Sturz Aus Asgard
von Roxanne
Teil II

 

 

VI.
Verspielt

 

3 Monate später

Es gab nicht viel Schnee in diesem Winter. Die dunkelste Zeit des Jahres rückte näher und alle warteten vergeblich auf die weiße Decke, die die braune nasse Erde verhüllen sollte. Dafür tobten die Stürme fast ununterbrochen, die Brecher des Atlantik nagten an der Küste und rissen große Teile des Ufers hinaus ins Meer. Die Menschen gingen nur nach draußen, wenn es sich nicht vermeiden ließ. Die nasse Kälte durchdrang mühelos die Kleidung und wollte auch am Feuer nicht so recht aus den Knochen weichen.

Methos und Jeoffrey mußten sich bei ihren Waffenübungen auf die Halle beschränken. Die beiden hatten den Lebensrythmus des Vorpostens wieder übernommen und teilten ihre Zeit zwischen intensiven Gesprächen, ihrem Training und den täglich anfallenden Geschäften. Seit ihrer Rückkehr gab es ein zweites Bett im Turmzimmer. Methos wollte Jeoffrey unter Kontrolle haben, besonders in der Nacht, wenn die Gedanken schwerer und dunkler waren als am Tag. Und nachts, in der Zeit vor dem Einschlafen, in der Dunkelheit, wurden manche Fragen leichter ausgesprochen als im Licht des Tages. Und manche Antworten leichter gegeben.

Methos hatte inzwischen erreicht, daß Jeoffrey sich damit abzufinden begann, niemals zu den Unsterblichen zu gehören. Damit, daß seine begrenzte Zeit ihm so viele Möglichkeiten verwehrte. Aber es fiel ihm verdammt schwer. Ein großer Teil seiner mühsam wiedergefundenen Leichtigkeit und Fröhlichkeit war verschwunden. Immer wieder hatte er Methos gedrängt, ihm von seinen Erlebnissen zu erzählen, als ob er sie so zu den Seinen machen könnte. Auf einmal war er sich dessen bewußt, daß jeder Tag, jedes Jahr sein letztes sein konnte.

Der alte Unsterbliche war in der letzten Zeit noch schlanker geworden, die scharfgeschnittenen Züge noch deutlicher ausgeprägt. Nein, hungern mußten sie nicht. Daran konnte es nicht liegen. Der Hunger kam meist erst gegen Ende des Winters, wenn die Vorräte der letzten Ernte verbraucht waren …

Er war häufig schlecht gelaunt, das Bier schmeckte ihm nicht und Dinge, die ihm bisher Freude bereitet hatten, gingen ihm schlicht und einfach auf die Nerven. Wie die endlosen Fragen seines Freundes. Nicht einmal die Beschäftigung mit seinen Tagebucheintragungen lenkte ihn ab. Er rang noch immer mit sich. Jeoffrey wollte weg. Vielleicht wäre es das Beste, mit ihm auf Reisen zu gehen. Oder sollte er bleiben, auf die Gefahr hin, daß mit Beginn des guten Wetters die Dänen hier auftauchen würden, um sich gründlich zu rächen? Er hörte sie wieder sagen:" Auch wenn Du noch aufrecht stehst, Du bist tot, Du weißt es nur noch nicht." Die Erinnerung ließ sich nicht zur Seite schieben, er sah immer wieder ihr Gesicht vor sich, gehetzt, verzweifelt, fassungslos und sehr oft stolz und beherrscht. Wie unangenehm, daß die meisten dieser Sterblichen nie soviel Weisheit erlangten, um zu erkennen, daß Rache nichts besser oder gar ungeschehen machte. Und das man sich nicht mal besser fühlte hinterher. Meistens nicht; dachte er sarkastisch, aber manchmal - schon! Methos bereute, daß er sie hatte davonreiten lassen. Wenn er nur damals die Sache zuende gebracht hätte!.

 

Sigrun war zu dem Schluß gekommen, daß keine Heimkehr möglich war. Nicht als daß, was sie jetzt war. Wie sollte sie ihr Wesen erklären? Nicht einer würde ihr glauben, sie könnten es einfach nicht. Jede Heimkehr hätte sich auf eine Lüge gegründet. Und heute oder morgen wäre diese Lüge offenbar geworden. Beim nächsten Raubzug, beim nächsten Herausforderer. Dann war es besser, wenn sie als Tochter und Gesandte der Götter in der Erinnerung ihrer Sippe lebte. Viel besser, als ausgestoßen zu werden oder gefürchtet und verflucht als Wiedergänger.

Viel besser! Aber warum fühlte sie sich dann so elend, so zum Sterben traurig?
Wenigstens die Nähe des Meeres wollte sie nicht aufgeben. An einem zerklüfteten felsigen Küstenstück gab es einige Höhlen. Kalt, feucht, aber ziemlich sicher vor ungebetenen Besuchern.

Sie sammelte Treibholz und stapelte es .Was sie sonst zum Überleben brauchte, suchte sie auf den Feldern oder stahl es in den umliegenden Dörfern. Fische gab es genug und ab und zu gelang es ihr, einen Hasen oder anderes kleines Wild zu erlegen. Das Wetter wurde rauher, der trockene Herbstanfang war bald vorbei und wurde von ständigem Regen und Sturm abgelöst. Für Sigrun kam das nicht ungelegen. Es passte zu ihrem Seelenzustand. Außerdem waren dann weniger Menschen unterwegs, denen sie hätte auffallen können.
Die Tage wurden immer kürzer. Die Dunkelheit nahm zu, um sie herum genauso wie in ihrem Inneren. In ihren Träumen fand sie sich oft in dem runden Zimmer wieder, sah in kalte braune Augen und fühlte die Eisenmanschetten um ihre Handgelenke. Sie empfand dieselbe Hilflosigkeit und Verzweiflung wie damals im Griff der brutalen Hände. Oder aber, genauso schlimm, sah die Gesichter der Frauen, über die ihre Krieger hergefallen waren. Hörte wieder das Prasseln der Flammen und die Schreie. Ich hätte es verhindern müssen. Wie konnte ich das zulassen?

Dann wachte sie auf, mit rasendem Herzschlag , still, aber ihr Gesicht war nass.. Und sie wußte nicht, wie sie weiterleben sollte, ohne verrückt zu werden. Eigentlich wollte sie nicht weiterleben.

Die zwei Freunde hatten an diesem Abend lange geredet und viel getrunken. Irgendwie hatte das Bier heute seltsam geschmeckt, vielleicht lagerte es einfach schon zu lange .Als Methos mitten in der Nacht benommen aufwachte, hatte er das Gefühl, gerade erst eingeschlafen zu sein.. Er schreckte hoch und wußte nicht, was ihn so plötzlich aus dem Schlaf gerissen hatte. Als er es wußte, war es zu spät.Diese Gefühl war so unangenehm wie vertraut. Die eiskalte und sicher gut geschärfte Schneide eines Schwertes lag an seinem Hals und drückte ihn unwiderstehlich auf das Kissen zurück.Er konnte nichts sehen außer einem Schatten, der halb auf dem Bett kniete. Die Fackeln an der Wand waren längst gelöscht und nur ein schwacher Schein drang vom Kamin her, wo die Holzreste glühten.

"In Ordnung. Ich habe verstanden. Aber hättest Du mich nicht am Tage und offen fordern können? "

Leises Lachen, das überhaupt nicht fröhlich klang.

"Wenn ich mit Dir kämpfen wollte, hätte ich das getan. Aber ich will Dich ja nur töten. Das reicht mir völlig."

Er konnte fühlen, wie ihm das Blut aus dem Gesicht wich. Hände und Füße waren auf einmal so kalt wie die Schauer, die ihm über das Rückgrat liefen. Jetzt sehe ich bestimmt aus wie der Tod, dachte er mit bitterer Selbstironie.
Er hatte sie nicht vergessen können. genauso wenig ihre Stimme, die er auch dann erkannte, wenn sie flüsterte.
"Du! ich ....ich dachte mir, daß Du irgendwann zurückkommst. Aber so schnell.....Du überrascht mich."

"Eine letzte Überraschung vor dem Ende. Wer erlebt das schon?"

Verdammt, sie war genauso zynisch wie er. Woher hatte sie das nur? Die Klinge glitt höher, drückte sein Kinn nach oben. Er krallte seine Hände in die Decke, um nur keine unbedachte Bewegung zu machen und schluckte krampfhaft, bevor er wieder sprechen konnte."Ich verstehe, daß Du wütend sein mußt und verletzt. Wir könnten doch darüber reden."

Sigrun lachte wieder."Ach nein, Du verstehst mich? Das glaube ich kaum."

"Oh, Du würdest staunen." murmelte er. Laß Dir was einfallen, schoß ihm durch den Kopf. Und nur nicht bewegen, langsam und gleichmäßig atmen. Sie darf nicht merken, daß Du Angst hast, alter Mann.

"Sigrun, bitte. Sag mir wenigstens noch, wie Du hereingekommen bist und warum Du alleine bist - ohne Deine Dänen? Ich bin nun mal so, ich will immer alles genau wissen." Er merkte selbst, daß er nicht den richtigen Ton getroffen hatte, aber vielleicht reichte es, um Sigrun auf andere Gedanken zu bringen.

"Ich war auf dem Weg nach Norden. Dabei hatte ich viel Zeit zum Nachdenken. Du weißt so gut wie ich, daß ich nicht mehr zurückkehren kann."

Der verstärkte Druck löste einen scharfen Schmerz aus und einige warme Blutstropfen liefen ihm in den Nacken und versickerten im Kissen. Er fühlte sein Herz rasen und alle Muskeln spannten sich in der Erwartung des endgültigen Aus.

"Sigrun, ....was Du .....tust, ist ehrlos. Du läßt mir keine Chance."

"Ehrlos? DU mußt dieses Wort gegen mich gebrauchen? War das ehrenhaft, was Du mir angetan hast? Warum sollte ich Deine Schwäche nicht ausnutzen? Das ist Wikingerart. Dein Kopf gehört mir und deine Macht dazu."

Ihre Stimme wurde lauter, als sie ihn wütend anzischte.

Die Erfahrung, das Wissen der Jahrtausende hatten ihn darauf nicht vorbereitet. Sie halfen ihm kein bißchen, als er nach dem Ausweg suchte. Blieb ihm wirklich nichts mehr außer dem wenig aussichtsreichen Versuch, schneller zu sein als ihre Klinge?

"Nur schade, daß Du so wenig spüren und so schnell tot sein wirst. Eigentlich hätte ich mir damit lieber viel Zeit gelassen. Sagen wir - drei Tage? So wie Du mit mir. In drei Tagen könnte ich viel tun. Und Du bist stark. Du könntest viel ertragen, bevor ich Dich sterben ließe.. Aber man kann nicht immer nur an sein Vergnügen denken, das verstehst Du doch?" Die trügerische Sanftheit ihrer Stimme war reiner Hohn. Eine Hand löste sie vom Heft ihrer Waffe, rieb mit den Fingerspitzen über seine Lippen, dann öffnete sie die Verschnürung seines Hemdes, schob den Stoff zur Seite und strich über seine Schulter, über seine Brust. Dort ließ sie ihre Hand liegen.

"Ich fühle Deinen Herzschlag. Ein bißchen zu schnell, findest Du nicht?"

Unter ihren Fingern spürte sie die angespannten Muskeln und das leichte Erschauern, daß über seine Haut lief und sie lächelte. Ihre Berührung war zuerst ganz sanft, beinahe zärtlich, dann krümmte sie die Finger und ihre Nägel hinterließen brennende Streifen auf seiner Haut. Sein scharfes Einatmen wurde von leisem Lachen beantwortet. Dann packte ihre Hand seine Haare und bog seinen Kopf noch weiter in den Nacken.

"Versuch es nicht ! Ich beherrsche mein Schwert auch mit einer Hand! Weißt Du noch? Diesen Griff kennst Du, nicht wahr? Wie fühlst Du Dich jetzt? Und Du hast wirklich gedacht, ich sei so schwach wie die anderen, die Du unter Deinen Händen zerbrochen hast?"

Methos fühlte seine Beherrschung schwinden. Er atmete nicht mehr langsam, sondern schnell und schwer. Wie er es haßte, diese scharfe Klinge an seiner ungeschützten Kehle! Sie würde sich nicht sehr anstrengen müssen!

"Sigrun, nicht! Ich bitte Dich um sein Leben!"

Sie murmelte einen Fluch und drehte den Kopf in die Richtung, aus der die Stimme kam. Methos lauerte darauf, daß sich der Druck gegen seine Kehle lockerte und er mehr Spielraum bekäme. Aber soweit ging Sigrun´s Überraschung nicht.
"Verschwinde! Ich schulde Dir nichts mehr!"

"Das ist richtig. Ich bitte Dich als Freund, nicht als Gläubiger. Ich dachte, wir wären Freunde."

Jeoffrey hatte sich aufgesetzt , die Füße auf dem kalten Boden . Alles sehr langsam, um sie nicht nervös zu machen.

"Dann solltest Du gehen und mich nicht um etwas bitten, was ich Dir nicht geben kann."

"Sigrun, hör mir erst zu! Es ist wichtig. Für Dich, wenn Du weiterleben willst."

"Wie kommst Du darauf, daß ich weiterleben will? " stieß sie hervor.

Beide Männer hörten die Verzweiflung in ihrer Stimme, die sie zu verbergen suchte. Die Panik unter der drohenden, zynischen Oberfläche. Wenn sie die Beherrschung verlor, war es zu spät. Und sie war sehr nahe daran,

Jeoffrey sprach weiter, leise, ruhig, überzeugend.
" Er hat mir sehr viel erzählt über euch.....über die Unsterblichen. Methos hat so viel erlebt, er weiß soviel mehr als irgendein anderer. Er ist sehr alt, älter als wir uns das auch nur vorstellen können. Wenn Du ihm den Kopf nimmst, wird seine Kraft nicht zu Deiner werden. Sie wird Dich töten. Du magst das anders sehen, aber ich … ich will nicht, daß Du stirbst."

Jeoffrey stand auf, atmete tief ein und versuchte dabei, sich einige Schritte in Richtung des anderen Bettes zu bewegen. Solange er ruhig blieb, konnte er vielleicht auch sie beruhigen. Sie brauchten alle eine Denkpause. Das .....ja , das wäre eine Möglichkeit! Sicher würde Sigrun es ihm übelnehmen, aber wenn es funktionierte, dann .....

" Komm nicht ...." näher, wollte sie sagen, als sie das leise Rascheln der Binsen unter seinen Füßen hörte. Sie konnte Jeoffrey nicht sehen, er stand seitlich hinter ihr. Um ihn zu beobachten hätte sie den Kopf drehen müssen. Und in der Dunkelheit wäre es trotzdem mehr zu ahnen als wirklich zu sehen. Jeoffrey dagegen konnte ihre Silhouette gegen das rote Leuchten erkennen, daß von der restlichen Glut des Kamins ausging. Die letzten Schritte legte er mit einem weiten Satz zurück. Eine Hand packte Sigrun´s Kinn und Kiefer, der andere Arm legte sich quer über ihre Brust und verhinderte ein Ausweichen. Im Augenblick des Zupackens riß er ihren Kopf herum und die Schulter in die entgegengesetzte Richtung.
Sigrun hatte keinen Angriff erwartet. Sie war zu sicher gewesen, daß Jeoffrey nicht die Hand gegen sie erheben würde. Weil er sie mochte ....und weil er um seinen Freund fürchtete. Sie hatte ihn unterschätzt.

Im selben Moment, in dem sie seinen Griff spürte, explodierte etwas direkt in ihrem Kopf und sie hörte als Letztes ein trockenes Knacken, als ob ein Ast über dem Knie gebrochen wird. Dann war es vorbei. Die Hände , die das Schwert hielten, gehorchten ihr nicht mehr , öffneten sich. Der leblose Körper fiel in sich zusammen und glitt vom Bett, als der Bretone seine Hände von ihr nahm.

"Verdammt, das war knapp."

Methos atmete heftig, seine Spannung löste sich in einer plötzlichen Bewegung und er saß auf der Bettkante. Eine Hand an den Hals gelegt, als wollte er sicherstellen, daß er auch noch in einem Stück war. Der dünne Schnitt schloß sich und seine Hand war feucht vom Blut und kaltem Schweiß.

Jeoffrey kniete neben dem schlaffen, eindeutig toten Körper und leiser Zweifel beschlich ihn. Kein Herzschlag, keine Atmung, der Kopf lag in einem seltsamen Winkel. Dann hob er Sigrun aufs Bett und legte sie so bequem wie möglich hin. Den haltlosen Kopf stützte er auf beiden Seiten etwas ab und wie von selbst strich er dabei sanft über ihr Gesicht.

"Ich hoffe, Du hast nicht gelogen, als Du mir sagtest, daß ihr immer wieder ins Leben zurückkehrt, außer wenn..."

"Keine Sorge, mir wäre es zwar lieber, wenn nicht, aber sie ist bald wieder unter uns."

Dann setzte Methos hinzu: "Und, was hast Du jetzt vor? Dem Sieger die Beute. Sie gehört Dir. Viel Vergnügen."

Jeoffrey zündete zwei der Fackeln an und sah Methos unter zusammengezogenen Brauen nachdenklich an.

"Du solltest solche Angebote nur machen, wenn Du sie ernst meinst!."

Aber dann änderte sich sein Ausdruck und er grinste.

"Und das Vergnügen wirst Du haben. Unsterbliche brauchen einen Lehrer. Das hast Du selbst gesagt! Ich habe beschlossen, daß DU ihr Lehrer sein wirst. Vielleicht sieht sie jetzt ein, daß sie einen braucht."

