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Disclaimer:

 

Akte X - Die unheimlichen Fälle des FBI; Dana Kathrine Scully; Fox William Mulder etc. gehören Chris Carter, 1013 Productions und Fox. Mit dieser Geschichte soll kein Copyright verletzt werden.

Genre: stark MSR
FSK: 16


I want to believe


von Stephanie Raatz

 

 

Washington D. C.
J. Edgar Hoover Building
15.04.99 - 17:00

"Gute Nacht, Mulder!" Scully schlüpfte in ihrem Mantel winkte ihrem Partner müde, aber dennoch glücklich zu.

"Sie haben eine Verabredung?" lächelte Mulder ein wenig gequält.

"Woher wissen Sie...?" entgegnete sie erstaunt und stockte in ihrer Bewegung, die Tür zu öffnen.

"Intuition - Sie sind selten so ausgelassen, wenn Sie das Büro verlassen."

Scully hörte den seltsamen Unterton in seiner Stimme und erkannte in seinen Augen einen leicht gequälten Ausdruck. Sie freute sich auf diese Verabredung, andererseits wurde ihr auf einmal klar, daß sie Mulder damit weh tat.

Sie waren nie etwas anderes als Partner und gute Freunde gewesen, dennoch hatte sie tief in ihrem Inneren gespürt, daß sie noch mehr für ihn empfand. Jetzt wußte sie, daß auch er wahrscheinlich diese Gefühle in seinem Inneren verborgen hielt. Jede zarte Geste, die er ihr gegenüber erbracht hatte, jedes sanfte Wort lief vor ihrem inneren Auge ab und brachte ihr die Gewißheit, daß sie mit ihren Vermutungen richtig lag.

"Verraten Sie mir, wer der Glückliche ist?" lächelte Mulder, doch sein Lächeln war nicht echt. Scully löste sich von ihren derzeitigen Gedanken und blickte ihren Partner mitfühlend an.

"Ein ehemaliger Studienkollege. Er rief mich gestern überraschend an. Wir haben uns seit damals nicht mehr gesehen. Ich denke es wird ein sehr netter Abend - Erinnerungen austauschen - herzlich darüber lachen und in Erfahrung bringen, was der andere so in der Zwischenzeit getan hat." Sie lächelte und wurde sich darüber im Klaren, daß sie sich vor Mulder gerechtfertigt hatte.

"Okay, jetzt aber genug der Fragerei! Ich habe Ihnen sowieso schon viel zu viel über mein Date erzählt. Eigentlich geht Sie das ja gar nichts an." Mit einem energischen Blick wandte sie sich wieder der Tür zu und verließ das Büro. Sie traute sich nicht, noch einen Blick zurück zu werfen. Vielleicht hätte sie sonst bei Mulders Anblick ihr Date gar noch abgesagt.

 

"Chez Monique"
20:30

"Dana, Du siehst bezaubernd aus!" Kyle Branigan blickte seine ehemalige Studienkollegin bewundernd an.

"Oh, Kyle, du bist und bleibst ein Schmeichler," lachte Scully ausgelassen, während sie die Speisekarte zuklappte.

"Hey, meine Prinzessin, du warst damals zwar schon attraktiv, aber keine solche Schönheit. Der Beruf scheint sich positiv auf dich auszuwirken."

Scully seufzte. Sie hatte alles an diesem Abend erwartet, aber nicht dieses feine französische Restaurant und diesen attraktiven Mann, der sie mit Komplimenten überhäufte.

"Ich würde eher meinen, meine Arbeit läßt mich langsam alt werden. Ich komme gar nicht mehr dazu mein äußeres Erscheinungsbild richtig zu pflegen," entgegnete sie. Mulder hätte jetzt wahrscheinlich lauthals protestiert - ihre Mundwinkel zuckten amüsiert.

"Und was machst du jetzt so? Bist du in einer Klinik gelandet oder gar bei der Army, wie dein Vater?" Kyle bestellte einen guten Wein, ehe er sich wieder seiner hübschen Tischdame zuwandte.

"Oh, keines von beiden, ich bin beim FBI gelandet. Erst als Ausbilderin in Quantico und jetzt bin ich in einer ... mh... man könnte es Abteilung für spezielle Fälle nennen," umschrieb sie die X-Akten vorsichtig, "und du? Wohin hat es dich verschlagen?" Sie nahm dankend das Glas Wein entgegen, welches der Ober soeben eingeschenkt hatte.

"Ich bin in der Forschung gelandet. Ich weiß nicht, ob dir der Name Biolectrics etwas sagt?" fragend sah er sie an und sie verneinte.

