ANTWORTEN
Selena
Ich glaubte, ich würde deine Stimme in mir zum Schweigen bringen, als ich dich tötete. War es das, was du meintest, als du schworst, mächtiger zu werden, als ich es mir vorstellen könne? Dieses unstillbare Bedürfnis, mit dir zu sprechen, sich mit dir auseinander zu setzen? Ich hatte angenommen, dein Tod würde mich endgültig von diesem kindischen Drang befreien.
Es liegt an dem Jungen, vermute ich, zumindest zum Teil. Wenn ich auch sonst keinen Grund für die Mischung aus Haß und Dankbarkeit hätte, die du immer in mir hast beschwören können, dann wäre mir durch die Enthüllungen der letzten Jahre einer gegeben worden. Es war weise von dir, meinen Sohn zu verstecken, daran zweifle ich nicht. Für den Imperator war ein erwachsener Lehrling nützlicher als ein Säugling mit Machtpotential, und die Prophezeiung hat nie aufgehört, ihn zu beunruhigen. Aller Wahrscheinlichkeit nach hätte er das Kind umgebracht. Dennoch, du hast mir meinen Sohn genommen und mir sogar das Wissen um seine Existenz verweigert. Wenn ich über die Macht verfügte, dich von den Toten zu erwecken, um dich dafür noch einmal zu erschlagen, ich würde es tun.
Weißt du, daß ich nach Tatooine zurückgekehrt bin? Ich hatte mir geschworen, das nie wieder zu tun, und das war dir ohne jeden Zweifel bewusst. Du hast mich immer so klar durchschauen können, als sei ich aus Glas, wenn ich es nicht wollte, und so gut wie niemals, wenn ich es mir wünschte. Als ich seine Identität entdeckt hatte, kehrte ich dennoch nach Tatooine zurück, um herauszufinden, was du sonst noch dort vor mir verborgen hattest. Nein, ich glaubte nicht mehr, sie dort zu finden. Aber ich hielt es für möglich, Hinweise zu entdecken. Diejenigen, die mit dir und dem Jungen in Verbindung gestanden hatten, mochten sich an das ein oder andere erinnern.
Natürlich hatte diese Suche einen Zweck. Wenn er seine frühe Kindheit mit ihr verbracht hätte, dann besäße er einige Erinnerungen, die es mir erleichtern würden, ihn zu erreichen. Aber alles, was ich auf Tatooine fand, war das, was ich dort zurückgelassen hatte. Gräber und Ruinen.
Du würdest mich jetzt zweifellos darauf aufmerksam machen, daß wir uns unsere eigene Strafe erschaffen. Schließlich müssen es meine Truppen gewesen sein, die Owen Lars und seine Frau getötet und es mir ein für allemal unmöglich gemacht haben, die beiden über den Jungen zu befragen, über sie, oder über dich.
Du hattest immer ein Talent für den wiederholten Hinweis auf das Offensichtliche. Obwohl du mir nun entgegnen könntest, daß meine Tendenz dazu, meine Lektionen zu vergessen, diese Wiederholungen nötig machten.
Der Imperator sagte erst vor kurzem etwas Ähnliches zu mir. Es war meine erste Begegnung mit ihm, seit ich meinen Sohn dabei beobachtet hatte, wie er von Bespin floh. Zu diesem Zeitpunkt hatte er erfaßt, daß ich bereits seit etwa zwei Jahren über Luke bescheid gewusst und nach ihm gesucht hatte, ehe er schließlich spürte, daß es, wie er sich ausdrückte, „einen neuen Feind in der Macht“ gab. Einen neuen Feind, dessen Gefangennahme oder Tod ich versprochen hatte, ohne mein Versprechen zu halten.
“Ihr habt also Geheimnisse vor mir”, sagte er. „Es verblüfft mich, daß Ihr nach all den Jahren immer noch dazu neigt, Eure Lektionen zu vergessen. Sogar die älteste. Es gibt keine Geheimnisse vor mir. Es gibt nichts an Euch, das mir nicht gehört. Ihr werdet Eure Lektion noch einmal lernen müssen, mein Freund.“
Dann ging er dazu über, mich so zu bestrafen, wie es nur jemand mit seiner Gewalt über die Macht tun kann. Ist ihm bewusst, daß ich davon träume, ihn zu töten? Natürlich weiß er es. Dies ist der einzige Weg für einen Sith,, vom Schüler zum Meister zu werden, und er grollt mir deswegen nicht im geringsten; er ist sich völlig sicher, daß ich es nie fertig bringen werde. Außerdem betrachtet er meinen Haß als Nahrung, so wie er sich einst an dem Respekt und der Bewunderung genährt hat, die ich für ihn empfand, als ich noch mit meinen eigenen Lungen atmen konnte.