Ein Blick in das Gesicht seines Freundes ließ ihn schallend lachen. Methos starrte ihn aus großen Augen an und hatte einfach vergessen, den Mund wieder zu schließen. Seine Fingerspitzen rieben noch immer über die Stelle am Hals, wo er die Schneide gespürt hatte. "Bist Du noch bei Verstand? Was soll ich? Diesem Teufelsbraten Unterricht geben? Damit sie mit ihrer nächsten Attacke auch bestimmt Erfolg hat, ja?"

Methos stotterte beinah, so fassungslos war er. Er sprang auf und lief ruhelos im Zimmer hin und her.

Auch davon ließ sich Jeoffrey nicht aus der Ruhe bringen.
"Methos, wenn Du ein bißchen nachdenkst, wird Du es selbst einsehen. Sie kann so nicht leben. Sie muß es lernen. Wer könnte sie besser unterrichten als Du? Ich will nicht, daß sie dem Nächsten eurer Art in die Hände fällt. Sie hat etwas Besseres verdient."

"Ha, Du meinst wohl, daß der Nächste meiner Art in IHRE Hände fällt!"

Jeoffrey grinste wieder. Er war begeistert von seiner Idee. Daß sich sein Freund so ärgerte, amüsierte ihn wie schon lange nichts mehr.

"Komm, so empfindlich heute? Was hast Du erwartet? Daß sie Dir Gedichte schickt?"

"Natürlich nicht. Abgesehen davon bezweifle ich, daß sie schreiben kann."

Ein äußerst mißtrauischer Blick aus schmalen braunen Augen glitt über das bleiche Gesicht auf seinem Kissen. Es wirkte blasser als vor Wochen, fast durchscheinend. Ihre Kleidung war stellenweise zerrissen und viel zu dünn für die Kälte draußen. Wenn er versuchen würde zu tun, wozu ihn sein Verstand drängte, mußte er mit Jeoffreys Widerstand rechnen. Also gut, ein andermal. Und so nahm er seine Wanderung von einer Wand zur anderen wieder auf und fluchte leise vor sich hin.

Sigrun´s ersten, unkontrollierbaren Atemzug, das heftige Zusammenzucken beim Aufwachen hatten beide nicht bemerkt. Sie waren in ihre Diskussion vertieft.

Sigrun hörte leise Männerstimmen. Sie kannte diese Stimmen. Die eine haßte sie und die andere..... Der Schmerz in ihrem Nacken verbot jede Bewegung. Sie fühlte weiche Decken, Felle, ein Kissen. Sein Bett. Die heiß aufsteigende Panik nahm ihr die Luft zum Atmen und ihr Körper erstarrte, schmerzhaft gespannt von den Kiefermuskeln bis zu den Zehen. Stell dich tot. Solange läßt er dich in Ruhe. Sie zwang sich, ganz flach und langsam zu atmen. Sehr vorsichtig bewegte Sigrun ihre Arme und Hände. Die Arme waren locker an ihren Seiten ausgestreckt, nicht gebunden und über den Kopf gezerrt. Die erwarteten Handschellen waren nicht da, kein Gewicht, daß schwer an ihren Gelenken hing. Auch keine Riemen, kein Gürtel, nichts, daß ihre Bewegungsfreiheit einschränkte. Unter den halbgeschlossenen Lidern versuchte sie einen Blick auf die beiden Männer zu erhaschen, als ein Schatten über sie fiel.

"Ich weiß, daß Du wach bist. Mach die Augen auf!"

Methos hatte sich über sie gebeugt, rechts und links von ihren Schultern stützte er die Hände aufs Bett.

"So schnell können die Rollen wechseln. Wenn wir allein wären, würde ich Dich töten. Endgültig. Du hast Glück, daß Joffrey damit nicht einverstanden ist."

Sigrun´s Enttäuschung trieb ihr die Tränen in die Augen und sie brauchte einige tiefe Atemzüge, um sich wieder soweit in der Gewalt zu haben, daß sie ihn anfauchen konnte. " Was weißt Du von Glück? Du hast die Gelegenheit, also nutze sie. Ich hätte es getan, und wenn Du mich am Leben läßt, werde ich es immer wieder versuchen. Ich habe es Dir schon einmal versprochen."

"Ich erinnere mich sehr genau. Es war hier, nicht? Auf demselben Bett."
Ein böser Funke glomm in seinen Augen und setzte sich fort in seiner Stimme. Sigrun schien es, als ob sie allein durch seine körperliche Nähe tief in die Matratze gedrückt und dort unverrückbar festgehalten würde

"Hör auf damit. Wir hatten etwas anderes besprochen!"

Jeoffrey zog ihn ungehalten hoch, ein Stück weg von Sigrun. Und zog seine Hände zurück , hob sie beschwichtigend und wich einen Schritt zurück, als ihn der drohende Blick seines Freundes traf.

"Du willst, daß ich etwas tue, was gegen meine Überzeugung ist. Dann laß es mich auf meine Art tun!"

Methos verschränkte die Arme vor der Brust und wandte sich wieder Sigrun zu.

"Du wirst auf jeden Fall hier bleiben. Aber Du hast die Wahl: Du kannst bleiben und lernen. Alles, was Du als Unsterbliche wissen und können solltest, um zu überleben. Oder Du bleibst hier als das, was Du warst: als Sklavin. "

Sie setzte sich mit einem Ruck auf und spuckte ihm die Worte entgegen.
"Das ist keine Wahl!"

"Es ist die Einzige, die Dir bleibt. Triff sie schnell, sonst entscheide ich für Dich."

 

 

 

VII.
Unter einem Dach

 

 

Der Schemel wurde krachend umgestoßen und ein wütender Faustschlag ließ den einfachen Tisch erzittern.
"Ich gehe! Mir reicht es!"
Jeoffrey stöhnte entnervt und rieb sich das Schienbein, wo ihn die Kante des Schemels getroffen hatte. Er bückte sich, hob den Schemel auf und rammte ihn Sigrun unsanft gegen die Kniekehlen. Dann drückte er sie entschlossen auf den Sitz.
"Schreib weiter! Ich soll Dich lesen und schreiben lehren und das werde ich verdammtnochmal auch tun!"
Seine Hände lagen auf ihren Schultern und hielten sie unten. " Muß ich Dich daran erinnern, daß Du Gehorsam geschworen hast? "

***

Oh nein, daß mußte er nicht. Jeden Tag, wenn sie Methos begegnete, wurde sie wieder daran erinnert. Diese Erinnerung hielt ihre Hand zurück, die ihm das Schwert in den Leib bohren wollte. Wenn sie sich wünschte, ihm den Blutaar in den Rücken zu schneiden, beruhigte sie sich mit dem Gedanken, daß auch ihre Zeit hier nicht ewig dauern würde. Und dann, wenn ihr Schwur abgelaufen war, dann würde sie es endlich tun können.

In der Nacht, in der sie versagt hatte, hatte Methos sie gezwungen zu wählen. Ihr Götter, aber welch eine Wahl!
Mit der unverwechselbaren Arroganz, die ihm zu Eigen war, hatte er sich auf dem hochlehnigen Stuhl niedergelassen. Nichts an ihm deutete mehr auf die Sekunden der Angst hin, die er gerade erlebt hatte.
"Du wirst vor mir knien, Deine Hände in meine legen und mir Gehorsam schwören. In allen Dingen, in denen ein Schüler seinem Lehrer Gehorsam schuldet. Du wirst schwören, Deine Hand nicht gegen ihn oder mich zu erheben, solange Du nicht von Deinem Schwur befreit bist.Ich verspreche Dir, Dich alles zu lehren, was Du für Dein neues Leben brauchen wirst. Und Dich freizugeben, wenn ich sehe , daß Du genug gelernt hast."

Methos hatte die Form des Lehenseides gewählt, die im Frankenreich üblich war.Jeoffrey stand abseits und wagte kaum zu atmen. Die Luft vibrierte fast vor Spannung und der von Sigrun ausgehende Hass war mit Händen zu greifen. Genauso wie Methos´ Kälte, an der das alles abzuprallen schien. Hätte er sie nur vor eine andere Wahl gestellt.

Aber sie wußte, daß er seine Drohung wahr machen würde. Zitternd vor Wut und Enttäuschung , mit zusammengebissenen Zähnen kniete sie vor ihm nieder, legte ihre gefalteten Hände in seine Hände, die sich beinahe schmerzhaft um ihre schlossen. In diesem Augenblick stöhnte sie innerlich auf und ein Ruck ging durch ihren Körper, als ob sie aufspringen und flüchten wollte. Mit aller Kraft unterdrückte Sigrun den Impuls und sprach stockend ihren Schwur.

" Ich schwöre Dir...... Gehorsam in allem, als Schüler dem Lehrer. Ich.....ich schwöre,gegen Dich und ihn nicht die Hand zu heben, solange ich nicht........ freigegeben bin."
Methos Blick umfasste die Gestalt vor ihm, voller Ironie und Genugtuung. Es gefiel ihm, den blonden Kopf gebeugt und die stolze Barbarin auf den Knien zu sehen. Er fühlte ihre Hände in den Seinen beben und verstärkte den Griff. Sie schaute beim Sprechen auf ihre Hände, nicht in sein Gesicht.
Doch dann hob sie den Kopf und die grimmige Wut in ihren Augen ließ etwas von seiner selbstzufriedenen Fassade abbröckeln.

"Und ich schwöre, Dich zu jagen und zu töten, sobald ich wieder frei bin. Bei den goldenen Schilden, die Walhall decken und beim Blut meiner Brüder!"

"Das....sollten wir einfach abwarten."

Damit ließ er ihre Hände los ,stand auf und wandte sich ab. "Jeoffrey, sieh zu, daß sie warme Kleidung bekommt und bring sie in das kleine Gemach neben Deinem."

Der nickte beklommen, legte Sigrun tröstend der Arm um die Schulter und wollte sie in Richtung Tür schieben. Mit einem energischen Ruck schüttelte sie ihn ab.

"Faß...... mich nicht an!"

***

Sigrun´s Widerstand ließ nach ,der Druck seiner Hände verringerte sich im gleichen Maß. Eine Hand schob ihre Haare zur Seite ,die andere legte sich sacht um ihre Kehle.

Dann beugte er sich über sie und küsste die warme empfindliche Stelle in ihrem Nacken. Ein leises Zittern durchlief ihren Körper und Jeoffrey fühlte, wie sie sich gegen ihn lehnte , weich und nachgiebig wurde. Für einen kurzen Moment. Dann versteifte sie sich , streifte seine Hände ab und fuhr ihn an:"Laß das sein! "
Jeoffrey sprach leise in ihr Ohr."Warum? Wir leben jetzt seit Wochen gemeinsam hier und solange - nein, länger schon - liebe ich Dich. Du hast es gespürt, die ganze Zeit. Und ich weiß, daß Du genauso hungerst wie ich. Du hast nur Gehorsam geschworen, keine Keuschheit."

Sigrun vergrub ihr Gesicht in den Händen, schüttelte den Kopf und brachte mühsam hervor:
"Du verstehst nichts! Ich ertrage es nicht mehr! . Wenn ich Deine Hände fühle, dann...."

"Ich bin nicht er. Du hast einen starken Willen , nutze ihn. Du mußt nur wollen."

Wollen? Wollte sie mit Jeoffrey schlafen? Überhaupt - jemals wieder mit irgendeinem? Sie liebte ihn nicht. Er war , nun , eine Art Freund. Aber wenn sie nicht immer mit der Angst leben wollte.........

Vorher, bevor Methos ihr gezeigt hatte, was es heißt, besiegt zu sein.....ob es je wieder so werden könnte? Aber wie auch immer - es gab noch einen zweiten, wichtigeren Grund...........

Sigrun traf eine bewusste Entscheidung, nicht diktiert vom Verlangen , sondern von der Vernunft. Sie brachte die Stimme zum Schweigen, die ihn abwehren und zurückstoßen wollte , versuchte alles Denken und alle Erinnerung abzuschalten und überließ sich Jeoffrey´s Händen.

Methos wußte, daß sie es hasste, auf dem Schemel in dem geschlossenen Raum zum Stillsitzen gezwungen zu sein und ihre Hände mit der Feder kämpfen zu lassen. Manchmal überließ er diesen Unterricht gerne Jeoffrey. Er konnte ihren stillen Hass nur eine gewisse Zeit ertragen, dann mußte er gehen, um nicht der Versuchung zu erliegen. Der Versuchung, sie zu schlagen, ihr weh zu tun und sie endlich zum Weinen zu bringen, sie endlich schwach zu sehen.. Oder der Versuchung, sie in einer endlosen Umarmung die Verletzungen ihrer Seele und ihres Körpers vergessen zu lassen. Mach Dir nichts vor, es geht ebenso um Deine Verletzungen, gib es nur zu.

Er öffnete die Tür . Irgendwie hatte er es geahnt, befürchtet, wie auch immer. Aber als er es sah, vergaß er das Atmen und stand regungslos , während er seinem eigenem Herzschlag lauschte und den Beiden zusah.
Jeoffrey sah Methos nicht und er hörte ihn nicht. Sigrun aber fühlte den Buzz und lag für Augenblicke starr und angespannt .Was würde Methos tun, wenn er sie so fand? Sie konnte einen kurzen Blick über Jeoffrey´s Schulter auf den Mann erhaschen, der still in der Tür stand und erlaubte sich ein kleines Lächeln. Schau uns nur zu , Du Bastard.. Dein Freund ist gerade dabei, die Seiten zu wechseln.

Fast gewaltsam riss er sich los und schloß leise die Tür. Dann stieg er die Treppe hinunter, ging ziellos über den Hof , bis er vom Klang eines Beiles auf Holz in einer Ecke angezogen wurde. Dort entriß er dem Knecht , der gerade beim Holzhacken war, das Beil und machte selbst damit weiter. Er schlug mit einer Wut und Kraft auf die Scheite ein, als seien es die Köpfe seiner Feinde. In seinem Kopf rauschte das Blut und die Gedanken überschlugen sich. Was hast Du erwartet? Dass sie alles vergißt und Dir in die Arme fällt, ausgerechnet Dir ? Oder dass sie nie wieder die Berührung eine s Mannes ertragen könnte? Nein, dass hast Du nicht erwartet. Im Gegenteil, Du wußtest genau, dass es so geschehen würde. Sie und Jeoffrey - es war so offensichtlich, dass er sich von ihr angezogen fühlte. heiß....warum ist es nur so heiß! Er zog sich den einfachen Kittel so heftig über den Kopf, dass der Stoff riss, trocknete sich damit das Gesicht und den Hals ab. Dann machte er weiter.

Sie ging zum Fenster, warf einen belustigten Blick über die Schulter zu dem schlafenden Mann auf ihrem Bett. Einer wie der andere, sie müssen immer schlafen hinterher.

Das rythmische Geräusch der Schläge hallte im Hof wider, drang nach oben und zog ihre Blicke an. Dort stand Methos, die Beine wenig mehr als Schulterbreite gespreizt und ...was machte er da? Holzhacken? Er selbst? Das Beil in seiner Hand blitzte auf, als er es hochriss und niedersausen ließ, immer wieder , in stetigem Rythmus und mit viel mehr Wucht als nötig gewesen wäre.. Sigrun konnte seine Muskeln arbeiten sehen unter der glänzenden schweißfeuchten Haut, scharf konturierte Muskeln, die ein Eigenleben zu führen schienen, sich spannten und entspannten , immer wieder, scheinbar ohne müde zu werden. Die tiefstehende Sonne warf golden schimmernde Reflexe auf die Haut, die sonst so hell war. Seine Bewegungen, mit denen er die Holzstücke aufhob, zurechtlegte, spaltete, wirkten völlig mühelos, gleitend und, ausbalanciert wie bei einer großen Katze. Sie konnte ihn unmöglich atmen hören, dazu war die Entfernung zu groß und doch passte sich ihr Atemrythmus unbewußt dem Seinen an. Wie sich sein Brustkorb hob und senkte, so atmete sie ein und aus.

Nein!. Sigrun zuckte zusammen und presste sich mit dem Rücken an die Wand neben dem Fenster. Was mache ich da? Um seine Füße lagen die gespaltenen Scheite wie ein Wall, die Arme schmerzten und der Schweiß brannte in seinen Augen. Noch bevor das Wissen um ihre Anwesenheit ihn wie eine Welle überflutete, fühlte er dieses Kribbeln im Rücken, im Nacken, dass durch ihren Blick ausgelöst worden war. Methos drehte sich mit einem Ruck um, das Beil noch in der erhobenen Hand. Da stand Sigrun, sehr gerade und kein bißchen unsicher.

Jedesmal wieder ärgerte er sich über ihre Gelassenheit, wenn sie ihm gegenüber stand. Er hatte noch nicht herausgefunden, ob das echt war oder nur gespielt und er verfluchte sich dafür, dass es ihm nicht gelang, dieselbe Gelassenheit ihr gegenüber zu bewahren. Denn sie reizte ihn, mit jedem Wort, das sie sprach oder das sie verschwieg; mit ihrem Blick, den sie nicht abwandte, wenn sich ihre Augen begegneten, den er spürte wie ein glühendes Eisen, sobald er ihr den Rücken zudrehte.