"Nun ja,..." begann er zu erzählen. Scully nippte an ihrem Glas Wein, während sie interessiert seinen Ausführungen folgte.

 

23:40

Als der Klang des Motors abebbte, wurde sie sich erst darüber im Klaren, daß sie wieder zu Hause war. Der Abend war vorbei, es lag ein anstrengender Tag vor ihr und sie war müde, dennoch tat es ihr leid, Kyle Branigan so einfach gehen zu lassen.

"Meinst du, wir könnten uns vielleicht ein weiteres Mal treffen?" ergriff Kyle das Wort und drehte sich in ihre Richtung.

"Sicher," lächelte sie und ließ ihre Hand zum Türgriff wandern.

"Halt!" unterbrach er sie und riß seine Wagentür auf, ehe Scully einen Ton sagen konnte. Wenige Sekunden später öffnete sich ihre Tür und Kyle half ihr galant aus dem Wagen.

"Du überrascht mich immer wieder," platzte sich erstaunt heraus und dachte zurück an den Kyle Branigan, den sie auf der Universität kennengelernt hatte. Schon damals war er gutaussehend gewesen, im Gegensatz zu ihr. Sie hatte den Durchschnittstyp dargestellt, aber sie waren immer gute Freunde gewesen. Sie hatte ihn vergöttert, doch er hatte nur einen Kumpel in ihr gesehen, verrückte Dinge mit ihr angestellt und in der Liebe jede andere Frau ihr vorgezogen. Aber jetzt war er hier...

Er unterbrach ihre Gedanken und fuhr ihr mit der Hand über die Wange, um eine Strähne aus ihrem Gesicht zu entfernen. Sie zuckte leicht unter der Berührung zusammen, ließ sich ihr Erstaunen jedoch nicht anmerken. Er ließ seine Hand zu ihrem Nacken wandern und zog ihr Gesicht dann sanft zu seinem. Scully ließ den sanften, zärtlichen Kuß geschehen, fühlte, wie es in ihrem Inneren zu Kribbeln begann und hoffte mit einem Male, ihn möglichst bald wieder zu sehen.

 

J. Edgar Hoover Building
16.04.1999 - 08:15

Ihr Blick heftete sich vorsichtig auf ihren Partner, der nun schon seit einer Viertelstunde in einer Akte las und ihre Gegenwart scheinbar nicht einmal zur Kenntnis nahm.

Mulder registrierte ihren Blick durchaus und auch ihre Gegenwart. Er war sich dessen sogar zu gut bewußt. Seit sie den Raum betreten hatte, brannten ihm diverse Fragen auf der Zunge, die er sich merkwürdigerweise jedoch nicht traute zu stellen. Eigentlich ging ihn Scullys Privatleben nichts an, dennoch verspürte er einen Stich, daß er nun doch ausgeschlossen wurde. Es war etwas, wovor er sich stetig gefürchtet und gehofft hatte, es würde nie soweit kommen. Auch wenn er damit ungerecht ihr gegenüber war. Also starrte er weiterhin stur auf den Buchstabensalat vor seinen Augen, auf den er sich doch nicht konzentrieren konnte und versuchte weiter den Ignoranten zu spielen.

"Mulder?"

"Mh?" brummte er, traute sich aber nicht von der Akte aufzusehen.

"Wollen Sie mich gar nicht ausfragen?" Ihre Verwirrung über das eben Gesagte, stand ihr ins Gesicht geschrieben. Sie hatte wohl selbst nicht erwartet, so etwas zu sagen.

"Bitte?" erstaunt hob er nun doch den Kopf und blickte in ihr Gesicht. In ihren Augen sah er eine gewisse Unruhe, als ob es sie stören würde, daß er sich nicht um sie kümmerte. Er war verwirrt, doch als er sich noch einmal vergewissern wollte, daß er richtig gesehen hatte, war der Ausdruck in ihren Augen verschwunden. Es war, als hätte sich ein Schleier über ihre Augen gelegt und jegliche Gemütsregung verbannt. Vielleicht hatte er es sich auch nur eingebildet - Wunschdenken sozusagen.

"Es war sehr nett," sprudelte es aus ihr heraus, aber eigentlich meinte sie: er war ganz nett. Scully wußte wirklich nicht warum sie Rücksicht auf ihren Partner nahm, warum sie ihm aber andererseits die ganze Geschichte aufdrängen wollte. Interessierte er sich denn plötzlich gar nicht mehr für sie?

"Schön." Er antwortete knapp und kurz angebunden, mußte jedoch insgeheim einen Fluch unterdrücken. Ihm war sehr deutlich bewußt, daß sie nicht nur den Abend mit nett betitelte.

