch?
William sah auf die kleinen Bildschirme und lauschte den uebermittelten Gespraechen. Gerade hatte Doyle den sofortigen Rueckzug angeordnet. Er selbst lief aber in den Keller des Gebaeudes, um die Ladetore zu oeffnen.
Ein gefaehrliches Vorhaben, hinsichtlich der Parasiten, dachte William besorgt bei sich. William aktivierte das Intercom, doch ehe er etwas sagen konnte, meldete sich schon eins seiner Teams. "Gamma-2 an Gamma-1, sie brechen auf. Doyle ist auf dem Weg in die Druckkontrollkammer, um die Tore mit Energie zu versorgen."
"Verstanden", bestaetigte William kurz angebunden, ehe er den Kontakt zu einem weiteren Team aufnahm: "Gamma-3, haltet euch bereit!"

 

***

 

Es war knapp gewesen, doch sie hatten es noch rechtzeitig geschafft. Nun verbargen sie sich in ihren Verstecken und warteten, doch das brauchten sie nicht lange zu tun, denn schon wenige Augenblicke spaeter kam er die Treppe hinunter. Er konnte sich kaum aufrecht halten, presste krampfhaft einen Arm gegen seinen Bauch und eilte schleppend weiter, wobei er sich mit der freien Hand an den Waenden und Apparaturen abstuetzte. Sein Gesicht war schmerzverzerrt, seine Haare klebten ihm am Kopf, nass von Schweiss. Er atmete schwer.
Dann erreichte er den Kontrollraum. Eilig machte er sich daran die Hebel umzulegen, einen nach dem anderen.
Das Team hoerte, wie die Kompressoren arbeiteten, ueberdrehten und begannen heisszulaufen. Bald schon wuerde es vorbei sein.
Die drei Mitglieder des Gamma-Teams beobachteten ihn aus den dunklen Tiefen des Raumes, hielten sich bereit und warteten auf ihren Einsatz. Alles musste reibungslos verlaufen, wenn die Operation gelingen sollte. Jetzt konnte es nicht mehr lange dauern, jeden Moment war es soweit. Sie sahen sich an. Die Leiterin des Teams gab das Zeichen zum Bereitmachen. Die beiden Maenner nickten ihr zu.
Doyle war inzwischen vor Erschoepfung an der Kontrollwand hinabgeglitten und sass nun auf dem Boden. Gerade streckte er den Arm nach dem letzten Hebel aus.
Die beiden Maenner wollten gerade ihre Verstecke verlassen als sie die Leiterin zurueckhielt. Sie deutete auf einen kleinen Monitor. Vier rote Punkte - das waren sie und Doyle -, eine Menge blauer Punkte – das waren die Parasiten – und ein weiterer roter Punkt naeherte sich ihrer Position. In diesem Moment kam auch schon Peter Axon die Treppe hinuntergelaufen. Er war mit einem Stickstoffwerfer bewaffnet zum Schutz gegen die Parasiten. Er wollte Doyle aufhalten, ihn rausschaffen, doch dieser ging nicht darauf ein, sondern wurde statt dessen an sein eigentliches Vorhaben erinnert, die Ladetore zu oeffnen. Zusammen mit Axon betaetigte er die noetigen Hebel und Schalter. Dann stritten sie. Axon wollte ihn nicht alleine lassen.
Die Teamleiterin sah nervoes zu den beiden anderen. Die Zeit wurde knapp.
Wenn die Parasiten Doyle zuerst erwischten, war alles zu spaet.
Gerade sondierte Axon die Umgebung und bemerkte die Parasiten ebenfalls. Gluecklicherweise unterschieden diese tragbaren Standarddetektoren nicht zwischen menschlichen und tierischen Signalen, so dass das Team als solches unentdeckt blieb. Die drei warfen sich erleichterte Blicke zu.
Peter, geh‘! Das ist ein Befehl!" Noch immer zoegerte Peter, doch er sah die Entschlossenheit in den Augen seines Freundes und machte schliesslich einige Schritte in Richtung Treppe. Ein letztes Mal sah er sich nach Connor um, dann lief er los. Er rannte um sein Leben, das wusste er. Und er hatte nur noch wenig Zeit. Connors Schmerzen waren nun unertraeglich geworden. Der Parasit in seinem Magen wand sich hin und her und loeste dabei immer neue Wellen des Schmerzes aus, die Connors gesamtes Nervensystem ueberfluteten. Er sackte an der Kontrollwand in sich zusammen, mit einer Hand umklammerte er fest den Hebel, der fuer ihn als auch fuer alle anderen die Befreiung versprach. Befreiung von gegenwaertigem und zukuenftigem Schmerz, ausgeloest durch Kreaturen, deren Herkunft noch immer nicht einwandfrei festgelegt werden konnte. Er wartete noch einige Sekunden, hoffte, dass sein Team es inzwischen nach draussen geschafft hatte, hoffte, dass auch Peter bereits in Sicherheit war. Die Parasiten kamen naeher, er spuerte ihre Gegenwart wie einen kalten Schauer, der den Ruecken hinablaeuft. Er schloss die Augen, dachte an sein Team, dachte an Lindsay, und legte den Hebel um...
Nichts.
Was war geschehen? Mit letzter Kraft gelang es ihm, kurz die Augen zu oeffnen, doch er war sehr schwach. Das Letzte, was er sah, bevor er in eine tiefe Bewusstlosigkeit sank, war die Silhouette eines Mannes, der eilig auf ihn zu kam.
"Schnell, Leute, beeilt euch!", rief die Teamfuehrerin. "Los, los, schafft Doyle hier raus! Ich bringe die Sprengladung an. Timer auf zwei Minuten."
Waehrend die beiden Maenner Connor auf einer Liege hinaustrugen, machte sie sich daran, einige Modifikationen in dem Schaltkasten vorzunehmen, der die Kontrolleinheiten der Kompressoren enthielt. Zuvor hatte das Team vorsichtshalber saemtliche Regelschalter der Kompressoren manipuliert und so geschaltet, dass alle funktionstuechtig sind, bis auf den jeweils letzten, unabhaengig von der Reihenfolge, in der die Hebel benutzt wurden. Diese Eingriffe hatten sie vorausschauend an saemtlichen Apparaturen vorgenommen, die ein moegliches destruktives Risiko in sich bargen. Jetzt ueberbrueckte sie vorsichtig die letzte Sperre, brachte den Zuendmechanismus an und lief los. In zwei Minuten wuerde die Blockade aufgehoben und der Kontakt geschlossen werden und dann wuerde hier alles in die Luft fliegen.
"Lauf, Peter!"

