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Die Apokalypse

Von Christina Özdemir coezdemir@teleweb.at

 

 

Zugehörigkeit

Highlander - Die Serie

Zeitpunkt 

Nach der Episode "Revelation 6:8"

 

Vorkommende Charaktere

Methos

Silas

 

Disclaimer

"Highlander" sowie alle damit in Verbindung stehenden Namen und Charaktere sind Eigentum von Rysher Entertainment, Davis/Panzer Productions, Inc. Diese Story ist für Fans geschrieben, und ich verdiene keinen Groschen/Pfennig/Euro-Cent daran.

 

 

 

PROLOG

 

 

Die Sonne schien brütend heiß hernieder und heißte den Sand dermaßen auf, das er der bloßen Haut ohne weiters Brandwunden hätte beibringen können. Es gab keinen Winkel, in den man sich hätte verstecken können, der kühlenden Schatten versprechen konnte. Die Luft vibrierte unter der, von dem Sand zurückgeworfenen Hitze und die bodennahe Umgebung flimmerte wie das Trugbild einer Fata-Morgana. All der Lärm zu dieser Zeit schien erstickt von der Glut der Sonnenstrahlen, die sich erbarmungslos über die verbrannte Erde ergossen.

Um so lauter kam einem der dunkle Knall vor, der von den Wänden zurückgeworfen wurde und sich mit düsterer Dumpfheit ausbreitete. Ein unsicherer Tritt nach hinten wühlte die Sandkörner auf, ein zweiter Knall ertönte. Ein schwerer Körper fiel rücklings nieder, und dessen Arme konnten noch in letzter Sekunde das mit schweren Metall beschlagene Holzschild in die Höhe reißen um den dritten Angriff abzuwehren, der sonst unweigerlich den Kopf des Bedrängten in zwei Teile gespalten hätte. Das Holz splitterte unter dem Ansturm der angreifenden Waffe, und ein Riß deutete darauf hin, das das Schild der nächsten Attacke nicht standhalten würde. So schleuderte der Mann das unbrauchbar gewordene Verteidigungswerkzeug zur einen Seite und rollte sich blitzschnell zur anderen. Keinen Augenblick später sauste die Axt noch einmal nieder – genau auf die Stelle an der der Mann noch vor kaum einer Sekunde gelegen hatte.

Doch der Angreifer hatte nicht mit dieser schnellen Bewegung gerechnet und so riß ihn die Waffe, die auf keinen Widerstand stieß, mit und brachte ihn aus dem Gleichgewicht.

Diese kurze Zeit der Unachtsamkeit nütze der andere, am Boden liegende, Kämpfer und stand auf um zu dem Schwert zu stürzen, das er im Laufe des Kampfes hatte fallen lassen.

Die Axt hoch über den Kopf erhoben verfolgte ihn sein Gegner mit einem tiefen Kampfgeschrei. Doch er hatte seine Waffe bereits ergriffen und war mit einer schnellen geschmeidigen Bewegung wieder auf den Beinen und aus der Reichweite der Axt.

Kurze Zeit standen sie nur da, beäugten sich lauernd, holten Luft und sammelten Kraft. Dann ließ der andere mit einem ironischen Lächeln die Axt sinken und ging langsam auf ihn zu. Doch er ließ sich nicht in die Defensive drängen und anstatt nach hinten oder zur Seite auszuweichen stürzte er sich nach vorne auf seinen Angreifer zu. Mit einem kraftvollen Schwung trieb er ihm das Schwert tief in den rechten Oberarm.

Doch anstatt die Axt fallen zu lassen, wie er es erwartet hatte, sah ihn dieser nur wütend an. Ungläubig starrte er seinen Gegner an, der trotz dieser schweren Verletzung weit mit der Axt ausholte und auf ihn zugerannt kam. Er war für kurze Zeit vor Überraschung wie gelähmt und wartete jeden Augenblick darauf, das die Waffe von dem verletzten Arm nicht mehr gehalten werden konnte und in den Sand fiel.

Aber sein Gegner kam näher und näher, die Axt stürzte herunter und riß ihm die Leibesmitte auf. Er öffnete erstaunt den Mund und hielt sich mit dem linken Arm schützend den Bauch. Langsam neigte sich sein Kopf und er sah verblüfft das darunter Blut hervorquoll und der Sand zu seinen Füßen sich rot färbte. Noch bevor der Schmerz ihn erreichen konnte fiel er auf die Knie, und schließlich der Länge nach hin.