"Ich werde mich heute wieder mit ihm treffen!" platzte es aus ihr heraus. Eigentlich hatte sie das nicht erzählen wollen, aber es war einfach so herausgekommen. Betroffen beobachtete sie Mulders Reaktion.

"Viel Spaß!" entgegnete er und hatte seinen Blick wieder auf seine Akte gerichtet, um nicht zuviel von seinen Gefühlen preiszugeben. Dennoch Scully hörte zwar die leichthin gesagten Worte, konnte aber seinen verkniffenen Mund und seine zu Fäusten geballten Hände sehen. Ein leises Triumphgefühl stieg in ihr auf. Sicherlich wollte sie ihn nicht wirklich verletzen, aber daß sie ihm nicht gleichgültig war, egal, wie gut er sich verstellte, ließ ihr Herz einen kleinen Hüpfer machen.

 

Scullys Apartment
20:12

Kyle war ein wundervoller Mensch und während sie auf ihn wartete, konnte sie dennoch nicht umhin, an ihren Partner zu denken. Sie hatte keine Ahnung, warum sie ihn am Vormittag so aufs Äußerste gereizt hatte. Hatte sie erwartet, daß er sie davon abhalten würde mit Kyle auszugehen? War er ihr etwa viel wichtiger als sie zugeben wollte? War sie ihm viel wichtiger als er zugeben wollte?

Sie schüttelte den Kopf, um ihre wirren Gedanken los zu werden und musterte sich im Spiegel. Wieso hatte sie heute abend so viel Wert darauf gelegt, daß sie umwerfend aussah? Was hatte sie dazu animiert, sich ein teures und verführerisches Kleid zu kaufen? Sie schluckte. Wollte sie vielleicht gar nicht mit Kyle ausgehen und sich damit nur etwas beweisen? Fragen über Fragen, die sie ständig verfolgten und quälten.

Sie kam nicht mehr dazu, weiter darüber nachzudenken. Kyle Branigan kündigte sich mit einem Klingeln an und verscheuchte vorerst den Rest aller Selbstzweifel.

 

23:25

Es war ein sehr schöner Abend gewesen und Scully genoß die Gegenwart von Kyle in jeglicher Hinsicht. Als er sie vor der Tür absetzte, fragte sie sich, ob er wohl bereit wäre, noch mit zu ihr hinaufzukommen. Ein Lächeln auf ihre anschließend vorsichtig gestellte Frage erübrigte jeden weiteren Gedanken.

Sie schloß ihre Tür auf und deutete ihrer Begleitung an, sich auf der Couch niederzulassen, während sie zwei Gläser und etwas Alkoholisches holte. Sie sah wie ihre Hände zitterten, als sie die Schranktür wieder schloß, nachdem sie eine Flasche Wein hervorgeholt hatte. War es Angst, Aufregung oder eher die Erwartung auf das, was noch an diesem Abend geschehen würde? Kurz blitzte Mulder in ihren Gedanken auf, doch sie ignorierte es gekonnt und ließ sich ihre Angespanntheit nicht anmerken, als sie mit der Flasche Wein auf Kyle zusteuerte.

"Mh. Ich wußte schon immer, daß du einen vorzüglichen Geschmack hast," lächelte er ihr zu und nahm ihr die Flasche Château Brio aus der Hand.

"Ein vorzüglicher Jahrgang," lächelte er verschwörerisch und zog sie zu sich hinab in seine Arme, "wie du meine Liebste." Sie spürte seine weichen Lippen auf ihren, den süßen Beigeschmack, das sanfte Kribbeln in ihrer Magengegend und die innerliche Aufregung, die sie erfaßte.

"Scully!" ertönte plötzlich eine vertraute Stimme.

Sie schreckte aus Kyles Armen auf und starrte die Tür an, an der ein lautes Klopfen begonnen hatte. Was zum Teufel...? Sie erkannte die Stimme, aber wollte es nicht wahr haben. Mit eisigem Blick betrachtete sie ihren Partner, als sie die Tür schließlich widerwillig öffnete.

"Mulder, was?" zischte sie ein wenig heftiger als sie vorgehabt hatte, als sie seinen taxierenden Blick auf Kyle spürte.

"Ich störe nur ungern, aber wir müssen zu Skinner," begann er, konnte jedoch nicht umhin, weiterhin ihren Begleiter zu beobachten.

Scully wußte, daß das nicht der Wahrheit entsprach. Mulder hatte den Anlaß ganz gewiß gern ausgenutzt, um sie zu stören. Und diese Tatsache brachte Scully in Rage.