***

Gewaltige Explosionen erschuetterten ploetzlich den Boden. Das Gebaeude hinter Peter fiel aechzend in sich zusammen. Eine Wolke aus Kalk und Staub, die von lodernden Flammen gespenstisch beleuchtet wurde, war das einzige, das zurueckblieb.
"Peter!" Lindsay stuerzte auf ihn zu. "Peter! Wo ist Connor?"
Er sah sie an, traurig, wusste nicht, was er sagen sollte. Doch sie verstand ihn auch ohne Worte. Unglaeubig sah sie ihn an. Er legte die Arme um sie, drueckte sie fest an sich.
200 Meter hinter dem Gebaeude, das nunmehr nichts als Schutt und Asche war, lagen saemtliche Mitglieder des Gamma-Teams in schwarzen Schutzanzuegen in einer Erdmulde. Unter einer feuerfesten Decke waren sie von der Druckwelle geschuetzt gewesen und waren alle unversehrt. Connor Doyle war bei ihnen. Er lebte

***

Schwere Maschinen trugen langsam den Schutt und die Gesteinsbrocken des eingestuerzten Komplexes ab. Das Beta-Team sondierte die Umgebung nach Lebenszeichen. Ultaschall-Thermo-Detektoren, Sonargeraete, Waermereflektoren und Schallfrequenzanalysatoren halfen bei der Suche, neben vielen anderen High-Tech-Geraeten, die nicht unbedingt zur ueblichen Standardausruestung eines Suchtrupps gehoerten. Doch fuer diesen Fall fuhr man saemtliche Geschuetze auf, wollte jegliche Moeglichkeiten nutzen, wie es von "oben" angeordnet worden war.'
"Hier ist auch nichts", berichtete einer der Teammitglieder, "nichts als hunderte dieser Parasitenueberreste, aber keine Spur von Doyle."

***

Das konnte alles nicht wahr sein! Sie hoffte, jeden Moment aus diesem schrecklichen Alptraum aufzuwachen, doch die Hoffnung war vergebens, sie wachte nicht auf und wuerde dies auch nicht tun, denn es war kein Traum. Es war die Realitaet, die diesmal eines ihrer grausamsten Gesichter gezeigt hatte.Wieso hatte sie ihn nicht aufgehalten als sie die Chance dazu gehabt hatte? Wieso? Warum hatte auch Peter ihn nicht zurueckgehalten? Er hatte ihn doch als letzter gesehen? Warum liess er Connor alleine zurueck? Peter haette ihn aufhalten koennen! Connor koennte jetzt noch am Leben sein.Lindsay seufzte. Sie lag auf ihrem Bett in einem kleinen, spaerlich moeblierten Raum, der ihr in der Quarantaene-Abteilung des Zentrallabors zugeteilt worden war. Die Arme hinter dem Kopf verschraenkt, starrte sie an die Decke. Seit drei Tagen waren sie nun schon hier und noch keine Nacht hatte sie richtig schlafen koennen. Immer wieder wurde sie von Erinnerungen an jene schicksalhafte Nacht gequaelt.
Nun dachte sie daran, was alles haette sein koennen, wenn Connor noch am Leben waere. Haette sie es gewagt und ihm ihre Gefuehle offenbart? Ihre wahren Gefuehle, die weit ueber das kameradschaftliche Freundschaftsgefuehl zwischen den einzelnen Teammitgliedern hinausging? Jetzt wuerde er es niemals wissen. Niemals. Sein Tod war so endgueltig. So schrecklich endgueltig. Niemals. Traenen rannen ihr das Gesicht hinunter und hinterliessen feuchte Flecken auf dem Kopfkissen.

