Von Anfang bis Ende
Salandra





Dies ist die Geschichte meines Lebens. Von Anfang bis Ende will ich jeden Augenblick beschreiben und nichts Wichtiges auslassen.

Circa 1200 v.Chr., Thermiscyra, am Fluß Thermodon

Meine Stadt, Thermiscyra!
Wie das Leben durch ihre verschmutzen Straßen kriecht, wie die Kinder lachend und weinend hinter ihren Müttern herlaufen oder miteinander am Brunnen auf dem großen Platz in der Mitte meiner Stadt spielen. Alles scheint wie in einer ganz normalen Stadt um die Mittagszeit, mit nur einer Ausnahme. Keine Männer oder solche, die es mal werden wollen. Nein. In meiner Stadt leben nur Frauen, Frauen wie ich und meine Schwestern.
Wir sind Amazonen, so nennen sie uns wenigsten. Die Brustlosen, die Mannesgleichen. Aber das sind wir nicht, wir leben wie wir sind und wie uns Ares geschaffen hat. Natürlich kämpfen wir nicht den ganzen Tag. Einige von uns, die, die nicht zum Kampf geboren sind, kümmern sich um unsere Töchter, bestellen die Felder rund um unsere Stadt und wieder andere züchten unsere schnellen und starken Pferde.
Leider sind das nicht meine Arbeiten gewesen. Ich wäre gerne eine Amme oder eine Pferdezüchterin, wirklich. Aber meine Stärke ist nun mal der Kampf, besonders der Schwertkampf. Ich hasse ihn, ich hasse alles, was mit Krieg zu tun hat, aber das ist es, was meine Königin von mir und den anderen Kriegerinnen verlangt. Neben dem Kampf gilt die Jagd als unsere zweitwichtigste Aufgabe. Sie ist eine meiner liebsten Beschäftigungen und gibt mir das Gefühl, mächtig und stark gegenüber meiner Beute zu sein, aber die Jagd an sich hat etwas ganz besonders Reizvolles. Das Aufspüren der Beute, die Verfolgung und dann der tödliche Speerstoß. Ja, das ist es, was ich liebe und ich verbrachte eine Menge meiner Zeit auf der Jagd und in den Wäldern rund um Thermiscyra.
Aber dann nahm diese wunderbare und ruhige Zeit ein jähes Ende. Meine Königin, Penthesilea, hatte beschlossen, sich am Krieg um Troja und die schöne Helena zu beteiligen. Sie rief ihre dreizehn besten Kriegerinnen zusammen und erklärte uns in wenigen Worten ihren Entschluß. Einfach und vollkommen unkompliziert.
Wir saßen im Halbkreis um ein großes Feuer im Innenhof des Hauptgebäudes und SIE stand vor uns, graziös und schön wie immer. Sie trug eine vergoldete Rüstung und ihr Haar schimmerte im organgefarbenen Schein des prasselnden Feuers. Als sich ihre Stimme erhob, zuckte ich zusammen und starrte sie verschreckt an. Ich ahnte, was nun kommen würde. Pen zog nur mit zwölf Kriegerinnen nach Troja und würde mich zurücklassen, ich, die ich noch so jung war, so unerfahren. Die anderen überragten mich alle an Kampfeskraft, Mut und Erfahrung. Einige von ihnen zählten schon an die dreißig und gehörten somit zu den Ältesten.
"Ich habe euch, meine Schwestern, heute Nacht hierher gerufen um euch mitzuteilen, daß wir morgen früh nach Troja aufbrechen. Stellt jetzt keine Fragen und geht bitte sofort schlafen, morgen früh werden wir reiten." Sie erhob traurig ihre rechte Hand und ließ sie kurz über unsere Köpfe gleiten, so als ob sie uns segnen wollte. Eine Träne, winzig in ihrer Erscheinung, doch durch den Feuerschein gut zu erkennen, entsprang ihrem rechten Auge. Wir kannten ihren Schmerz und ihre Trauer. Gestern starb ihre Schwester Hippolyte, getötet von ihr, unserer Prinzessin, auf der Jagd. Ich war dabei, noch immer konnte ich ihren Schmerzenschrei hören, und jetzt wollte sie in den Krieg ziehen, und sie wollte mich mitnehmen, oder vielleicht doch nicht? Ich konnte es nicht fassen. Einerseits war ich wie gelähmt, denn ich haßte den Krieg, viele meiner Freundinnen starben im Kampf und ich wurde nur ausgebildet um ihnen zu folgen, andererseits liebte ich den Kampf, sich zu beweisen und den Gegner in die Enge zu treiben. Ich zählte erst achtzehn Sommer, aber ich kämpfte schon wie ein Bär, mit der Besonnenheit eines Fuchses und der Gewandtheit und Schnelligkeit eines Wiesels.
Wir erhoben uns und deuteten eine knappe Verbeugung vor unserer Herrin an, dann gingen wir in der vorgeschriebene Reihenfolge unseres Ranges aus dem Innenhof. Ich als Letzte, da ich die Jüngste und Unerfahrenste von allen war. Ganz in meine Gedanken versunken trottete ich hinter den anderen her, als mich Pens Ruf ereilte.
"Sala!", Sie benutze die Kurzform meines Namens, seltsam, sie nutze diese Form niemals.
Ich drehte mich um und blickte sie fragend an. "Meine Königin?"
Sie lächelte und kam auf mich zu. "Du bist verwirrt, Kleines, nicht wahr?"
Ich nickte schwach. "Ich kann nicht verstehen, warum...?"
Ihr Lächeln erfüllte mein Herz mit Trauer. Sie versuchte geschickt ihren Schmerz zu übertünchen, aber in ihren Augen standen noch immer die Tränen. "Ich wollte das du mich begleitest."
"Warum?", fragte ich ein zweites Mal. Wieder lächelte sie.
"Weil du meine Nachfolgerin werden sollst, jetzt wo...", sie blickte weg und starrte wie gebannt in das Feuer, welches noch immer frech vor sich hinprasselte.