Der andere Kämpfer hob beide Hände in einer triumphalen Geste in die Höhe und drehte sich im Kreis, damit ihn all die anderen Kämpfer sehen konnte.

Ein Mann kam auf ihn zu, Verärgerung lag in seinem Gesicht. Wütend schrie er ihn an.
"Du verdammter Idiot! Das hier ist ein Training und kein Kampf auf Leben und Tod. Heute Abend solltest du ihn töten!"

Das triumphale Lächeln verschwand. Wütend blickte der Axtkämpfer ihn an. Dann schleuderte er ihm seine Waffe beleidigt vor die Füße. Unter dem Gejohle der anderen Kämpfer verließ Silas die Arena.

 

 

Bordeaux,

1997

 

Es war ein düsterer, kalter Tag. Der dunkelgraue Himmel spiegelte sich dumpf im Meer, und die weißen Schaumkronen auf den Wellen strahlten unnatürlich hell in dem trüben Grau des Tageslichtes. Ein leichter Wind wehte beständig vom Meer an die Küste und schwoll von Zeit zu Zeit zu starken Böen an, die dann, in ihrer kurzen Heftigkeit, die Gischt aufpeitschten und weit über die Küste hinweg ins Landesinnere trugen. Der feine Nieselregen, der schon den ganzen Tag andauerte, war auf der bloßen Haut kaum zu spüren, und dennoch durchdrang er binnen kürzester Zeit durch die Kleidung. Es herrschte jene Art von Kälte, die nicht durch die niedrigen Temperaturen verursacht wurde, sondern von der Feuchtigkeit herrührte und einem durch die Haut drang und dem Körper alle Wärme entzog.

Methos hatte den Landrover am Straßenrand abgestellt. Er war ausgestiegen und lehnte sich nun an die Fahrertür. Er hatte die Arme vor der Brust verschränkt und den Mantelkragen hochgeschlagen. Kleine Wassertropfen sammelten sich allmählich in seinem Haar, rannen ihm über Stirn und Augenbrauen und sammelten sich in den Wimpern. Er zitterte vor Kälte und Kopf und Schultern vibrierten unkontrolliert. Doch er schien das kalte Wetter und die Nässe zu ignorieren, und nicht zu bemerken wie sehr er fror. Seine Mimik war seltsam starr und glich wieder der Maske, die er nach Bedarf hervorkramen konnte. Doch war niemand anders anwesend, der diese Maßnahme hätte rechtfertigen können, und trotzdem war keine Spur von einer Gefühlsregung zu erkennen.

Er starrte auf das alte Hafengebäude – die längst verlassene U-Boot-Basis aus dem zweiten Weltkrieg. Eine seltsame Leere machte sich in ihm breit, eine Leere, die sich weder durch Trauer noch Erleichterung noch sonst irgendein Gefühl ausfüllen lies.

Ein Nichts.

Schwarz.

Kalt.

Groß.

Silas.

Für wie lange war er sein Freund gewesen, sein Gefährte? Jemand den er vertrauen konnte wie sonst keinem. Jemand dem es niemals in den Sinn gekommen wäre ihn zu verraten oder auszunutzen. Und was hatte er getan?

Verrat geübt.

An seinen Kampfgefährten.

Seinen Brüdern.

An Kronos.

An Silas.

 

Methos biß in Verbitterung die Kiefer so fest aufeinander, das sie zu bersten drohten. Er empfand ein Schuldgefühl, das wie kaltes Blei in seinen Adern lag, und ihn zu Boden zu ziehen drohte. Ein Schuldgefühl, von dem sein Verstand behauptete es dürfe nicht vorhanden sein. Ein Schuldgefühl, gegen welches er tausend Argumente vorbringen könnte, und trotzalldedem würde er es weiter verspüren.

Irgendwo in dieser kalten grauen Ruine lagen wahrscheinlich immer noch die kopflosen Leichen seiner einstigen Gefährten. Ob Duncan sie beiseite geschafft hatte? Und wohin?

"Ins Meer" sagte sein Verstand. Versenkt, wahrscheinlich noch in dem Hafen des Gebäudes. Aus irgendeinem Grund schien es ihm plötzlich wichtig zu wissen, was aus den sterblichen Überresten seines Freundes geworden war.

Aber seine Gedanken schweiften ab, er wollte noch einmal die Erinnerung an seinen Freund zurückholen. In Bildern aus einer Zeit an die er sich mit Freude zurückerinnerte Er wollte nicht, daß sich andere in diese Erinnerung stehlen konnten um sie zu trüben. Nicht Kronos oder Caspian und ganz sicher nicht Duncan McLeod vom Clan der McLeod.