Sie ließ ihn ihren Hass spüren, ja, im Übrigen aber verhielt sie sich, als sei nichts geschehen. Keine Verlegenheit, keine Scham, kein Zeichen der Erinnerung. Als hätte sie vergessen, was zwischen ihnen vorgefallen war. Die anderen, die wenigen, die es überlebt hatten, waren nicht mehr fähig gewesen, ihm geradeheraus in die Augen zu sehen . Nun, auch hier hatte es eine Ausnahme gegeben. Aber wirklich nur eine, vor sehr langer Zeit.

Während sie langsam näher kam, erkannte er die Kälte und Genugtuung in ihren Augen und wußte , dass sie ihn bemerkt hatte, als sie dort oben lag mit seinem Freund. Und dass sie jetzt seine Wut erkannte und zu deuten wußte. Mit einem letzten Schlag trieb er das Beil tief in den Hackklotz, hob eine Augenbraue und ließ seinen Blick langsam und mit absichtlicher Anzüglichkeit über ihre Gestalt wandern. Dann trat er dicht an sie heran, sodaß Sigun zu ihm aufsehen musste.

"Mir scheint, bei ihm hast Du Dich nicht allzu sehr gewehrt, hhhmm? Nimm Dich in acht! Jeoffrey ist zu anständig und zu wertvoll, um Dir als Mittel zum Zweck zu dienen."

Einige schmale Rinnsale schlängelten sich vom Gesicht über den Hals zur Brust, die ihre fast berührte. Seine goldbraunen Augen hielten ihren Blick gefangen und wollten sie zum Nachgeben, zum Ausweichen zwingen. Aber es waren nicht seine Augen, die sie einen Schritt zurückweichen liessen, sondern die unerwartete Hitze, die von seinem Körper ausstrahlte und ihre Haut versengte. Sie biss die Zähne zusammen vor Wut, aber um nichts in der Welt hätte sie es aushalten können, stehenzubleiben und seine Wärme zu spüren..

Wie zum Schutz verschränkte sie die Arme vor der Brust, hob entschlossen das Kinn und zischte ihn an: "Du hast mir die Freunde genommen, also nehme ich Di r Deinen Freund. Und das ist erst der Anfang, alter Mann. So wie Du mir eines nach dem anderen genommen hast, so wirst Du zusehen müssen, wie ich Dir alles nehme, was Dir wertvoll ist. Bei uns im Norden gibt es ein Wort, dass Du kennen solltest: der Feigling rächt nie, der Sklave sofort. Ich bin weder das Eine noch das Andere, also hab noch ein wenig Geduld."

Das herausfordernde Lächeln, dass ihre Worte begleitete, tarnte die plötzliche Unsicherheit , mit der sie nicht gerechnet hatte. Sigrun nutzte den Moment, um sich schnell abzuwenden und aus seiner Nähe zu verschwinden, bevor er ihre Verwirrung bemerken konnte.

Der Rabe auf dem Turm war größer als andere seiner Art und sein Gefieder schimmerte blauschwarz. Manchmal, wenn er sich in die Sonne drehte, leuchtete es in tiefdunklem glänzendem Rot, fast wie frisches Blut. Sigrun zuckte zurück, als plötzlich ein kleiner Gegenstand direkt vor ihr auf dem Boden landete. Der Schatten des Raben glitt über sie hinweg, als er lautlos davonflog, über die Palisade auf den nahen Wald zu. Sie bückte sich, um den Gegenstand aufzuheben. Nachdenklich und seltsam zufrieden sah sie dem Raben nach und drehte den Mistelzweig in den Fingern, bevor sie ihn unter ihr Hemd steckte.

 

***

Die kleinen Rundhütten umgaben zwei größere Gebäude ähnlicher Art, von denen eines in die Länge gezogen war und an einer Schmalseite den kleine hölzernen Glockenturm trug. Sie hatten nichts angezündet und alle sichtbaren Beschädigungen ebenso wie die Leichen der Mönche wieder beseitigt. Kein zufälliger Besucher konnte auf den ersten Blick sehen, dass etwas nicht so war wie vorher. Und wer mehr als einen Blick darauf werfen konnte, der sollte keine Gelegenheit zur Flucht mehr finden.

Das Schiff war auf den Strand gezogen und so gut getarnt worden, dass es auch aus drei Dutzend Schritten Entfernung noch nicht zu erkennen war. Der große Rabe hockte auf dem Unterarm des aschblonden Mannes, die etwas mehr als kinnlangen Haare fielen nach vorne und verdeckten einen Teil des Gesichtes. Er hatte keine Ähnlichkeit mit einem Mönch, ein Dolch steckte in seinem Gürtel und neben ihm lehnte eine langstielige Axt, so wie sie viele Wikinger anstatt eines Schwertes benutzten.

Lächelnd strich er über die glänzenden Federn des Vogels, während die klugen gelben Augen des Raben das Gesicht seines Herrn musterten."So, Du hast sie also gefunden. Das ging ja schneller als ich dachte. Sie wird sich vorbereiten."

Sie saßen zu Füssen des steinernen Kreuzes auf dem nahen Hügel und blickten mit zufriedenem Ausdruck über das beschauliche Bild, dass sich vor ihnen ausbreitete.

 

***

Die Lichtung oberhalb des Dorfes hatte sich längst mit üppigem Grün überzogen. Hier übten sie oft, um ohne Zuschauer zu sein, doch diesmal hatten sie einen. Methos saß auf einem umgestürztem Baumstamm und beobachtete sie mürrisch. Jeder der beiden vermied ängstlich, den anderen zu hart anzugehen. Jeoffrey wollte Sigrun nicht wehtun und Sigrun war sich der Tatsache sehr bewußt, daß Jeoffrey ´s Wunden nicht in einem Augenblick heilen würden. Sie hatte ihre Haare straff zurückgekämmt und zu einem hohen Zopf geflochten.

Das Lachen der beiden ging Methos entschieden auf die Nerven. "Jeoffrey, Du sollst nicht mit ihr spielen. Das kannst Du nachts tun. Jetzt sollst Du mit ihr kämpfen!"

Methos erhob sich seufzend, als sei ihm jede Bewegung zu anstrengend, schob Jeoffrey zur Seite und zog sein Schwert."Der Spaß ist zuende."

Sie wurde überraschend schnell wütend, obwohl Methos eigentlich damit gerechnet hatte, sich damit mehr Mühe geben zu müssen. Erstaunlich, dachte er, sonst ist sie beherrscht und ruhig, aber sobald sie kämpfen muss, gegen mich kämpfen muss, ist das vorbei. Dann ist wohl auch ihre sonstige Gelassenheit nur aufgezwungen, nur gespielt. Sie hat Erde über die Glut gebreitet. Gut, dass zu wissen.

"Komm schon, greif an. Schlag mich! Das möchtest Du doch? Es gibt nichts, was Du lieber tun würdest.".

Sigrun wußte, dass sie kalt und überlegt bleiben musste, um eine Chance zu haben. Aber zwischen Wissen und Tun können Welten liegen. Diese schmalen Augen , das arrogante Lächeln, seine katzenhaft lässigen Bewegungen, alles an ihm forderte ihre Wut heraus, zeigte ihr, dass er sich überlegen fühlte und erinnerte sie an......damals.

Methos gebrauchte beide Hände. immer wieder loste er die Linke vom Griff des Schwertes, schlug zu, sobald sie nahe genug war, packte, was immer er zu fassen bekam. Ihre geflochtenen Haare eigneten sich gut , ein harter Zug und Sigrun wurde vorwärts und nach unten gezerrt. Im letzten Moment verwandelte sie die aufgezwungene Bewegung in eine Rolle, die ihm den Zopf entriss und sie wieder auf die Füsse brachte. Nein, ganz so einfach war es nicht.

"Die Katze fällt auf die Füsse. Aber das reicht nicht. Weißt Du noch, das Blut an meinen Händen? Wie hat es sich angefühlt auf Deiner Haut? Jetzt willst Du mich bluten sehen, nicht? Hol Dir mein Blut!"

Die in ihrem Inneren aufsteigenden Bilder schwächten sie und ihre Konzentration ließ nach. Seine blutbefleckten Hände hatten sie zum Fenster gezerrt, er hatte ihr die toten Körper ihrer Gefährten gezeigt und dann .....

schnitt seine Klinge tief in Sigrun´s rechten Unterarm, durchtrennte Muskeln und Sehnen und der brennende Schmerz entriss ihr einen Schrei.. Sie sprang zurück, umklammerte den verletzten Arm und das Blut quoll zwischen ihren Fingern hindurch und tropfte auf den Boden. Dieser Kampf war keine Übung mehr, kein spielerisches Kräftemessen wie mit Jeoffrey, dieser Kampf gegen diesen Mann war Ernst.

"Schade. Die Rechte kannst Du vorerst nicht mehr gebrauchen."

Die Schneide seines Schwertes an ihren Hals gesetzt, umkreiste er sie langsam . betrachtete sie lauernd und mit sichtbarer Genugtuung. Als er hinter ihr stand, beugte er sich vor und flüsterte ihr ins Ohr: "Jetzt fließt doch wieder nur dein Blut. Gibst Du auf? Natürlich nicht, nehme ich an."

Sie stand völlig regungslos da ,mit hängenden Armen, alle Aufmerksamkeit auf seine dunkle Stimme , seinen Atem an ihrem Ohr gerichtet , und konnte selbst nicht mehr atmen. Voller Bitterkeit registrierte sie die scharfe Schneide an der verletzlichen Haut, ihren rasenden Herzschlag , und den eisigen Griff der Angst .Aber nicht nur Angst - da war noch etwas, jenseits der Angst, noch ein Gefühl, dass sie bisher nicht gekannt hatte und nicht benennen konnte, dass ihr Gänsehaut verursachte und die Knie weich werden ließ.

Jetzt könnte er ihre Pläne aufhalten. Ein schnelles Durchziehen und ihr Kopf würde fallen. Vielleicht wäre es am besten so - keine Furcht mehr, keine Zweifel, keine Erinnerungen. Sie neigte den Kopf zur Schulter hin, schmiegte ihren Hals an die Klinge. Ein kurzer Schmerz nur........ Warum wartet er so lange?

"Halt Dich raus!"

Die scharfe Anweisung galt Jeoffrey, der den Kampf mit brennenden Augen verfolgt hatte und jetzt näher kam. Dieser Ton seines Freundes duldete kein Widersetzen , es war wie eine unsichtbare Mauer, die ihn aufhielt. Und er riss Sigrun aus ihrer Erstarrung , ihre Atmung setzte ein und der in die Ferne gerichtete Blick nahm wieder ihre Umgebung wahr. Der alte Unsterbliche trat zurück und bewegte sich einen Schritt auf das Schwert zu, dass sie hatte fallenlassen, schob die Fußspitze darunter und kickte es in Sigrun´s Richtung.

"Fang!"

Er lächelte, als sie es mit der linken Hand auffing und gleichzeitig in ihre Ausgangsposition glitt. Es beruhigte ihn ganz gewaltig, dass er mit Linkshändern noch nie Probleme gehabt hatte.Methos drängte sie immer mehr zurück, auf die Bäume zu. Mit einem wütenden Schrei legte sie alle Kraft in den einen Schlag,der ihn nicht nur verletzten sollte. Sie vergaß vollig ihre Deckung , ihr einziges Ziel war nur noch seine Vernichtung. Methos ließ sich auf ein Knie fallen, sein Schwert parierte ihren Schlag und plötzlich blitzte es in seiner linken Hand silbern auf. Als sie den Dolch erkannte, fühlte sie ihn auch schon. Er stieß ihr die schmale Klinge von unten her bis ans Heft in die Rippen ,mit solcher Gewalt, daß sie an den Baum genagelt wurde, der ihr den weiteren Rückzug versperrt hatte.

Ihre kraftlosen Finger öffneten sich, die Waffe fiel fast lautlos auf den Waldboden und in Sigrun´s schmerzliches Keuchen mischte sich der Protestruf Jeoffrey´s. Der rote Fleck breitete sich immer mehr aus, sie fühlte die klebrige Wärme auf ihrer Haut und starrte fassungslos auf den Griff des Dolches . Ihre Knie gaben nach, aber sie konnte nicht fallen.

Methos stand gelassen vor ihr und ließ sich nichts anmerken . Jetzt mußte er ganz einfach weitermachen, er konnte nicht mehr zurück. Eine Hand hielt Jeoffrey fern, die andere legte er unter Sigrun´s Kinn und hob ihren Kopf, der schon auf die Brust gesunken war. Die Lider hoben sich flatternd, aber sie konnte ihren Blick nicht mehr auf ihn fixieren, alles verschwamm vor den Augen und die roten Schleier wurden immer dichter.

"Oh, nein, Du stirbst erst, wenn ich es Dir erlaube. Diese Lektion heißt: Lass Dich nicht wütend machen und vergiss nie, daß Dein Gegner zwei Hände hat! Jetzt - darfst Du sterben."

"...darfst Du sterben.." hallte es in ihrem Kopf.

Und so starb sie ein weiteres Mal, an einem Baum hängend, so wie Odin einst 9 Tage an der Weltesche gehangen hatte, um Weisheit zu erlangen.

Der Rabe mit den gelben Augen saß auf einem der oberen Äste und legte den Kopf schief, als ob er verwundert wäre über die Geschehnisse unter ihm. Dann flog er mit einem rauher Schrei davon.

"Warum tust Du das?" schrie Jeoffrey ihn an.

"Meinst Du, sie lernt es, wenn ihr miteinander schäkert?"

Dann zog Methos mit einem kräftigen Ruck den Dolch aus dem Holz und ihrem Körper, trat einenSchritt zurück und sah scheinbar unbeteiligt zu, wie Jeoffrey sie auffing und so vorsichtig ins Gras legte, als ob sie noch etwas spüren würde.

Er drehte sich um, ging zwei Schritte, stockte und zerrte an seinem Kragen. Das Beste wäre, weiterzugehen, nichts zu sagen und .... Aber zum Teufel, er konnte es nicht! Es war ihm während des Kampfes ein Leichtes gewesen, Sigrun´s Zorn zu wecken und sie unaufmerksam werden zu lassen. Methos selbst war sich seiner sicher gewesen, hatte fest damit gerechnet, seine Gefühle und Handlungen kontrollieren zu können bis zum Schluss. Aber das war ein Irrtum gewesen, auch er hatte sich von seinen barbarischen Instinkten überrumpeln lassen, die dicht unter der Oberfläche lauerten, hatte sich zu einer Tat hinreißen lassen, die nicht geplant gewesen war, die nichts besser machte und Sigrun sogar noch in die Hände arbeitete. Wütend auf Jeoffrey, Sigrun und am meisten sich selbst fuhr er herum und blaffte Jeoffrey an:"Was hast Du Dir dabei gedacht? Wozu soll das gut sein? "

Jeoffrey sah verständnislos zu ihm auf, seine Hand lag unter dem Kopf der Wikingerin und er wartete auf ein Lebenszeichen von ihr. Noch immer machte es ihm Angst, sie tot zu sehen.

"Was meinst Du? Ich habe sie nicht erstochen!"

"Verdammt, warum musstest Du Dich in sie verlieben? Schlaf mit ihr, wenn es sein muß, aber liebe sie nicht! Das macht Dich schwach und verletzlich. Sie wird wieder unsere Feindin sein, wenn ihre Zeit hier abgelaufen ist."

Der kalte, abweisende Blick seines Freundes war es , der ihm seine eigene Verwundbarkeit zeigte , und ein bitteres Lachen stieg in seiner Kehle auf.. Du hättest es wissen müssen, alter Mann, es ist Dir schon so oft passiert , Du warnst andere davor und fällst doch immer wieder selbst darauf herein, sagte eine sarkastische Stimme in seinem Kopf. Nicht nur Liebe macht verletzlich, sondern auch Freundschaft. Kannst Du es nicht endlich einsehen und danach handeln? Es hat keinen Sinn für Dich, Gefühle zu haben! Sie sind zu gefährlich für Dich. Lerne es endlich und laß nicht mehr zu , dass Du von Liebe , Freundschaft, Mitleid berührt wirst. Die, die Du nicht durch den Tod verlierst, wenden sich ab und stossen Dich zurück, wenn das Raubtier in Deinem Inneren erwacht. Du siehst , es tut nur weh. Jedesmal wieder, jedesmal mehr. Einer hat Dir das schon vor langer Zeit gesagt und gezeigt, vor sehr langer Zeit. Willst Du ihm nicht endlich glauben?

"Sie wird deine Feindin sein, Methos, nicht meine! Deshalb hast Du es getan, nicht wahr? Weil Du nicht mitansehen kannst, wenn sie glücklich ist!"

"Bis vor Kurzem waren meine Feinde auch die Deinen. Warum erlaubst Du ihr, alles zwischen uns zu verändern?"

"Wenn Du so alt bist, wie Du sagst, solltest Du wissen, daß Liebe keine Sache des Verstandes ist. Es geschieht einfach , ob Du willst oder nicht." Leiser und beinah resigniert fügte er hinzu:"Hör auf sie zu quälen.Ich will nicht zwischen ihr und Dir wählen müssen. "

"Das wirst Du müssen, Jeoffry! Du bist unglaublich naiv!Glaubst Du etwa, sie liebt Dich? Vielleicht braucht sie Dich, ja! Vielleicht will sie Dich, ja! Vielleicht glaubt sie sogar selbst, Dich zu lieben! Aber wenn Du unvorsichtig bist, wirst Du die Wahrheit zu spät erkennen!"

***

Sigrun fuhr mit einem Schrei auf. Einige Atemzüge lang wusste sie nicht, wo sie war. Nicht mehr an den Baum gespießt, wie am Tag vorher. Nicht in Jeoffrey´s Armen, wie so viele Nächte vorher. Aber immer noch in diesem Dorf, in dem Gemach unter dem Turmzimmer.