***

Er hoerte Geraeusche, Stimmen, spuerte den leichten Druck einer Sauerstoffmaske auf seinem Gesicht, Lichtreflexe tanzten vor seinen Augen, doch er konnte sie nicht oeffnen. Wo war er? Und mit wem? Was machten sie mit ihm? Ein gedaempfter Schmerz durchfuhr ihn. Der Parasit. Er war also noch immer in ihm. Ein elektronisches Piepen, das er schon die ganze Zeit ueber im Hintergrund gehoert hatte, erhoehte die Frequenz. Sein Herzschlag. War er im Krankenhaus? Wie war er hierher gekommen?
Personen naeherten sich ihm, er spuerte ihre Praesenz, hoerte, wie sie sprachen, doch er konnte nicht verstehen worueber. Er nahm alles wie durch einen Nebel wahr, der saemtliche Sinneseindruecke daempfte. Er vermutete eine Art von Betaeubung. Jemand hob kurz seine Augenlider an und blendete ihn mit einem grellen Licht. Er konnte sich nicht bewegen. Kurz sah er verschwommene Gesichter, dann schlossen sich seine Augen wieder. Die Schwaerze hatte ihn zurueck. Ein kurzer Stich in seinem Handruecken, eine leichte Beruehrung einer Hand. Dann spuerte er nichts mehr, langsam senkte sich die Muedigkeit ueber ihn, die Stimmen verschwanden in der Ferne. Er schien zu fallen, in eine Welt aus Stille und Ruhe, Dunkelheit umgab ihn, er hatte keine Schmerzen mehr.

 

***

 

 

Gekleidet in blauer Standardquarantaenekleidung, wie momentan jedes Mitglied des Alpha-Teams, sass Peter alleine in einer Ecke seines Raumes und raufte sich die kurzen Haare. Er seufzte tief. Hatte er falsch gehandelt? Haette er ihn retten koennen? Nicht einmal jetzt konnte er etwas fuer ihn tun. Sobald das Alpha-Team zurueckgekehrt war, war es auch schon unter Quarantaene gestellt worden, bis sichergestellt werden konnte, dass niemand von ihnen infiziert war.
Das Beta-Team durchsuchte momentan die Ruinen. Was wuerde er darum geben, jetzt dort sein zu koennen...bei seinem Freund. Hatte er ihn im Stich gelassen? Er weinte leise.

***

Emsiges Treiben herrschte im Labor, die letzten Vorbereitungen wurden getroffen. Neonroehren tauchten alles in ein kaltes, weisses Licht. In der Mitte des Raumes stand ein metallener Sektionstisch. Ein Team aus Wissenschaftlern und Ärzten, gekleidet in weisse Laborkittel, stand in dessen Naehe. "Es wirkt, keine Aktivitaet mehr nachweisbar", meldete eine weitere Laborantin, die nun von ihren Monitoren aufsah. "Ihr koennt anfangen."
"Also los", meinte einer der Ärzte und setzte seinen Mundschutz auf. Die anderen taten es ihm gleich. Sie traten an den Tisch heran auf dem nun Connor Doyle lag. Sein Brustkorb war bereits freigelegt und der Rest seines Koerpers mit blauen Operationstuechern abgedeckt. Ein Skalpell blitzte kalt im kuenstlichen Licht des Laboratoriums auf.

***

"Ist Peter da drin?", fragte Lindsay Anton leise, der vor der angelehnten Tuer zu Peters Raum stand. Lindsay sah muede aus und ihre Augen waren geroetet. Anton ging es nicht anders, auch er trauerte um seinen Freund, der– realistisch gesehen – keine Überlebenschancen mehr hatte. Peter hatte ihnen erzaehlt, dass Connor infiziert war. Selbst wenn er also den Einsturz und die gewaltige Explosion ueberlebt hatte, so doch sicher nicht den Ausbruch des Parasiten aus seinem Koerper.
Antons Antwort auf Lindsays Frage war ein stummes Nicken. Niemand hatte seit dem Vorfall viel gesprochen. Jeder ging seinen eigenen Gedanken nach, versuchte, mit dieser tragischen Situation fertig zu werden. Lindsay wollte an ihm vorbei in den Raum gehen, doch Anton hielt sie am Arm zurueck. Als sie ihn fragend ansah, schuettelte er nur den Kopf. Lindsay spaehte kurz durch einen Spalt in der Tuer. Sie sah Peter. Er sass in einer Ecke des Raumes auf dem Boden, die Knie eng an den Koerper gezogen. Sie hoerte sein leises Schluchzen. Sie wandte sich ab, Traenen standen in ihren Augen. "Wir sollten ihn alleine lassen", fluesterte Anton. "Fuer eine Weile", fuegte er dann hinzu. Anton und Lindsay gingen ein kleines Stueck den Gang hinunter.
"Gib nicht ihm die Schuld", meinte Anton ploetzlich leise. "Er konnte nichts tun."
"Aber...ich wollte gar nicht...", begann Lindsay, doch sie brach ab, als Anton sie nur stumm ansah. Sie senkte den Blick. Er hatte Recht. Auf eine gewisse Weise wollte sie Peter wirklich die Schuld geben. Sie suchte einen Verantwortlichen. Brauchte jemanden, gegen den sich ihr Zorn richten konnte, doch es war nicht fair! Das war zu einfach, Peter konnte nichts dafuer. Sie kannte Connors Art, sicher haette sie genauso handeln muessen wie Peter. Sie hatte so gehandelt! Auch sie war Connors Anweisung gefolgt, als er sie bat zu gehen und es verfolgte sie in ihren Traeumen und Gedanken.Sie nickte und seufzte.
"Peter gibt sich allein die ganze Schuld an den Ereignissen", fuhr Anton fort, "ich hoffe, er ist bald bereit, um darueber zu sprechen. Er darf nicht alles in sich hineinfressen."
"Gute Arbeit. Ich erwarte Ihren ausfuehrlichen Bericht." Per Knopfdruck beendete Elsinger das Gespraech. Er laechelte. Soweit so gut. Nun war der Parasit wieder in seiner Obhut, die Testreihen konnten endlich weitergehen.