“Ihr wart so ein naiver Junge”, sagte er mehr als einmal zu mir, als ich mich mit seiner und deiner Hilfe neu erschaffen hatte. „So leicht zu manipulieren. Höchst belustigend. Ich wundere mich immer noch, daß Obi-Wan nie dazu imstande war, wenn man bedenkt, welche Macht er über Euch hatte, aber Obi-Wan war nie besonders hellsichtig in diesen Dingen, nicht wahr?“
In den ersten Jahren kam er sehr häufig auf dich zu sprechen, um meinen Haß zu spüren, und ihn noch mehr anzufachen, während ich für ihn tötete, was von den Jedi noch übrig war. Alle außer dir, versteht sich. Ich wusste immer, daß du noch am Leben warst, aber ich suchte nicht nach dir, zumindest damals nicht. Ich wollte, daß du zuerst Zeuge wurdest, wie ich alles zerstörte, was dir je etwas bedeutet hat.
“Welche Leidenschaft”, sagte er, als er diesen Gedanken erfasste. „Und die Jedi wussten nie wirklich, was sie damit anfangen sollten, wie, mein sehr junger Lehrling? Nur unsere liebe Padmé wusste das.“
Damals versuchte ich ihn zum ersten Mal als Sith zu töten. Natürlich war er darauf vorbereitet. Er ist nicht unsterblich, so gerne er auch glauben möchte, er sei es, aber ich lernte an jenem Tag wieder, daß niemand ihn je töten wird, wenn er darauf vorbereitet ist. Er hat mich auch besser gelehrt, mich zu beherrschen, als du es je fertig brachtest. Nicht mehr zu reagieren, war die einzige Möglichkeit, ihn davon abzuhalten, sie wieder und wieder zu erwähnen.
Er hat dich unterschätzt. Wie sich herausstellte, beherrschtest du die Kunst der Manipulation sehr wohl, wenn du nur wolltest. Tatooine zu wählen, war meisterhaft, ich sagte es schon. Dem Jungen zu erzählen, ich hätte seinen Vater getötet, nein, „verraten und ermordet“, so drücktest du dich aus, glaube ich, wenn er dich wörtlich zitiert hat. Erst, als er das zu mir sagte, begriff ich, daß du deinen Tod in dem Moment gewählt hast, als du sicher warst, daß er sehen konnte, wie ich dich töte. Du wolltest wirklich dafür sorgen, daß er mich haßt, nicht wahr?
Ich frage mich, ob du mich damit bestrafen wolltest. Aber nein, eine solche Denkweise stand unter deiner Würde. Es würde auf Ressentiment und Rachsucht hinweisen, und der vollkommene Jedi, der du warst, würde solchen kleinlichen Gefühlen nie nachgeben. Zweifellos hast du es für die gute Sache getan. Um ihn zu der Waffe zu schmieden, die mich und meinen Meister besiegen kann. Alles zum Guten der Sache.
Wenn du dich je bekehrt hättest, wärest du der größte aller Sith geworden. Selbst Palpatine hätte sich nie mit dir messen können.
Ich habe vor kurzem von dir geträumt. Das ist an sich nichts Ungewöhnliches, aber was mein Gedächtnis hervorzerrte, war weder der Tag, an dem ich dich tötete, noch der Tag, an dem du mich getötet hast, oder mir, wie der Imperator es ausdrückt, zur Wiedergeburt verhalfst. An diese beiden Erinnerungen bin ich gewohnt, und sie überraschen mich nicht länger, wenn sie mich in meinem Schlaf aufsuchen. Aber als ich das letzte Mal von dir träumte, warst du nicht der gebrechliche, alte Fremde, den ich auf dem Todesstern sah, noch der strafende Meister inmitten von Feuer. Nein, du warst so, wie du aussahst, als ich dir zuerst begegnet bin: ein junger Padawan.
Die Erinnerung, mit der mein Traum begann, ließ sich genau festlegen. Wir wohnten Qui-Gons Verbrennung bei, und du wandtest dich mir zu, um mir mitzuteilen, daß du mich zum Jedi ausbilden würdest. Es war das erste Mal, daß du mich direkt anredetest, das weiß ich noch. Die Überraschung war in diesem Moment größer als jedes andere Gefühl, denn ich erinnerte mich klar und deutlich, wie du Qui-Gon sagtest, daß ich gefährlich sei, und nicht ausgebildet werden sollte.
Nach der Verbrennung nahmst du mich mit dir in den Raum, den man dir in dem Palast von Theed gegeben hatte. Bis dahin hatte man mich bei den Gungans untergebracht, aber nun, sagtest du mir, war es an der Zeit für uns, sich auf unser gemeinsames neues Leben als Meister und Padawan vorzubereiten.
“Aber haßt du mich denn nicht?” fragte ich, da ich noch nicht gelernt hatte, wie ganz und gar unangemessen diese Frage war. Du wirktest verstört und sagtest, daß ein Jedi keinen Haß empfinde, und wie ich überhaupt auf einen solchen Gedanken käme?
Deinen Streit mit Qui-Gon wollte ich nicht erwähnen. Vielleicht war ich ein naives Kind, wie der Imperator so treffend bemerkte, aber es war mir klar, daß du um ihn trauertest, und gewiß an keine Unstimmigkeit erinnert werden wolltest. Aber ich wollte dich auch nicht anlügen, damals nicht. Also entschied ich mich, zu tun, was ich immer getan hatte, wenn ich Watto dazu bringen wollte, mit dem Reden aufzuhören.