Mein Herz schlug plötzlich schneller, und ich starrte sie aus weitgeöffneten Augen an.
Sie lächelte mich plötzlich wieder fast liebevoll an. "Du warst immer wie eine Schwester für mich, mehr noch, wie eine Tochter. Hippolyte warst du eine Freundin und Schwester. Sala, ich liebe dich und wünsche, das du meine Nachfolgerin wirst, jetzt wo sie tot ist. Falls ich diesen Krieg nicht überleben sollte. Und aus diesem Grund mußt du mit, die anderen sollen dich schätzen lernen, wie solltest du sie führen, wenn sie sich nicht von dir führen lassen wolle?"
Ich stutze, ich war nur eine einfache Novizin und sie wollte mich als ihre Nachfolgerin? Wieso?
"Meine Königin....Ich verstehe Euch nicht. Wieso erwählt Ihr mich und nicht eine von den anderen Zwölf, die...."
Pen lächelte liebevoll. "Weil dich die anderen Novizinnen und die älteren Frauen schätzen. Du hast zwar keine Kampferfahrung, aber du wirst hier gemocht, und nur das zählt. Auf der Jagd hast du Führungsqualitäten bewiesen und in der folgenden Schlacht wirst du dich behaupten müssen."
Ich nickte schüchtern. Sie wollte mich als ihre Nachfolgerin. Mich. Ihr jetzt einen Korb zu geben, würde schreckliche Folgen haben, Verbannung oder ähnliches. Ich lächelte sie also zaghaft an. "Meine Königin, ihr werdet nicht sterben. Ihr kämpft besser als wir alle zusammen, wer also sollte so stark sein, euch zu töten?"
"Dein Vertrauen in mich ehrt dich, Sala. Du wirst dich Bremusa anschließen und ihr helfen, die Rüstungen und die Pferde der anderen vorzubereiten, damit wir morgen in aller Frühe losreiten können. Nun schau mich nicht so verzweifelt an, mein Entschluß steht fest, du wirst uns begleiten."
"Meine Königin, ich wage nicht euch zu widersprechen, aber ich muß zu bedenken geben, das ich noch nicht einmal das Kampfesalter erreicht habe."
Plötzlich glomm eine lodernde Flamme in ihren Augen auf. "Ich bin der festen Überzeugung, Kleines, das keine andere besser geeignet wäre, uns zu begleiten und an unserer Seite den Kampf zu bestreiten, als du. Du bist die beste Kämpferin der Auszubildenden - keine hält das Schwert oder wirft den Speer so wie du. Du reitest wie der Wind, bist flink und gewandt, ob zu Pferd oder zu Fuß. Du sollst es sein, also keine Widerrede."
Sie lächelte mich an und drohte spielerisch mit ihrem Zeigefinger. Ich konnte mir ein Grinsen nicht verkneifen. "Wie Ihr wünscht." Ich deutete eine knapper Verbeugung an und wollte mich zurückziehen.
"Warte. Ich habe dich noch nicht entlassen." Mist, schoß es mir durch den Kopf. Die Prinzessin so zu beleidigen konnte fatale Folgen haben. "Du schläfst heute Nacht in meine Gemächern und morgen sollst du meine alte Rüstung tragen. Jeder soll sehen, wen ich erwählt habe." Mir stockte der Atem, anscheinend war es mit der Nachfolgebestimmung noch nicht genug, jetzt sollte ich auch noch ihre Rüstung tragen!
Ich nickte. "Ich danke Euch, Herrin."
"Ab heute nennst du mich Pen, und nicht mehr Herrin. Wir sind Kampfgefährtinnen, wir müssen uns vertrauen und uns schätzen lernen. Geh jetzt zu Bremusa und dann komme in meine Gemächer."
Ich lächelte sie nochmals dankbar an und zog mich dann eilig zurück. Heute Nacht würde ich mit der Prinzessin essen und in ihren Gemächern schlafen. Sie erwählte mich als ihre Nachfolgerin und gab mir ihre Rüstung. Wenn das nicht ausreichte um selbst als Prinzessin verehrt zu werden, wüßte ich nicht, was noch nötig wäre. Dieser Hochmut sollte bald meinen tiefen Fall bedeuten, aber ich war dumm und unerfahren. Das Verhalten der Prinzessin löste in mir einen wahren Sturm von Glücksgefühlen und "Wolke- Sieben"- Feelings aus.

Am Morgen des nächsten Tages machten wir uns auf den Weg Richtung Troja. Wir beschlossen den Landweg zu nehmen und dann an der besagten Meerenge überzusetzen. Mir schien das der geeignetste Weg, denn wir Amazonen waren allesamt wasserscheu.
Wir waren dreizehn, gut beritten und in unsere goldenen und silbernen Rüstungen gekleidet zogen wir aus unserer geliebten Stadt dem Verderben entgegen.

Troja, circa 1200 v.Chr.

Nach wochenlanger und beschwerlicher Reise erreichten wir endlich unser Ziel. Troja.
Die Stadt erhob sich majestätisch in ihrer ganzen Schönheit vor uns. Die jahrelange Belagerung der Griechen schien den Mauern nichts geschadet zu haben. Doch vor der Stadt erhob sich der mächtige Belagerungsring der Griechen und sie versperrten uns demonstrativ den Weg.
Pen ritt voran, ich kurz hinter ihr und dann die anderen, eine schöner und stärker als die andere, doch Pen überstrahlte sie alle. Majestätisch und graziös ritt sie auf die geschlossene Linie der Griechen zu und befahl ihnen, den Weg nach Troja freizugeben. Ich konnte mir ein Lächeln nicht verkneifen, als sich langsam ihre Reihen öffneten und sie uns staunend hindurch ließen. Wir näherten uns vorsichtig dem mächtigen Stadttor und auch dieses öffnete sich wie von Geisterhand, als Pen davor stand.