 

 

***

 

Epheseus

82 n. Chr.

 

"Mithrates! Mithrates bist du im Haus?"

Thales hatte die Türe einen Spalt breit geöffnet, nachdem auch nach mehrmaligen Klopfen keiner der Diener erschienen war. Vorsichtig lugte er in das Hausinnere während sich seine Augen an die Dunkelheit gewöhnen.

"Im Schreibzimmer, Thales. Komm nur herein. "

Thales trat in das Vorzimmer und schloß behutsam die Tür. Er war ein äußerst hochgewachsener Mann, Anfang Zwanzig mit vollem schwarzen Haar, das ihm in kleinen dichten Locken in den Nacken und auf die Schultern fiel. Seine Gestalt war dünn und schlacksig, seine Bewegungen äußerst vorsichtig und behutsam, was bei einen Mann von seiner Größe ziemlich lächerlich wirkte. Er war in eine Toga aus feiner weißer Baumwolle gekleidet, und die mit Goldfaden gestickten Bordüren verrieten den Reichtum seiner Familie. Er schloß die Hände ineinander und zog den Kopf zwischen den Schultern ein, als schäme er sich seiner Größe. Bedächtig schritt er zu dem Schreibzimmer.

Methos sah von seinem Pergament auf und lächelte ihn freundlich an.
"Schön dich zu sehen, Thales. Bitte, setz’ dich nieder."

Thales erwiderte das Lächeln und nahm Platz. Einige Zeit sah er sich unsicher im Zimmer um und fing dann Methos fragenden Blick auf.

Ausweichend von seinem eigentlichen Anliegen fragte er. "Was schreibst du Mithrates?"

Methos sah ihn skeptisch an und antwortete: "Ich mache mir Notizen zu den Werken von Herodot. Aber deswegen bist du nicht hier."

Thales schüttelte schuldbewußt den Kopf. "Nein, Ich wollte dich eigentlich fragen…., ob du vielleicht…" schließlich holte er tief Luft und beendete den Satz. "Ob du vielleicht mit mir zu den Gladiatorenkämpfen ins Amphitheater mitkommen würdest."

Methos sah ihn überrascht an "Zu den Gladiatorenkämpfen? Thales du willst ein Gelehrter werden! Diese Art der Vergnügen sind etwas unter deinem Niveau."

"Ja schon, aber ich möchte einmal die Kämpfe sehen" sagte Thales befangen. "Ich meine ich werde selbst niemals als Krieger kämpfen können…"

"Und da möchtest du es wenigstens als Zuschauer erleben dürfen?" ergänzte Methos.

Thales nickte rasch und fügte noch hastig hinzu. "Ein berühmter Kämpfer aus Rom ist hier in der Stadt. Er ist noch nie besiegt worden. Die besten Kämpfer Epheseus werden heute gegen ihn antreten!"

Methos schnaubte verächtlich und legte schließlich den Federkiel, den er noch immer in der Hand hielt zur Seite.

"Na gut. Wann findet das blutige Spektakel statt?"

Thales Gesicht erhellte sich und mit einem breiten Lächeln im Gesicht antwortete er. "In einer Stunde. Wir müssen uns beeilen."

 

***

 

Das Amphitheater von Epheseus war ein imposantes Bauwerk, gleichermaßen geeignet für Theatervorstellungen als auch für Gladiatorenkämpfe – und heute schien die ganze Stadt darin versammelt zu sein. Fliegende Händler hatten schon ihre kleinen Läden auf der Hafenstraße vor dem Theater aufgestellt und priesen lautstark ihre Waren an.

Thales hatte für sie beide den Eintrittspreis bezahlt und sie nahmen nun auf den Rängen der besseren Gesellschaft Platz. Methos machte keinen Hell daraus, daß ihm diese Ansammlung von Menschen ein Greuel und der Lärm und die Hektik äußerst zuwider waren

Lange brauchten sie nicht zu warten, bis die ersten Fanfaren den Beginn der Spiele ankündigten. Zwei Gladiatoren betraten den Kampfplatz, beide Hände zum Jubel des Publikums auffordernd erhoben. Der eine war der beste Gladiator Epheseus, in unzähligen Kämpfen war er als Sieger hervorgegangen, der andere der angeblich beste Kämpfer im römischen Reich.