 

***

Langsam kamen seine Wahrnehmungen zurueck, doch sie blieben weiterhin gedaempft. Er hatte ein merkwuerdiges Gefuehl, doch er konnte es nicht einordnen. Fuehlte er sich allein? Doch es war ein gutes Gefuehl... Dann wurde es ihm bewusst. Er spuerte nicht laenger die Praesenz des Parasiten in ihm. Hatte man ihn entfernt? War er gestorben? Er war nicht laenger in ihm. Connor fuehlte sich gut.
"Pass auf, dass er nicht zu sich kommt", warnte eine derÄrztinnen den Assistenten, der sich momentan um den Patienten kuemmerte. Er nickte und ueberpruefte sofort die Dosierung des Narkotikums und die Zuleitungen des Tropfers.
"Er ist ziemlich blass", bemerkte er dann leicht besorgt. Die Ärztin trat an das Bett heran und kontrollierte Puls und Temperatur. Zwar waren die Überwachungsmonitore angeschlossen, doch sie ueberzeugte sich lieber selbst. "Es ist alles in Ordnung", beruhigte sie den Assistenten. "Das sind noch die Nachwirkungen der Operation, sie war sehr anstrengend. Doyle wird es ueberleben."
Sie wandte sich wieder ihrer aktuellen Arbeit zu, der Erforschung des Parasiten. Es war tatsaechlich gelungen, den Parasiten aus dem Wirtskoerper zu extrahieren, ohne einen der beiden zu toeten. Sie fragte sich noch immer, woher Elsinger diesen Impfstoff hatte, doch solche Fragen behielt man in dieser Branche besser fuer sich.
"Die Werte sehen gut aus", bemerkte einer der Wissenschaftler, wobei er fasziniert den Parasiten beobachtete, der sich langsam in seinem Gefaess regte. "Unser kleiner Freund hier scheint langsam wieder aufzuwachen."
"Wenn seine Werte stabil sind brauche ich Roentgenaufnahmen und Spektralanalysen", ordnete die leitende Ärztin an. "Bis dahin nehmt Gewebe-und Blutproben. Alles muss analysiert und ausgewertet werden. Und berechnet sein Wachstum. Wir brauchen ein groesseres Gefaess."

 

***

 

Zwei Monate spaeter.

Das Team hatte sich weitgehend von den Schrecken der damaligen Vorfaelle erholt und hatte bereits einige Faelle geloest. Nun unter der Leitung eines neuen Teamleaders. Matt Praeger. Ein sehr faehiger Mann, doch anfangs herrschte zwischen Axon und ihm eine eisige Stimmung. Peter, der eigentlich damit gerechnet hatte, Connors Nachfolger zu werden, wurde von Elsinger vor vollendete Tatsachen gestellt. Er versuchte, die Situation so gut es ging anzunehmen, doch Praeger machte es ihm mit seinen Sticheleien nicht gerade leicht. Doch zumindest hatte er erheblich dazu beigetragen, dass sich Lindsay und Peter aussprechen konnten. Inzwischen herrschte unter Praeger und Axon Waffenstillstand und langsam baute sich zwischen den beiden eine Beziehung auf, die sogar freundschaftliche Zuege annahm.
Gerade hatte das Team den letzten Fall abgeschlossen.Peter und Lindsay saßen noch im mobilen Labor und packten ihre Daten und Aufzeichnungen zusammen. Sie unterhielten sich beilaeufig ueber den Fall, der sich als ausgemachter Schwindel entpuppt hatte. Peter sah auf, als Lindsay auf seine letzte Bemerkung nichts erwiderte. Sie saß geistesabwesend am Tisch, ihr Blick verlor sich in der Ferne.
"Lindsay?" Peter stand auf und ging zu ihr. Behutsam legte er ihr eine Hand auf die Schulter. "Alles in Ordnung?"
"Hhmm?... Oh, ja, alles in Ordnung, Peter. Es war nur... Ich dachte gerade an... "
"Connor?"
Sie nickte und seufzte. "Peter, ich vermisse ihn so sehr."
Er setzte sich neben sie. "Wir alle vermissen ihn, Lindsay. Aber wir muessen versuchen, damit fertig zu werden."
"Ich weiss, das Leben geht weiter, nicht wahr?"
Er nickte. Lindsay laechelte. "Es wuerde einfacher fallen Abschied zu nehmen, wenn es wenigstens einen Ort gaebe, an dem man sich ihm nahe fuehlen koennte, Peter. Aber er hat nicht einmal ein Grab."
"Er ist hier, Lindsay", entgegnete Peter und machte eine Geste, die den Raum einschloss. "Das hier war sein Leben."

 

Am naechsten Tag war das Team wieder zurueck in der Stadt, bereit, den naechsten Fall entgegenzunehmen. Bis dahin jedoch, hatten sie alle ein wenig Zeit der Erholung.
"Ich freue mich schon darauf, zwoelf Stunden am Stueck durchzuschlafen", meinte Peter und seufzte sehnsuechtig als Lindsay ihn vor seiner Haustuer absetzte. Sie lachte. Ja, und ich brauche eine lange, heisse Dusche."Er oeffnete die Wagentuer und stieg aus. "Na, dann suesse Traeume, Peter", rief sei ihm hinterher. Laechelnd winkte er ihr zum Abschied und schloss dann die Wohnungstuer auf. Er sammelte die Post vom Boden auf, die sich in den vergangenen Tagen angesammelt hatte. Ein kleines Paeckchen war darunter. Peter suchte beilaeufig nach einem Absender, doch es war nirgends eine Adresse angegeben.
Er legte es zu der uebrigen Post. Die Briefe konnten warten.
Zielstrebig ging Peter ins Bad und machte sich frisch. Danach liess er sich im Schlafzimmer erschoepft aufs Bett sinken und war in wenigen Augenblicken eingeschlafen.