Langsam setzte sie ihren Hengst in Bewegung und wir folgten ihr. Wenige Augenblicke später waren wir in der Stadt, deretwegen wir gekommen waren. Die Menschen hatten sich auf der Hauptstraße versammelt und jubelten uns hoffnungsvoll zu. Pen und die anderen lächelten ihnen würdevoll entgegen, doch ich konnte trotz der Freude, die uns entgegenschlug, nicht lächeln, noch nicht einmal meine Mundwinkel konnte ich zu einem scheinbaren Ansatz eines Lächelns bewegen. Irgend etwas stimmt hier ganz und gar nicht. Ein flaues Gefühl machte sich in meiner Magengegend breit, als ich Priamos erblickte. Er stand auf der Treppe am Fuße des Tempels, an dem die Hauptstraße vorbeiführte. Er war in Gold und Silber gekleidet und blickte uns glücklich an. Unwillkürlich mußte ich lächeln, als ich die majestätische Gestalt des alten Mannes sah. Ich ritt näher zu Pen und machte sie mit einem Kopfnicken auf die Anwesenheit des Herrschers von Troja aufmerksam. Sie lächelte schwach und gab uns zu verstehen, das wir absitzen sollten. Sie tat es uns gleich und ging zielstrebig auf den König zu. Wir anderen folgten ihr in gebührendem Abstand. Als sie Priamos erreicht hatte, sank sie vor ihm auf die Knie und küßte seine Hand, wir knieten ebenfalls nieder. Unsere Rüstungen schepperten als wir wieder zum Stehen kamen und Pen uns alle zusammenrief.
Sie lächelte würdevoll. "Der König will zu unseren Ehren ein Fest geben, meine Kriegerinnen. Er verlangt von euch, das ihr Kleider tragt. Bitte tut ihm diesen winzigen Gefallen."
Wir lächelten uns an. "Kleider?!", fragte Clonie etwas überreizt. "Was glaubt er, wer wir sind?!"
Pen durchbohrte sie mit eisigen Blicken. "Du wirst dich seinem Willen unterwerfen, Schwester. Immerhin sind wir hier zu Gast."
"Ja, und was für Gäste!", lachte Bremusa. "Wir werden für sie sterben, wenn es sein muß, also laßt uns die letzten Stunden unseres Lebens genießen."
Pen lächelte ihr zu. Wie immer war Bremusa die einzige, die an solchen sinnlosen Gelagen Gefallen finden konnte. Ich konnte es nicht. Ich spürte förmlich die Gefahr, die von dem vor der Stadt lagernden Heer ausging, und sie machte mich fast wahnsinnig. Nichts wünschte ich mir sehnlicher, als endlich hinaus auf das Schlachtfeld zu reiten und diesen verdammten Griechen zu zeigen, wer wir waren und was wir konnten. Oh, ich hasse die Ruhe vor dem Sturm und ich haßte Priamos dafür, daß er hier eine solche Farce abziehen mußte. Pen und die anderen hatten dringend Schlaf nötig, wenn sie den morgigen Tag unbeschadet überstehen wollte und was taten sie stattdessen? Feiern.

Die kleine Party entpuppte sich wie erwartet als großes Saufgelage. Hektors Tod war vergessen und man begoß eifrig unseren morgigen Sieg. Pen und die anderen amüsierten sich köstlich, nur ich nicht. Irgendwie schmeckte mir die ganze absurde Situation nicht. Und da war der Grund meines schlechten Gewissens, wie ich meinte. Hinter einer steinernen Säule stand eine Frau und winkte mir eifrig zu. Ich erhob mich langsam von meinem Platz neben irgendeinem unwichtigen Offizier des Priamos und ging auf die Frau im Priestergewand zu.
Sie lächelte mich an, als ich nahe genug war. "Ich bin Cassandra, die Hohepriesterin.", sagte sie und gab mir ihre Hand.
Ich nickte höflich. "Und ich bin Salandra, Penthesileas rechtmäßige Erbin und Kampfgefährtin. Was wünscht Ihr von mir?", fragte ich steif.
Cassandra lächelte. "Du sollst wissen, daß ihr alle den morgigen Tag nicht überleben werdet, wenn ihr am Kampf der Trojaner teilnehmt."
Ich nickte abwesend. "Das habe ich fast befürchtet. Du hast das zweite Gesicht?"
Sie nickte. "Ich verdamme mich selbst dafür, aber ich kann nichts dagegen tun. Du sollst wissen, das ihr alle sterben werdet, alle..."
Ich lächelte schwach. "Ich weiß."
"Werdet Ihr trotzdem kämpfen?", fragte sie beinahe hoffnungsvoll.
Ich nickte stumm.
"Auch das habe ich gesehen."
"Wir müssen kämpfen, auch wenn wir sterben sollten. Es ist einfach unsere Pflicht. Die Trojaner werden uns folgen und somit den Sieg erringen können. Wir geben ihnen Mut, Stärke und neuen Kampfgeist."
Cassandra lächelte. "Dann geht."
Ich wollte mich gerade zum gehen wenden, als sie nach meinen Arm griff. "Warte, ich .. muß dir noch etwas sagen."
"Nun gut, dann sprecht."
Cassandra zitterte am ganzen Körper als sie sprach. "Halte dich in Zeus Namen von dem weißen Krieger fern, ich bitte dich, und beschütze Penthesilea vor Achill, ich flehe dich an, bitte." Sie begann jämmerlich Tränen zu vergießen und rannte davon. Ich konnte ihr nur verständnislos hinterherblicken. Wieso in Gottes Namen, sollte Pen sich vor Achill in Acht nehmen und ich mich vor diesem geheimnisvollen Fremden? Ich sollte es bald erfahren. Was hätte ich nur dafür gegeben, von diesem schrecklichen Ort verschwinden zu können. Aber ich konnte es nicht, und eigentlich wollte ich es auch nicht. Das einzige was ich wollte war, mich meinen Ängsten zu stellen, diesem weißen Fremden in den Hintern zu treten und Pen vor diesem möchtegern Anführer namens Achill zu beschützen. Das wollte ich.