Mit einem Male richtete sich Methos kerzengerade auf, und blickte starr auf den römischen Kämpfer, der ebenfalls plötzlich stehengeblieben war. Für einen kurzen Augenblick des Erkennens blickten sich die beiden nur in die Augen, dann fing der Kämpfer wie wild an zu winken, und ein breites Grinsen überzog sein bulliges Gesicht.

Methos erhob ebenfalls die Hand zum Gruß und lehnte sich wieder bequem in die Polster zurück. Ein freudiges Lächeln erhellte sein Gesicht und mit fröhlicher Stimme sagte er leise zu sich selbst: "Silas."

 

***

Bordeaux 1997

Methos schloß gepeinigt die Augen. Ein Schauer lies seinen Körper erzittern, aber es war nicht die Kälte der nassen Kleidung, oder der Wind. Es war die Kälte die tief aus seinem Inneren kam. Er fragte sich das erste Mal warum er Silas getötet hatte – oder sollte die Frage lauten für wen?

Für Cassandra – um ihr zu beweisen das er sich geändert hatte, daß es ihm unendlich leid tat was er damals verbrochen hatte? Aber wozu? Wozu Cassandra von seinem jetzigen Sein überzeugen? Was kümmerte ihn schon ihre Rache, ihr Haß? Nein, er wollte diesen Gedankengang nicht bis zum Ende verfolgen. Vielleicht weil er zu einer Antwort gekommen wäre, die er nicht wissen wollte, sich nicht eingestehen wollte.

War es für Duncan McLeod, für diese Freundschaft, die ihn wieder zum Leben erweckt hatte, ihn aus seiner Gleichgültigkeit der Welt und den Menschen gegenüber gerissen hatte. Eine Freundschaft, so tief wie er sie seit über dreitausend Jahren nicht mehr gefühlt hatte. Nun, dann war es wohl vergeblich, und Silas Tod umsonst.

Aber es gab noch einen Grund.

Methos öffnete wieder die Augen, sein Blick löste sich von dem alten Gebäude, er hob den Kopf und starrte auf den Himmel über ihn, als wolle er in dem Grau der Wolken den Mut finden diesen Gedanken weiterzuverfolgen.

Hatte er es für sich selbst getan? Er fühlte sich erleichtert über Kronos Tod und Caspian konnte er noch nie leiden. "Kronos zu richten hätte bedeutet, mich selbst in der gleichen Weise richten zu müssen." Er hatte es Duncan gesagt, als Begründung für seine Unfähigkeit gegen Kronos kämpfen zu können.

Aber müßte diese Argumentation nicht auch auf Silas zutreffen?

Stimmte es überhaupt? War es nicht nur eine lahme Entschuldigung, eine aus der Verzweiflung geborene Rechtfertigung?

Kronos war wie er selbst ein Reiter, ein Mörder. Aber Kronos hatte sich nie geändert, nie bereut, niemals versucht wiedergutzumachen was er verbrochen hatte. Er selbst hatte sich geändert, er bereute und hatte lange Zeit mit seinen Taten versucht die Menschheit um Verzeihung zu bitten.

Und dennoch. Es verband sie etwas, das über die kühle Vernunft und über sein wiedergefundenes Gewissen weit hinaus ging.

Angst war das Motiv, das ihn all die Jahre vor Kronos hatte fliehen lassen. Aber es war nicht die Angst vor Kronos selbst sondern die vor seinem eigenen Selbst, vor dem was er einmal war und zudem er wieder werden konnte.

Silas zu töten bedeutete für ihn das größte Opfer zu bringen um ihm selbst zu beweisen, das die Reiter Vergangenheit waren. Den Beweis zu erbringen das er sich tatsächlich geändert hatte. Den Zweifel zu beseitigen, das er diese Seite seines Seins nur tief vergraben und unterdrückt zu hatte. Aber dieser Triumph schmeckte schal und nach Selbsttäuschung.

War das die Wahrheit, die er verleugnete? Diese Wahrheit, die der tatsächliche Grund für dieses bleierne Schuldgefühle darstellte? Hatte er deswegen Silas geopfert?

 

 

Epheseus

82 nach Chr.

 

 

"METHOS" Silas schloß seine Arme um den schlanken Körper seines Freundes und hob ihn ein wenig hoch. Eine Geste, die Methos zwar noch nie so wirklich leiden konnte, die aber auch jedesmal irgendwie guttat.

Methos schmunzelte und klopfte Silas zur Begrüßung auf die Schultern, dann befreite er sich aus der Umarmung und sagte lächelnd.