"Nun gut, dann werde ich mal gehen." Kyle richtete sich von der Couch auf und strich sein Jackett glatt, während er Mulders stetigem Blick aus dem Weg zu gehen versuchte.

"Aber unser Abend..." setzte sie an, wußte jedoch, daß sie nichts mehr bewirken konnte. Mulders Erscheinen hatte die Stimmung ruiniert und nicht nur sie aus der Fassung gebracht.

"Gute Nacht, mein Liebling!" Er küßte sie sanft und eilte dann aus ihrem Apartment.

Mulder betrachtete die Szenerie ein wenig befremdet, ließ sich seine aufgestaute Wut, von der er nicht wußte, woher sie kam, jedoch nicht anmerken.

"Was fällt Ihnen ein, Mulder!" fuhr sie ihn unerwartet an und erkannte an seinem erschrockenen Gesicht, daß ihre Worte ihre Wirkung nicht verfehlt hatten.

"Hey, Partner, ich habe von Skinner den Auftrag, Sie abzuholen und ins Büro zu bringen, lassen Sie Ihre Wut an jemandem anderen aus!" zischte er aggressiv zurück und beobachtete nun seinerseits ihre entsetzte Reaktion auf seinen unwirschen Ton.

Irgendwas stimmte hier gewaltig nicht, ging es Mulder durch den Kopf. Er hatte sich nicht mehr unter Kontrolle seit Scully mit diesem Kyle Branigan ausging. Er wußte, er hatte kein Recht dazu, sich in ihr Leben einzumischen, dennoch hatte er bisher immer das Gefühl gehabt, ein Teil davon zu sein, was sie hier und nun deutlich zu widerlegen versuchte.

Er betrachtete sie genauer und mußte feststellen, daß sie nie besser ausgesehen hatte, selbst jetzt, wo sie so wütend war. Mulder fiel es schwer, seine Gedanken auf etwas anderes zu konzentrieren als seine Partnerin.

 

01:47

Scully spürte eine furchtbare Unruhe in sich seit Mulder bei ihr aufgetaucht war. Sie hatte sich auch nicht gelegt, als sie bei Skinner im Büro gesessen und ihren neuen Fall zugewiesen bekommen hatten, der laut Skinner höchste Dringlichkeitsstufe belegte. Ihr war es egal gewesen, daß sie nachts in Skinners Büro saß und über einen Fall sprach, es war ihr egal gewesen, daß sie deshalb Kyle hatte fortgehen lassen, es war ihr egal gewesen, daß der angesprochene Fall dringend war, aber es war ihr durchaus nicht egal gewesen, daß sie sich momentan nur mit ihrem Partner in den Haaren lag.

Sie zog ihr Kleid zurecht, während sie aus dem Wagen stieg und die Stufen zu ihrem Apartment erklomm. Mulder begleitete sie bis zur Tür. Sie war sich der Hitze und des Schweigens zwischen ihnen bewußt und konnte sich nur schwer zurückhalten, Mulder ein weiteres Mal anzufahren, nur um eine Reaktion von ihm zu erhalten.

Warum empfand sie nur so in seiner Nähe? Warum gab es da diesen Drang ihm wehzutun, ihn abgrundtief zu verachten und andererseits dieses Lechzen nach seiner Aufmerksamkeit? Wurde sie wahnsinnig? Nein, entschied sie, sie spürte, wie Mulder seine Gefühle ebensowenig unter Kontrolle halten konnte wie sie, also konnte sie nicht wahnsinnig sein. Wenn, dann waren sie es beide.

"Gute Nacht, Mulder!" Ihre Stimme klang eisig, als sie die Tür aufschloß und ihr Apartment betrat. Sie würdigte ihn nicht einmal mehr eines Blickes.

"Gute Nacht, Scully!" brummte er mit einer ebenso unergründlichen Stimme, machte aber keine Anstalten, ihr Apartment zu verlassen, welches er kurz nach ihr betreten hatte.

Sie wandte sich schließlich doch zu ihm um und spürte im gleichen Augenblick seine brennenden Lippen auf ihren. Kleine Explosionen tobten in ihrem Inneren sowie ein nie gekanntes Gefühl von Besessenheit und so schlang sie ihre Arme um seinen Nacken, um sich noch näher an ihn heranzuziehen. Mulders Finger glitten durch ihr Haar und über ihren Nacken, liebkosten ihre Arme und ihre Hüften, während sie glaubte, in der Glut ihrer Leidenschaft zu vergehen.

