[zurück zur Hauptseite]

Disclaimer:
Diese Fanfic will keine Rechte verletzen. Akte X, Fox Mulder, Dana Scully gehören Chris Carter,
Fox Broadcasting und allen anderen, die meinen, Ansprüche zu haben.

In dieser Fanfic wird auf niemandes Schamgefühl Rücksicht genommen. Es ist eine nicht ganz
ernstzunehmende MSR. Auf jeden Fall spielt der Fall nur eine Nebenrolle...

Genre:
Humor , Romantic

Autor:
Stephanie Raatz
Steffistd@aol.com (Bitte Kritik!!!!!!!!)



X-Files, FBI-Agenten und andere merkwürdige Beziehungskisten...

Stephanie Raatz

 



Es war ein dunkler, regnerischer Tag, als man mich von der Redaktion aus zu einem Mordfall
schickte.
Es schien Routine zu werden.
Ein paar Fotos, einige Interviews, vermutlich sogar Selbstmord.
Patty McLean, Schülerin des hiesigen Kleinstadtcollege war tot aufgefunden worden.
Ein Toter in unserer kleinen Stadt - sicherlich, das kam nicht oft vor, dennoch nahmen sich in
Pencoa und weiterer Umgebung jedes Jahr Menschen das Leben, so daß es eben halt nichts Au-
ßergewöhnliches mehr war.
Ich stoppte meinen Wagen an der Wellington Road, wenige Meter vom Tatort entfernt.
Mit einem Blick auf die Uhr hoffte ich noch, in weniger als einer Stunde bereits zu Hause zu sein.
Wenn ich Glück hatte, war Janett, meine Nachbarin noch wach und ich konnte sie auf einen Wein
einladen.
Janett war ein verdammt hübsches Ding. Ihre grünen Augen versprühten Humor und Sie konnten
einen in jeder Situation zum Lachen bringen.
Es war das, was ich abends oft brauchte. Sie wußte zwar nicht, was ich wirklich für sie empfand,
aber wahrscheinlich war es besser so. Ich hätte vermutlich eine gute Freundin verloren. Nicht
jeder kam mit meinem Interesse fürs gleiche Geschlecht klar.

Ich stieg aus meinem Wagen und schritt auf die kleine Ansammlung von Menschen zu.
Ein schwarzer Ford fiel mir am Straßenrand auf. Er paßte nicht hierher, doch ich konnte nicht
sagen, warum es mir so vorkam.
"Sheriff Doyle!"
Ich reichte meinem Gegenüber die Hand zum Gruß. Waren wir doch in all den Jahren, in denen
ich bereits bei der hiesigen Zeitung als Lokalreporter arbeitete schon fast Freunde geworden.
"Jack! Hat es sie also wiedermal erwischt!" lächelte Doyle und führte mich zur Leiche.
"Tja, das hat man davon, daß man keine Familie hat," entgegnete ich und mußte wieder an die
weichen Rundungen von Janett Hancock denken.
„Weiblich, siebzehn Jahre alt, erschossen. Die Waffe hielt sie noch in der Hand. Keine schöne
Angelegenheit," begann Ian Doyle zu erzählen. Es war ihm genauso wie mir zur Routine gewor-
den, daß wir einander im Weg standen, wann immer auch etwas geschah. Also hatten wir einen
Kompromiß geschlossen, bei dem wir beide am Besten weg kamen.
„Patty McLean, ich weiß Bescheid!" entgegnete ich sachlich und machte meine Notizen.
„Woher wissen Sie das denn nun schon wieder?" Doyle grinste amüsiert.
Es war bekannt, daß die Presse der Polizei fast immer einen Schritt voraus war, aber das küm-
merte die Einwohner von Pencoa nicht mehr. Hier gab es weder Mord, noch Raubüberfälle und
die kleinen Diebstähle in den letzten Jahren hatten Presse und Polizei gemeinsam gelöst.
Es war eine Tatsache, daß wir auch diesmal eher als die Polizei die Tatmotive dieses Mädchens
herausfinden würden.
Die Traube von Polizisten und Schaulustigen öffnete sich für uns, als wir uns dem Tatort näher-
ten.
Routiniert griff ich nach dem Fotoapparat, der an einem Gurt über meiner Schulter hing und hielt
plötzlich in meiner Bewegung inne:
„Ian? Was?"
„Oh, keine Sorge Jack, das sind Leute vom FBI aus Washington, ich habe schon gewettet, daß
Ihnen die beiden auffallen würden, aber fragen Sie mich nicht, warum die hier sind," Doyles Grin-
sen wurde breiter.
Ich wußte, er genoß es, einmal mehr zu wissen als die Presse, doch das war mir in diesem Mo-
ment ganz und gar egal.
Mein Reporterinstinkt war geweckt.
Warum war das FBI hier?
Und warum schickten sie ihre Leute aus Washington, wo es sicherlich eine Niederlassung in der
Nähe gab? Jetzt war mir klar, was mir am schwarzen Ford aufgefallen war - das Kennzeichen!
„Ian, verschweigen Sie mir etwas?"
„Ich weiß auch nicht mehr als Sie, Jack. Am besten Sie fragen die beiden Agenten selbst!"
Na das würde ich mir nicht zweimal sagen lassen.