Troja, der Tag nach der Ankunft der Amazonenkriegerinnen.Am nächsten Morgen trafen wir uns alle früh auf dem Hauptplatz der zu verteidigenden Stadt. Als ich die anderen sah, stockte mir fast der Atem. Sie trugen ihre schönsten Rüstungen, schimmerten in Gold und Silber und trugen wunderschöne Waffen. Aber als ich Pen, meine geliebte Prinzessin erblickte, kamen mir die Tränen, so schön war sie. Sie trug goldene Beinschienen, einen regenbogenfarbenen Harnisch, und ihr Schwert steckte in einer Scheide aus Silber und Elfenbein. In der einen Hand hielt sie ihren mondförmigen Schild und außerdem zwei Speere, in der anderen eine Hellebarde, die auf beiden Seiten scharf geschliffen war. Ihren Helm zierte eine Mähne goldenen Haares. Sie stand vor uns wie ein Blitz aus der Hand des höchsten Gottes.
Wie anderen waren ähnlich gekleidet und bewaffnet, nur ich trug keine Hellebarde, sondern lediglich meine zwei Schwerter in auf dem Rücken geschnallten Scheiden. In den Händen hielt ich meine zwei Speere und an meiner rechten Seite hing ein vergoldeter Dolch. Meine Brust bedeckte Pens vergoldeter Harnisch aus Elfenbein, doch meine Beinschienen hatte ich nicht angelegt. Auf Grund der Bewegungsfreiheit hatte ich auf zusätzlichen Schutz verzichtet und lediglich meine Langbogen an mein Pferd geschnallt. So sollten wir uns also, prächtig gekleidet, in den Tod stürzen, für eine Sache, die schon längst in den Jahren der Belagerung untergegangen war. Ich verzog die Lippen zu einem bitteren Lächeln. Meine erste und letzte Schlacht - wenn wir die Griechen nicht mittels Kampfeskraft besiegten, dann mußten wir es einfach mit unserer Schönheit schaffen.
Plötzlich hob Pen ihre Hellebare in die Höhe, stieß einen markerschüternden Schrei aus und schwang sich auf ihr Schlachtroß, welches ihr die Thraker geschenkt hatten. Sie ließ es hochsteigen, und wir sprangen behende auf unsere eigenen Schlachtrösser, bereit für den Kampf, für den wir jahrelang trainiert hatten und in dem wir sterben sollten.

Penthesilea ritt durch da Tor voran, welches wir am gestrigen Abend unter großem Jubel passierten. Wir folgen ihr und uns folgten tausende Trojaner, schreiend, brüllend, bereit ihr Leben für diese Stadt zu opfern.
Vor uns hatte sich das gesamte Heer der Griechen zu einer steinernen Mauer erhoben, und wir verteilten uns und ritten die erste Welle der Belagerer nieder, bevor wir zu unseren Waffen griffen und sie mit schweren Schwertschlägen und Hellebarden niederstreckten.
Doch dann fielen die ersten Schwestern. Clonie wurde von ihrem schwarzen Hengst gerissen und verschwand unter tausenden Schwerthieben im Kampfgetümmel, dann Bremusa. Eine nach der anderen verloren sie ihre Leben, aber nicht ohne hunderte von Griechen mit sich in den Tod zu reißen.
Mein Herz schlug schneller und ich hob vor lauter Zorn und Trauer immer heftiger auf die Angreifer ein, dann sah ich Pen und erinnerte mich an Cassandras Worte: Schütze sie vor Achill!
Ich ritt achtlos über die toten Körper der Griechen, um zu ihr zu kommen. Sie kämpfte wie eine Löwin und um sie herum fielen die Griechen wie die Fliegen. Ich betrachtete sie mit erfurchtsvollem Stolz und mir wurde plötzlich klar, das ich niemals in der Lage sein würde, meine Schwestern so wie sie zu führen. Mein Herz füllte sich mit Schmerz und plötzlich war ich unheimlich stolz auf sie, und dann erkannte ich Achill, wie er in seiner goldennen Rüstung vor Pen stand. Unser Heer hatte beinahe die Schiffe der Griechen erreicht und die Trojaner stürmten weiter vorwärts um sie in Brand zu stecken und somit die Versorgung der Griechen zu vernichten. Ich aber konzentrierte mich weiterhin auf Achill, neben ihm stand Ajax. Pen warf ihre beiden Speere auf die Helden der Griechen, die wieder verbissener kämpften, aber ihre Waffen prallten wirkungslos am Schild des Achills und an der Beinschiene des Ajax ab. Ich schrie entsetzt auf, als Achill seinen Speer hob und zum Wurf ansetzte und ritt wie eines Besessene. Schreiend und brüllend kämpfte ich mich durch die schier undurchdringliche Masse der Griechen, doch ich konnte nicht mehr verhindern, das Achills Speer Pen in die Brust traf und sie schwerverletzt zu Boden sank. In meiner Wut erfaßte mich ein übermächtiger Blutrausch und ich mähte durch die Reihen der Griechen auf Achill zu, um mich an ihm zu rächen. Ich sprang von meine Schlachtroß, zog meine beiden Schwerter aus ihren Scheiden und hechtete auf den Krieger zu. Als ich zum Schlag ausholen wollte, stellte sich mir plötzlich ein Mann entgegen. Ich konnte es nicht glauben, er war völlig in weiß gekleidet, schrie mich verhaßt an und erhob ebenfalls sein Schwert. Ich schrie zurück und stürmte auf ihn zu. Mir war es in diesem Augenblick vollkommen egal gegen wen ich kämpfte, hauptsache ich konnte meiner Wut und Trauer irgendwie Luft machen. Ich kämpfte gegen ihn, schrie ihn an und schlug wie paralysiert auf sein Schwert ein. Ich dachte nicht nach, handelte nur nach den Kampfmustern, welche ich jahrelang trainiert hatte und das wurde mir zum Verhängnis. Der Mann in Weiß hob sein Schwert zu einer Finte auf die ich hereinfiel. Er drehte sich um mich herum und stieß sein Schwert durch meinen Rücken. Verwundert blickte ich die Klinge an, welche durch meine Brust heraustrat und mit meinen Blut befleckt war. Er hatte es tatsächlich geschafft, mich, die Erbin Penthesileas, Amazonenprinzessin für wenige Minuten, zu töten. Mich.