***

 

 

Lindsay verliess gerade das Badezimmer, das noch von heissen Dampfschwaden erfuellt war. Sie trug ihren weissen Frotteebademantel und rubbelte sich mit einem Handtuch die Haare trocken.Ploetzlich klingelte das Telefon. Kurz zog sie in Erwaegung, nicht abzuheben, doch dann entschied sie sich doch dagegen und nahm den Hoerer von der Gabel.
"Hallo?"
"Sehen Sie in Ihren Postkasten", fluesterte eine heiser klingende Stimme, ehe die Verbindung auf der anderen Seite der Leitung abgebrochen wurde.
Verwirrt sah Lindsay den Hoerer an und legte dann auf. Was sollte denn das nun bedeuten? Sehen Sie in Ihren Postkasten.
Ihr war etwas mulmig zumute, dennoch beschloss sie, dieser Aufforderung nachzukommen. Doch zuvor kleidete sie sich an, wer weiss, wer oder was sie erwartete...
Vorsichtig oeffnete sie die Haustuer und trat hinaus. Aufmerksam beobachtete sie die Umgebung, doch sie konnte nichts Verdaechtiges ausmachen. Dann trat sie an den Postkasten heran, steckte den kleinen Schluessel in das Schloss und drehte ihn herum. Noch einmal blickte Lindsay umher, doch es schien sie niemand zu beobachten. Ganz vorsichtig oeffnete sie nun die Klappe des Postkastens einen schmalen Spalt und spaehte hindurch, doch sie konnte keine Draehte, Verkabelungen oder sonstiges feststellen, dass auf einen Sprengsatz oder aehnliches haette schliessen lassen.
Mit angehaltenem Atem oeffnete Lindsay die Klappe vollstaendig, immer noch auf der Hut vor etwas, das ihr vielleicht entgegenspringen koennte, doch alles, was ihr tatsaechlich entgegenfiel, waren ein paar Briefe und ein kleines Paeckchen. Erleichtert liess sie ihren Atem entweichen, packte die Post zusammen und ging zurueck ins Haus.
Sie betrachtete die Umschlaege der Briefe und deren Aufschriften, doch alle waren mit Absendern gekennzeichnet. Das einzige, bei dem nicht ersichtlich war, woher es kam, war das Paeckchen.Vorsichtig oeffnete sie es und runzelte die Stirn als sie eine Videocassette herauszog. Auf dem Etikett stand in schwarzen Lettern: Teil 2. Das war alles. Keine Notiz, kein Brief, nichts. Nur diese Cassette.
Lindsay beschloss, sich das Band anzusehen und schob es in den Videorecorder. Das Fernsehbild flackerte, dann wurde es schwarz. Langsam wurde nun Zeile um Zeile eines Textes eingeblendet:

"(Teil 2 einer zweiteiligen Nachricht; Teil 1 in Besitz von Peter Axon)

Aus diesem Grund lege ich Ihnen nahe, dieser Angelegenheit auf den Grund zu gehen. Doch glauben Sie mir, Sie muessen sich beeilen, ehe es zu spaet ist. Und seien Sie gruendlich, nicht immer sind die Dinge so, wie sie auf den ersten Blick erscheinen.Abschliessend sehen sie die Operationsbasis der geheimen Machenschaften, die so schnell wie moeglich aufgedeckt und gestoppt werden muessen." Ein Bild eines heruntergekommenen Lagerhauses wurde eingeblendet. Dann folgte wieder Text: "Ich bitte Sie um Ihre Hilfe und moechte meine vagen Ausfuehrungen entschuldigen, aber mehr konnte ich nicht preisgeben, da sonst meine Anonymitaet in Gefahr geraten waere.

Ein Freund"

 

 

Das Telefon klingelte.Er stoehnte, murmelte etwas Unverstaendliches. Dann steckte er seinen Kopf unter das Kissen, doch das Klingeln war unbarmherzig. Seufzend gab er die Hoffnung auf, doch noch weiter schlafen zu koennen und tastete nach dem Telefon.
"Hallo?", murmelte er mit verschlafener Stimme. Er raeusperte sich.
"Peter?"
"Hhm?"
"Peter, ich bin’s, Lindsay."
Nun war er fast hellwach. Irgend etwas in ihrer Stimme verriet ihm, dass es etwas Wichtiges sein musste. "Was ist los?", fragte er. "Ist etwas passiert?"
"Das kann ich noch nicht genau sagen, Peter."
Er runzelte die Stirn."Hast du schon deine Post durchgesehen?", fuhr Lindsay fort.
"Mehr oder weniger", meinte er. "Ich hab‘ sie kurz zusammengelegt bevor ich mich hingelegt hatte."
"War ein Paeckchen dabei?", fragte sie erwartungsvoll. "Ohne Absender? Nur mit deiner Anschrift versehen?"
Jetzt wurde er neugierig. "Ja", bestaetigte er.
"Koenntest du bitte nachsehen, was darin ist?"
"Ja, Moment", er legte den Hoerer beiseite, eilte aus dem Zimmer und kam mit dem Paeckchen in der Hand zurueck. Er nahm den Hoerer wieder auf. "So, ich habe es jetzt hier."
Er oeffnete es und zog den Inhalt heraus. "Ein Videoband", stellte er erstaunt fest und betrachtete es, auf der Suche nach Angaben zu dessen Inhalt. "Teil 1?", las er fragend die Aufschrift des einzigen Aufklebers auf der Cassette.
"Ich habe Teil 2", meinte Lindsay, "und kann nicht viel damit anfangen."
"Na, dann schlage ich vor wir sehen uns das Ganze gemeinsam an", meinte Peter dann.
"Gut, ich bin in einer Viertelstunde bei dir."
"Bis gleich", Peter haengte den Hoerer auf die Gabel.