Meine Begrüßung kam einem Überfall gleich und da beide mit dem Rücken zu mir gewandt stan-
den, erzielte ich den gewünschten Effekt - ich hatte ihre volle Aufmerksamkeit.
Allerdings hatte ich keinen Augenblick damit gerechnet, daß mich strahlend blaue Augen taxieren
würden.
Ich war einigermaßen verblüfft und bekam sekundenlang keinen Ton hervor.
Eigentlich sehr untypisch für mich.
„Können wir Ihnen helfen?" Die Rothaarige hatte ihre Arme vor der Brust verschränkt und fixierte
mich nachdenklich.
Aus ihrem Blick sprach Mißtrauen und Wachsamkeit, dennoch fühlte ich mich sofort zu ihr hinge-
zogen.
„Sie sind vom FBI?"
Direkter hätte meine Frage nicht sein können.
„Ich bin Agent Dana Scully und das ist mein Partner Agent Fox Mulder!" Ihre Stimme war kalt und
abweisend und eine unausgesprochene Frage hing in der Luft.
Ich warf nur einen kurzen Seitenblick auf ihren Partner, der noch immer neben der Leiche hockte,
mich aber dennoch ansah - nein, viel eher begutachtete.
„Jack Bristol vom hiesigen Stadtanzeiger."
Ich ließ meinen Fotoapparat wieder an meine Seite gleiten und reichte ihr in einer freundschaftli-
chen Geste meine Hand.
Zu meinem Erstaunen wurde sie angenommen.
„Jack?" Wieder eine nur halb formulierte Frage. Konnten die FBI Agenten nichts anderes?
Nur keine Zeit verschwenden.
Ich drehte mich zu ihrem Partner und lächelte:
„Jaqueline Bristol, aber ich werde von allen nur kurz Jack genannt!"
„Freut mich!"
Er richtete sich auf und reichte mir seine Hand.
Erstaunt folgte ich ihm mit meinen Blicken.
Mein Gott, welch eine eindrucksvolle Person. Ich mußte zu ihm aufsehen.
Und bei meiner Größe, gab es nicht viele Männer, von denen ich das behaupten konnte.
Er mußte meinen beeindruckten Blick gesehen haben und lächelte wissend.
Wie es mein Job von mir verlangte, verschwendete ich nicht viel Zeit auf Plänkeleien, sondern
faßte mich wieder, um mit meinen Nachforschungen zu beginnen.
„Warum sind Sie hier und weshalb hat man niemanden aus der Zweigstelle zwei Ortschaften wei-
ter geschickt?"
Die beiden Agenten sahen sich an.
Und die Zwiesprache, die sie miteinander führten, ließ mich darauf schließen, daß sie sehr lange
schon miteinander... ja was? Es wirkte, als seien sie nicht nur Partner, sondern auch sehr lange
befreundet.
Mein Instinkt riet mir, die beiden in Ruhe zu lassen, aber diese blauen Augen schienen mich
schon jetzt gefangen zu halten.
Ich konnte nicht weggehen. Aber ich hätte es meinem Seelenfrieden zu liebe wahrscheinlich bes-
ser tun sollen.
„Wir sind nicht darauf aus, unsere Motive vor der Presse breit zu treten. Vor allem sind wir der
Ansicht, daß es uns mehr schadet als hilft, wenn wir Ihnen Hinweise geben," erklärte sich Agent
Scully, während sie in einer fahrigen Geste, eine Strähne aus der Stirn strich.
„Das tut mir leid. Aber sie werden noch feststellen, daß die Presse in diesem Ort der Polizei meist
weit voraus ist, nicht wahr Ian?"
Ich lächelte Sheriff Doyle zu, der in einiger Entfernung stand und erhielt ein eben solches Lächeln
zurück:
„Sie hat Recht, Leute!"
Ein Grinsen machte sich auf meinem Gesicht breit und in meinen Augen stand gut lesbar der
Satz <Ich hab's ja gleich gesagt!> geschrieben.
Agent Mulders Augenbraue ging erstaunt in die Höhe, ehe auch er Doyles Kommentar mit einem
Grinsen kommentierte.
Agent Scully jedoch, bedachte die Szenerie mit offenem Mund und ihren Partner mit einem bösen
Blick, als er zu grinsen begann.
Hach, welch Freude. Ich hatte selten so ein merkwürdiges Pärchen kennengelernt.
Das würde bestimmt noch interessant werden...

Ich konnte natürlich nicht umhin, mir meine Gedanken über diesen Todesfall zu machen. Sicher-
lich war das Aufgabe des Sheriffs, dennoch brachte jede weitere Erkenntnis mir eine großartige
Schlagzeile. Und so lasen die Agenten auch am nächsten Morgen in ihrer Zeitung

„Patty McLean ermordet? Das FBI Hauptquartier in Washington läßt ermitteln!"

Diese Schlagzeile würde deren Nachforschungen zwar nicht sehr hilfreich sein, aber das waren
Schlagzeilen ja eigentlich nie und unserer Zeitung brachte es eine sehr gut Auflage.