Meine Knie gaben plötzlich nach und ich sank nieder. Mit einem furchterregenden Knirschen zog er sein Schwert aus meinem Rücken und ich sackte schweratmend nach vorne.Ich starrte direkt in das Gesicht eines toten Griechen, ehe mich die dankbare Umnachtung des Todes einhüllte.

Plötzlich drehte sich alles, mir wurde schlecht und ich konnte mich nicht bewegen. Alles um mich herum war in Dunkelheit eingehüllt. Vereinzelt hörte ich Stimmen aufschreien. Sie schienen mich zu rufen, aber ich konnte sie nicht einordnen. Ich wollte nur, daß sie aufhörten und mich in Ruhe ließen, aber sie wurden immer lauter und drängten auf mich ein. Ein Ziehen und Schieben machte sich in meiner Brust breit und ein brennender Schmerz begleitet von einem gleißenden Licht schoß durch meinen gesamten Körper. Ich stöhnte laut auf, und wollte mich auf die Seite wälzen, doch starke Hände hielten mich zurück. Irgendwer redete beruhigend auf mich ein, und da kam es schon wieder. Dieses Ziehen ließ sich meinen Brustkorb aufbäumen und ich schoß wie von der Tarantel gestochen in die Höhe. Ich atmete heftig ein, hustete und keuchte, versuchte diese Beklemmung, die plötzlich von mir Besitz ergriffen hatte, einfach hinauszuhusten, aber es brachte nichts. Wie wild schlug ich in die Dunkelheit, die mich noch immer umgab, als mich eine herrische Stimme zur Ordnung rief.
"Hör endlich auf, dich wie ein Kleinkind zu benehmen, Weib!", fuhr er mich an.
Ich blickte mich verwirrt um, konnte aber nichts erkennen, ich war noch immer in eine erstickende Dunkelheit eingehüllt.
"Ich kann nichts sehen!", meine Stimme bebte vor Furcht und Panik, als mir der Kampf und unsere Niederlage wieder in den Sinn kamen.
Der Mann stöhnte entnervt auf. "Dann öffne doch die Augen, du Dummchen!"
Ich starrte verwirrt in die Richtung, aus der ich die Stimme vernommen hatte und öffnete die Augen, oder besser gesagt, ich versuchte es. Alles was ich erblickte, war ein verschwommenes Bild eines Gesichtes, welches unter einer Fakel? Über mir thronte.
Ich schüttelte verzweifelt den Kopf und schloß wieder die Augen. Als ich einen zweiten Versuch unternahm, klärte sich langsam mein Blick. Das eben noch unerkennbare Gesicht nahm langsam Form an und sah gar nicht so schlecht aus.
Eine hohe Stirn, einen etwas zu große Nase, hohe Wangenknochen, weiche Lippen. Ich schmunzelte, sollte das etwa der Tod sein? Die Aussichten auf meine Leben nach dem Tod schienen gar nicht so schlecht auszusehen, wenn so schon der Tod aussah.
"Bin ich tot?", fragte ich ihn plötzlich. Er lächelte mich an, eine Mischung aus Boshaftigkeit und schelmischen grinsen.
"Wenn es nach mir ginge, wärst du es sicher. Aber du lebst noch - leider."
Was sollte den das nun wieder bedeuten? War ich nicht gestorben? Ich blickte an mir herunter und suchte nach der Wunde, welche das Schwert des Fremden in meiner Brust hinterlassen haben mußte. Das Loch in meinen Brustharnisch war nach wie vor vorhanden, aber die Wunde? Sie war weg, einfach weg.
Er grinste wieder, als er meinen entgeistertes und verstörten Blick sah. "Kleines, du warst tot, aber jemand hat es für besser befunden, dich nicht in den Tantalos zu schicken."
"Wieso?" fragte ich geistesbawesend.
Er zuckte mit den Schultern. "Weiß nicht. ...Komm jetzt."
Er packte mich am Arm und zerrte mich unsanft auf die Beine. "Ich muß dich hier wegbringen, ehe noch jemand mitbekommt, das eine von den Teufelinnen überlebt hat." Er sah sich hektisch um, aber wir waren völlig alleine auf dem Schlachtfeld, nur die Toten sollten Zeuge meiner Wiederauferstehung werden, nur die Toten.
Als er mich so wegzerrte wurde mir klar, wer er war. Die Kleidung, das Gesicht, die Bewegungen. Er war der Fremde, der weiße Krieger, vor dem Cassandra mich gewarnt hatte. Aber sie mußte sich geirrt habe, denn ich fühlte mich noch quietschlebendig. Aber er hatte mir sein Schwert in den Rücken gerammt. Demzufolge mußte ich tot sein, aber wie war das möglich? Ich brauchte Antworten und er war der einzige, der sie mir geben konnte.
"Du warst es!", sprudelte es plötzlich aus mir heraus.
Er drehte sich zu mir um und grinste mich schelmisch an. "Ja, und du solltest mir dankbar sein, das ich nicht deinen Kopf genommen habe." Er lachte triumphal auf.
Ich starrte ihn verärgert an und riß mich von ihm los. "Was soll das alles hier?! Warum lebe ich noch? Ich will das nicht, ich will bei meinen Schwestern sein, nicht hier!!"
Der Mann lächelte. "Du kannst es dir nicht aussuchen, genauso wenig wie ich es konnte. Also stell dich jetzt nicht so an und komm, wir müssen weg, ehe die Sonne aufgeht und die Griechen und Trojaner auf des Schlachtfeld kommen, um ihre Toten zu bergen."
Ich blieb demonstrativ stehen und starrte ihn böse an. "Ich werde nirgendwohin gehen, bevor du mir nicht endlich gesagt hast, was hier gespielt wird!" Ich verschränkte die Arme vor der Brust und blickte ihn herausfordernd an.
Er stöhnte auf und sah nun gar nicht mehr so freundlich aus, als er versucht hatte mich mit zuckersüßen Worten von hier weg zu locken. "Nun gut, wie du willst."