Seine Zunge suchte ihren Weg zu ihrer und verschlang sich mit ihrer zu einem leidenschaftlichen Knäuel aus tausend Emotionen. Ohne jeden Widerstand gab sie nach und ließ sich zur Couch drängen. Sie ließen sich beide fallen und setzten ihr leidenschaftliches Spiel fort.

Scully spürte den süßen Schmerz in ihrem Inneren, der nach Befriedigung schrie und ihr die Kontrolle über jede Emotion entzog. Ihr Verstand setzte aus, während er ihren Hals mit zarten Küssen bedeckte und seine Hand über ihre Oberschenkel gleiten ließ. Sie spürte seine Erregung und wollte plötzlich mehr. Sie wollte ihn spüren, in sich aufnehmen und ihre Leidenschaft mit ihm teilen.

Dann plötzlich wurde ihr kalt. Der Nebel vor ihrem Verstand begann sich zu lichten und sie registrierte, daß er abrupt von ihr abgelassen hatte. Verwirrt setzte sie sich auf und starrte auf seinen Rücken.

"Tut mir leid." Seine Stimme hatte einen eisigen Klang, obwohl er nicht so empfand und auch nicht diesen harten Ton hatte anschneiden wollen. Doch zu tief war seine Verwirrung über das eben Geschehene. Er kehrte ihr den Rücken zu, weil er nicht wollte, daß sie sah, welch ein Kampf in seinem Inneren tobte, mochte sich aber genauso wenig von ihr entfernen.

"Mir auch!" zischte sie gekränkt und erbost. Sie hatte sich gehen lassen, hatte ihre Emotionen nicht mehr kontrolliert und war auf eine eisige Wand gestoßen. Das Chaos in ihrem Inneren hätte nicht größer sein können. Warum hatte er sie geküßt, sie leidenschaftlich berührt und wies sie nun so kalt ab?

Als er sich zu ihr umdrehte, wirkten seine Augen undurchdringlich. Scully hatte das Bedürfnis, ihm eine Haarsträhne aus dem Gesicht zu streichen, hielt sich jedoch angesichts seiner steifen Haltung zurück. Was war nur geschehen?

Mulder spürte das verzweifelte Aufbäumen seiner Gefühle in seinem Inneren, während er sie betrachtete. Ihre leicht geschwollenen Lippen, die er soeben noch mit leidenschaftlichen Küssen bedeckt hatte, das leichte Zittern, welches ihren Körper noch immer im Griff zu haben schien und die Sinnlichkeit, die ihr Körper versprach, schienen ihn schier wahnsinnig werden zu lassen, dennoch baute er eine hohe Mauer vor seinen Gefühlen auf.

Scully sah das Auflodern von Leidenschaft in seinen Augen ehe er sich wieder völlig vor ihr verschloß. Was sollte sie nur glauben? Sie spürte, daß ihre Augen feucht wurden. Nein, sie durfte sich in dieser Situation keine Blöße vor ihm geben, nicht wenn sie nicht verstand, was hier vorging. Sie drehte sich kurz weg und als sie ihn wieder anblickte, hatte sich auch auf ihre Augen der Schleier des Undurchdringbaren gelegt.

"Bitte gehen Sie, Mulder!" brachte sie mühsam, wenngleich mit einer äußerlich sehr ruhigen Stimme hervor. Wäre sie nicht faßt an ihren eigenen Gefühlen erstickt, hätte sie selbst an ihrer Stimme vermutet, es wäre ihr gleichgültig, was soeben geschehen war. Sie drehte den Kopf beiseite, damit er nicht die Wahrheit aus ihren Gesichtszügen lesen konnte.

Kurz darauf hörte sie ihre Wohnungstür ins Schloß fallen. Mulder war gegangen.

 

Washington D. C.
J. Edgar Hoover Building
17.04.99 - 10:24

Mulder lief seit geschlagenen eineinhalb Stunden unentwegt in seinem Büro auf und ab. Scully war nach dem vorigen Abend noch immer nicht zur Arbeit erschienen und er machte sich nicht nur Sorgen, sondern kämpfte den ganzen Vormittag bereits mit seinem schlechten Gewissen.

Wie hatte er sich nur dazu hinreißen lassen, sie zu küssen, zu liebkosen und zu berühren? Seufzend und mit erneut erwachter Leidenschaft dachte er an den Moment ihrer Zweisamkeit zurück. Wie kam es nur, daß er sie auf einmal so begehrte? Und warum konnte er ihr diese Gefühle nicht zeigen?