Etwas hatte sie geweckt und diesmal war es keiner von ihren Träumen gewesen. Dann wurde ihr Blick von den ersten Lichtstrahlen angezogen, die durch das kleine Fenster drangen. Als hätte der Rabe auf dem Sims nur auf diesen Augenkontakt gewartet, nickte er mit dem Kopf in ihre Richtung und flog davon.

Sie war mit einem Satz aus dem Bett und am Fenster. Es war Sommer und die Öffnung in dem dicken Mauerwerk nicht mit geölten Häuten verschlossen, wie in der kalten Jahreszeit. Dort auf dem Stein lag etwas, wie ein heller Stab, ein Knochenstück, so lang wie ihre Hand und daumendick. Die wenigen eingeritzten Zeichen kannte sie gut. Es war eine Nachricht und ihr Herz begann zu rasen.

Die ersten Geräusche vom Hof drangen in ihr Zimmer. Die ersten Geräusche vom Hof drangen in ihr Zimmer. Sie konnte von hier alles überblicken, die Mägde holten Wasser, aus der Kochhütte hörte sie Lachen und Klappern. Es schien wieder ein heißer Tag zu werden. Die aufgehende Sonne warf lange Schatten .Methos und Jeoffrey waren schon auf und hatten dort unten gerade den Strand erreicht. Sigrun konnte sie nicht hören, aber die beiden schienen bester Laune zu sein, rannten ins Wasser, und ....fingen doch wirklich an, sich mit Sand und Schlick zu bewerfen. Sie benahmen sich wie ausgelassenen Kinder und freuten sich diebisch über jeden Treffer . Als sie tieferes Wasser erreicht hatten, war der eine verschwunden und gleich darauf der andere. Sie konnte die Gesichter nicht unterscheiden, aber der dunkle Kopf - das war Methos.

Jeoffrey war wohl getaucht und hatte seinem Freund unter Wasser die Beine weggerissen. Dann tauchten beide wieder auf , begannen miteinander zu ringen und fielen immer wieder ins Wasser dabei Ein wirklich interessanter Anblick!

Methos genoss das Wasser und die gelöste Stimmung. Ein wunderbarer Morgen. Wie früher, bevor <sie> hier war. Nein <fast> wie früher. Er würde seinen Freund an sie verlieren. Hatte ihn bereits verloren. Und je mehr er Jeoffrey vor der Enttäuschung schützen wollte, desto mehr trieb er ihn in ihre Arme. Sigrun liebte Jeoffrey nicht, das war offensichtlich.....Heute morgen waren sie sich wieder so nah wie früher gewesen.

<Früher> .... meinte er damit wirklich die Zeit, bevor Sigrun in ihr Leben eingedrungen war ? noch nie war er einer solchen Frau begegnet Schmerz und Demütigung fielen von ihr ab wie Regentropfen, sie stand immer wieder auf, schüttelte sich und war danach eher stärker als vorher . Weder Angst noch Selbsthass hatte sich in ihre Seele gebrannt, wie er es bei so vielen Frauen erlebt hatte.Und sie schien niemanden zu brauchen ....blieb eingeschlossen in sich selbst, in ihrer eigenen Welt..........

Während Methos in Gedanken versunken mit langen, kräftigen Zügen Richtung Strand schwamm, wurde er plötzlich an den Beinen gepackt und in die Tiefe gezogen. Spielerisch wehrte er sich gegen Jeoffreys festen Griff er hatte allmählich genug vom Wasser. Er wollte sich am Strand von der Morgensonne aufwärmen und trocknen lassen ehe er seinen Tagesgeschäften nachgehen mußte. Als Jeoffrey nicht losließ, wehrte er sich stärker gegen die Umklammerung. War das noch Spiel ? Dann haßte er dieses Spiel!

"Methos hat recht" schoß es Jeoffey mit einem Mal durch dem Kopf."Sie liebt mich nicht. Und er hat es gesehen. Die ganze Zeit." Gemeinsam mit dieser Erkenntnis brach eine ernorme Wut aus Jeoffrey heraus. Er tauchte und packte Methos an den Beinen, zog ihn herab in die Tiefe. Er wollte diesen Mann bestrafen. Dafür, daß er Recht hatte. Und dafür, daß er, Jeoffrey, mit ansehen mußte, wie sich der Mann, den er als Freund kannte und achtete, im Kampf mit Sigrun in einen brutalen Schlächter verwandelte. Und er wollte sich selbst bestrafen - dafür, dass er diese Fremde liebte und ihretwegen diese Freundschaft aufs Spiel setzte.Je mehr sich Methos gegen seine Umklammerung wehrte, desto wütender hielt Jeoffrey ihn fest. Schmerz, Wut und Enttäuschung schienen ihm unbändige Kräfte zu geben..Sie sanken immer weiter herab, Methos in aufkommender Panik wild um sich schlagend,während Jeoffrey in seinerRaserei keine Luft mehr zu benötigen schien. <Er> würde wieder aufwachen nachdem er ertrunken war, aber Jeoffrey ... Methos drückte beide Daumen in Jeoffreys Augenhöhlen, bis er spürte, dass der Griff um seine Beine gelöst wurde und Jeoffreys Hände sich um seine schlossen. Mit einer letzten Anstrengung tauchte er auf und zerrte den halbertrunkenen Bretonen mit sich. Endlich spürte er Boden unter den Füsse, noch ein Stück weiter, ins flache Wasser. Dort lagen sie lange, aneinander geklammert wie Ertrinkende, <was wir ja gerade erst gewesen waren> , sie rangen nach Luft und versuchten wortlos, ihre Fassung wieder zu gewinnen. Jedes Wort wäre überflüssig gewesen, beide kannten die Gedanken des anderen und beiden war klar, dass nichts sich ändern würde.

Das zerstochene Hemd, dass Sigrun gestern getragen hatte, war noch feucht vom Waschen, aber es störte sie nicht. Wenigstens lag es griffbereit. Sie wollte keine Zeit verlieren.

Als die Männer nass und nachdenklich den Weg heraufkamen, erwartete Sigrun sie vor dem Tor.

"Was willst Du schon wieder? Geh essen und verdirb mir nicht die Laune."

Methos wollte sie mürrisch zur Seite schieben, aber Sigrun stand wie festgewachsen vor ihm rührte sich keinen Fußbreit .

"Ich will, dass Du mich von meinem Schwur befreist. ich habe genug gelernt und Du bist mich dann endlich los!"

"Gestern hatte ich nicht den Eindruck, dass Du genug gelernt hast." Der alte Unsterbliche legte den Kopf schief, streckte seine Hand aus und bohrte den Zeigefinger durch das Loch in ihrer Tunika, berührte die Haut unter dem Rippenbogen, wo sein Dolch die Wunde gerissen hatte.

Sie schlug seine Hand weg und antwortete"Das kann Dir nur recht sein. Sollte ich sterben, hättest Du den zweiten Teil meines Schwures nicht mehr zu fürchten."

"Fürchten....... ist wohl nicht das richtige Wort." sagte er mit einem herablassenden Lächeln. "Aber gut, es ist Dein Risiko. Ich gebe Dich frei. . Du kannst gehen, wann Du willst."

<Vielleicht wird dann mein romantischer Jeoffrey wieder Boden unter den Füßen bekommen. Und vielleicht verlierst Du dann bald Deinen Kopf ? >

Sie hatte nicht viel zu packen. Dann stieg sie die Treppe hinauf und betrat ohne Vorwarnung das Turmzimmer. Er saß auf dem Bett und rieb sein Schwert mit einem weichen ölgetränkten Tuch ab.

"Ich will meinen Schmuck zurückhaben!"

Ohne die Augen von seiner Beschäftigung zu heben, meinte er:"Du würdest ihn nicht lange tragen können. Tote brauchen keinen Schmuck."Und nach kurzer Pause ruckte ganz überraschend sein Kopf hoch und er sprach sie leise und mit deutlicher Betonung an:"Ich habe ihn Dir genommen, er ist mein Eigentum .....und bleibt es auch. Genauso wie Du mein Eigentum bist und bleibst .. "

"Ich? Das träumst Du! Meinen Schmuck hole ich mir schneller als Du denkst - und Deinen Kopf noch dazu.!

Als Sigrun die Tür hinter sich zuwarf, sprang er mit einem Fluch auf, griff er den Becher und zerschmetterte ihn an der Wand. Der nasse Fleck dort hatte auf einmal ein Gesicht und eine Stimme. Das hämische Lachen hallte in seinen Ohren.

"Du lernst es wohl nie, Bruder? "

 

Im Hof wartete Jeoffrey auf sie. "Ich reite mit Dir."

Sie wollte ihn nicht mitnehmen.Aber ein Blick in das Gesicht des Bretonen zeigte ihr, dass jeder Versuch, ihn zum Hierbleiben zu überreden, sinnlos war. Voller Bedauern dachte sie daran, was sie würde tun müssen. Verdammt, warum musstest Du Dich in mich verlieben?

Methos stand am Fenster und sah den beiden Reitern nach, bis sie unter den Bäumen verschwunden waren.

 

VIII.

 

Es war ein langer schweigsamer Ritt. Sigrun und Jeoffrey kämpften beide mit ihren Gefühlen und dem Wissen, dass durch Worte nichts zu ändern war. Bei Einbruch der Dunkelheit suchten sie sich einen geschützen Platz für die Nacht, einen bewachsenen, stark überhängenden Felsen, nicht weit von einem kleinen Bach entfernt. Der Rabe ließ sie nicht aus den Augen , verhielt sich aber unauffälllig. . Ob Jeoffrey gemerkt hatte, dass sie dem Vogel gefolgt war?

Schweigend versorgten sie die Pferde, schweigend aßen sie von ihren Vorräten und schweigend wickelten sie sich in ihre Mäntel.

Jeoffrey wollte sich wehren, er wollte aufwachen, denn er wusste, dass es ein Traum war. Aber es gelang ihm nicht, der Traum ließ ihn nicht los und erlaubte das Erwachen nicht. Der schwarze Vogel saß auf seiner Brust, die runden brennenden Augen hielten ihn fest und lösten langsam sein Bewußtsein auf, schmolzen seinen Willen wie Schnee in der Sonne.

Das Murmeln wurde lauter und brannte sich in sein Gedächtnis, die glühenden Zeichen waren ihm fremd, aber sie sagten ihm alles, was er wissen mußte.

Natürlich würde er alles tun, was ihm jetzt befohlen wurde. Er hatte ja keine Wahl und wusste es nicht mehr anders. Eine unbestimmte Trauer blieb zurück, aber der nagende Schmerz war endlich verschwunden.<

. Sigrun kannte die Runen, aber ihr Zauber hatte sich ihr kaum erschlossen und nur mit äußerster Konzentration war sie fähig, die Runen wirken zu lassen.

In dieser Nacht gelang es ihr. Als Jeoffrey schlief, schrieb sie die Zeichen über ihn und murmelte die uralten Worte, nicht nur, um Jeoffrey in festen Schlaf zu versetzen, sondern auch, um ihn zu heilen von der unmöglichen, naiven Liebe zu ihr.

Der Rabe zeigte ihr den Weg. Über ihr bildeten die Zweige und Blätter ein filigranes Muster,das sich schwarz gegen den nachtblauen Himmel abhob, einzelne bleiche Flecken Mondlicht erhellten den Waldboden und liessen die Umgebung nur noch dunkler erscheinen.

Der Vogel flog voraus, wartete auf Sigrun, dann breitete er seine schwarzen Schwingen aus und flog ein Stück weiter.

" Bist Du Hugin, Vogel, oder Munin, der Gedanke oder das Gedächtnis? Wohin führst Du mich ? Was kann Odin noch von mir wollen, nachdem er mich so verraten hat? Er hat keinen Anspruch mehr auf meine Treue."

Vom letzten Weiler aus, wo eine Köhlerfamilie sie aus grossen Augen ängstlich angestarrte , hatte sie den ältesten Jungen zu Jeoffrey geschickt. Er sollte den Mann, den er an der steingefassten Quelle schlafend finden würde, wecken und ihm eine Nachricht übergeben.

" Sag ihm nur, dass ich nichts bereue und er mir nicht folgen soll. Ich werde ihn nicht vergessen. "

" Ich glaube nicht, dass er es verstehen wird.." murmelte sie schwermütig vor sich hin.

Der ungeduldige Ruf des Raben forderte sie drängend und unmissverständlich.

zum Weiterreiten auf.

Am Ende des Weges wartete der Mann ihres Volkes unter den letzten Bäumen auf sie, griff nach den Zügeln ihres Pferdes und begrüsste sie:

" Dein Vater hat mich geschickt. Komm!"

Ihr Vater? Hegni? Sigrun musterte den Wikinger verstohlen und er gefiel ihr nicht sehr. Hegni war ein harter Mann, ja, aber dieser hier......nicht die Art Freunde, mit denen ihr Vater sonst Umgang hatte. Sie fühlte eine seltsame Ausstrahlung, die von dem Fremden ausging, ähnlich der, die ihrem Feind und Lehrer zu eigen war, nur viel blasser, schwächer, weniger eindeutig.

Methos hatte ihr gesagt, dass jeder Unsterbliche - also auch ich - ging ihr voller Staunen durch den Kopf, diejenigen erkennt, die einmal zu ihnen gehören würden. Sollte er, dieser Krieger mit den kalten blassblauen Augen, einmal unsterblich werden? Dann mögen die Götter allen gnädig sein, die diesem Mann in Zukunft begegnen würden.

Mich eingeschlossen? fragte sie sich.

Sie traten auf die Lichtung hinaus, links von ihnen öffnete sich die Landschaft zum Meer hin, zur Rechten standen die Hütten der kleinen Mönchsgemeinschaft, die Kirche, das Steinkreuz auf dem Hügel.

Der Anblick traf sie wie ein Ohrfeige, unvorbereitet und schockierend. Sigrun kannte diese Ansiedlung. Sie wusste, wie das Innere der Kirche aussah, wann die Mönche sich hier niedergelassen hatten und sogar den Namen des Priors kannte sie.......

 

***

 

" Ich habe das Meer hassen gelernt! "

In einer der wenigen Stunden, die nicht von gegenseitigem Lauern und Hass aufgeladen war wie die Luft vor einem Gewitter, hatte Methos ihr und Jeoffrey von seiner Reise mit den Mönchen erzählt. Es war ungefähr vierzig Jahre her.

Methos hatte dankbare Zuhörer . Die Mönche lauschten gebannt seinen Erzählungen von den uralten prächtigen Städten, von den Kriegen, den Heldentaten vergangener Zeiten. Vom Leben und Sterben der Könige und Kaiser und der einfachen Menschen. Städte und Könige, deren Namen sie nur aus der Bibel kannten und auch nicht hoffen durften, irgendwann kennenzulernen . Dabei dachte Methos mit heimlicher Belustigung an die Rollen, die er und andere seiner Art in diesen Geschichten gespielt hatten - und was daraus gemacht worden war.

Ja, der junge Gelehrte erzählte es oft ganz anders, als es in der Hl. Schrift als unverrückbare Wahrheit zu lesen stand.

Methos selbst fand es erstaunlich, sich so offen erzählen zu hören. Vor diesen Männern musste er nicht den Mund halten, hier konnte er vieles berichten, dass ihm manche Zeit auf der Seele gebrannt hatte und über das er doch hatte schweigen müssen. Auch wenn sie der Bibel mehr glaubten als ihm, aber er konnte es aussprechen und das war eine Erleichterung.

Mit einem der jüngsten Mönche hatte er sich angefreundet auf der langen Reise. Er hiess Winfried und war offen und arglos, einer, der von allen Menschen immer nur Gutes erwartete.. Er war an der irischen Küste aufgewachsen , ein guter Schwimmer - der einzige unter den Brüdern übrigens - ausdauernd und stark. Winfried glaubte ihm mehr als die anderen und fragte ihn bei jeder Gelegenheit aus, so dass der damalige Prior ihm an manchen Tagen völliges Schweigen befahl.

Wieder einmal hatten sie schwere See, und dass so kurz vor ihrem Ziel. Methos sah das Ruder führerlos hin und herschlagen, den Steuermann hatten die Kräfte verlassen. Er kämpfte sich zum Ruder durch und hatte es fast erreicht, als eine plötzliche Bö das Segel losriss und gegen ihn schleuderte. Das nasse schwere Tuch traf ihn mit genügend Kraft, um ihn uber die niedrige Reling ins Meer zu werfen.

Methos konnte schwimmen, aber nicht so ....in ein riesiges Stück Stoff gehüllt, dass sich vollgesog und ihn mit eisiger Unerbittlichkeit unter Wasser hielt.Er hatte schon viele verschiedene Todesarten erfahren, man hatte ihn erstochen, mit Steinen erschlagen, vergiftet, aber nichts von alldem kam dieser Agonie gleich.

Viele Male, wenn kein anderer Unsterblicher in der Nähe gewesen war, hatte er sich dem Schmerz überlassen, den Widerstand aufgegeben und hatte sich dem Tod hingegeben wie einem Geliebten.Durch das Loslassen und Akzeptieren hatte er das Sterben als leichter empfunden, obwohl es nie wirklich leicht war.

Er hatte versucht, sich Schmerz und Tod zum Freund zu machen.

Abe nicht diesen Tod, nicht das Ertrinken!