Ich war schon sehr gespannt auf die Fortschritte unserer nun stadtbekannten Besucher, doch ich
wurde schon sehr früh enttäuscht.
Scheinbar waren die Agenten wieder abgereist, andererseits lag auch die Vermutung nahe, daß
sie sich nicht als die im Hotel eingeschrieben hatten, die sie tatsächlich waren.
„Agent Mulder und Agent Scully sind nicht hier eingecheckt?"
„Nein, Jack, ich sagte doch, solche Leute waren nicht hier!" murrte William Deering, der Hotelbe-
sitzer.
„Mr. Deering, sind denn eine kleine Rothaarige und ein großer Dunkelhaariger bei Ihnen abgestie-
gen?"
„Lady, wie oft soll ich dir noch sagen, das ich keine Absteige habe!"
„Schon gut, schon gut, sind sie gestern hier eingecheckt" erwiderte ich ein wenig genervt.
Warum mußte der alte William Deering auch immer auf diesen Kleinigkeiten beharren. Das raubte
mir noch den letzten Nerv.
„Klein, energisch, blaue Augen? Ja, die sind hier gewesen. Mr. und Mrs. Sculder," lächelte er.
Also fielen nicht nur mir die blauen Augen auf, dachte ich verschmitzt.
„Mich hat nur gewundert, daß sie getrennte Schlafzimmer haben wollten, aber na ja, bei den
Großstädtern weiß man ja nie!" murmelte Deering und verschwand in seinem Kabuff hinter dem
Empfang.
Getrennte Schlafzimmer, so, so, der alte Deering schien ein wenig begriffsstutzig zu sein, aber
das hatte ich ja schon immer vorausgesagt. Leider hatte er mir keine Zimmernummer genannt
und so mußte ich mich klammheimlich hinter den Tresen schmuggeln und es herausfinden.
Zu meinem Vergnügen lag dort auch ein Schlüsselbund mit Zweitschlüsseln. Wenn ich also die
richtige Zimmernummer herausbekam und diese dann auch noch auf dem Schlüssel eingeprägt
war, dann würde das mein Glückstag werden.
Es war mein Glückstag.
Ich sortierte den richtigen Schlüssel aus und steckte ihn in meine Hosentasche, dann verschwand
ich und tat als sei nichts gewesen.
Am Abend, wenn die beiden Agenten unterwegs sein würden, würde ich mir die Zimmer ge-
naustens unter die Lupe nehmen. Mal sehen, auf welche Hinweise ich stoßen würde.

Patty McLean war im 7ten Monat schwanger gewesen. Soweit hatten mich meine Untersuchun-
gen schon gebracht und ihr Freund Robert war mir gegenüber durchaus zugänglicher gewesen
als kurz zuvor den FBI Agenten. Dennoch warf mir das ganze eine entscheidende Frage auf.
Als ich ihre Leiche gesehen hatte, war Patty McLean eindeutig nicht schwanger gewesen.
Hatte sie das Kind entfernen lassen und war dann durch den Eingriff verstorben? Aber im 7ten
Monat ein Abbruch? Unmöglich! Eine vorzeitige Geburt? Freiwillig oder erzwungen? War diese
ganze Selbstmordarie nur eine Tarnung oder steckte noch mehr dahinter? Ich konnte mir einfach
nicht vorstellen, daß man das FBI wegen solch einem Fall aus Washington kommen ließ; da
mußte mehr dahinter stecken!
Wenn ich Recht hatte mit der vorzeitig herbeigeführten Geburt, dann war es sicherlich erzwungen
und dann gewiß nicht der einzige Fall. Ergo, ich mußte die Akten des Archivs durchgehen, um zu
sehen, ob sich vielleicht vor meiner Zeit schon solch ein Fall zugetragen hatte.
Während ich den Vormittag im Archiv und den Nachmittag bei Dr. Hayendeal in der Praxis ver-
brachte, um herauszufinden, ob es ähnliche Fälle gab, mußte ich ständig an diese blauen Augen
denken. Sie gingen mir einfach nicht mehr aus dem Kopf. Aber ich bemerkte, daß ich auch öfter
als gewöhnlich über die stattliche Figur des Agent Mulder nachdachte. Diese beide Agenten
brachten mich noch an den Rand des Wahnsinns.
Dank Dr. Hayendeals Kooperation konnte ich nach nicht weniger als drei Stunden und einem
durchwühlten Berg von bestimmt 500 Patientenakten erste Erfolge erzielen.
Im Jahr zuvor hatten sich die plötzlich endenden Schwangerschaften zwischen dem 6ten und
7ten Monat gehäuft und Dr. Hayendeal hatte dank meinem stetig nervenden Gefrage endlich zu-
gegeben, die FBI Agenten informiert zu haben.
Er konnte sich dieses Phänomen der plötzlichen Schwangerschaftsabbrüche nicht erklären und in
Pencoa und Umgegend waren die meisten Frauen, denen dieses zugestoßen war, entweder ver-
storben oder aber konnten sich an keine Schwangerschaft erinnern.
Da sich die Liste, die ich aufgeführt hatte nur auf sieben Frauen beschränkte, von denen allein vier
Verstorben waren, sollte es für mich ein leichtes sein, etwas herauszufinden.
Doch ich hatte es mir zu einfach vorgestellt.
Alle drei Türen der Frauen auf meiner Liste blieben für mich verschlossen.
Ich war wirklich verwundert. Normalerweise war es üblich, daß ich bzw. die Presse dieser Stadt
immer herzlich willkommen war.
Wir waren diejenigen, die am ehesten Informationen aus Personen herausholen konnten und nun
das! Es gab mir Rätsel auf, schließlich konnten nicht alle drei Frauen gleichzeitig außer Haus
sein.
Nun gut, dachte ich mir, dann würde ich mir als nächstes die Hotelzimmer der beiden Agenten
vorknöpfen, schließlich gab es auch noch genug andere Hinweise, denen ich nachgehen konnte.