Er dachte an den Ausdruck in ihren Augen. Dieses Aufblitzen von Leidenschaft, Angst oder Verwirrung. Machte sie das gleiche durch wie er? Versteckte sie sich genau so hinter einer Maske oder war ihre Gleichgültigkeit reell? Er preßte seine Hände gegen seine Schläfen und versuchte klar zu denken.

"Mulder?"

Er vernahm Skinners Stimme hinter sich und versuchte seine Gedanken zu sammeln. Es mußte nun wirklich nicht sein, daß Skinner mitbekam, was in ihm vorging.

"Es geht um Scully!" setzte sein Vorgesetzter ein weiteres Mal an und reagierte nicht einmal erstaunt, als Mulder aufgrund ihres Namens sekundenschnell zu ihm herumwirbelte.

"Was ist mit Scully?" drängte Mulder und kam sich dabei vor wie ein kleines Kind, das sein Spielzeug vermißt. Welch wahnsinnig toller Vergleich, schoß es ihm durch den Kopf.

 "Agent Scully hat sich kurzfristig eine Woche Urlaub genommen..." Skinner kam nicht weiter, Mulder hatte bereits seine Jacke vom Stuhl gezogen und sprintete an seinem Vorgesetzten vorbei.

 

Scullys Apartment
11:05

Er stand bereits vor Scullys Tür, als ihm ins Bewußtsein drang, daß er gar nicht wußte, wie er sich verhalten sollte und warum er so urplötzlich wie ein Wahnsinniger zu ihr gefahren war.

"Da mußt du jetzt durch, Junge!" gab er sich selbst einen Ruck und stoppte seine Hand doch wenige Zentimeter vor der Tür. Langsam ließ er sie wieder sinken und starrte das Holz an. Was wollte er ihr sagen? Hey, Scully, ich weiß auch nicht warum ich hier bin, aber ich konnte nicht anders - oder - Verzeih mir, ich liebe dich? Mulder trat einen Schritt von der Tür zurück. Liebte er sie? War es das, was ihn rasend machte, wenn er sie mit einem anderen sah, wenn sie sich von ihm abschottete? Konnte er deshalb nicht anders, als hier stehen und sich fragen, warum er diese merkwürdigen Dinge tat?

Er hatte sich gerade wieder dazu überwunden an die Tür zu klopfen, als er hinter sich eine bekannte Stimme vernahm: "Agent Mulder, wollen Sie auch gerade zu Dana?"

Mulder blickte Kyle Branigan gleichgültig an, dennoch hatte dieser das wütende Aufblitzen in seinen Augen gesehen, als er Dana erwähnt hatte.

"Nein, ich wollte gerade gehen." Er machte auf dem Absatz kehrt und fühlte diese unbändige Wut wieder in sich aufkeimen. Sie hatte sich Urlaub genommen wegen Kyle Branigan. Nicht wegen ihm und ihrem Gefühlsausbruch. Nein, wegen Kyle Branigan. Wie konnte er nur darüber nachgedacht haben, daß er sie vielleicht lieben würde?

 

"Kyle!" Scully ließ sich überrascht von Kyle auf die Wange küssen und riskierte einen vorsichtigen Blick hinter ihn. Hatte sie nicht eben noch zwei Stimmen vernommen, als sie zur Tür geeilt war?

"Hallo mein Schatz! Ich habe gerade deinen Partner auf der Treppe getroffen, hattet ihr wieder viel zu tun?" fragte Kyle beiläufig und begab sich zu ihrer Couch.

Scully stand reichlich verdattert im Raum. Mulder war eben hier gewesen?

"Nein, er war nicht hier..." murmelte sie und setzte sich neben Kyle, der sogleich ihren Hals mit Küssen übersäte, doch eigenartiger Weise registrierte sie es kaum. Ihre Gedanken waren bei Mulder. Als sie sich wieder auf ihren Sitznachbarn konzentrierte, stellte sie fest, daß sie nichts bei seinen Berührungen empfand. War sie so auf Mulder fixiert, daß sie nicht einmal mehr das sanfte Kribbeln verspürte, wenn Kyle sie berührte? Hatte der vorangegangene Abend ihr Leben so verändert?

Sie richtete sich auf und wies Kyle so freundlich es ging ab. Sie war sich bewußt, was er denken mußte und sie verübelte ihm seine böse Miene noch nicht einmal, als er ein wütendes "Mulder!" zischte und ihre Wohnung verließ.

Vielleicht erkannte er die Wahrheit eher als sie. Scully fühlte sich auf einmal erbärmlich.

Mulder hatte vor ihrer Tür gestanden, vielleicht hatte er sich mit ihr aussprechen wollen und da war Kyle aufgetaucht. Was mußte er jetzt nur von ihr denken? Gestern noch hatte sie seine Küsse leidenschaftlich erwidert, nun traf sie sich bereits wieder mit Kyle. Gab es da eigentlich noch irgendwas zu retten?