***

"Also los", meinte Peter, schob das erste Band in den Videorecorder und drueckte auf Play. Wieder erschien ein schwarzer Hintergrund, vor dem sich ein heller Text aufbaute.

"(Teil 1 einer zweiteiligen Nachricht; Teil 2 in Besitz von Lindsay Donner)"

Ich bitte Sie um Hilfe.
Sie werden sich fragen, wer ich bin, doch das ist nicht wichtig. Sie kennen mich nicht.
Aus Anonymitaets- und natuerlich aus Sicherheitsgruenden spreche ich nicht persoenlich zu Ihnen, sondern habe diesen Weg der Kommunikation gewaehlt. Ich bitte sie um Verstaendnis.
Was Sie nun lesen werden, sollte vertraulich innerhalb Ihres Teams gehalten werden um unangenehmen Fragen aus dem Weg zu gehen und gewisse Sicherheiten zu wahren.
Es geht um ein Lagerhaus (siehe Band 2), das nur nach aussen hin ungenutzt ist. Im Innern jedoch, verbergen sich Geheimnisse und Wahrheiten, die unbedingt aufgedeckt werden muessen. Das Projekt muss gestoppt werden.

Ende Teil 1"

Peter wechselte die Cassetten aus.
"Was haeltst du davon?", fragte er, nachdem sie sich gemeinsam die Baender angesehen hatten.
"Ich weiss nicht", meinte Lindsay unsicher. "Viel haben wir ja nicht gerade ueber dieses "Projekt" erfahren", gab sie dann zu bedenken.
"Aber warum dann diese Baender, wozu der ganze Aufwand?", warf Peter ein.
Lindsay zuckte mit den Schultern. "Eine Falle?"
"Aber warum?" Peter ueberlegte kurz, schuettelte dann den Kopf. "Unser letzter Fall war ein Schwindel und die anderen waren auch nicht so umwerfend, so dass wir jemandes Plaene durchkreuzt oder ihn auffliegen lassen haetten."
Lindsay nickte.
"Tja", meinte Peter dann, "dann bleibt uns wohl nichts anderes uebrig, als der Sache nachzugehen"
"Ausser vorher Anton einzuweihen... und Matt", bremste Lindsay seinen aufkeimenden Tatendrang, denn wenn er erst einmal loslegen wollte, war er kaum zu stoppen. Dementsprechend sah die Grimasse aus, die er zog.
Lindsay grinste und schuettelte den Kopf. Dann stand sie auf. "Komm‘ Peter, lass uns den anderen Bescheid sagen."
Er seufzte, erhob sich dann aber ebenfalls. Sie hatte ja recht. Sollte es sich doch um eine Falle oder etwas anderweitig Gefaehrliches handeln, waren sie mit zwei Leuten aufgeschmissen.

 

"Und ihr wollt nun, dass wir der Sache nachgehen?", fragte Praeger an Lindsay und Peter gewandt, nachdem er sich die beiden Baender angesehen hatte.
"Ja", gab Peter sofort zurueck und machte sich schon fuer eine der ueblichen verbalen Auseinandersetzungen bereit. Doch er bemerkte Lindsays warnenden Blick und er hielt sich zurueck. Statt dessen griff sie nun ein.
"Matt", begann sie mit ruhiger Stimme, "wenn wirklich etwas in diesem Lagerhaus vorgeht, sollten wir es ueberpruefen. Wer auch immer uns diese Baender zugeschickt hat, verwies auf die Dringlichkeit und bat uns um unsere Hilfe, dieses "Projekt", das er erwaehnte, zu stoppen. So schnell wie moeglich." Sie sah Matt an, doch sein Gesichtsausdruck schien ihr noch nicht zu gefallen, so dass sie fortfuhr. "Wir haben doch im Moment keinen anderen Fall am Laufen, so dass dieses Unternehmen unsere offizielle Arbeit nicht gefaehrden wuerde."´
Praeger legte die Stirn in Falten, sah dann in die Runde. "Und Sie sind auch dafuer, dass wir uns das Ganze mal ansehen?", fragte er an Anton gewandt.
Als dieser nickte seufzte Praeger und erhob sich von seinem Stuhl. "Also gut, versuchen wir etwas herauszubekommen. Weiss jemand etwas ueber das Lagerhaus?"
"Im Industriegebiet stehen einige verlassene Hallen, vielleicht ist es eins von denen", meinte Peter, der nun wieder voll des Eifers war.
"Na, dann fahren wir doch einfach hin und sehen nach", schlug Praeger vor, waehrend er schon auf dem Weg nach draussen war und zu einem ihrer Lieferwagen ging.
Peter machte noch schnell einen Videoausdruck des Lagerhauses, dann eilte er den anderen hinterher.