Es muß gegen 20 Uhr gewesen sein, als ich die Tür zu dem Zimmer der FBI Agenten öffnete.
Kurz zuvor waren die beiden aus dem Hotel verschwunden und in ihren Wagen gestiegen. Ich
konnte also sicher sein, daß ich etwas Zeit hatte, um mich umzusehen.
Es war ein kleiner Raum mit einem angrenzenden Bad. Ein Bett, ein Tisch und zwei Stühle run-
deten das kitschige Ambiente ab. An der Seite befand sich eine Zwischentür.
Vorsichtig wühlte ich mich durch die Sachen von Agent Scully und anschließend durch die von
Agent Mulder, doch ich konnte nicht einen Hinweis entdecken, der mir bestätigt hätte, daß ich mit
meinen Nachforschungen und Schlußfolgerungen richtig lag.
„Verdammt!" zischte ich leise und stopfte den Inhalt der Reisetasche wieder zurück.
In diesem Augenblick öffnete sich die Tür und Agent Mulder betrat den Raum.
„Verdammt!" zischte ich nun etwas lauter und versuchte durch die Zwischentür zu entfliehen,
doch er packte mich um die Hüften und katapultierte mich auf das Bett.
Sein Blick war kalt und fragend.
Ich hatte noch nie solch Kraft zu spüren bekommen und blickte ein wenig verängstigt zu ihm auf.
Dieser Mann war nicht nur groß und stattlich, sondern auch noch verdammt kräftig. Ich war ver-
wirrt, daß es mich ansprach.
Langsam bildete sich ein Grinsen auf seinen Lippen. Er schien sich über meinen Anblick zu amü-
sieren. Ich hatte jedenfalls das Gefühl, den Spott in seiner Stimme zu hören:
„Sie!"
Er rieb sich mit seiner Hand das Kinn und betrachtete mich forschend.
„Hätte ich mir doch gleich denken sollen!"
„Hören Sie, lassen Sie mich gehen und keiner erfährt was davon!" platzte ich heraus und wußte
noch im gleichen Augenblick wie unsinnig mein Angebot war. Was sollte denn keiner erfahren?
Daß ich mich in seinem Zimmer hatte beim Einbruch erwischen lassen.
Mir waren schon mal bessere Ausreden eingefallen.
„Und womit wollen Sie mir denn drohen?" lächelte er.
Und ich haßte dieses Lächeln sofort. Er wußte, daß er mich in die Falle gedrängt hatte und ich
mich selbst wie einen Idioten hingestellt hatte.
„Ich... öhm... ich..." stotterte ich und schluckte, weil er seine Arme vor der Brust verschränkte und
auf mich hinab sah.
„Ich, äh, werde in der Presse breittreten, daß Sie hier sind, weil es schon mehrere dieser Fälle
gegeben hat und... und fast alle Frauen starben, nachdem man ihnen das Kind nahm und..."
„Halt!" unterbrach er mich abrupt und setzte sich neben mich.
Sein Blick wurde eindringlich: „Woher wissen Sie das alles?"
Jetzt wurde ich hellhörig. Die Agenten wußten noch gar nicht über alles Bescheid, ich war ihnen
tatsächlich einen Schritt voraus!
„Also gut, wenn wir dieses Intermezzo hier vergessen, erzähl ich Ihnen, was ich weiß!"
Ich richtete mich in eine sitzende Position auf und reicht ihm meine Hand.
„Na gut!" brummte er und ergriff die ihm dargebotene Hand.
„Also, ich habe herausgefunden, daß Patty McLean im 7ten Monat schwanger war, doch zum
Zeitpunkt ihres Todes, hatte sie bereits eine Frühgeburt erlitten. Ich vermute erzwungenermaßen.
Ich habe dann ein wenig im Archiv gegraben und bei Dr. Hayendeal nachgeforscht und siehe da,
es gab noch weitere Frauen, alle zwischen dem 6ten und 7ten Monat schwanger, bevor sie Opfer
einen Frühgeburt wurden. Die Kinder waren spurlos verschwunden und nun raten Sie mal, was
mit den Frauen geschah."
„Sie wurden ermordet?"
„Fast. Es waren insgesamt sieben Frauen, von denen vier tatsächlich verstarben, drei leben aller-
dings heute noch, können sich aber angeblich an nichts mehr erinnern und zu Hause scheinen sie
aber auch nicht zu sein, jedenfalls öffnet keiner die Tür. Wußten Sie, daß Dr. Hayendeal Sie ange-
fordert hat?"
Er schüttelte verblüfft den Kopf.
„Ich hatte ja mit vielem gerechnet, aber nicht mit so einer faszinierenden Frau wie Sie!"
Verlegen biß ich mir auf die Unterlippe. Das war ja mal was ganz außergewöhnliches aus dem
Mund eines Mannes.
„Wie sind Sie uns eigentlich auf die Schliche gekommen?" rätselte er.
Vorwurfsvoll blickte ich ihn an. Wie konnte er nur so dumm sein?
„Mein Gott, für wie beschränkt halten Sie mich? Mr. und Mrs. Sculder, die getrennte Schlafzim-
mer wollen. Sculder - Scully, Mulder - Sculder. Sehr einfallslos Mr. Mulder, vor allem, wenn man
so aussieht wie Sie und ihre Partnerin. Sie fallen einfach jedem auf!"
Erst blickte er mich verblüfft an, dann begann er schallend zu lachen.
„Wieso sind Sie eigentlich schon wieder hier?" nörgelte ich.
„Ich habe meine Partnerin zur Gerichtsmedizin gebracht."
„Oh..."
Er legte den Kopf schief und betrachtete mich forschend:
„Nun ziehen Sie doch nicht so eine beleidigte Schnute, das steht Ihnen ganz und gar nicht!"
Ich verzog meinen Mund abrupt zu einem strahlenden Lächeln und brachte knirschend zwischen
zusammengebissenen Zähnen hervor: „Besser so?"
„Viel besser!" lachte er und strich mir eine Haarsträhne aus der Stirn.
„Wissen Sie, was ich schon die ganze Zeit machen möchte?" brummte er verschwörerisch.
„Mich erwürgen?"
Er schüttelte amüsiert den Kopf.
„Nicht ein kleines bißchen?" hakte ich nach.
„Auch kein kleines bißchen!"
„Was dann?"
„Dich küssen!" raunte er leise an meinem Mund und hatte mich schon an sich gezogen.
Oh je, hätte er doch nur was von meinen Neigungen gewußt, dann hätte er vermutlich nicht das
Unmögliche versucht.
Unmöglich? Ich spürte ein sachtes Kribbeln auf den Lippen, das sich immer mehr verstärkte. Ich
spürte, daß ich langsam den Boden unter den Füßen verlor. Mein Gott, das konnte doch nicht
sein! Ich stand nicht auf Männer, ich... ich... ich verlor die Kontrolle und gab mich hin.
Sekunden später ließ er ab von mir und sah mich lächelnd an.
„Erstaunlich!" brachte ich nur hervor.
Verwirrt blickte er mich an: „Erstaunlich?"