"Ja, genau das will ich. Erkläre mir alles, JETZT!", verlangte ich von ihm.
Ein verzweifeltes Lächeln umspielte seinen Lippen. "Nun gut, anders werde ich dich wohl nicht hier wegbekommen, aber können wir nicht gehen, während ich dir alles erkläre?"
Ich lächelte ihn siegessicher an. Jetzt hatte ich in da wo ich ihn haben wollten. Er würde mir alles sagen, was ich wissen wollte, wenn ich ihn nur begleiten würde. Wunderbar.
Ein verführerisches Lächeln umspielte meine Lippen. "Ich würde mich wirklich freuen", begann ich extrem langsam, "wenn du mir erklären könntest.." und jetzt doch ein bißchen in Panik, "...WAS HIER GESPIELT WIRD?!", schrie ich ihn aufgebracht an.
Er zuckte zusammen und blickte mich verstört, erschreckt von meinen plötzlichen Wutausbruch, an. "Du wirst gar nichts erreichen, wenn du mich hysterisch ankreischt."
Das hatte gesessen. Ich schleuderte ihm ein paar giftgeladene Blicke entgegen, bevor ich mich überheblich von ihm abwandte. "Und, warum lebe ich noch?", sagte ich in einem ruhigeren, aber doch von Panik angehauchten Tonfall. Ich blickte auf die wunderschöne Stadt der Trojaner, auf die scheinbar uneinnehmbare Stadt, und mir wurde warm ums Herz. Diese Stadt wehrte sich seit zehn Jahren gegen die schier unermüdlichen Angriffe der Griechen, doch es war ihnen noch nicht gelungen, einen Weg in die Stadtmauern zu finden. Noch nicht. Mir wurde plötzlich klar, das sich diese Stadt nicht ewig halten würde, irgendwann würde ihre Stärke nachlassen, niemand hielt einer solchen Belagerung, wie sie die Griechen seit einer Dekade von der Stadt abverlangten, ewig durch. Die Stadt würde fallen, entweder durch einen genialen Schachzug der Griechen oder Dank der zerstörerischen Kraft der Zeit, die die Mauern ohne Wartung brüchig werden lassen würde. Troja würde früher oder später fallen. Nun, wenn es nach mir ginge, wohl eher später. Aber...
Die nach Aufmerksamkeit verlangende Stimme des Fremden riß mich aus meinen Gedanken. "Du bist unsterblich."
Unsterblich? Wie die Götter? Er mußte getrunken haben. "Unsterblich?! Ich?!"
Der Mann nickte. "Ja! Genauso unsterblich wie ich es seit Ewigkeiten bin."
Ich lachte ihn spöttisch an. "Scherze nicht mit mir! Ich könnte dich dafür töten!"
Jetzt war es an ihm zu lachen. "Ja? Könntest du das wirklich? Genauso wie du versucht hast Achill zu töten und dir ein Krieger zu viel im Weg stand?"
Mein Lächeln gefror und ich starrte ihn eisig an. "Ich..." Die Worte wollten einfach nicht über meine Lippen dringen.
"Ja, Du nichts, sieh mich nur an! Erinnerst du dich? An den Krieger, der dir dein eisiges Herz durchbohrt hat?", frotzelte er.
Langsam hielt ich es nicht mehr aus. Der Kerl ging mir ehrlich gesagt auf die Nerven, und dazu braucht es schon einige Beleidigungen, um mich auf die Palme zu bringen. Ich starrte ihn eiskalt an und veschoß ein paar giftgeladene Pfeile auf ihn ab.
Sein Grinsen wurde nur noch breiter und ich immer wütender.
"Verdammt noch mal! Warum mußtest du mich töten?!", schrie ich ihn verzweifelt an. "Ich wollte doch nur..."
Sein Lächeln wurde zu Eis. "Du wolltest meinen Schüler töten. Glaubst du ich lasse ihn verletzten bevor ich seine Ausbildung abgeschlossen habe?"
Ich wußte nicht, was ich sagen sollte. Dieser Mann war der Lehrer des Unbesiegbaren? Dieser heruntergekommene Krieger, blutbesudelt und verdreckt, sollte der Lehrer des sagenumwobenden Achrill sein? Er sollte diesem Halbgott beigebracht habe, wie man Amazonen ermordet? Wut stieg in mir auf, ich kochte und glich in meiner Raserei einem ausbrechenden Vulkan als ich mein Schwert gegen diesen Mörder erhob.
Er mußte meine Gedanken lesen können, denn in dem Augenblick als ich mein Schwert erhoben hatte, sprang er behende zurück, griff nach seinem eigenen Schwert, eine wundervolle Arbeit aus blankpolliertem Eisen und erhob es gegen meine bei weitem nicht so prachtvolle Waffe. Ich hämmerte und drosch wild auf ihn ein, erzielte mit meinen kraftvollen Schlägen und Hieben aber nicht mehr als ein Lächeln von ihm. Er schien meine Angriffe mühelos abzuwehren, griff mich aber nicht an, sondern schenkte mir lediglich ein müdes Lächeln. Das einzige was ich jedoch erreichte, war, das meine restlichen Kraftreserven unter Null sanken und ich schließlich erschöpft vor ihm auf den blutbesudelten Boden sank.
Ich wagte nicht, aufzublicken, sah nur sein Beine und Füße, wie sie sich langsam auf mich zubewegten. Panik ergriff wieder von mir Besitz, ein beklemmender Schmerz machte sich in meiner Brust breit und ließ Tränen in meine Augen steigen. Ich wollte nicht weinen, wollte keine Schwäche zeigen, aber ich konnte sie nicht auf halten. Und sie flossen in wahren Strömen meine Wangen hinunter, tropften auf das Schlachtfeld und vermischten sich mit dem Blut der Toten. Mit Pens Blut, um genau zu sein. Dort war ihre Hand, die noch immer ihr Schwert hielt, blutbefleckt und bleich von der Kälte der Nacht. Ich hob meinen Blick und sah in der aufgehenden Sonne ihren goldenen Brustharnisch funkeln, durchbohrt von dem blinkenden Speer des Achilles. Das konnte einfach nicht wahr sein!