Alle verzweifelten Befreiungsversuche und Schwimmbewegungen

wurden von den nachgiebigen Tuch vereitelt, seine brennenden Augen suchten das Licht, sein Magen war ein verkrampfter Klumpen aus purer Angst, seine Lungen fühlten sich an, als ob sie platzen würden. Überall Wasser, zwischen Fingern und Zehen , um ihn herum, in ihm ,.

Der Sauerstoff in den Lungen war längst verbraucht, er konnte ihn nicht länger festhalten, er musste ausatmen und damit Platz machen für die salzige Kälte, die unaufhaltsam in Mund und Nase drang.

Die Wellen schleuderten ihn immer wieder in sein nasses Leichentuch, liessen ihm keine Chance. Seine Hände krampften sich in den Stoff und ein stummer Schrei wurde vom Wasser erstickt.

Es wird mich für immer festhalten, nie mehr loslassen!

Nicht, ich will nicht! Nein!!!

Winfried streifte die schwere Kutte ab, knotete mit fliegenden Fingern ein Tau um seine Brust, griff sich ein Messer und sprang. Mit der Gewandtheit eines Fischotters tauchte er in die meterhohen Wellen ein, tastete , suchte unter Wasser nach dem hellen Fleck des Segels. Viel zu spät fand er es und fühlte den schlaffen, nur vom Rythmus der Wellen bewegten Körper darunter.Von stummen Gebeten begleitet, schnitt er den Stoff auf, der ihm auszuweichen schien. Schnelle Bewegungen brachten ihn immer wieder an die Oberfläche, tief einatmen, wieder tauchen, weiterschneiden. Endlich, die Öffnung war gross genug, er konnte ihn packen, zog und zerrte bis er ihn befreit hatte. Nahm ihn mit ans Licht, in das andere Element, dass Leben möglich macht. Die Brüder an Bord zogen die beiden hoch, den Toten und den Lebenden.

Erst in der relativen Sicherheit des Bootes warf Winfried einen Blick auf das wachsbleiche Gesicht seines Freundes. Er sieht aus wie eine ertrunkene Ratte, schoss ihm durch den Kopf, und ich weiss, er ist tot, aber ich muss es versuchen. Der Junge wusste , was zu tun war, aber er tat es ohne jede Hoffnung. Seine Tränen mischten sich unbemerkt mit dem Salzwasser, dass noch immer über sein Gesicht lief.

Er legte seine Lippen fest auf die eiskalten bläulichen Lippen hielt ihm die Nase zu und versuchte, Luft in die mit Salzwasser gefüllten Lungen zu pressen. Viele Male. Der ältere Bruder hinter ihm nahm seinen Arm und wollte ihn von dem Toten wegziehen, "gib auf Winfried, er ist längst von uns gegangen."

als ein schwerer Krampf den Mann auf den Planken durchlief, die Augen sich weit öffneten und die darin flackernde Panik nur ganz langsam verblasste.

Methos nahm die Gesichter über sich wahr, er spürte den Wind auf seiner nassen Haut, kalt, aber so viel wärmer als die See und so beruhigend. Er hustete, spuckte, schluchzte, alles gleichzeitig, während sich die Gedanken in seinem Kopf überschlugen.

Himmel, er war mit dem entsetzlichen Gefühl gestorben, dort unten festgehalten zu werden und immer wieder aufwachen zu müssen, nur um erneut diesen Todeskampf durchzumachen . Immer wieder zu erwachen, in Panik und bald , sehr bald im Wahnsinn.

Er schluchzte einfach vor Erleichterung. Ihr Götter, wie gut zu atmen ..

Die Mönche glaubten an ein Wunder, denn das taten sie gern und oft. Winfried wusste es nicht, aber er hatte einen Freund für sein ganzes Leben gefunden. Sie blieben in Kontakt miteinander, auch als der älter gewordenen Winfried diese Gemeinschaft gründete. der Mönch fragte nie, warum Methos denn scheinbar nicht älter wurde. Er hatte ein Wunder an diesem Mann geschehen sehen, warum also nicht noch ein weiteres?

***

In der Hütte, die den Mönchen als Refektorium gedient hatte, saßen einige der Krieger Kanwulf´s und aßen. Sigrun und Kanwulf liessen sich in der Runde nieder und beteiligten sich hungrig.

" Wie hast Du mich gefunden? " fragte sie zwischen zwei Löffeln Grütze.

" Dein Vater hat die Runen werfen lassen. Er konnte mir ziemlich genaue Hinweise auf Deinen Aufenthaltsort geben. "

" Warum hat er Dich geschickt? Konnte er nicht selbst kommen? "

" Er hat einige Schwierigkeiten. Und ich war gerüstet für eine grosse Fahrt."

" Meine Begleiter hier sind jüngere Söhne ohne Land, die sich an fremden Küsten holen wollen, was sie brauchen."

Sigrun musterte die Männer am Tisch und begegnete manchem hungrigen Blick. Soso, jüngere Söhne, die ohne Erbe auskommen müssten? Das vertraute Äußere täuschte nur harmlose Beobachter, was sie gewiss nicht war. Nun ja, auf einen oder anderen mochte das zutreffen. Aber die meisten hier waren wohl Verbrecher, die vom Thing zur Verbannung verurteilt worden waren oder auf der Flucht vor Blutrache bei Kanwulf Unterschlupf gefunden hatten.

Die Verurteilung zum Exil war eine praktische Lösung, um die weniger nützlichen Mitglieder der Gesellschaft loszuwerden. Um diese Kerle unter Kontrolle zu halten, war ein harte Hand nötig, die dieser Fremde hier ohne Zweifel besaß. Sie schienen nichts auf der Welt zu fürchten - außer ihn, Kanwulf. Wenn sie hier bestehen wollte, würde sie ihm ihre Stärke von Anfang an zeigen müssen. Noch einmal das zu spielen, was sie solange für Wirklichkeit gehalten hatte, könnte jetzt sehr nützlich sein.

Nach dem Essen blieben Sigrun und Kanwulf allein zurück.

Sie stand auf und ging wie ein eingesperrtes Tier im Raum umher, hin und zurück.

" Du mußt mir helfen. Ich will einen bestimmten Mann haben, der meiner Rache nicht entgehen darf."

Kanwulf´´s berechnender Blick folgte ihr von einer Seite der Hütte zur anderen, immer wieder.

"Ich habe Dich gefunden, dafür hat mich Dein Vater bezahlt. Bei unserer Heimkehr kannst Du mit mir fahren, aber alles andere..."

Er machte eine lange Pause, stand auf und vertrat ihr den Weg.

"Wir machen ein Geschäft. Wenn Du ......mich bezahlst, helfe ich Dir bei Deiner Rache."

Er war gut einen halben Kopf grösser und sie musste zu ihm aufsehen. Seine Hände bewegten sich langsam und griffen nach ihrer Gürtelschnalle.

" Du kannst Dir denken, was ich will? Wir würden gut zusammen passen."

Er fühlte ihre Hände auf seinen, sie legten sich fast zärtlich um seine Recht e, ein fester, angenehmer Griff.. Dachte er, bis ein plötzlicher Ruck ihm die Hand so ins Gelenk drehte, daß er meinte, fallen zu müssen. Völlig gekrümmt und aus dem Gleichgewicht gebracht stand er da und hörte fast schon die Knochen brechen, als sie ihn losließ und von sich stieß. Kanwulf taumelte fluchend einige Schritte zurück und umklammerte sein Handgelenk.

" Verdammt, Du hast mir die Hand gebrochen!"

Sigrun lächelte ihn an und die Arroganz in ihrer Miene war nicht zu übersehen.

" Diesmal nicht, aber beim nächsten Versuch ist es nicht nur die Hand !. Wusstest Du nicht, dass Walküren nicht zu haben sind?

Also - Du willst ein Geschäft? Gut , wir machen ein Geschäft , aber ein anderes. Graf Eudo hat genug Gold in seiner Burg, um Dich zufrieden zu stellen. Der Prior hier lebt noch, habe ich gehört? Er kennt den Mann, den ich haben will . Laß ihn einen Brief schreiben......"

***

Sie betraten die kleine Holzkirche und blieben einen Moment stehen, um ihre Augen an das Halbdunkel zu gewöhnen. Der Duft der längst erloschenen Kerzen mischte sich mit dem Geruch des staubigen Strohs auf dem Lehmboden und dem der Angst, der deutlich erkennbar in der Luft lag.Die Pforte hinter ihnen stand offen und gegen die einfallenden Sonnenstrahlen hoben sich die Umrisse der beiden Wikinger scharf ab. Staubteilchen tanzten im schrägen Licht wie winzige Diamantsplitter. Den Bruchteil einer Sekunde leuchtend und schön, dann im Dunkel verschwindend und zu Staub werdend. Wie w ir, dachte Sigrun in einem Moment der Traurigkeit.

Von der gegenüberliegenden Wand aus beherrschte ein großes hölzernes Kreuz den Raum, dass sich jetzt zu bewegen schien und leises Stöhnen drang zu ihnen.

Kanwulf ging darauf zu und sah sehr zufrieden aus.

" Es muss doch ein bewegendes Gefühl für Dich sein, Prior, Deinem Gott so nahe zu sein. "

Er betrachtete den alten Mann genau und eine Art Neugier klang aus seiner Stimme. Bemerkenswert, welche Kraft ein so schwacher Gott , dieser Gott der Liebe, seinen Dienern zu verleihen schien. Dieser alte Mann hatte dem Sterben seiner "Söhne", wie er sie nannte, zugesehen, ohne die Mörder zu verfluchen, und sie waren nicht leicht gestorben. Am glücklichsten waren die Mönche gewesen, die versucht hatten, Widerstand zu leisten, denn sie waren auf der Stelle getötet worden, durch einen schnellen Axthieb oder Schwertstoss. Die anderen aber, bis auf einen übrigens, waren den Göttern des Nordens geopfert worden, so wie Kanwulf es oft und mit Vergnügen tat.

Der Prior war an das Holzkreuz gebunden, die Arme an den Querbalken befestigt. Schmerz, Durst und Kummer hatten ihr Werk getan und ihn so geschwächt, dass er nicht mehr weit von der Dunkelheit entfernt war, die für ihn keine Schrecken enthielt. Sein zerschlagenes Gesicht war angeschwollen, sodaß er kaum noch die Augen öffnen konnte und seine Kraft reichte nicht mehr aus, um ihn den Kopf heben zu lassen.

Der Krieger winkte Sigrun, näherzukommen.

" Schau, Tochter Odin´s, hier haben wir ein besonderes Opfer für IHN."

Sie verzog angewidert den Mund.

" Du weißt, wen ich will. Der hier interessiert mich nicht. Hilf mir und ich zeige Dir den Weg zur Burg des Grafen, der hier gebietet."

Kanwulf knurrte und er zeigte auf ein Kleiderbündel in der Ecke, dass sich als ganz junger Mönch entpuppte, noch fast ein Kind, angekettet an den Stützbalken. Die weiten ängstlichen Augen standen voller Tränen und das nasse schmutzige Gesicht zeigte, dass es nicht seine ersten Tränen waren. Er krümmte sich ihm Liegen ganz zusammen, als ob er Tritte oder Schläge erwarten würde und hoffte, ihnen so entgehen zu können.

" Aber ja, hier haben wir den Garanten dafür, dass der Prior einen Brief schreiben wird. Er ist gescheit, er kann schreiben. Und er wird, nicht wahr, Du frommer Mann? Weil sonst nämlich deinem kleinem Freund hier ein paar sehr unangenehme Sachen passieren werden. "

" Du bist Winfried, nicht wahr? " fragte Sigrun den Prior.

Und zu Kanwulf:

" Lass die beiden losmachen, ihnen Essen und Wasser bringen und behandele sie gut. "

" Du gibst mir doch nicht etwa Befehle, Frau?"

Sigrun´s eisiger Blick ließ ihn jedoch an der Klugheit seiner Worte zweifeln. Solchen Augen war er noch nie begegnet. Vielleicht .....stimmte es ja doch, was sie von sich behauptete?

" Was sonst? Du hast mich Odin´s Tochter genannt. Wo ich bin, befehle ich. Gewöhne Dich schnell daran! "

***

Sie waren noch nicht lange fort. Wieviele Tage? er zählte in Gedanken, ja sechs Tage waren inzwischen vergangen. Ihm kam es so lange vor. Er war der Einsamkeit so lange entwöhnt gewesen, dass er jetzt die Scherze und Kameradschaft Jeoffreys, sein unkompliziertes Wesen und die vertrauten Gespräche mit ihm schmerzlich vermisste. Und sogar diese Wikingerin vermisste er irgendwie, ihre bösartigen Spitzen im Gespräch, ihre Blicke im Rücken.......kein Selbstmitleid, alter Mann! Das kannst Du Dir nicht leisten. Gewöhne Dich wieder daran, das Alleinsein war solange Dein einziger Begleiter, Du kennst es, und genau so wird es eben jetzt wieder sein. Also akzeptiere es!

Es klopfte. " Eine Botschaft, Herr, von Prior Winfried."

Methos war mit einem Satz auf den Füssen und an der Tür.

" Gib her! "

Ungeduldig brach es das Siegel auf und entrollte das Pergament .Ein Brief von Winfried? Das kam sehr selten vor und ihm wurde plötzlich heiß.

Seltsam nichtssagend war der Text, Winfried bat ihn nur, sofort zu kommen - und allein.. Keine Begründung, nicht mal eine Andeutung. Was sollte das heißen?

Als er sich das runde, inzwischen von vielen Falten durchzogene , gutmütige Gesicht seines Freundes vorstellte, musste er lächeln. Na gut, auch wenn Du so geheimnisvoll tust, bei Dir geschieht nichts ohne Grund. Natürlich komme ich, wenn Du mich rufst.

" Sattle mein Pferd. Ich muß reiten!"

Ein ereignisloser Ritt durch Wald und menschenleeres Land lag hinter Methos ,als er die letzte nächtliche Rast einlegte. Besser am Morgen ankommen, wenn das beginnende Licht eine gute Übersicht erlauben würde, als in der alles verwischenden Abenddämmerung.

Er brach früh auf und hatte es nicht mehr weit. Dann , als er weit vorne erkennen konnte, dass die Bäume sich lichteten, ließ er sein Pferd zurück und näherte sich vorsichtig dem Waldrand. Es war immer besser, die Umgebung zu erkunden, , bevor man noch mit der Nase in ein Wespennest geraten konnte.

Er fühlte nichts, kein anderer Unsterblicher war in der Nähe.

Als er fast die Baumgrenze erreicht hatte, vernahm er ein Rascheln von oben, ein Surren und hob irritiert den Kopf. Welches Tier.......? Im Reflex riss er schützend die Arme über den Kopf und wollte sich mit einem Sprung zur Seite in Sicherheit bringen, aber das geschleuderte Netz war schneller. Es legte sich schwer und zäh um ihn, riss ihn nieder, zog sich um ihn zusammen und verhinderte jede Gegenwehr. Unmöglich, das Schwert zu ziehen und mit jeder Bewegung verstrickte er sich noch mehr in dem engmaschigen Gewebe, wie im Netz einer Spinne.

Die Männer kletterten und sprangen von den Bäumen, näherten sich recht vorsichtig und griffen dannTeile des Netzes, um es noch enger um ihn zu wickeln und ihn so mit sich zu zerren. Keiner antwortete auf seine Proteste, sie beachteten ihn nur soweit, als sie ihn unbeirrbar hinter sich her zogen, aus dem Wald auf das Grasland und in Richtung des Strandes. Jeder Knochen schmerzte und viele blutige Schürfwunden zogen sich über seinen Körper hin, am schlimmsten aber war die ohnmächtige Wut, die ihn gepackt hatte.

***

Großartig! Er hatte sich fangen lassen wie man einen Fisch fängt, in einem Netz, ohne Kampf, ohne jede Chance!

Wenn er sich die Kerle ansah, die ihn auf der langen Seekiste festbanden, wusste er ziemlich genau, wem er das zu verdanken hatte. Die Seekiste befand sich sicher verankert auf Deck eines Drachenschiffes und diente sonst als Ruderbank. Jetzt lag er rücklings darauf, die Arme seitlich über den Kopf an die Reling gebunden, die Füße zu beiden Seiten der Kiste auf den Planken festgezurrt . Sie hatten alles für einen Gefangenen vorbereitet.

Die Männer sprachen nicht, weder mit ihm noch untereinander. Und dann gingen sie einfach und ließen ihn hier liegen. Gefesselt, hilflos, allein - mit seiner Wut.

Die Sonne stieg mit der Kraft des Mittsommers, hatte den Zenit längst überschritten und noch immer kam >sie< nicht. Seit Stunden lag er hier, unfähig , sich zu bewegen, alleingelassen mit dem Durst, der Sonnenglut, den schmerzenden Fesseln . In der Erwartung, Sigrun wiederzusehen, die ihre Rache geniessen würde - und in dem Bewußtsein, dass wer auch immer Lust dazu hatte, ihm ganz einfach den Kopf abschlagen könnte.

Dass <sie> nicht kam, niemand kam, zerrte an seinen Nerven .