Ich kicherte.: „Na ja, eigentlich stehe ich ja auf Frauen, aber ich habe tatsächlich wacklige Knie.
Ich glaube kaum, daß ich in der Lage sein werde aufzustehen."
„Du bist..." begann er erstaunt, ich ließ ihn jedoch nicht ausreden.
„Jawohl!"
„Dann tut es mir leid!"
Seine Augen verrieten mir, daß er sich in gewisser Weise schämte, weil er es nicht bemerkt hat-
te. Aber ich fand es wirklich nicht schlimm. Ich hatte noch nie die Erfahrung gemacht, was für
Gefühle ein Mann bei Frauen auslösen konnte und ich war begeistert.
„Nichts soll dir leid tun! Ich fand's toll! Küß mich noch mal!" platzte ich überschwenglich heraus.
Seine rechte Augenbraue schoß in die Höhe und ließ ihn noch attraktiver wirken.
Meine Güte, ich fand ihn nun auch schon attraktiv. Was sollte nur noch aus mir werden?!
So wie ich mir keine Story durch die Lappen gehen ließ, so ließ er sich auch von mir nicht zwei-
mal sagen, daß er mich noch mal küssen sollte.
Ich empfand es als genauso stimulierend wie beim erstenmal und hatte kein Interesse, es wieder
zu beenden, doch zu meinem Bedauern öffnete sich die Zwischentür und Agent Scully betrat den
Raum.
„Ich...äh..."
„Hi Scully!" grinste Agent Mulder verschmitzt und ließ mich wieder los.
Oh je, jetzt wurde ich auch noch rot. Das war mir doch auch noch nie passiert!
Und ich sah wieder diese blauen Augen, die mich diesmal nicht nur kritisch musterten, sondern
wie Dolche zu erstechen versuchten.
Himmel, war ich etwa in ihr Terrain eingedrungen?
Ich war hin und her gerissen. Ich wollte, daß er mich immer wieder küßt, ich wollte, daß ihre
blauen Augen mir Zuneigung zeigten und andererseits wollte ich auch einfach nur verschwinden.
Ich entschloß mich schließlich, daß das letztere wohl die besten Überlebensmöglichkeiten für
mich barg und sprintete zur Tür.
Allerdings reagierte Agent Mulder mal wieder schneller als mir lieb war und so fand ich mich er-
neut in seinen Armen.
„Mal nicht so schnell!"
Resigniert ließ ich die Schultern hängen. Nun gut, dann würde ich mich halt der Situation stellen
müssen.
„Was geht hier vor sich, Mulder?"
„Oh, Jaqueline hat uns wichtige Informationen mitgeteilt!" entgegnete er frohgelaunt und ignorierte
geflissentlich die bösen Blicke seiner Partnerin.
Ich zog meine Augenbrauen in die Höhe und lauschte.
Das war das erstemal, daß mich jemand Jaqueline genannt hatte.
„Und?" Agent Scullys Fuß wippte verdächtig auf und ab.
„Haben Sie festgestellt, daß Patty McLean schwanger war und eine Frühgeburt erlitten haben
muß?" triumphierte er auf.
„Ja, aber woher..." stockte sie und betrachtete mich nun eingehender.
Langsam wurde mir heiß. Die Arme, die mich gefangen hielten, machten mich schon über die
Gebühr nervös, aber jetzt auch noch diese Blicke von der kleinen Rothaarigen, nein, das würde
ich nicht überleben.
„Scully, vielleicht sollten wir doch mit Jaqueline zusammenarbeiten, Sie war uns weit voraus! Die
Leute in dieser Stadt trauen der Presse mehr als dem Sheriff oder uns beiden dahergelaufenen
FBI Agenten."
Grübelnd blickte sie von ihrem Partner zu mir, während sie die Worte ihres Partners überdachte.
„Und wer garantiert mir, daß wir nicht morgen wieder etwas in der Presse lesen, was uns behin-
dert?"
„Scully, das lassen Sie mal meine Sorge sein. Jaqueline und ich haben da eine kleine Vereinba-
rung getroffen."
„Haben wir?" ich blickte erstaunt zu ihm auf.
„Ja, haben wir!" murmelte er verschwörerisch und wandte sich dann wieder seiner Partnerin zu,
welche die Unterhaltung zwischen uns kritisch beäugte.
„Dann legen Sie mal los, Ms. Bristol, was haben Sie herausgefunden?" forderte sie mich auf und
lehnte sich mit verschränkten Armen an die Zwischentür.
„Könntest Du mich loslassen?" ich sah fragend zu Agent Mulder auf.
„Keine Fluchtversuche mehr?"
„Nein!" murmelte ich und spürte wie sich der Griff lockerte.
„Dann erzähl!"
Ich holte tief Luft und begann alles noch mal zu erzählen, während Agent Mulder zustimmend
nickte, wenn ihm etwas besonders wichtig erschien und Agent Scully aufmerksam lauschte und
Zwischenfragen stellte, die ich so gut wie möglich zu beantworten versuchte.
Als ich meinen Bericht schloß, sahen mich beide nachdenklich an.
„Wie kommen Sie an diese Informationen? Allein die Schwangerschaft. Niemand hat uns davon
zu berichten gewußt, obwohl es ja jeder gesehen haben müßte."
„Robert Keeton hat es mir erzählt, ihr Freund. Es war ihm unangenehm. Beide waren sie noch auf
dem College. Es hätte nicht sein sollen. So etwas erzählt man dann einfach keinem Fremden!"
ich tat als sei es selbstverständlich so.
„Aber Ihnen, der Presse, die vermutlich alles in der Öffentlichkeit breittreten wird, Ihnen vertraut
man?"
„Agent Scully," ich zuckte mit den Schulter, „in dieser Stadt ist so einiges anders. Wir von der
Presse freuen uns über jeden Aufmacher, aber vor allem sind wir hier sozusagen eine Detektei,
die mit dem Sheriff zusammenarbeitet und Fälle aufklärt. Und da unsere Aufklärungsquote bei
erfreulichen 100% liegt im Gegensatz zum Sheriff, vertrauen uns die Menschen in Pencoa halt."
„Wollen Sie damit andeuten, daß Sie effektiver arbeiten als das Sheriffdepartment?"
„Oh, ich will es nicht nur andeuten, es ist tatsächlich so!" lächelte ich und verschränkte nun mei-
nerseits die Hände vor der Brust.
„Nun, dann danken wir Ihnen jedenfalls und viel Erfolg noch bei den Recherchen zu Ihrer nächs-
ten Titelstory!"
Ich sah Agent Scully entsetzt an. Ich hatte den beiden über die Gebühr geholfen und wurde nun
mir nichts, dir nichts vor die Tür verfrachtet? Was ging hier vor?
Ich war äußerst wütend, ließ mich aber dennoch von Agent Mulder vor die Tür schieben. Mir fehl-
ten einfach die Worte. Wieder mal eine Eigenschaft an mir, die erst von den beiden Agenten her-