"Wo zum Teufel hast du gesteckt?"

"Mal hier, mal da." Antwortete er, dann nahm er den Saum von Methos Toga zwischen Daumen und Zeigefinger und rieb prüfend an dem Stoff. "Hmm, es geht dir gut."

"Ich kann nicht klagen." Antwortete Methos "Silas, darf ich dir einen großen Bewunderer deiner Kampfkunst vorstellen?" er deutete auf seinen Freund, der ein wenig abseits stand. "Thales."

Silas setzte, das für ihn so typische, etwas dümmliche Grinsen auf und hielt ihm seine Pranke zum Gruß entgegen. Thales zögerte einen Augenblick, unsicher ob der Händedruck unter Umständen seine Finger zermahlen konnte. Doch die Geste wirkte so einladend und spontan, daß er schließlich ein herzliches Lächeln aufsetzte und erwiderte. "Seid mir gegrüßt."

"Ich denke das sollten wir feiern!" unterbrach sie Methos.

Silas Grinsen wurde noch breiter und mit tiefer Stimme erwiderte er. "Wenn du bezahlst, Methos?"

Methos holte seinen Geldbeutel aus den Falten seiner Toga und hielt ihn Silas unter die Nase.

"Ha! Das reicht aber sicher auch noch für ein paar Ladies!"

"Das reicht für eine ganze Menge Ladies, Silas."

 

***

einige Stunden später

 

Methos schüttelte den Kopf, als würde diese Geste reichen wieder einen klaren Gedanken fassen zu können. Aber der schwere süße Wein, der in dieser Gegend hier wuchs war nicht mit einem Kopfschütteln oder einem tiefen Luftholen aus der Blutbahn zu bekommen. Er streckte sein Rückrad durch, aber durch diese plötzliche Bewegung fing erst recht alles vor seinen Augen zu wackeln und zu verschwimmen an.

Eine Hand faßte nach seinem Nacken und zog ihn sanft wieder herab. Warme dunkelrote Lippen preßten sich auf seinen Mund, und eine kleine warme Zunge liebkoste seine Lippen. Methos lies sich willig verführen und öffnete den Mund, vertiefte den Kuß, der noch süßer nach dem würzigen Wein schmeckte.

Lautes Gelächter lenkte ihn ab und er hob die Augen, ohne jedoch den Kuß zu unterbrechen. Silas und Thales unterhielten sich – prächtig wie es schien. Silas fuhr wild mit seinem rechten Arm in der Gegend herum, machte große Augen oder setzte einen grausamen Blick auf. Hin und wieder schlug er dann mit der Faust in die offene Hand, was wohl soviel bedeuten sollte, daß der imaginäre Gegner, mit dem er zuvor scheinbar gekämpft hatte nun tot war. Dann blickte er auffordernd in die Runde und wurde auch prompt mit bewundernden Blicken oder sogar mit Beifall belohnt, was wiederum bei Silas ein breites Grinsen hervorrief, und er eine weitere seiner Geschichten preisgab.

Methos unterbrach den Kuß und startete einen neuen Versuch sich aufzusetzen, aber er schaffte es nur sich halbwegs aufzurichten und sank dann doch wieder in die Polster zurück. ‘Ich sollte mich nicht betrinken.’ Es war ein Anflug von einem klaren Gedanken, der aber sofort wieder verschwand, als das Mädchen, das zuvor auf seinem Schoß lag nach der Weinkaraffe griff, und seinen Becher wieder füllte. Sie sah ihn mit ihren großen dunklen Augen an und ohne den Blick zu lösen nippte von seinem Becher, fuhr sich langsam mit der Zunge über die Lippen und reichte ihm schließlich das Getränk. Dann stand sie auf und ging aus dem Zimmer. Kurz vor der Tür drehte sie sich noch einmal um und lächelte ihn einladend zu. Dann verschwand sie.

Methos hatte die Einladung gut verstanden, aber er fand es war noch zu zeitig. Er wollte noch die Gesellschaft seines Freundes genießen.