“Tut mir leid”, erwiderte ich, und fügte zum ersten Mal hinzu, “Meister”.
In meiner Erinnerung endet diese Szene damit, daß du mir noch einmal versicherst, „Ich hasse dich nicht, Anakin“, und dazu übergehst, mein Haar zu schneiden, damit ich wie ein Jedi-Padawan aussehen würde. Niemand außer meiner Mutter hatte das je getan, und ich war erstaunt darüber, wie natürlich es sich anfühlte. Du hattest mich nie zuvor berührt, bis auf das eine Händeschütteln, und doch nahmst du mein Haar mit der größten Selbstverständlichkeit in deine Hände, und begannst mit dem Schneiden, als hättest du es dein ganzes Leben lang getan. Deine Hand fühlte sich merkwürdig an meinem Hals an, daran erinnere ich mich, stark und doch viel geschmeidiger als die meiner Mutter, obwohl sie eine Frau und du ein Mann warst. Aber deine Hände trugen nie die Schwielen, die für Sklaven natürlich sind.
In meinem jüngsten Traum jedoch endete die Szene ganz anders. Du starrtest mich an und sagtest: „Nein, es tut dir nicht leid. Du bist zum Tod geworden, zum Zerstörer von Welten. Und doch benimmst du dich immer noch, als ob ich dir etwas schulde. Ich habe dir meinen eigenen Tod gegeben. Was um alles in der Welt willst du noch von mir?“
Plötzlich saßen wir in einem der Nachtclubs von Coruscant. Wir waren beide mehrere Jahre älter, und bei uns war mit der größten Selbstverständlichkeit Palpatine. Nicht der Imperator, dem ich gehorche, sondern der Kanzler, dessen Aufmerksamkeit mir seinerzeit das Gefühl gab, wirklich der größte der Jedi werden zu können. So etwas hat sich natürlich nie zugetragen; ganz abgesehen von allem anderen glaube ich nicht, daß du und er während all der Jahre meiner Ausbildung je gleichzeitig mit mir allein wart. Aber in meinem Traum saht ihr mich beide an, und Palpatine sagte:
“Er hat völlig recht. Ich habe Euch das wirklich oft genug erklärt. Das ist der Grund, warum Ihr nie in der Lage wart, der Meister zu sein, statt der Schüler. Ihr könnt Eure lächerlichen Bindungen nicht loslassen. Schaut Euch doch an. Immer noch dabei, mit einem toten Mann zu streiten, immer noch besessen von einer toten Frau, und jetzt auch noch von der Vorstellung der Vaterschaft.“
„Du hast nichts gelernt“, stimmtest du zu, und schütteltest deinen Kopf. „Und was hättest du getan, Anakin, wenn du von dem Jungen gewusst hättest?“
“Anakin ist tot”, antwortete ich.
Wieder starrtest du mich an. „Dann gibt es nichts mehr zu sagen.“
Palpatine lachte, während du verschwandest, so plötzlich und vollständig, wie du es getan hast, als mein Schwert dich traf. Und ich erwachte.
Es beschäftigt mich immer noch. Du sagtest einmal zu mir, daß Träume mit der Zeit verblassen, doch es klang noch nicht einmal so, als ob du es selbst glaubtest. Natürlich besteht die Möglichkeit, daß dieser spezielle Traum nur eine weitere Strafmaßnahme des Imperators war, um mich dafür büßen zu lassen, daß ich meinen Sohn weder gefangen genommen noch getötet habe. Aber ich erinnere mich auch, was du zu mir sagtest, ehe du starbst. Ich erinnere mich an den Kodex der Jedi, den du mich oft genug hast deklamieren lassen. Ich erinnere mich, wie er endet.
Es gibt keinen Tod, es gibt nur die Macht.
Jahre nach seinem Tod glaubte ich einmal, Qui-Gons Stimme zu hören. Um der Wahrheit die Ehre zu geben, ich war mir sogar sicher, daß ich sie hörte, aber die anderen Stimmen, die in jener Nacht zu mir sprachen, waren unendlich mächtiger und übertönten ihn mit ihrem Lied von Rache und Tod. Was deine Stimme betrifft... ich rede so häufig in Gedanken mit dir, daß ich mir einfach nicht sicher sein kann. Wenn es nicht Palpatine war, kannst es wirklich du gewesen sein? Du, in einem Versuch, mit mir zu sprechen?
Wenn du es warst, dann laß mich dir noch einmal antworten. Hier, wo niemand uns hören kann. Ich bin immer noch nicht sicher, was ich getan hätte, wenn ich von dem Kind gewusst hätte. Aber ich weiß sehr wohl, was ich von dir wollte. Es ist demütigend, auch nur daran zu denken, denn ihr hattet beide recht, meine Meister. Es ist ein so unreifes, kindisches Bedürfnis, und ich hätte es schon vor sehr langer Zeit aufgeben sollen.
Aber alles, was ich von dir wollte, war deine Liebe.