vorgebracht wurde. Normalerweise war ich nicht Mundtot zu bekommen.
„Ich glaub es einfach nicht! Ist das ihr Ernst?" platzte ich endlich heraus, als ich meine Stimme
wiedergefunden hatte.
„Hör zu Jaqueline, ich kann mir gut vorstellen, mit dir zusammen zu arbeiten, aber wenn Sie es
nicht kann, dann nicht. Ich hätte damit rechnen müssen. Sie ist da sehr eigen."
„Das kann man wohl sagen!" knurrte ich beleidigt.
„Könnte es sein, daß ich das jetzt richtig deute?"
„Was?"
„Du bist vernarrt in Scully!" brachte er mit einem gequälten Lächeln hervor.
„Vernarrt? Ich... ach verflixt, es sind ihre blauen Augen!" murmelte ich und schlug mit ihm zu-
sammen den Weg zur Treppe ein.
„Ja, die faszinieren mich auch immer noch..." seufzte er.
„Du auch?" ich sah erstaunt zu ihm auf.
Er zuckte gleichgültig mit den Schultern, obwohl ich ihm diese Gleichgültigkeit keineswegs ab-
nahm.
Als wir die Tür erreicht hatten, erwartete ich, daß er wieder zu ihr hinaufgehen würde, doch er
begleitete mich noch ein Stück durch die dunklen Straßen.
„Ist das nicht eigenartig?"
Ich horchte auf: „Was ist eigenartig?"
„Du bist vernarrt in Scully, die Unnahbare, ich bin vernarrt in Scully, die Unnahbare und dennoch
gibt es eine unverkennbare Anziehung zwischen uns beiden," seufzte er.
„Das ist die merkwürdigste Dreiecksbeziehung, von der ich je gehört habe!" grinste ich und sah zu
ihm auf. Es tat gut, endlich mal zu jemandem aufzusehen.
„Ja, da könntest du recht haben!" grinste er zurück.
„Kann ich dich auch Mulder nennen oder möchtest du lieber Fox genannt werden?"
„Lassen wir es bei Mulder, der andere Name sagt mir nicht so zu."
„Kein Problem, Mulder. Weißt du eigentlich, daß du die erste Person bist, die mich tatsächlich
Jaqueline nennt? Außer meiner Mutter natürlich."
Er lachte: „Du bist wirklich außergewöhnlich. Ich komme bei dir einfach nicht aus dem Lachen!"
Diesmal war ich an der Reihe mit gleichgültigem Schulternzucken.
Wir liefen eine ganze Weile schweigend nebeneinander her, dennoch empfand ich es nicht als
unangenehm.
„Gibt es derzeit eigentlich eine Frau in deinem Leben?" fragte er urplötzlich.
„Schon seit längerem nicht mehr. Ehrlich gesagt, seit ich in dieser Kleinstadt wohne," entgegnete
ich resigniert.
„Du Arme! Lauter Spießer um dich herum?" grinste er.
„Allerdings! Aber die wenigsten wissen es!" ich grinste zurück und dachte an sein verblüfftes Ge-
sicht, als ich ihm davon erzählt hatte.
Freundschaftlich legte er seinen Arm um meine Hüfte und ich tat es ihm gleich. So gingen wir
dann in glücklichem Einvernehmen bis wir irgendwann meine Wohngegend erreicht hatten.
„Hier also wohnt die berüchtigte Klatschreporterin!"
„Hey, nicht frech werden!" Ich knuffte ihn freundschaftlich in die Seite.
„Ich doch nicht!" gab er gespielt entrüstet zurück und zwickte mich.
„Wir werden uns sicherlich noch mal über den Weg laufen?!" fragend sah er mich an.
Nachdenklich strich ich mir über das Kinn: „Mh, ich glaube, das läßt sich schlecht vermeiden. Ich
garantiere dir, ich werde immer vor Euch beim nächsten Hinweis sein und dann werde ich auf
Euch warten!"
Erst grinsten wir uns nur an, dann brachen wir beide in schallendes Gelächter aus. Oh, es tat ja
so gut, jemanden zu haben, mit dem man so ungezwungen umgehen konnte.
Schließlich beruhigten wir uns wieder und verabschiedeten uns.
Er nahm mein Gesicht in seine Hände und küßte mich zum Abschied.
Zu meiner Verblüffung kam ein weiteres Gefühl diesmal dazu. Ich empfand eine sehr eindeutige
Sehnsucht. Das Kribbeln in meinem Magen nahm zu und das Verlangen nach seinen Lippen war
ins Unermeßliche gestiegen.
Ich hatte instinktiv meine Arme um seine Hüften geschlungen und als er meine Lippen wieder frei
gab, sanken seine Arme um mich und hielten mich fest an ihn gepreßt.
„Ich weiß nicht, wie du das machst, aber mir gefällt es immer besser!" murmelte ich an seiner
Schulter und versuchte meine Atmung wieder zu regulieren.
„Das hab ich mich auch eben gefragt!" flüsterte er an meinem Ohr und ich fühlte wieder kleine
Schauer meinen Rücken hinab fließen.
Es war so wunderschön in seinen Armen, ich fühlte mich so sicher, geborgen, wie ich mich noch
nie zuvor gefühlt hatte.
Dann ließen wir einander los.
Meine Finger strichen ihm über die Lippen: „Du kannst wirklich gut küssen!"
Er lächelte: „Das Kompliment gebe ich zurück!"
„Bis dann!" Ich trat einen Schritt zurück und brachte die nötige Distanz zwischen uns, damit wir
beide wieder klar denken konnten.
Er hob noch mal die Hand zum Gruß und schlug dann den Rückweg ein.
Einen kleinen Augenblick sah ich ihm noch zu, dann wandte ich mich auch um und steuerte auf
meine Haustür zu.
Es war einfach unglaublich. Ich ließ mich von einem Mann küssen. Ich - von einem Mann! Es war
wirklich unglaublich! Vielleicht hatte ich mir all die Jahre nur eingebildet, daß ich nicht auf Männer
stand. Obwohl, es hatte mal einen Derek in meinem Leben gegeben, doch der hatte mich keines-
wegs so in Aufregung versetzt.
Ich schluckte, war mir vielleicht bisher nur nicht der Richtige unter gekommen?
Dann mußte ich wieder an das Sehnen in meinem Körper denken. Meine Güte, ich hatte wirklich
und wahrhaftig das Bedürfnis verspürt, mit diesem Mann zu schlafen.
Was ging nur in meinem Inneren vor? Wieso wußte ich auf einmal nicht mehr, was ich wollte?
In Windeseile hatte ich mich entkleidet und war in mein Bett geschlüpft, in der Hoffnung, Erlö-
sung im Schlaf zu finden, doch es war wie verhext, kaum, daß ich die Augen schloß waren sie
wieder da - diese wunderschönen blauen Augen - Agent Scully hatte es mir also immer noch an-
getan. Himmel, das wurde mir langsam zu kompliziert.
Ich lag noch lange wach und es dämmerte draußen bereits, als ich endlich in einen Dämmer-
schlaf fiel.