Scully, was willst du denn retten? Du bist dir ja noch gar nicht darüber im Klaren, was dich dazu gebracht hat, so zu handeln! Eine Stimme in ihrem Inneren begann sie zu tadeln. Ja, was wollte sie eigentlich retten? Warum wollte sie etwas retten, von dem sie nicht einmal wußte, was es war?

 

Es war einige Zeit vergangen und immer noch war sie unschlüssig, wie sie sich verhalten sollte. Du mußt mit ihm reden! drängte eine Stimme in ihrem Inneren. Ja, sie mußte mit ihm reden - sogar sehr dringend. Sie griff nach dem Telefonhörer und wählte instinktiv Mulders Handy-Nummer. Wie oft hatte sie das schon getan und wie oft hatten sie sich zu den unmöglichsten Zeiten geweckt, doch dieses Mal zitterte ihre Hand.

Am anderen Ende der Leitung klickte es: "Mulder."

"Ich bin's Scully." Es hatte sie starke Überwindung gekostet, überhaupt etwas zu sagen und gerade deshalb, wußte sie nun nicht mehr weiter.

Schweigen am anderen Ende der Leitung.

Scully atmete tief durch: "Wir müssen reden."

"Müssen wir?" kam die trockene Antwort zurück.

Scully schluckte. Sie hatte es sich nicht einfach vorgestellt, dennoch auch nicht so schwer. Er schien gekränkt. Hatte ihn Kyles Anwesenheit so tief getroffen? Was dachte er gerade?

"Ja, müssen wir!" entgegnete sie ebenso trocken, auch wenn ihr anders zumute war.

Wieder Schweigen am anderen Ende der Leitung.

"Mulder?" Ihre Stimme klang zaghaft und gebrochen.

"Mh?" Er hatte den Bruch in ihrer Stimme wahrgenommen und war sich seiner eigenen Gefühle nun nicht mehr sicher. War er zu hart zu ihr? Er mußte ihr eine Chance geben, oder?

Sein Blick fiel auf das übergroße Poster an seiner Wand "I want to believe" - wie sehr wollte er glauben, daß sie für ihn ebenso empfand.

"Mulder?"

Diesmal vernahm er ein leises Schluchzen. Sein Herz schien zu zerspringen. Warum nur? Warum nur empfand er so?

"Scully? Ich bin gleich bei Ihnen!" Seine Stimme drohte ebenfalls zu brechen, doch er hatte sich gerade noch unter Kontrolle.

Während er sich seine Jacke griff und wiedermal über den Korridor des J. Edgar Hoover Gebäudes eilte, ließ er ihre Partnerschaft vor seinem inneren Auge Revue passieren. Sie war immer zu ihm gekommen, hatte sie Probleme und Sorgen gehabt, hatte ihn gepflegt und jederzeit gedeckt, auch wenn ihre eigene Karriere dabei auf dem Spiel gestanden hatte. Es war weit über eine berufliche Partnerschaft hinaus gegangen. Vielleicht hatte es so kommen müssen? Sie war der einzige Mensch, dem er vollends vertraute, ihr legte er sein Leben in die Hände, ohne sie schien nichts wirklich zu sein. Doch was würde die jetzige Entwicklung bringen? Waren sie schon bereit dieses Risiko einzugehen?

Von welchem Risiko sprach er eigentlich? Er wußte doch noch nicht einmal, was sie für ihn empfand. Und liebe er sie überhaupt wirklich?

"Ich werde noch wahnsinnig!" schimpfte er laut vor sich hin, während er das Gaspedal von seinem Wagen durchtrat und einen Kavalierstart hinlegte.

 

Scully's Apartment
13:34

Sie hatte das Gefühl innerlich vor Spannung zu zerreißen. Was sollte sie ihm sagen? Nichts empfand sie in diesem Moment schwieriger, als ihre Gedanken zu klären. Aber sie brauchte einen klaren Kopf, um mit ihm zu sprechen.

Es klingelte. Scully wußte, es war Mulder.

Zögernd schritt sie auf die Tür zu, gepackt von dem Drang, sie aufzureißen und ihm um den Hals zu fallen. Sie riß sich zusammen und wunderte sich insgeheim wiedermal über ihre eigenen Gefühle. Was war nur los mit ihr?

"Hallo Scully..."

Sein Blick war fragend. Er wußte nicht, ob er reinkommen sollte oder ob es für ihn besser war, zu gehen.