Silas war umgeben von sämtlichen Damen, die dieses Freudenhaus aufbringen konnte, und Methos schloß im Stillen mit sich selbst eine Wette ab, das kein einziges der Mädchen auch nur ein Silberstück für diese Nacht verlangen würde. Nach den Kämpfen waren sie durch die Stadt marschiert und überall begegneten ihnen die Menschen mit bewundernden Blicken. Methos sah wie reiche Patrizierinnen, und unfreie Dienstmädchen Silas gleichermaßen kokette wie einladende Blicke zuwarfen, und er fragte sich ob sich sein Freund dessen eigentlich bewußt war. Aber Silas verschwendete keinen Gedanken an die Menschen in der Stadt. Für ihn existierte in diesem Moment nur der wiedergefundene Freund. Er erzählte minutiös von seinen Erfolgen in Rom und seinen Erlebnissen, meistens ohne zwischen den Sätzen Luft zu holen. Hin und wieder klopfte er mit erstaunlicher Kraft auf Methos Rücken um seinen Geschichten noch mehr Nachdruck zu verleihen und sonnte sich in den bewundernden Blicken von Thales.

Methos schnaufte ungläubig. Es gab Zeiten, da hätte es auf der ganzen Welt keine einzige Frau gegeben, die ihn auch nur freiwillig angesehen hätte. Er führte den Becher mit einer schnellen Bewegung zu seinen Lippen und schluckte hastig den Wein und den unwillkommenen Gedanken hinunter.

"Mihtrates" rief Thales freudig aus "Nie werde ich dir verzeihen, daß du mir nicht eher von deinem Freund hier erzählt hast!"

Methos grinste breit. "Es ist eine Ewigkeit her seit wir uns das letzte Mal begegnet sind."

Im Stillen wunderte er sich über die Trinkfestigkeit seines gelehrten Freundes, und die Begeisterung mit der er an den Lippen dieses Gladiators hing. ´

"Ja, und damals hätte uns nichts auseinanderbringen können. Nicht wahr Bruder?"

"Nein, Silas. Damals nicht."

 

´

In den Kerkern von Epheseus,

am nächsten Tag

 

Silas spürte die Anwesenheit des anderen Unsterblichen, aber er wußte nicht wo er sich aufhielt, so marschierte durch das Kerkergewölbe und hielt inne, als das Kribbeln am stärksten war. Er stand vor dem großen Abteil in dem einige Christen auf Kaiser Domitians Befehl hin gefangengehalten wurden.

Mit einem grausamen klingenden Lachen fuhr er mit seiner Streitaxt die Gitterstäbe entlang um auf sich aufmerksam zu machen. Die Gefangenen sahen erschrocken zu ihm auf.

Silas grinste breit - lange schon hatte er nicht mehr diese Macht genossen. Diesen Schrecken den er auf die Menschen ausüben konnte. Jeder von ihnen, jeder der hier drinnen saß würde bald in der Arena kämpfen müssen. Gegen ihn oder gegen die Löwen, die aus Nubien und Abessinien kamen. Silas konnte förmlich die Angst, die von ihnen ausging riechen. Er blickte in den kleinen Raum um den anderen Unsterblichen zu erkennen und sein Grinsen verbreiterte sich. Er fuhr sich mit dem Daumen quer über den Hals um ihn anzudeuten, das es genau dies sein Schiksal sein wird.

 

***

 

Leises Wimmern und gelegentliches Schluchzen störten die Stille, die hier beängstigent herrschte.

Der alte Mann öffnete die Augen und suchte nach dem Quell der Laute. Er sah eine junge Frau, die an die Schulter ihres Mannes gelehnt leise weinte, in ihren Armen ein Neugeborenes, das friedlich schlief.

"Weinet nicht" hob er die Stimme an. "Denn das Himmelreich wird euer sein. Der Herr sandte uns seinen Sohn Jesus Christus um uns zu erlösen von unseren Sünden. Es wird dereinst der Tag kommen, an dem Gericht gehalten wird über die Menschheit. Aber so ihr eure Sünden bereut und Buße tut, so werdet ihr Einlaß finden in das Paradies."

"Amen." Beendeten einige Mitgefangenen die kurze Rede des Mannes.

"Aber warum Johannes läßt Gott es zu, das wir hier sterben werden. Erschlagen von römischen Gladiatoren und zerfleischt von wilden Bestien?" fragte der junge Mann der Frau.

"Wenn einst der Tag des Jüngsten Gerichts anbrechen wird" fuhr der alte Mann fort " so werden ihm schreckliche Zeiten vorauseilen. Krieg und Hunger, Krankheit und Tod werden die Erde verwüsten…"

"Alter Mann," stieß ein weiterer Gefangener abfällig hervor. "Was wißt ihr schon über Krieg und Hunger, Krankheit und Tod? Was von den schrecklichen Zeiten? Ich habe sie erlebt. Ich war der Sklave eures Kriegs und Hungers, der Krankheit und des Todes. Wollt ihr eine Geschichte hören? Eine Geschichte die so wahr ist wie ich, der ich vor euch stehe."