Wie vorausgesagt, trafen wir drei uns bereits früh am nächsten Morgen wieder.
Angela Higgins, eines der <Opfer> hatte sich nach einem längeren Telefonat und einem Gespräch
mit Dr. Hayendeal dazu bereit erklärt, mit mir zu sprechen.
Dieser Aufforderung war ich natürlich gleich nachgekommen und fand mich mitten im Gespräch
mit Mrs. Higgins, als die beiden Agenten an der Tür klingelten.
Ich war nicht wirklich erstaunt, als ich sie das Wohnzimmer betreten sah, ich war viel eher amü-
siert, weil meine Zusage vom Vorabend doch tatsächlich eingetroffen war.
Agent Scully machte ein wenig erfreutes Gesicht und Agent Mulder wirkte auf mich genauso un-
ausgeschlafen, wie ich mich selbst fühlte.
Ich konnte mir kein Grinsen verkneifen und registrierte erfreut, daß es von Agent Mulder erwidert
wurde. Vermutlich dachte er in diesem Moment an meine Worte vom Vorabend.
Nachdem alle wieder saßen, erläuterte Mrs. Higgins den beiden Agenten nochmals alle Details,
die sie bereits mir anvertraut hatte. Zu meinem Erstaunen ließ sie jedoch Kleinigkeiten aus. Ich
würde darüber mit Agent Mulder sprechen müssen.
Was war denn nun schon wieder in mich gefahren? Ich wollte meine Informationen wirklich wei-
tergeben? Hatte er mich wirklich soweit gebracht?
Aber dann mußte ich wieder daran denken, daß auch ich im Prinzip nur den Fall gelöst haben
wollte, damit ich einen Artikel schreiben konnte und mir wurde klar, daß das Ganze langsam zu
einem Konkurrenzkampf geworden war.
Vielleicht war es wirklich besser, ich gab meine Informationen anstandslos weiter. Es würde mir
sicherlich ausreichend Genugtuung bescheren, daß ich grundsätzlich vor den beiden den nächs-
ten Hinweis aufgegriffen haben würde.