Und doch fühlte er nach einer Weile, dass Augen auf ihm ruhten, durchdringende intensive Augen, die fast körperlich spürbar waren. Trotz der Hitze lief ihm ein Schauer über die Haut und er versuchte, seinen Beobachter ausfindig zu machen. Kein Mensch war zu sehen - nein, kein Mensch. Aber dieser schwarze Vogel saß hoch oben auf der Mastspitze und fixierte ihn durchdringend. Methos war nicht abergläubisch , er hatte schon lange den Glauben an Magie und übernatürliche Kräfte aufgegeben, aber der Blick dieses Vogels .........es schien, als ob er Verstand hätte. Er hatte den Kopf schiefgelegt und die starren gelben Augen musterten ihn belustigt, schadenfroh und irgendwie - erwartungsvoll. Gelbe Augen? Haben Raben gelbe Augen? Dann breitete das Tier die Schwingen aus, flog direkt auf ihn zu und landete schwer auf seiner Brust. Die Krallen gruben sich in seine Haut und Methos zuckte vor Schreck und Schmerz zusammen und schrie leise auf. Das durfte einfach nicht wahr sein! Dieses.....Tier greift mich an.Er hatte schon so oft in seinem Leben die Raben auf den Leichen der Erschlagenen sitzen sehen und wußte, was solche Schnäbel und Krallen ausrichten konnten. Aber niemals hatte er gesehen , dass Raben die Lebenden angreifen oder sich ihnen auch nur nähern.

" Aber Du bist doch schon tot , weißt Du das denn nicht ?"

Die Worte formten sich in seinen Gedanken und doch waren es nicht seine Worte. Im selben Moment wußte er, dass der Rabe zu ihm gesprochen hatte und das Entsetzen kroch kalt in ihm hoch. Er starrte in die runden Augen und fühlte, wie er , sein Wille, sein Mut und seine Kraft, sich langsam darin auflöste. Erst ein neuer scharfer Schmerz ließ ihn wieder zu sich kommen , derVogel stieß sich von seinem Körper ab , schwang sich beinah plump in die Luft und flog mit einem Schrei davon, der wie ein höhnisches Lachen klang. Aufatmend ließ Methos den Kopf zur Seite rollen, schloß einen Moment die Augen und versuchte den Schock zu überwinden, den ihm die Attacke dieses Wesens versetzt hatte.

Methos stöhnte leise, als ihn der Buzz erreichte und er wusste nicht einmal, ob aus Angst, Erschöpfung oder Erleichterung darüber, dass sie jetzt endlich kam. Dann hörte er die Schritte auf der Laufplanke und - da war noch etwas. Ein blasses Fühlen . Sie betraten das Schiff, Sigrun, und ja , eindeutig ein Anführer und zwei Krieger, die ein rauchendes Kohlebecken zwischen sich trugen. Sie stellten es dicht an die Bordwand, nicht weit entfernt von ihm. Methos bemerkte es kaum, denn seine Aufmerksamkeit war auf den Mann neben Sigrun gerichtet..

Dieser Kerl mit dem grausamen Zug um den Mund, von dem das vage Strahlen ausging - ob er es weiß? Hast Du es ihm gesagt, Du Biest?

Das alles kam ihm so unwirklich vor. Er hatte schon kriegerische Frauen gekannt, sogar ein ganzes Volk davon. Der Trojanische Krieg kam ihm in den Sinn, wo er die Amazonen und ihre Königin, die wirklich erstaunliche Penthesilea, getroffen hatte. Aber keine Sterbliche und auch keine Frau seiner Art hatte er jemals als Bedrohung empfunden.

Während seiner Zeit bei den Reitern hatte er sie rücksichtslos benutzt - und dann weggeworfen. Bestenfalls waren sie angenehm, nützlich, unterhaltend für ihn gewesen. Was ihnen nätürlich nicht das Leben gerettet hatte.

Später dann, als er sich langsam veränderte, sein Geist mehr suchte als Gewalt und Tod, hatte er langsam gelernt zu lieben, zögernd , tastend , oft in Gedanken neben sich stehend und seinen eigenen Zustand zynisch kommentierend .

Aber keine Frau war ihm jemals als echte Bedrohung erschienen. Erst diese hier, ausgestattet mit der moralischen Bedenkenlosigkeit ihres Volkes, ohne Skrupel oder Schuldgefühle, wie sie die Christen so kultivierten, dafür mit einem eigenartigen Sendungsbewußtsein, dass sie immer noch nicht völlig eingebüßt hatte - sie vermittelte ihm jetzt dieses Gefühl.

Es war dieses Gefühl gewesen, dass ihn in den letzten Monaten brutal und bösartig hatte agieren lassen, dass seine archaischen Instinkte geweckt hatte. Mach ihr Angst, zeige ihr, dass Du besser bist, beherrsche sie - dann ist sie keine Gefahr mehr.

Du hättest sie gleich töten sollen, aber das wäre ja langweilig gewesen, nicht? Du wolltest erst noch ein bisschen spielen, Deinen Spaß haben. Du wolltest sie manipulieren und sehen, wo ihre Grenzen liegen, wie sie reagieren würde.

Jetzt weißt Du es!

Zufrieden?

Schon einmal hatte sie ihre Klinge an seinen Hals gelegt. Diesmal - war ihre Chance ungleich besser.

Sigrun und der Fremde standen neben ihm, sie betrachtete ihn von oben bis unten , ohne erkennbaren Ausdruck, aber sehr genau und forschend.

"So gefällst Du mir , Methos. Du solltest Dich so sehen. "

Die Augen des Wikingers neben Sigrun wanderten prüfend zwischen ihnen hin und her. Er spürte, dass da mehr zwischen diesen beiden war - und er versuchte es zu ergründen. Vielleicht könnte dieses Wissen ihm eines Tages nützlich sein?

"Ist das wirklich der, den Du haben wolltest? Ich hatte ihn mir anders, gefährlicher vorgestellt."

Sigrun lacht kurz auf.

"Oh, aber das ist er! Lass Dich nicht täuschen. Das mussten viele mit dem Leben bezahlen.

Und jetzt lass uns allein."

Sie wartete, bis die drei das Schiff verlassen hatten.

Sigrun schwieg lange, stand mit verschränkten Armen da und sah ihn nur an.. So lange mußte ich warten, aber jetzt gehörst Du mir. Du bist hilflos, wie ich es war. Sie werden lachen , wenn Du schreist und niemand wird Dir helfen.....

Sie hatte sich diesen Moment so oft ausgemalt, in ihren ruhelosen Nächten genauso wie in den immer wiederkehrenden Träumen, und doch war es jetzt anders. Weder der Triumph noch die Genugtuung, die sie erwartet hatte, wollten sich einstellen, sondern eher eine beängstigende Leere,eine Art von Betäubung, sogar Bedauern, die sich immer mehr ausbreitete. Viele Monate hatte sie auf diese Rache hin gelebt, darauf ihre Pläne ausgerichtet. Und wenn diese Rache vollzogen war? Was dann? Entweder war auch sie tot, getötet durch sein Quickening,, oder .......nein! Das ist falsch! Nicht weiter denken! Tu etwas!

Sie beugte sich über ihn und strich fast zärtlich über sein Gesicht.

" Nun, mein Lehrer, manche Fehler macht man nur einmal. Wenn Du mir damals den Kopf genommen hättest........"

Er sollte die Ruhe bewahren und sie bei Laune halten, er sollte alles tun, um sie abzulenken und nichts, um ihre Wut zu entfachen.Und doch lief ihm das Mundwerk davon, ließ ihn die Sorge um seinen Freund alle Vernunft vergessen und er knurrte sie an:

"Du hast recht. Das hätte ich tun sollen. Ganz langsam, dann hätte es sich für mich und Dich gelohnt. Und Jeoffrey wäre davor bewahrt worden, sich in eine Hure zu verlieben, die ihn von Anfang an belogen hat."

Der harte Schlag ins Gesicht traf ihn ohne jede Vorwarnung .

"Du bist gar nicht nett. Solche Worte in Deiner Lage.....wie kannst Du nur so unklug sein. "

Sie legte den Kopf schief und hob die Augenbrauen, wie er es so oft tat , lächelte und zog ihren Dolch.

Methos versuchte das Ding zu ignorieren und stellte seine Frage hastig und drängend, denn viel Zeit blieb ihm nicht mehr.

"Was hast Du mit Jeoffrey gemacht? Wo ist er? "

Sigrun nahm die Angst und Verzweiflung in seiner Stimme wahr und es berührte sie eigenartig, dass diese Angst einem anderen galt und nicht ihm, der selbst in aussichtsloser Lage war.

Und dennoch sagte sie ihm nicht alles, versteckte die Wahrheit hinter einem kalten Lächeln.

"Ich habe viele Möglichkeiten, mich eines Menschen zu entledigen. Aber jetzt sollten wir uns auf Dich konzentrieren."

Als sich ihre bewaffnete Hand näherte, schob er die Angst um Jeoffrey beiseite , Wut und Schmerzen verblassten. Mit den Augen verfolgte er die langsame Bewegung der Klinge, die sich seinem Hals unaufhaltsam näherte. Aber nein, so schnell würde sie nicht zum Ende kommen. . Er wußte , dass Frauen grausam sein konnten, >oh ja, diese Eigenschaft war ganz gewiss nicht den Männern alleine vorbehalten< , nur hatte er es noch nie am eigenen Leib erfahren. Verdammt, man lernt eben nie aus!

Die Klinge streifte seine Haut, senkte sich in den Halsauschnitt und zog eine Linie bis zum Gürtel, zerschnitt dann sein Hemd über den Schultern,. Sie war nicht sehr vorsichtig und das scharfe Metall hinterließ deutliche rote Linien in seiner Haut. Der Stoff fiel von ihm ab und legte seinen Oberkörper frei.. Sigrun´s andere Hand strich über die Innenseiten seiner Arme , dann über seinen Brustkorb, glitt an den Rippenbögen entlang und weiter zu seinem flachen Bauch. Es kostete ihn Überwindung, unter diesem Blick und dieser Berührung still zu liegen und nicht zu versuchen, sich ihr zu entziehen. In Gedanken murmelte er Flüche und Schimpfworte in fast vergessenen Sprachen vor sich hin., konzentrierte sich auf die seltsam geformte Wolke , die gerade an der Mastspitze vorbeizog , und hielt still, so gut er es vermochte. Er wollte ihr nicht die Freude machen, ihn zappeln zu sehen wie einen Fisch auf dem Trockenen.

Ihre Hand ruhte leicht auf seiner Magengrube, sie fühlte seinen Herzschlag, schnell und kräftig, während sie zögerte. Kanwulf und seine Horde würde bald wieder auftauchen und das Spiel mitbestimmen wollen. Nein, den Rest seiner Kleidung würde sie unbeschädigt lassen. Sie würde ihn foltern und endlich töten, aber dennoch ....brachte sie es sich nicht über sich, ihn diesem Abschaum so völlig würdelos zu präsentieren.

Auch so würde er genug leiden.

" Deine Haut fühlt sich gut an. Schade, dass ich sie nicht so lassen kann, wie sie ist. Kennst Du die Runen? "

Damit schnitt sie tief in seine Haut unterhalb des linken Schlüsselbeines, einen langen senkrechten Schnitt, schräg gekreuzt von einem kurzen waagrechten. Schnitt.

Keuchend atmete er aus und stemmte sich in sinnlosem Aufbäumen gegen die Fesseln.

" Das ist naudiz, diese Rune steht für die Not oder die Unfreiheit. Du bist in Not, und Du bist nicht frei."

Sie hob ihre Stimme nicht, sondern sprach leise und beinah mitfühlend zu ihm. Sie beobachtete ihn sehr genau, registrierte mit einem leichten Lächeln um die Augen die Anzeichen des Schmerzes in seinem Gesicht, die verkrampften Kiefermuskeln, die Anspannung seines ganzen Körpers.

Während diese Wunde zu heilen begann und die Energie seiner Unsterblichkeit winzige leuchtende Spuren über die klaffenden Schnitte zog, senkte sich die Spitze des Dolches in seine andere Brustseite. , zeichnete dort zwei tiefe senkrechte Striche, verbunden mit einem Schrägstrich.

" Diese hier steht für das Verderben. Und Du wirst hier verderben."

Die tiefen Schnitte brannten teuflisch und seine Brust hob und senkte sich immer angespannter und schneller .Die schweißnassen Haare klebten an seiner Haut und blinzelnd versuchte er einige Schweißtropfen daran zu hindern, ihm in die Augen zu laufen.

Diesmal kann ich mich nicht herausreden, es gibt nichts, womit ich sie ködern könnte, kein Geheimnis, dass ich ihr verraten , kein Versprechen, mit dem ich sie locken könnte im Austausch gegen meine Freiheit. Nichts, was sie von mir will, außer........ das ich leide und sterbe. Und es sieht ganz so aus, als würde ich ihr den Gefallen tun müssen.

Zu Schmerz und Wut gesellte sich in zunehmendem Maße die Furcht, oder eher die Gewissheit, diesmal keinen Ausweg zu finden, sondern hier hilflos wie ein Tier geschlachtet zu werden.

Ihre sanfte Stimme riss ihn aus seinen Gedanken.

" Du solltest versuchen, Dich zu entspannen. Dann ist es leichter. Wieviel hälst Du wohl aus? Welche Schmerzen kannst Du ertragen, ohne zu schreien und um Gnade zu betteln? Ich denke, wir werden es gemeinsam herausfinden ."

< nicht mehr viel, wenn Du so weitermachst, verdammtes Biest. >

Dann konnte er keinen klaren Gedanken mehr fassen, der wahnsinnige Schmerz ballte sich in seinem Gehirn und löschte alles andere aus. Es gab keine Beherrschung mehr, keine andere Wirklichkeit als das Feuer auf seiner Brust, die schwere glühende Kette, die Sigrun auf seinen Körper hatte fallen lassen.

Er hörte seine Schreie und konnte nichts dagegen tun - und es war ihm auch egal. Was zählte , war das glühende Eisen , dass sich in seine Haut fraß und ihn zu einem leidenden Tier machte, ohne Stolz, ohne Bewußtsein, bestehend aus purem Schmerz.

Hätte sie ihm jetzt eine Frage gestellt, er hätte alles gesagt, alles verraten, alles gestanden.

Aber sie fragte nicht. Alles was sie wissen musste, glaubte sie zu wiseen.

Sie beobachtete nur.

Und endlich nahm sie die Kette mit der Schwertspitze auf und warf sie zurück in das Kohlebecken. Es dauerte eine ganze Weile, bis Methos wahrnahm, dass die Heilung einsetzte und der Schmerz langsam , in Wellen verebbte. Er wurde still und sein Blick klärte sich, als er Sigrun mit den Augen suchte und sie dort stehen sah, den Rücken ihm zugewandt, den Kopf gesenkt und scheinbar auf ihr Schwert gestützt.

Der Holz-und Salzgeruch des Schiffes wurde überlagert vom Geruch der verbrannten Haut, des verkohlten Fleisches und Sigrun fühlte sich auf einmal gar nicht mehr gut. Sie merkte, dass ihre Hände und Beine zitterten und feiner Schweiß ihren Körper überzog. Was sollte das? Früher hatten sie weder dieser Geruch noch die Schreie besonders gestört, es war immer wieder vorgekommen, dass einige der Überfallenen „überzeugt „ werden mussten etwas zu verraten oder in den Hütten und Kirchen verbrannt waren. Woher also diese Anwandlung von Schwäche? Er darf es nicht merken.

Tief atmend ließ sie ihr Gesicht von dem aufkommenden Wind trocknen, der den reinen Geruch des Meeres mit sich brachte und das bevorstehende Ende dieses Tages ankündigte. Die Sonne stand schon weit im Westen . Nur noch kurze Zeit, dann würde Kanwulf zurückkehren.

****

 

Sie brachten den alten Mann und den Knaben, zerrten sie zum Mast und fesselten sie dort so, dass sie mit dem Gesicht zum Holz standen. Beiden wurden die braunen Kutten am Rücken aufgerissen, dann traten die Nordmänner zurück und beschränkten sich aufs Beobachten. Kanwulf fehlte noch, also würden sie sich noch etwas gedulden müssen.

Winfried redete leise auf den Jungen ein, versuchte ihn zu beruhigen und dann, als sein Schluchzen verstummt war, betete er flüsternd mit ihm.

NEIN! Bitte nicht , nicht das!

Methos stöhnte verzweifelt auf. Winfried, alter Freund, ich hatte gehofft, Du wärst schon tot, getötet beim Angriff, ohne Quälerei. Aber jetzt werden sie es Dir schwermachen. Und dem halben Kind neben Dir auch.

Es tut mir so leid.

Sein gehetzter Blick traf Sigrun´s Augen. Er las nicht die Befriedigung in ihnen, die er erwartet hatte .

" Du wolltest mich und Du hast mich. Lass die beiden frei, sie haben Dir nichts getan. Sie haben niemals etwas Böses getan!"

Leicht bedauernd zuckte sie die Schultern.

" Sie gehören Kanwulf. Es ist völlig unwichtig, was sie getan haben oder nicht . Sie werden den Göttern geopfert. "

Er schluckte hart, Mund und Kehle waren völlig ausgetrocknet.

" Das ..... das kannst Du nicht zulassen! Du bist nicht..........so!

Ich bitte nicht für mich, aber für sie bitte ich Dich!"

" Wie kommst Du nur dazu, ausgerechnet von mir einen Gefallen zu erbitten."

Sie wandte sich ab, stützte die Arme auf die Reling und starrte aufs Meer hinaus. Methos drehte den Kopf so weit es ging und versuchte ihre Gedanken zu erraten.

Dann drehte sie sich mit einem Ruck zu ihm,

" Wie unpraktisch, Deine Gefühle. Es tut Dir weh, sie leiden zu sehen? Du bist solche Schmerzen nicht gewöhnt. Wenn Du ihnen helfen könntest, würdest Du es tun?"

Es schnürte ihm die Kehle zu, seinen alten Freund und den Jungen so zu sehn und er konnte nur nicken.