 

 

Bordeaux,

1997

 

"Ich mochte Silas!"

Das Echo seiner eigenen Stimme hallte in seinem Kopf nach. Fern und unwirklich als wäre es ein Traum, der langsam zu verblassen begann.

"Du warst niemals mein Bruder."

Nein, das stimmte nicht. Es gab mal eine Zeit, da waren sie Brüder, aber das ist lange her. Als Methos das Schwert gegen Silas hob war es das Gefühl des Bedauerns, das sich in ihm breit machte. Bedauern darüber, das Silas sich nicht geändert hatte.

"Wir leben, wir werden stärken und dann – dann kämpfen wir."

Silas Worte – nein - seine eigenen Worte, vor einer Ewigkeit ausgesprochen in der Euphorie ihrer Zusammengehörigkeit, dem Wissen ihrer Unbesiegbarkeit. Ja sie lebten, sie wurden stärker, sie kämpften. Aber er, Methos wurde in seiner im eigenen Art noch stärker, er lernte seinen Kopf, seinen Verstand zu mehr zu benutzen als dem Plan ihres nächsten Raubzugs. Aber Silas wurde nicht stärker, er war derselbe wie damals, als sie sich trennten.

Methos wußte die ganze Zeit wo er Silas hätte finden können, aber er wagte nicht ihn aufzusuchen. So wie er Angst hatte Kronos zu begegnen, so hatte er Angst Silas zu begegnen. Hatte Angst davor herauszufinden, das Silas noch immer genauso war, wie vor über zweitausend Jahren. Ein Mann, mit dem ihm innigste Freundschaft verbunden hatte, und mit dem er nun nichts mehr anfangen konnte, der ihn höchstens noch an sein eigenes ich, seine eigene ruhmlose Vergangenheit erinnerte.

***

Methos holte tief Luft und öffnete die Fahrertür seines Landrovers. Er raffte seinen langen schwarzen Mantel und setzte sich hinter das Lenkrad. Er wollte gerade den Zündschlüssel umdrehen, doch dann hielt er einen Augenblick inne und drehte sich noch einmal zu dem alten Gebäude im Hafen um. Ein leichtes ironisches Lächeln umspielte seine Lippen. Auf seine eigene Weise hatte sich Silas unsterblich gemacht. Sich selbst und die vier Reiter der Apokalypse. Methos hatte ihre Überfälle damals so in Szene gesetzt, das sie über die Jahrhunderte hinweg in Legenden und Märchen lebendig blieben. Aber die Zeit ist ein beständiger und unermüdlicher Helfer wenn es darum geht Erinnerungen auszulöschen. Und die Menschen hätten die Taten der vier Reiter längst vergessen – wäre nicht Silas gewesen.

Hätte er nicht am richtigen Ort, zur richtigen Zeit, das Richtige getan, um ihre Legende unsterblich zu machen.

 

 

EPILOG

 

Die Kraft des Sommers hatte die Sonne schon lange verlassen, und so spendeten ihre Strahlen eine nur noch milde Wärme, die auf die spätherbstliche Landschaft herniederschien. Vom Meer her wehte eine sanfte Brise und trug die salzhaltige frische Luft weit in das Inselinnere hinein. Vereinzelt raschelten das silbergrünen Laub der Olivenbäume, und gab die Sicht auf deren dunkelvioletten Früchte frei. In den Gärten blitzten die ersten Zitrusfrüchte gelb und orange zwischen dem satten Grün der Bäume auf und bildeten einen wohltuenden Kontrast zu der vom Sommer verbrannten Erde.

Johannes betrachtete die Gärten vor dem kleinen weißgetünchten Haus lange, und es war ihm als könnte er in ihrer Ruhe und in ihrem Frieden für ewig untertauchen. Als hätte er Angst davor, löste er den Blick und sah hinaus aufs Meer, dort wo sich hinter dem Horizont am Festland die Stadt Epheseus befinden mußte. Seine Gedanken wanderten zurück. Zurück zu jenen schrecklichen Ereignissen die ihm in dieser Stadt wiederfuhren. Zurück zu denjenigen seiner Glaubensgemeinschaft, die in allen römischen Städten unter der Verfolgung zu leiden hatten, und zu jenen, die für ihren Glauben sterben mußten, abgeschlachtet wie Vieh zum Vergnügen der Zuschauer.