Der Verlust der geliebten Freundin vergrößerte meinen Schmerz, die Tränen quollen stärker aus meinen Augen und meine Brust bebte vor Kummer. Nein. Ich wollte sterben, bei ihnen sein, mit ihnen trauern und ihre Liebe spüren. Dieses Schlachtfeld ekelte mich an. Ich mußte hier weg oder ich würde den Fremden anflehen nun endlich meinen Kopf oder sonstwas von mir zu nehmen, nur damit diese Trauer und dieser gottverfluchte Schmerz aufhörten. Bitte.
Plötzlich fühlte ich eine Hand an meinem Kinn und ich mußte ihrem stummen aber eindringlichen Befehl folgen, meine Kopf zu wenden. Langsam öffnete ich die verquollen Augen und sah den Fremden, der sich niedergelassen hatte, an.
Ein sanftes Lächeln umspielte seine Mundwinkel, als er mir mit seinem Umhang die Tränen wegwischte. "Mein Name ist Methos, kleine Kriegerin.", sagte er sanft.
Ich schluchzte. Gerade noch hatte ich versucht, ihn zu töten und nun offenbarte er mir seine Identität und trocknet meine Tränen. Ich verstand die Welt nicht mehr. Aber wenn das die Strafe für mein Versagen wäre, dann würde ich sie ertragen....und das beste daraus machen. Wie immer.
Ich lächelte gezwungen, obwohl mir eigentlich gar nicht zum lachen zu Mute war. "Meiner ist Salandra."
Er schmunzelte. "Gut, Salandra, dann steh jetzt auf und reiß dich ein bisschen zusammen. Amazonen heulen nicht wie Dorfweiber, oder?"
Dieser zaghafte Aufbauversuch zauberte mir einen festen Blick ins Gesicht und ich stand auf. "Nein", ich blickte auf ihn herab. "Wir weinen nicht, sollte unsere Trauer auch noch so groß sein, wir sind immer stark."
Er nickte und erhob sich entschlossen. "Dann beweise es.", flüsterte er zu, "Und stelle dich gegen diese Horde kampfeslustiger Griechen oder lauf!", schrie er mir zu, ergriff meine Hand und zerrte mich trotz wilden Protesten weg.
Ich war verwirrt, blickte mich im laufen nach dem Ursprung dieses Geschreis um und erkannte sie. Mindestens zwanzig gutbewaffnete Männer stürmten schreiend und fluchend hinter uns her. Nun beschleunigte ich meine Schritt noch, eilte an Methos vorbei und zerrte ihn hinter mir her.
Methos stöhnte plötzlich auf und ich drehte mich erschrocken nach ihm um. Ein Pfeil steckte in seiner rechten Schulter und ich zerrte wie wild an seinem rechten Arm, was seinen Schmerz noch vergrößern mußte.
Angsterfüllt blieb ich stehen und zeigte auf die Männer. "Ich kann kämpfen und es sind nur ungefähr zehn.", stellte ich unsicher fest.
Methos nickte. "Wir könnten ihnen allerdings auch zu Fuß entkommen...", mutmaßte er.
"Nein. Du kannst kaum noch laufen, wir kämpfen." Diesmal klang ich entschlossen und überzeugt von unserem Sieg.
Ich beugte mich demonstrativ nach einem Speer, wog ihn sicher in der Hand und schleuderte ihn nach dem erstbesten Ziel, was sich mir bot. Der Unglückliche fiel tot zu Boden, noch bevor er merkte, daß die Waffe seinen Schädel gespaltet hatte. Ich grinste zufrieden, griff nach einem zweiten Speer und warf ihn nach einem weiteren Opfer. Auch dieses fiel.
Aber ich würde die Männer auf diese Weise nicht aufhalten können, denn sie näherten sich weiterhin unerbittlich.
Also schnappte ich mir einen umherliegenden prallgefüllten Köcher und einen Langbogen. Eigentlich zu groß für mich, aber er würde reichen müssen. Ich legte an und schoß und schoß und schoß. Nachdem der Köcher gelehrt war, blieben noch vier Männer. Auch Methos hatte sich einen Köcher mit Pfeilen und Bogen geschnappt und hatte eifrig, wenn auch mit weniger Erfolg ob seines verletzten Armes, die Gegner niedergestreckt. Nun hatten se uns aber fast erreicht und wir machten uns auf einen mörderischen Kampf bereit.
Jeder von uns hatte es mit einem ebenbürtigem Gegner zu tun, und wir waren beide etwas unterlegen, ich hatte gerade meine erste Wiederbelebung hinter mir und Methos kämpfte mit einem verletzten Schwertarm und er andere Arm eignete sich bei weitem nicht so gut zum kämpfen.
Schließlich besiegten wir unsere Gegner aber doch noch und verließen eilig das Schlachtfeld, bevor noch mehr Griechen oder Trojaner uns entdecken würden.

Ich verließ mit Methos am darauffolgenden Tag das Lager der Griechen. Ich wagte nicht, ihn nach Achill oder einem der anderen Griechen zu fragen, so sehr fürchtete ich mich vor diesem Mann. Ich haßte ihn aus tiefstem Herzen und wünschte mir, ihn von oben bis unten aufschlitzen zu können.
Der Unsterbliche hatte es vermieden, mich mit den anderen Kriegern in Kontakt kommen zu lassen und mich den ganzen Tag und die ganze Nacht in seinem Zelt versteckt. Meine Erscheinung hätte wohl auch in den Augen der Griechen Angst und Haß produziert. Immerhin war ich eine von den Teufelinnen, die ihnen diese schmachvolle Niederlage eingebracht hatten.
Wir verließen also gegen Mitternacht das Lager und machten uns in Wanderkleidung auf den Weg. Zwei Pferde begleiteten uns, nur mit dem Nötigsten beladen.