Ja, Du verdammtes Biest, Du kennst meine schwache Stelle. Meine Freunde! Kronos hatte recht, ich darf nicht lieben oder meine Freundschaft verschenken. Für sie alle bedeutet es heute wie in all den Jahrhunderten vorher nur eines: Leid und Tod meinetwegen.

" Dann höre meinen Vorschlag."

Sie beugte sich über ihn und sprach leise in sein Ohr:

" Ich lasse Dich um ihr Leben kämpfen! 2 Leben - gegen zwei von seinen Männern.

Solltest Du siegen, werden sie bis zu unserem Abzug gefangengehalten, gut behandelt und dann freigelassen.

Verlierst Du.....darfst Du ihrem Opfertod zusehen und........"

Sigrun beobachtete zufrieden, wie sich seine Armmuskeln spannten und die Fäuste ballten., als wollte er sie dazwischen zerquetschen. Sei sicher Methos, es hält! . Genau so habe ich an den Ketten gezerrt, ich weiß es noch zu gut.

" Was, und? Sprich weiter!"

" Und ich werfe Dich diesen Wölfen zum Fraß vor."

Sie deutet mit einer knappen Bewegung des Kopfes auf die Krieger, die abwartend im Vorschiff standen und ihnen interessiert zusahen.

Ihr Mund legte sich auf seinen, sie küßte ihn und als er den Kopf wegdrehte und sich ihr entziehen wollte, biss sie ihn heftig in die Unterlippe.

Er zuckte zur Seite und ihr Flüstern drang gerade noch bis zu ihm.

" Schau nur, diese hungrigen Blicke! Sie können mich nicht haben, denn sie fürchten mich. Für sie bin ich immer noch die Botin der Götter. Aber Dich - könnten sie haben.Und sie wissen durchaus , was sich mit gutgebauten Männern anfangen läßt, glaube mir. Lange Seereisen ohne Frauen können sehr lehrreich sein.

Und dann erst schicke ich Dich nach Niflheim.."

Mit zwei Fingern nahm sie die wenigen Blutstropfen von seinen Lippen und leckte sie ab.

" Ich habe mich manchmal gefragt, wie Dein Blut schmeckt. Gar nicht so anders wie das der anderen, die ich habe verbluten lassen. Sie sind gestorben und genau das wirst Du auch tun."

" Wenn ich kämpfe und siege -- was geschieht dann mit mir?"

" Dann gehörst Du immer noch mir. Aber ich schütze Dich vor den Wölfen."

 

IX.

 


Methos versuchte die ängstlichen Blicke seiner Mitgefangenen zu ignorieren und konzentrierte sich auf die Schreie der Wikinger um ihn herum. Keineswegs Musik in seinen Ohren, sondern wild und drohend, voller Ungeduld, unterlegt von den metallisch dröhnenden Schlägen der Waffen auf den Schilden, und einem anderen Mann hätte die Furcht längst den Verstand getrübt, aber wenigstens durchdrangen diese Schreie seine Seele nicht so schmerzhaft wie die Blicke des halben Kindes neben Winfried. Jetzt war nicht die Zeit für Verzweiflung, für Sorge , Mutlosigkeit und Angst. Nicht mal die Zeit für Mitleid.

Methos stand aufrecht zwischen zwei Kriegern, die ihn bewegungslos hielten, nachdem die Fesseln gefallen waren und betrachtete mit schiefgelegtem Kopf und zynischen Augen die Frau vor ihm. Ihm blieb nicht mehr viel Zeit, um seine Kraft für den bevorstehenden Kampf zu sammeln, der bereits beschlossenen Sache war, obwohl der Mann mit der Axt nicht sehr zufrieden damit zu sein schien.

Sigrun konnte eindrucksvoll aussehen, wenn sie wollte, und in diesem Moment wollte sie es. Das helle Wams wurde von einem breiten Gürtel gehalten und ließ die schlanken Arme mit den breiten Ledermanschetten um die Handgelenke frei.

In der Hand hielt sie den Dolch, der vor kurzer Zeit die Runen in seine Brust geschnitten hatte  und ihre Augen waren mit eisgrauer Kälte auf Kanwulf gerichtet. Auf ihrer Stirn und den Wangen hatte sie
magische Zeichen angebracht, für Methos unverständlich, mit seinem Blut geschrieben.

In einem Ton, der keinen Widerspruch duldete und alle anderen ringsumher verstummen ließ, sprach sie zu Kanwulf:

"Du wirst Deine Opfer für Odin bekommen, vertrau mir! Wer von euch noch an mir zweifelt, dem
werde ich beweisen, wer ich bin."

Mit einem langsamen tiefen Schnitt zog sie die Klinge von ihrer linken Schulter durch die Muskeln des
Oberarmes bis zum Unterarm . Das Blut lief über ihre geballte Faust, tropfte auf die Planken des
Drachenschiffes und hinterließ dort eine Lache. Sie lächelte immer noch und ließ nicht zu, dass Kanwulf ihrem Blick entkam. Und als die winzigen Energieentladungen über die Wunde zuckten, während sie sich schnell zu schließen begann, wich die wilde Horde zurück , scharfes Atmen und Flüstern setzte sich von einem zum andern fort. Nur Kanwulf regte sich nicht und starrte sie aus hellblauen Augen grimmig an. Dieses Weib entzog sich seiner Kontrolle, entschied und bestimmte, als sei sie die Herrin hier. Nun, das werden wir noch sehen.

Sie schob den Dolch zurück in den Gürtel, streifte mit der rechten Hand das Blut von ihrem Arm , um die geheilte Haut darunter um Vorschein zu bringen, und presste den Handballen auf die Brust ihres Feindes.

"Meine Macht stammt von den Göttern! Für die Dauer dieses Kampfes lasse ich Dich teilhaben daran,
damit der Einäugige nicht zu früh um sein Opfer gebracht wird. . So schnell wie meine Verletzungen heilen, so schnell werden auch die heilen, die Du während dieses Kampfes empfängst."

Seine Augenbrauen hoben sich und amüsierte Anerkennung sprach aus seinem Blick. Jeder der beiden
konnte die Gedanken des anderen "hören".

>Gar nicht schlecht, ich habe mich schon gefragt, wie Du ihnen das erklären willst.<

> Pech für Dich Methos. hast Du etwa gedacht, ich lasse Dir diesen Trumpf? Es wäre doch zu.......
unangenehm, wenn sie Dich für den Gesandten aus Asgard halten würden< 

Seine Augen richteten sich in die Ferne, für einige lange Atemzüge verloren die Menschen,, die
Geschehnisse um ihn herum alle Lebendigkeit, sie wurden zu Schatten und versanken im Studel der Zeit.Alles, was wichtig und lebendig war, lag weit zurück - Jahrtausende weit - und sein Wille legte jetzt diesen Weg zurück, um > ihn< aufzuwecken. Es war nicht wie die anderen Male, als er dem dunklen Drängen nachgeben musste, als er von >ihm< nach sinnlosem Ringen überwältigt worden war. 

Diesmal - nicht.

Er fand ihn dort, in der Vergangenheit und er rief > ihn< herbei mit den uralten Worten der Schwertbrüder, fühlte wieder, was ihn damals durchdrungen und berauscht hatte, als er nichts konnte als Töten - und gut darin war.  

> Fühle es! Die Freiheit! Die Macht! Ihre Waffen, ihre Götter sind nutzlos gegen Dich!< 

Der Dämon im tiefsten Dunkel seiner Seele streckte und schüttelte sich , erhob sein maskiertes Gesicht, dessen Anblick so wenige überlebt hatten, und er fühlte sich willkommen. Seine Kälte und Grausamkeit breitet sich in diesem - seinem - Körper aus, er erfüllte den scharfen Geist mit flüssigem Eis und ergriff triumphierend Besitz von ihm..





****

Es war eindeutig derselbe Mann - warum nur wirkte er so anders, als er in dem sandigen Kreis stand und seine beiden Gegner musterte? Seine Augen waren schmaler als sonst, seine undurchdringliche Miene strahlte Ruhe und absolute Sicherheit aus - und Lust, dachte Sigrun, ja, Lust am Töten. Dieses Gefühl kannte sie selbst sehr gut.

Ein kalter Hauch schien von ihm auszugehen, umgab ihn kaum sichtbar mit einer blauschimmernden
Aura. So hatte es sich damals angefühlt, als sie eines nebligen Morgens einen riesigen grauen Schatten
neben der Reling ihres Drachenschiffes hatte auftauchen sehen, so nah, dass die ausgefahrenen Ruder ihn berühren konnten und er im lautlosen Vorbeigleiten seine Kälte in die Knochen und Herzen der Menschen gesandt hatte, als sei er ein Bote aus Niflheim. 

Nicht nur Sigrun spürte die Veränderung, aber sie am deutlichsten, war sie diesem &bdquo;Anderen" doch schon begegnet und erkannte ihn jetzt wieder. Sie sah in die Runde und viele der Krieger wirkten stiller als sonst und zogen fröstelnd die Schultern zusammen.

Der Platz wurde auf einer Seite vom Wald begrenzt, bot nach Westen einen Ausblick aufs Meer, wo auch das auf den Strand gezogene Schiff der Nordmänner wartete .

Nach Osten zu standen die Hütten der Mönchsgemeinschaft . Winfried und der Novize waren mit
ausgestreckten Armen zwischen je zwei Bäumen gefesselt, die Wikinger standen rund um den Kampfplatz, dicht gedrängt und wachsam, um jeden Gedanken an Flucht, der dem Fremden etwa kommen mochte, von Anfang an auszumerzen.

Kanwulf und Sigrun standen neben den Mönchen, dicht zusammen , einander belauernd, aufmerksam. 

Provinz Syria, Damaskus, im Jahre 51 a.D.

> Die Menge auf den Rängen tobte. Sie wollte Blut sehen. Am liebsten seines. Das Blut des Fremden, der spielerisch leicht und in kürzester Zeit das Wohlwollen des Prokurators und reiche Güter
errungen hatte. Mehr war nicht nötig, um Hass und Neid wachsen zu lassen. 

Er war nicht wachsam genug gewesen und nicht schnell genug, ein Fehler, der ihm noch nie unterlaufen war. Die römische Lebensart der gehobenen Schicht, besonders hier in diesem Teil des Imperiums, machte bequem, schläfrig und leichtsinnig. Dass sie auch Intriganten und Denunzianten förderlich war,wusste man sehr gut in dieser Stadt, die schon soviele Herren hatte kommen und gehen sehen. Man hatte den Prokurator "überzeugt", dass sein geschätzter Ratgeber und Stratege kein Freund Roms sei, hatte ihm zu verstehen gegeben, dass, wenn diese Tatsache dem göttlichen Kaiser zu Ohren kommen sollte............. Eine entsetzliche Anklage, auf die es nur ein Urteil geben konnte.

Tod in der Arena.

Der sich in diesen Tagen Arkadios nannte, wischte sich den Schweiß von der Stirn und sah hinauf zur Loge, in der sein ehemaliger Gönner mit den Damen und seinem Stab Platz genommen hatte. Wer ist wohl schlimmer dran, ich hier unten oder der Kerl ohne Rückgrad dort oben, der nie in seinem Leben dieser erbärmlichen Angst entkommen würde? Ein kaltes Lächeln huschte über das hagere Gesicht. Er war entschlossen zu überleben! <


***

Sand unter seinen nackten Füssen, zwischen seinen Zehen - und zwei Gegner, so wie damals im Circus. Er würde dieselbe Taktik anwenden - und überleben..

Seine beiden Gegner schritten auf und ab, scherzten mit den Umstehenden und riefen ihm die seltsamsten Beleidigungen zu. 

> Nun, wenigstens darin sind sie phantasievoll.< amüsierte er sich .

Das ihm zugedachte Schwert steckte drei Schritte vor ihm im Sand. Wenn er versuchen würde, vor dem Zeichen Kanwulfs danach zu greifen, wäre der Pfeil gewiss schneller, den einer der Krieger schon auf die Sehne gelegt hatte. Nein, nach einem Dolch als zweite Waffe hatte er nicht gefragt. Einer der beiden Kämpfer war eine auffallende Gestalt, die rotbraunen Haare standen ihm um den Kopf wie die Mähne eines Löwen, er war schmutzig, aber die ausgeprägten Muskeln ließen sich auch unter der Dreckschicht nicht verbergen.Die tiefliegenden Augen funkelten verschlagen und suchten nach den schwachen Stellen des Fremden, schätzten ihn ab, ohne zu einem Ergebnis zu kommen. Thorwalds Waffe war die Axt, wie auch Halfdan, der zweite Kämpfer, sie trug, eine Waffe, die sich auch sehr gut werfen liess. 

Der andere trug zusätzlich zur Axt ein Schwert - nun, trotzdem würde man ihn vernachlässigen können. Ein Barbar , wie ihn sich die Leute vorstellen, die in den Nächten am Feuer sitzen und von den grausamen Überfällen erzählen . Blonde Teufel, bärenstark, groß wie ein Baum. Aber nicht besonders gescheit - zuerst der Bär, dann der Kerl mit der Dreckschicht. Und dann? 

Sein Blick glitt unter den gesenkten Wimpern scheinbar gleichgültig über Sigrun hinweg und sie zuckte
zusammen. Der Wind vom Meer fing sich in den Bäumen und flüsterte vom Tod und ER lachte - sie hörte sein spöttisches Lachen , aber nur sie allein . Ich hasse Dich, Du Bastard - verdammt, warum bist Du mir trotzdem so nah, dass Deine Gedanken meinen Geist erreichen? Warum_ hoffe_ ich_ auf _Deinen_ Sieg?

> Die beiden haben keine Chance. Sie hätten eine gehabt gegen Methos, den Unsterblichen. Aber jetzt
stehen sie dem Tod gegenüber - und sie wissen es nicht.< 

Kanwulf wartete , dehnte die Spannung aus, während alle Blicke auf ihn gerichtet waren - und dann ,
begleitet von einem rauhen Schrei, stieß sein Arm herab und bohrte den Speer vor sich in den weichen
Boden. 

Im selben Sekundenbruchteil sprang Methos flach nach vorne, rollte über eine Schulter ab und stand wieder aufrecht, das Schwert in der Hand. Die Axt des &bdquo;Bären" war über ihn hinweg geflogen,  ein Mann in der Runde hatte gerade noch ausweichen können, und so grub sich die Waffe in den nächsten Baumstamm statt in dessen Brust..

"He Halfdan, nicht mich sollst Du treffen, der Kerl steht weiter vorne." gröhlte er und riss die Axt aus
dem Holz.

Das war das Letzte, was Halfdan, der Bär, in seinem Leben hörte. Aus dem Schwung der Rolle heraus hatte Methos nicht nur das Schwert gegriffen , sondern mit einem harten Tritt den Mann mit der Löwenmähne zur Seite gefegt, sein Schwert beschrieb einen flirrenden Halbkreis - jede Abwehr kam zu spät - und zuckte mit unerbittlicher Präzision von schräg oben nach unten - dran am Halsansatz des Wikingers ein, spaltete Schulter und Brust und warf ihn in einem Schwall von Blut zu Boden.

Der Wutschrei der Nordmänner ringsum stieg grollend in den Himmel auf, die von der untergehenden Sonne blutrot gefärbten Wolkenfetzen erhielten auf einmal eine andere, unheilvolle Bedeutung. 

"Jetzt kann der Kampf beginnen. Ist doch nur gerecht, hhhmmm?" 

Methos stand ruhig da, sein Atem ging kaum schneller , er hielt das Schwert gesenkt und seine brennenden Augen genossen die kurze Fassungslosigkeit seines verbliebenen Gegners . Thorwald war ein erprobter Kämpfer, der Anblick eines toten Kameraden neben ihm war nichts Neues. Nur die Schnelligkeit dieses Todes hatte ihn erstarren lassen und jetzt betrachtete er den unscheinbaren drahtigen Mann mit anderen Augen. Er würde sehr auf der Hut sein.

Sie umkreisten sich langsam, lauerten auf die erste Blöße, den ersten falschen Schritt.

Diese Augen! Irritiert zwinkerte Thorwald und rief sich zur Ordnung. Der Fremde hielt seinen Blick gefangen, und je länger er ihm in die Augen sah, um so mehr fröstelte er und um so schneller ging sein Atem. Eine Ahnung dessen, was diese Augen gesehen hatten, schlich sich als warnendes Raunen in sein Bewußtsein, aber er schob es zur Seite und gewann seine Zuversicht zurück. 

Sein erster Angriff kam überraschend und zwang Methos zu einem Satz rückwärts. Die Axt verfehlte seinen Leib und der Schwung zog Thorwald ein Stück mit. Anstatt aus dem Gleichgewicht zu geraten, nutzte er den Schwung zu einer schnellen Drehung und die Axt sauste wieder auf Methos nieder, glitt an der hochgerissenen Klinge ab und riß eine klaffende Wunde in seinen Oberschenkel. Der Wikinger zeigte in einem halben Grinsen seine Zähne und setzte nach, erwartete, dass sich der Fremde vor Schmerz krümmen würde und nicht sofort reagieren könnte. Umso mehr überraschte es ihn, dass dieser scheinbar unbeeindruckt abwehrte, als sei er völlig unempfindlich gegen den Schmerz. Das Blut aus der Wunde lief in einem breiten Strom an seinem Bein hinab - und innerhalb weniger Augenblicke war die Wunde verheilt. 

Kanwulf sah unter zusammengezogenen Brauen zu Sigrun. Wie sie es angekündigt hatte. Aber auch das schützt Dich nicht vor mir! 