Er schloß die Augen unter der Pein, die ihm diese Erinnerungen verursachten, aber die Bilder in seinem Kopf wollten nicht verschwinden. Sie wandelten sich. Aus den in Todesangst schreienden Menschen in der Arena, wurden schreiende Menschen aus einer Stadt. Aus den Gladiatoren und Löwen wurden kriegerische Reiter, denen Verwüstung, Krankheit, Hunger und Tod folgten. Aus den, von den Zuschauern in die Arena geworfenen Blumen wurden glühende Steine, die Häuser und Felder verbrannten. Geisterwesen riefen die Könige dieser Welt zu sich zu einem mystischen Ort um sie zum allesvernichtenden Krieg aufzurufen. Denn nun ist das Ende der Welt nahe und dem Tag des jüngsten Gerichts geht unvorstellbares Grauen voraus.

Er öffnete hastig und voller Angst wieder die Augen und schien unendlich erleichtert über die friedfertige Ruhe, die ihn umgab. Er senkte den Kopf und sah, das sich seine Finger noch immer in den weißen Stein des Fensterrahmens gekrallt hatten. Langsam löste er die knochigen Hände und faßte nach seinem Gehstock, um zu dem kleinen Tisch inmitten des Zimmers zu gehen. Er setzte sich und tauchte die Feder in die Tinte. Einige Zeit starrte er nur auf das bräunliche Pergament, voller Angst jenes niederschreiben zu müssen, was er in seinen Visionen gesehen hatte. Schließlich setzte er mit einem Ruck die Feder an und begann zu schreiben, hastig als hätte er Angst es nicht vollenden zu können, bevor das Grauen Wirklichkeit wurde.

 

Und ich sah, als das Lamm eines von den sieben Siegeln öffnete, und hörte eines von den vier lebendigen Wesen wie mit einer Donnerstimme sagen: Komm!
Und ich sah: und siehe, ein weißes Pferd, und der darauf saß, hatte einen Bogen; und ihm wurde ein Siegeskranz gegeben, und er zog aus, siegend und um zu siegen.
Und als es das zweite Siegel öffnete, hörte ich das zweite lebendige Wesen sagen: Komm!
Und es zog aus ein anderes, ein feuerrotes Pferd; und dem, der darauf saß, ihm wurde gegeben, den Frieden von der Erde zu nehmen und die Menschen dahin zu bringen, daß sie einander schlachteten; und ihm wurde ein großes Schwert gegeben.
Und als es das dritte Siegel öffnete, hörte ich das dritte lebendige Wesen sagen: Komm! Und ich sah: und siehe, ein schwarzes Pferd, und der darauf saß, hatte eine Waage in seiner Hand.
Und ich hörte etwas wie eine Stimme inmitten der vier lebendigen Wesen, die sagte: Ein Maß Weizen für einen Denar und drei Maß Gerste für einen Denar! Und dem Öl und dem Wein füge keinen Schaden zu!
Und als es das vierte Siegel öffnete, hörte ich die Stimme des vierten lebendigen Wesens sagen: Komm!
Und ich sah: und siehe, ein fahles Pferd, und der darauf saß, dessen Name ist Tod; und der Hades folgte ihm. Und ihnen wurde Macht gegeben über den vierten Teil der Erde, zu töten mit dem Schwert und mit Hunger und mit Pest und durch die wilden Tiere der Erde….

 

 

ENDE

 

 

 

 

Johannes der Evangelist war ein Apostel Jesus und der Bruders des Apostels Jakobs des Älteren. Nach dem Tod Jesus zog er mit dessen Mutter Maria nach Epheseus. Als unter Kaiser Domitian 81 n. Chr. die ersten Christenverfolgungen begannen wurde er auf dessen Befehl hin auf die griechische Insel Patmos verbannt wo er angeblich aufgrund seiner Visionen das Johannesevangelium verfaßte. Johannes verstarb Anfang des 2 Jahrhunderts hochbetagt in Ephesus.

 

Das Johannesevangelium ist das letzte Buch im neuen Testament und dessen Kernaussage sind die Prophezeiungen um das Ende der Zeiten. Also die Geschehnisse die dem Weltuntergang vorausgehen. Mittlerweile ist es umstritten, daß Johannes selbst der Verfasser dieser Texte ist.

 

Aus theologischer Sicht sollte die Offenbarung 6 und die Wiederkehr Christi den verfolgten Christen im römischen Reich Hoffnung und Stärke geben, die Apokalypse sollte sie auf die grausamen Greueltaten, die ihnen in den Arenen bevorstanden, vorbereiten.