"Das muss es sein." Lindsay verglich noch einmal den Ausdruck des Lagerhauses mit dem, das sich nun vor ihnen erhob. Ja, es bestand kein Zweifel, alles Stimmte mit dem Foto ueberein. Das Team stand in sicherer Entfernung und beobachtete zunaechst die Umgebung und das Lagerhaus selbst, doch sie konnten nichts Verdaechtiges feststellen.Sicherheitshalber holten sie jedoch das mobile Labor an den Ort des Geschehens um sich wenigstens einiger Geraete bedienen zu koennen.

 

***

 

 

 

"Okay", Praeger wandte sich an sein Team und atmete noch einmal laut aus, "packen wir’s an!" Die anderen nickten zustimmend.Vorsichtig oeffnete Praeger die Tuer der heruntergekommenen Lagerhalle, zu der sie der anonyme Tip gefuehrt hatte. Er spaehte ins Innere. "Hier ist nichts", fluesterte er und ging leise hinein. Lindsay, Peter und Anton folgten ihm. In der Halle war es still und dunkel, nichts regte sich. Praeger gab das Zeichen zum Ausschwaermen und das Team teilte sich. Das Tageslicht, das durch die staubigen, vergilbten Fenster fiel, tauchte die Halle in ein gespenstisches Daemmerlicht. Praeger war froh, dass sie ihre Taschenlampen dabei hatten. "Seit ihr sicher, dass wir hier richtig sind?", fragte Peter ueber Intercom, als er sich vergeblich nach etwas Verdaechtigem umsah. "Es muss richtig Adresse sein", antwortet Lindsay, "ein anderes Lagerhaus gibt es in dieser Gegend nicht, das dem auf dem Foto gleicht." "Es sieht aber nicht so aus, als sei hier kuerzlich jemand gewesen...", gab Peter zurueck. Der Strahl seiner Taschenlampe glitt ueber staubige Tische, Stuehle und Apparaturen, die seit Jahren nicht mehr genutzt worden zu sein schienen und nun dem Rad der Zeit zum Opfer fielen, das sich unweigerlich drehte und stetig seine Spuren hinterliess.
"Vielleicht wurden wir hinters Licht gefuehrt, und irgend jemand lacht sich jetzt da draussen auf unsere Kosten zu Tode", spekulierte Praeger in missmutig.
"Hier sind Fussspuren auf dem Boden", meldete sich Anton ploetzlich, "und die Tische sind frei von Staub."
"Oh, hier auch", bestaetigte Praeger, der nun vor einer Tuer stand, zu der er den Spuren gefolgt war. "Scheint so, als haben sie alles zur Hintertuer rausgeschafft. Vielleicht wussten sie, dass wir kommen."
Das Team kam wieder zusammen und untersuchte den Teil der Lagerhalle, der offensichtlich vor Kurzem noch fuer irgend etwas genutzt worden war.
"Sie haben ganze Arbeit geleistet", meinte Praeger, "es fehlt nur noch der Staub auf den Tischen und dem Boden und wir haetten nichts bemerkt."
"Vielleicht aber doch", bemerkte Peter ploetzlich und hob vorsichtig ein Stueck eines Glasroehrchens auf, das unter einen der Tische gerollt war.
"Ein Reagenzglas?", fragte Lindsay. Peter nickte und reichte es an Anton weiter.
"Ich nehme es sofort mit ins Labor und untersuche es auf Rueckstaende", meinte dieser sofort. "Vielleicht wissen wir dann mehr."
"In Ordnung", Praeger nickte. "Wir suchen weiter. Scheinbar ist an unserem Tip doch etwas Wahres dran. Nur sind wir offensichtlich doch zu spaet gekommen."
Lindsay nickte zustimmend. "Ja, wer weiss, wie lange diese Videobaender schon bei uns in der Post lagen."
"Mein Gott", fluesterte Peter ploetzlich uebers Intercom.
Suchend sahen sich Lindsay und Praeger nach ihm um, doch sie konnten ihn nicht ausfindig machen. Nicht einmal am Strahl seiner Taschenlampe konnten sie sich orientieren, denn diese lag noch immer auf einem der Tische, auf dem er sie zuvor abgelegt hatte, um das Reagenzglas aufzuheben. "Peter, wo bist du?", fragte Lindsay.
Keine Antwort. Das einzige Lebenszeichen, das von Peter zu hoeren war, waren seine schnellen, aufgeregten Atemzuege, die das Intercom uebertrug.
"Er lebt!", fluesterte er ploetzlich mit zitternder Stimme.
Weinte er? Praeger sah verstaendnislos zu Lindsay herueber. Nachdenklich sah er sie an. Dann hob er seine Brauen und legte den Kopf schief. Lindsay reagierte nicht. Nun sah sie durch ihn hindurch, in Gedanken versunken weilte sie an einem anderen Ort zu einer anderen Zeit. "Er lebt" fluesterte es immer wieder in ihrem Kopf, "er lebt" . Konnte das moeglich sein? Ploetzlich weiteten sich ihre Augen. War es moeglich? Konnte das war sein? Glaubte sie wirklich zu wissen, von wem Peter sprach? Oder klammerte sie sich an einen Strohhalm, der nicht einmal vorhanden war?
"Lindsay, er lebt", fluesterte Peter erneut. Wen sonst sollte er meinen, fragte sie sich selbst. Es musste einfach so sein!