Immer wieder klirrten die Klingen gegeneinander, Axt gegen Schwert. Thorwald musste Schritt um Schritt zurückweichen , auf die Reihen seiner Gefährten zu. Methos ließ ihm keinen Raum, blieb dicht an ihm und deckte ihn mit harten schnellen Schlägen ein. Bis er plötzlich fühlte, wie sein linker Fuß keinen Halt mehr fand, der Boden hier war naß und glitschig vom Blut des &bdquo;Bären" , er glitt aus, stürzte und musste sich mit der freien Hand am Boden abstützen. Die Finger krallten sich in den Sand, er schätzte die Bewegungen Thorwalds ab, der die Chance nutzen wollte......da war er heran, wieder hob sich die schwere Axt und der Kampfschrei des Wikingers verwandelte sich in einen Schrei der Wut, als ihm eine Ladung Sand ins Gesicht, in die Augen flog und ihn blendete. Die scharfen Körner stachen in den Augen, >zurück, ich muß zurück< er wollte sich aus der Reichweite dieses Fremden entfernen, musste wieder klar sehen, bevor......Thorwald von
einem brennenden Schmerz von den Beinen gerissen wurde und schwer auf den Rücken fiel. Im selben Moment spürte er einen Fuß auf seinem Handgelenk, der es schmerzhaft in den Boden stampfte, ihn dazu zwang, die Hand zu öffnen und den Stiel der Axt loszulassen. In den braunen Augen seines Gegners tanzten grüne Irrlichter , sie ruhten gelassen auf ihm, als hätte Methos genau diesen Ausgang vorausgesehen. Die Spitze des Schwertes bohrte sich in die Halsgrube des Wikingers, gerade so tief, dass er eine Ahnung des Schmerzes bekam, der sich einstellen würde, wenn................Thorwald keuchte und seine Kehle krampfte sich zusammen, der Schluckreflex peinigte ihn, denn er konnte nicht schlucken, nicht mit dieser Eisenspitze in seinem Hals.

"Du hast verloren, Löwenmähne. Was soll ich jetzt nur mit Dir machen?" klang die sanfte Stimme des Fremden , so leise, dass nur er allein es hören konnte. 

Sigrun´s klare Stimme erhob sich und brach das eisige Schweigen.

"Der Sieger steht fest. Hattest Du keine besseren Krieger, Kanwulf?" 

"Ihr habt den Kampf gesehen, es ist entschieden. Nun, Odin wird sich mit all den Christen zufrieden
geben, die ihr hier schon getötet habt. Oder die ihr bald noch töten werdet. Diese hier gehören mir.

Methos hörte die Bewegung, das Raunen in der Menge und sah auf, ohne den Mann am Boden aus seiner Gewalt zu entlassen. 

"Halte Dein Wort! Lass die beiden Mönche gehen!" rief er Sigrun zu. 

"Sobald sie im Wald verschwunden sind, ist dieser Krieger frei ."

Sigrun trat mit gezogenem Dolch auf die beiden Gefangenen zu, die ihre Bewegungen mit großen Augen verfolgten. Und da war der plötzliche Schrecken in ihren Augen, die sich auf etwas hinter ihr, über ihr richteten. Sie drehte den Kopf, ein sanfter Luftzug, weiche schwarze Schwingen streiften ihre Wange und der Schnabel des Raben hackte in ihre Stirn, zielte auf ihre Augen, während die eisenharten Krallen sich in ihren Unterarm gruben. Ihr Fluch ging in einen Schrei über und Panik drohte sie zu überwältigen, Blut lief über ihr Gesicht und blendete sie, der freie Arm versuchte die Augen zu schützen, aber dennoch konnte sie erkennen, dass Methos von einem halben Dutzend der Barbaren niedergerungen wurde. 

Der Angriff des Vogels war das Zeichen gewesen, auf dass Kanwulf gewartet hatte und es hatte gleichzeitig den Fremden so abgelenkt, dass sie ihn greifen konnten , ohne dass Thorwald mit dem Leben bezahlen musste.

Kanwulf´s Stimme übertönte den Lärm.

."Seht ihr, sie ist nichts Besonderes. Odin´s Rabe greift sie an, weil sie ihm seine Opfer nehmen will . Jetzt werde ich es vollenden!"

Er zerrte den Speer aus dem Boden, schleuderte ihn aus kurzer Entfernung auf die Frau, die immer noch die Angriffe des wütenden Vogels abzuwehren versuchte. Die Spitze drang mit einem hässlichen Geräusch zwischen den Schulterblättern ein und unter dem Brustbein wieder aus. Die Gewalt der eindringenden Waffe warf sie vorwärts gegen den alten Prior, der entsetzt keuchend zurückzuckte, ihre Hände krallten sich haltsuchend an die zerfetzte Kutte und langsam wich alle Kraft aus ihr, sie fiel auf die Knie und zur Seite.

Aber der Tod wollte sie noch nicht, sie lag einfach da, hilflos , dem Feuer in ihrer Brust ausgeliefert und musste zusehen. 

"Hast Du gedacht, Du kannst mich ungestraft herausfordern?" fragte die verschwommene Gestalt, die
riesengroß über ihr stand. 

Die gequälten Schreie der Mönche erreichten sie wie aus weiter Ferne, während etwas Warmes auf ihre Arme und ihren Körper tropfte, ein Schwall von Blut drang aus ihrem Mund. .Ein Tritt krachte in ihre Rippen.

> nein, ihr dürft sie nicht töten - ich habe es versprochen - < 

Immer noch keine Stille, es dauert so lange...............

>Unglücksvogel!! Er hat den Bann gebrochen - ein Sekundenbruchteil - und alles war vorbei und entschieden.
Löwenmähne wird fröhlich weiterleben und ich werde auf irgendeine unangenehme Art wieder mal ins
Jenseits befördert.< 

Methos lag unter einen kaum zu entwirrenden Knäuel aus Armen, Beinen, Leibern, sie schlugen zu, wo
immer sich ein Gelegenheit bot, hielten ihn fest und drückten ihm die Luft aus den Lungen .Einer aus der Menge erwischte seine Hände, zurrte einen Strick darum fest und im gleichen Maß, in dem die Last auf ihm leichter wurde, wurden die Fesseln mehr und fester. Er fühlte sich hochgerissen und zum Waldrand gezerrt, ein Strick legte sich um seinen Hals , fünf, sechs schmutzige, rauhe Hände griffen das Ende des Seiles und zogen ihn mit einem Ruck an dem größten Ast einer riesigen Eiche hoch. 

Diesmal war es ein schneller Tod. Der harte Ruck verschob den Knoten, sodass ihm die Schlinge sofort das Genick brach. Keine Zeit mehr , nach den Freunden zu sehen - oder nach ihr - keine Zeit mehr für Schmerz, für Angst.

Kanwulf stand im dunstig- blauen Licht der Dämmerung vor seinen Opfern und betrachtete sie, genauso zufrieden wie das Wesen auf seiner Schulter. Die Federn , obwohl schwarz, schienen zu leuchten und die klugen bösartigen Augen glommen in verhaltenem Feuer. Krallen und Schnabel waren noch gerötet vom Blut der Kriegerin , die sich erdreistet hatte, Kanwulf befehlen zu wollen.

Seine Männer waren fast fertig . Das Drachenschiff war von seiner Tarnung befreit worden und lag jetzt schon wartend im Wasser, die Beute war längst an Bord .Ein Teil der krieger war mit der Takelage und den Rudern beschäftigt, einige wenige rannten mit den Fackeln der Vernichtung von einer Hütte zur anderen. Die einfache Kirche , einst Stolz und Freude der Mönche, stand bereits in Flammen und das Prasseln und Knacken erfreute sein Ohr. . Nur noch wenige Augenblicke, dann würden sie verschwunden sein wie die Dämonen der Nacht und nur den Gestank des Terrors hinterlassen, dieses grausige Gemisch aus kaltem Rauch, Angst, verhallten Schreien und totem Fleisch.. 

"Beinah schade, dass Du diese Wunde nicht überlebt hast." murmelte er Sigrun zu, drehte sie auf den
Bauch, stemmte den Fuß auf ihren Rücken und zog mit einem heftigen Ruck den Speer aus ihrem Leib. Dann wandte er sich seinem Schaumwolf zu .



****


Die Wikingerin fror. Nasse klebrige Kälte bedeckte ihren Körper, es war dunkel und der Nachhall des
Schreckens und ihres Versagens ließ sie zusammenzucken. Gnadenloser Schmerz in Brust und Rücken zwang sie dazu, regungslos liegen zu bleiben und sich auf ihren Atem zu konzentrieren. Nach endlosen Augenblicken schaffte sie es, sich auf die Ellbogen aufzurichten , dann auf die Knie. Das mondlose Dunkel wurde nur von den brennenden Hütten stellenweise verdrängt, aber sie sah genug, um sich zu erinnern. 

>sie sind weg . Was haben sie mit ihm gemacht? <

Taumelnd erhob sie sich, suchte festen Stand - und dann sah sie ihn. Krachend und funkensprühend stürzte die Kirche in sich zusammen, die Flammen loderten zum letzten mal hoch auf und beleuchteten die schlanke Gestalt, die zwischen Himmel und Erde zu schweben schien.

Als ihr auffiel, was sie getan hatte, war es schon geschehen. Methos fiel schwer auf die Erde,  sie zerrte und zog an dem Strick um seinen Hals, der sich viel zu langsam lockerte, und streifte ihn ab. Und sie wartete, während sie neben ihm saß.

> Er ist mein schlimmster Feind. Kanwulf hat mir meine Waffen gelassen. ich sollte seinen Kopf nehmen, jetzt, bevor er aufwacht. <

Nein, er soll es wissen, er soll es spüren. 

Als Methos ruckartig erwachte und sich aufsetzte, wurde er schon von ihrer Klinge erwartet. Sigrun
umklammerte das Heft so fest, dass ihre schweißfeuchten Hände zu zittern begannen . Eigentlich sollte er jetzt zittern und nicht sie. Die Sekunden dehnten sich unerträglich.

>Verdammt, rede, Kerl, fang an zu betteln, ich ertrage Dein Schweigen nicht<

Sie biß sich auf die Lippen und versuchte Entschlußkraft und beißenden Hass in ihre Stimme zu legen.

"Fast 4000 Jahre, Methos. Wie fühlst Du Dich jetzt, am Ende eines so langen Weges?"

Nichts entging ihm. Ihre Finger, die sich am Heft der Waffe bewegten, als ob sie festeren Halt suchen würden, die Spannung in ihrer Haltung, die gepresste Stimme.......das alles sprach nciht von gelassener Überlegenheit, zeigte nicht den Willen zum Töten, sondern eher ..........

> Ich glaube nicht, dass Du es tun kannst. Und bald werde ich es genau wissen.<

Die Flammen spiegelten sich in seinen Augen und gaben ihnen eine solche Tiefe, dass Sigrun sich
hinabgezogen fühlte - bis auf den Grund der Zeit. Erst seine Worte gaben sie wieder frei. 

"Nicht ganz so schlecht wie Du, scheint mir, am Ende eines sehr kurzen Weges. Was willst Du? Soll ich mich entschuldigen? Soll ich um mein Leben betteln?"

>Was ich will? Ich weiß es nicht mehr! Sag Du es mir!< rief ein verzweifelte Stimme in ihrem Inneren und die Klinge an seinem Hals begann leise zu vibrieren..

"Ja, es tut mir leid. Aber betteln werde ich nicht! Ich nehme an, es ist sinnlos, Dich daran zu
erinnern, dass Du mein Quickening nicht überleben wirst? Was für ein romantischer Gedanke: wir werden zusammen sterben, nur Du und ich. Ich hoffe, Du nimmst mich mit nach Walhall? Das wollte ich schon immer mal sehen ."

Natürlich würde er nicht um sein Leben betteln. Er mochte sehr vieles sein - aber gewiss kein Feigling! Sogar jetzt konnte er seine Ironie nicht zurückhalten. Das machte es ihr leichter. Sie holte aus und atmete tief ein.

"Nur ein Wort noch, Sigrun."

"WAS?" schrie sie ihn an.

"Ich warte >drüben< auf Dich".

Der ruhige, beinah liebevolle Ernst seiner Worte durchbrach den letzten Rest ihrer Beherrschung, ein
frustrierter Schrei brach sich Bahn und sie schleuderte ihr Schwert weit über ihn hinweg . >Ihr Götter, ich will nicht mit ihm sterben. ich will mit ihm leben!<

Ihre Knie krachten auf den Boden und ihre Hände gruben sich tief in den Sand.

> Warum bei Loki kann ich es nicht tun? Er hat es doch verdient!< 

Eine andere leisere Stimme lachte spöttisch gegen ihre Verzweiflung an..

> Stell Dich nicht dumm, das weißt Du genau. Weil er der einzige Mann auf der Welt ist, der stärker ist als Du, der Einzige, dessen Blick in Deine Seele dringt.. Der einzige, dessen Willen Du Dich unterwerfen musstest. Eine ganz neue Erfahrung für Dich, nicht mehr zu befehlen, sondern Befehlen zu gehorchen. Keine Verantwortung tragen, sondern die Verantwortung abzugeben. Nicht mehr denken, sondern nur noch fühlen. Nie wieder wird einer stärker sein als Du - und deshalb wäre es unerträglich für Dich, ihn zu verlieren. Deine Rache wäre Dein eigener Untergang, selbst wenn Du das Quickening überleben solltest. .

Also sei wenigstens ehrlich zu Dir selbst, ja?<

Sigrun schluckte bitter, als sie der Wahrheit ins Gesicht sah und rutschte ein Stück von Methos weg. 

"Bleib ......bitte bleib." flüsterte seine rauhe Stimme und sie sah seine Augen auf sich gerichtet.

Ein misslungenes, unglückliches Lachen, dass mehr wie ein gequältes Schluchzen klang , dann streckte sie zögernd die Hand aus und legte sie auf seine Brust.

"Hier habe ich Dir mein Siegel aufgedrückt.. Aber Du - Du hast mich schon viel früher gezeichnet . 

Ich habe es versucht, wirklich. Aber es geht nicht. Ich kann es nicht. ."

"Was geht nicht? Ich will, dass Du es sagst! " 

Sie konnte das Lächeln in seiner Stimme hören und sprach heiser in die Dunkelheit..

"Ich kann Dich nicht töten. Nicht mehr. Ich........ich fürchte, ich......"

Seine Hand legte sich auf ihren Mund und verschloß ihn energisch.

"Ich weiß! Und jetzt weißt Du es auch! Das muß genügen! Denn Du darfst es niemals aussprechen. Es
würde Dich und mich schwächen und schon bald würdest Du es bereuen. 

Wir sind uns ähnlich, weißt Du, und Gefühle sind gefährlich für Menschen wie uns... Komm her."

Er zog sie an sich, sie lagen eng nebeneinander , lauschten auf den Atem, den Herzschlag des anderen,  in vollem Wissen um die Kostbarkeit dieses Augenblickes , der nur eine kurze Atempause in dem ewigen Kampf war, dem sie sich bald wieder stellen mussten.

"Deine Freunde......der alte Mönch und der Junge....ich habe sie nicht retten können."

"Sie sterben.........wir verlieren sie....jeden Einzelnen ....auf die eine oder andere Art. Sie haben alle
nur ein Leben. Es war nicht Deine Schuld."

Sie schwiegen lange und ein jeder verabschiedete sich auf seine Art von all den Toten.

Hier gab es keine Platz mehr für ihre Rache, die Gesetze ihres Volkes konnten für sie nicht mehr gelten. So wie ihre Gefährten gestorben waren, so war auch ihre Bindung an ihr Volk, an ihre Götter, gestorben. TOT!
Jetzt hatten andere Gesetze für sie zu gelten, die Gesetze der Unsterblichen. 



***

"Sagst Du mir jetzt, was Du mit Jeoffrey gemacht hast?"

Gegen ihren Willen musste sie lächeln.

"Ich habe ihn eingeschläfert. Er wird mich inzwischen vergessen haben - oder noch hinter mir her
fluchen, aber er ist am Leben und wird zuhause auf Dich warten."

"Zuhause? Das gibt es nicht für uns. Kein Unsterblicher ist jemals irgendwo - oder bei irgendwem -
zuhause". 

"Doch, manchmal schon - und sei es auch nur solange, wie die Begegnung zweier Schiffe auf See
währt."


****

Ihre Hände strichen über seine Arme, seine Brust.

"Deine Haut fühlt sich gut an. Diesmal kann ich sie lassen, wie sie ist."

Er lachte leise in sich hinein. 

"Das will ich sehr hoffen. Das war gar nicht nett von Dir, Du grausames Weib, besonders die glühende Kette......."

Seine Finger streichelten ihren Hals, wanderten zum Haar hoch, dann ein plötzlicher Ruck, der ihr den Kopf in den Nacken zog, ihren Körper unter Spannung setzte und sie seine Kraft fühlen ließ. Er beugte den Kopf und seine Lippen wanderten über die warme Haut, dann gruben sich seine Zähne in ihre Kehle. Wie im Biss eines Panthers hielt sie völlig still ...und wartete, während der Herzschlag durch ihre Adern dröhnte.. Als er sie freigab und den Kopf hob, sah sie das Lächeln auf seinem Gesicht, aber die letzten Flammen gaben seinen Augen einen harten Glanz und nahmen den Worten einen guten Teil ihrer Scherzhaftigkeit.

"Dafür bezahlst Du mir. Wie ich Dir sagte: Du bist mein Eigentum. Vergiss das nicht!"

"Ja. Solange ich es will."

 



ENDE