"Komm rein!" forderte sie ihn mit einer Geste auf, versteckte ihre Hand jedoch sehr schnell, als sie registrierte, wie sie selbst zitterte.

Er wanderte zu ihrer Couch und setzte sich. Erwartungsvoll sah er sie an.

Sie wollten reden, dennoch, keiner von ihnen brachte ein Wort hervor. Schließlich stand Mulder wieder auf und schritt nervös vor ihr auf und ab, während sie betreten den Boden anstarrte.

Meine Güte, das ist doch sonst nicht meine Art! dröhnte es in ihrem Kopf und sie richtete ihren Blick wie magisch angezogen auf ihren Partner.

"Scully..." begann er und wurde sich ihres Blickes bewußt.

Stille.

Sie legte ihren Kopf schief und blickte ihm tief in die Augen. Wie hatte sie nur jemals wegsehen können? Wie hatte sie seine schönen Augen nicht sehen können?

"Mulder..." lächelte sie schwach.

Es war ein Versuch, ein stiller Versuch dessen mächtig zu werden, was in ihrem Inneren vorging. Sie hatte in seine Augen gesehen und ein tiefes Gefühl von Wärme verspürt, aber da war noch mehr - viel mehr! Sie spürte, wie es ihr Herz umfing und sie nicht mehr loslassen wollte. Konnte das wirklich wahr sein?

Sie spürte seinen intensiven Blick, sein gequältes Lächeln. Seine zuckenden Mundwinkel und die Wärme, die von seinem Körper ausging. Mein Gott, sie war süchtig nach diesem Mann, sie brauchte ihn, wie die Luft zum Atmen. Wie hatte sie nur so lange ohne ihn sein können.

Sie lächelte intensiver. Sie hatte ja nie ohne ihn sein müssen, wenngleich auch nie richtig mit ihm. Nicht in dem Sinne, wie ihre Gefühle es ihr jetzt verrieten.

Mulder lächelte zurück. Sein Lächeln wurde auch intensiver. Er spürte die knisternde Leidenschaft, die zwischen ihnen zu entbrennen drohte und fühlte sich eigenartiger Weise sehr erleichtert.

Ohne miteinander geredet zu haben, zog Mulder sie an sich und preßte seine glühenden Lippen auf ihren weichen Mund.

Scully erwiderte den Kuß und schlang instinktiv ihre Arme um seinen Hals. Das Gefühl zu vergehen wurde immer stärker. Sie spürte seine Hände wieder über ihren Körper gleiten und erstarrte innerlich - würde es wieder mit dem gleichen Desaster enden?

"Mulder..." Sie drückte ihn sanft von sich und sah ihn fragend an. Was wollte sie ihn fragen? Ob er sie wieder stehenließ?

"Shh...," er deutete an, daß sie sich beruhigen sollte und legte ihr sanft einen Finger auf die halb geöffneten Lippen.

Sie wollte protestieren, doch er küßte sie wieder. Dieses Mal jedoch war der Kuß von einer unbeschreiblichen Zärtlichkeit, daß ihr das Herz zu zerspringen drohte. "Ich liebe dich," hörte sie ihn raunen, bevor seine Lippen schon wieder die ihren berührten. Ein Schauer lief ihren Rücken hinab. Hatte sie wirklich richtig gehört?

Als ob er ihre Gedanken hätte lesen können, ließ er von ihr ab und blickte ihr tief in die Augen: "Dana, ich liebe dich! Ich liebe dich! Ich liebe dich!" Er lachte und wiederholte es immer wieder.

Sie sah ihn strahlend an, dennoch war sie außerordentlich verwirrt.

"Oh, mein Gott, ich überfalle dich und weiß noch nicht einmal, ob dir das alles überhaupt recht ist, ob du meine Gegenwart überhaupt ertragen möchtest..." setzte er mit einem Schwall von Worten an. Verblüfft registrierte sie seine Rettungsversuche. Dann zog sie unerwartet sein Gesicht zu ihrem herab und küßte ihn leidenschaftlich.

"Ich liebe dich auch!" flüsterte sie in seine Augen blickend und zog ihn dann ein weiteres Mal zu sich herab, um ihn zu küssen.

Ein strahlendes Lächeln machte sich auf seinem Gesicht breit, als er sie in die Höhe hob und sich mit ihr im Kreis drehte. Was sollte es? Sie würden alles schaffen - da war er sich ganz sicher. Sie würden die Arbeit in den Griff bekommen, die Welt retten, sich selbst lieben und glauben - ja, ganz fest glauben - glauben an alles Schöne dieser Welt!

 

Ende