Meine Rüstung und mein Schwert, sowie der Langbogen waren im Gepäck sicher verstaut, genauso wie er seine Kriegsausrüstung verstaut hatte.
Jetzt war ich nicht mehr die stolze und hochmütige Amazone, für wenige Augenblicke sogar Königin über ein ganzes Volk. Nein, jetzt war aus mir ein einfaches Mädchen geworden, in Lumpen gehüllt, die ihrem ... er nannte es Bruder, folgte. Was war ein Bruder? Damals wußte ich es nicht, dieses Wort hatte für mich keinerlei Bedeutung und es vergingen einige Tage, bis meine Neugier groß genug war und ich genug Mut gesammelt hatte, ihn zu fragen. Im gleichen Atemzug fragte ich den Mann auch nach unserem Ziel. Er antwortete mir, wir würden uns auf eine weitentfernte Stadt zubewegen und dort würden wir dann ein paar Jahre verbringen. Er würde versuchen, mir die Regeln beizubringen und darüber hinaus würde er versuchen, mich an das Leben unter Männern zu gewöhnen.
Ich lachte verärgert auf und drohte ihm, ihn auf der Stelle zu töten, wenn er nicht mit diesen lächerlichen Scherzen aufhören würde.
Als Antwort auf meine Drohung erhielt ich einen gefährlichen Tritt und landete prompt im Staub der Straße.
Ich knurrte abfällig und wollte auf ihn zuspringen und ihn angreifen, aber er wehrte meinen Versuch mit einer lästigen Handbewegung ab.
"Du solltest lernen, dein Temperament zu zügeln. In der Welt, in der ich lebe, schätzen Männer es nicht, wenn Frauen sich so wie du aufführen."
Dies war meine erste Lektion in Sachen Verhalten unter Männern. Weitere, viel schmerzhaftere, sollten folgen.
Menschen, die uns auf unserem Weg begegneten, redeten nicht mit mir, nein, sie sprachen ausschließlich Methos an und er stellte mich nie vor. Niemals.
Das machte mich wütend. Aber ich lernte mich zu beherrschen.
Als wir schließlich die Stadt erreichten, kaufte Methos ein kleines Haus am Rande der Stadt mit kleinem Garten und er verlangte von mir, diesen Garten zu bewirtschaften. Ich erklärte ihm, das ich noch nie in meinem Leben eine Harke in der Hand gehabt hatte, geschweige denn wußte, was ich anbauen sollte. Ich kannte mich nur mit der Jagd und ein wenig mit der Pferdezucht aus. So kam es, das er mich auch in Gartenarbeit unterrichtete. Er meinte, es sei dringend notwendig, das ich wenigstens dies konnte, wenn ich mich auch ohne seine Hilfe durchschlagen wollte.
Einige Wochen ließ ich mir die Schinderei in der prallen Sonne gefallen, doch schließlich warf ich die Harke in die Ecke und verließ ihn. Nicht für immer, nein, ich wollte nur meine Ruhe haben und wanderte ziellos durch die Straßen der Stadt.
Ich schlenderte über den Markt und schaute mir die Auslagen der Händler und Marktfrauen an. Ich feilschte ein wenig, tauschte hie und da etwas ein, oder bezahlte mit dem wenigen Geld, was ich Methos gestohlen hatte.
Als dann der Abend kam, wußte ich nicht, ob ich zurück gehen konnte und so streunte ich weiter durch die Straßen. Ganz in Gedanken versunken und der alten Zeit nachhängend.
Plötzlich berührte mich eine Hand an der Schulter und riß mich unsanft herum. Diese Berührung hatte mich verwirrt, jedoch nicht so erschreckt, daß ich mich fürchtete. Ich starrte in ein widerliches Gesicht voll fauler Zähne. Der Mann lächelte mich gierig an und strich sanft über meine Schulter. Dann faselte er etwas von trinken gehen und ein wenig Spaß haben. Ich wußte nichts von den Gelüsten der Männer, geschweige denn wozu Alkohol in der Lage war. Und so ging ich mit ihm.
Ich hatte Hunger und verschlang gierig das mir vorgesetzte Mahl und ich trank und trank und trank. Was immer es war, es schmeckte fürchterlich. Aber dieser Typ forderte mich ständig auf, mehr zu trinken und er lächelte dabei so zuckersüß durch seine faulen Zähne, das ich ihm diesen Gefallen nicht abschlagen konnte. Stunden später wollte ich mich von ihm verabschieden und erhob mich von meinem Platz. Der Mann aber wollte mich nicht alleine gehen lassen und wollte mich nach Hause begleiten. Ich hatte nichts dagegen einzuwenden und willigte ein. Immerhin hatte sich dieser Kerl als relativ sympathisch entpuppt, und er war wahrscheinlich der erste Mann außer Methos, der mich wie einen Mensch und nicht wie Luft behandelte. Ich war überglücklich.
Aber das sollte sich bald ändern. Wir schlenderten Richtung Stadtrand und entfernten uns immer mehr von den Lichtquellen. Als wir schließlich weit genug entfertn waren, zog er mich blitzschnell in eine Gasse und drückte mich gegen die Wand. Er faselte etwas von "...seine Rechnung bezahlen..." und griff mir unter den Rock. Ich schrie erschrocken auf und trat nach ihm, aber die langen Kleider behinderten mich in meiner Bewegungsfreiheit. Es gelang ihm, mich auf den Boden zu pressen. Er beugte sich über mich und zog mir den Unterkleid aus.
Dieses Spielchen behagte mir ganz und gar nicht, auch wenn er mir beruhigend zusprach. Ich zappelte und trat immer wieder nach ihm aus. Jetzt wurde er wütend und schlug mir mit der Faust ins Gesicht. Die Welt um mich herum begann sich zu drehen und ich versank ins Reich der Träume. Dem Himmel sei Dank für diese Ohnmacht, die mich vor schrecklichen Erinnerungen bewahrte. Fassbare Erinnerungen blieben mir von diesem Erlebnis nicht, jedoch Albträume, die ich nie einzuordnen wußte und die mein weiteres Leben entscheidend beeinflußen sollten.