"Wo bist du, Peter?", auch Lindsay konnte jetzt nur noch fluestern.
"Wen meint er?", fragte Praeger.
"Ich...", begann Lindsay. Sie wusste nicht genau, wo sie anfangen sollte, doch sie wurde von Anton unterbrochen, der aus dem Labor zurueckgekehrt war.
"Ich habe was gefunden", berichtete er aufgeregt. "Ihr werdet es nicht glauben, ich habe einige Parasiteneier in dem Reagenzglas gefunden." Ohne eine Erwiderung der anderen abzuwarten fuhr er fort. "Es handelt sich um die selbe Art von Eiern, wie damals in Russland..."
"Parasiten? Russland?", Praeger hatte nun endgueltig die Hoffnung aufgegeben noch irgend etwas von dem Geschehen zu begreifen.
Ehe Anton seine Ausfuehrungen beenden konnte, wurde er von Peters Rufen unterbrochen.
"Hierher!", er winkte vom anderen Ende der Halle zu ihnen herueber. Lindsay lief ohne zu zoegern zu ihm . Praeger und Anton folgten langsam. "Was ist los?", fragte Anton. Praeger zuckte nur mit den Schultern. "Ich habe nicht die geringste Ahnung. Peter hat offenbar jemanden gefunden und seit dem sind die beiden wie aus dem Haeuschen..." Er hielt inne, als er bemerkte, dass Anton stehengeblieben war und ihn mit grossen Augen ansah.
"Nun sagen Sie nicht, Sie wissen auch, um wen es hier geht?"
"Ich bin mir nicht sicher", gab Anton nur zurueck und ging dann eilig weiter. Praeger sah auf zur Decke, er seufzte. Dann machte auch er sich daran, zu erfahren, was das alles zu bedeuten hatte.
Lindsay erreichte Peter. Er nahm sie gleich bei den Schultern, seine Augen glitzerten feucht vor Freude. Er konnte nichts sagen. Statt dessen zog er sie mit sich durch die kleine Tuer, die hinter einigen Regalen bisher unbemerkt geblieben war.
Peter blieb in der Tuer stehen und beobachtete Lindsay, wie sie langsam weiterging. Er fuehlte sich grossartig, wie lange nicht mehr. Ein freudiges Laecheln breitete sich auf seinem Gesicht aus. "Mein Gott", fluestert Anton, der inzwischen hinter ihm stand. "Wer ist das?", fragte Praeger, der sie nun auch erreicht hatte.
"Connor?", fluesterte Lindsay leise, als sie sich einer Krankenliege naeherte, auf der ein Mann reglos lag, lediglich an ein provisorisches Sauerstoffgeraet angeschlossen und an einen Tropfer, dessen Beutel leer war. Sie sah, dass sich seine Brust regelmaessig hob und senkte. Traenen standen in ihren Augen. Sie kniete vor der Liege nieder. Ja, es war Connor Doyle, daran bestand kein Zweifel. Zwar waren seine Haare ein wenig laenger geworden und ein Bart war ihm gewachsen, doch sie wuerde sein Gesicht immer wiedererkennen.
Behutsam strich sie ihm die Haare aus der Stirn. Er schien kein Fieber zu haben.
"Connor?", fluesterte sie erneut. "Kannst du mich hoeren? Ich bin es, Lindsay..."
Sie streichelte zaertlich seine Wange und hielt seine Hand, die von alten und frischen Nadeleinstichen gezeichnet war. Was hatte man hier nur mit ihm gemacht? Wie war er hierher gekommen? Und wer steckte hinter all dem? Das waren Fragen, auf die Lindsay sich keine Antwort geben konnte, doch das war ihr momentan egal. Fuer sie zaehlte nur dieser Augenblick, dieser wundervolle Augenblick, der fuer immer in ihr Gedaechtnis eingebrannt bleiben wuerde.
"Connor?" Sie fluesterte ihm etwas ins Ohr, das nur fuer sie beide bestimmt war.
Ploetzlich zuckte seine Hand in der ihren und ein leichtes Grinsen huschte ueber sein Gesicht.
Behutsam entfernte Lindsay die Sauerstoffmaske von seinem Gesicht.
Dann oeffnete er langsam die Augen. Seine Augen. Wie sehr hatte sie diese wunderschoenen blaugrauen Augen vermisst.
Sie sah ihn an, er sah sie an.
Eine Traene rollte ueber ihre Wange. Sanft fing Connor sie mit einem Finger auf. Er laechelte. Er oeffnete kurz den Mund, als wollte er etwas sagen. Lindsay beugte sich ueber ihn.
"Darf ich dich zum Essen einladen, Lindsay? Ich habe eine Menge nachzuholen...".

 

***

 

"Ja, in Ordnung", Elsinger legte den Hoerer auf die Gabel. Laechelnd lehnte er sich in seinem schweren Stuhl zurueck. Es hatte alles zu seiner Zufriedenheit geklappt: die Bergung, die Erhaltung des Parasiten, die Tests und nicht zuletzt der anonyme Tip. Niemand wuerde ihn hinter all dem vermuten und auf diese Weise war es ihm tatsaechlich gelungen, alles zu erreichen, was er wollte. Er hatte den Parasiten und er musste nicht auf einen hervorragenden Teamleader verzichten, denn nun, da Connor Doyle so "ueberraschend" wieder aufgetaucht war, konnte er wieder ins Team reintegriert werden. Wenn doch alle seine Plaene so reibungslos verlaufen wuerden...

 

 

ENDE

 

 

 

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