Wir beendeten das Gespräch etwa eine halbe Stunde später. Mrs. Higgins war freundlich zu den
beiden gewesen, aber ich hatte die Zurückhaltung dieser Frau gespürt. Sie war sich nicht sicher
gewesen, ob sie ihnen trauen konnte.
„Was hast du rausbekommen, was uns verschwiegen wurde?" richtete Agent Mulder seine Frage
direkt an mich.
„Schön, dir ist das also auch aufgefallen!" grinste ich und sah Agent Scully fragend an.
„Ja, gut, dann legen sie schon los!" brummte diese mißmutig und verschränkte in ihrer so typi-
schen Art die Arme vor der Brust.
„Mrs. Higgins hat Euch von der Amnesie erzählt, daß sie schwanger war und plötzlich ohnmäch-
tig wurde und dann aufwachte und nicht mehr schwanger war, daß sie aber lange gebraucht hat,
um sich wieder zu erinnern, daß sie überhaupt schwanger war."
„Tiefenregressionshypnose," warf Agent Mulder ein und brachte mich zum Stocken.
„Tiefenregress..was?" verwirrt sah ich zu ihm auf.
„Mit dieser Art von Hypnose kann man sich an sehr viele Dinge aus dem Unterbewußtsein erin-
nern. Es ist keine leichte Hypnose, aber ich denke, daß sie das gemacht haben wird."
„Äh... könnte es sein, daß auch du schon einmal....?"
„Ja, nachdem meine Schwester entführt wurde," erklärte er weiter.
„Entführt? Tut mir leid," ich sah ihn mitleidig an.
„Von Außerirdischen entführt," ergänzte er und ich schluckte erstaunt.
„Von Außerirdischen? Oh mann..."
Langsam wurde mir das ganze zu merkwürdig, hatte Angela Higgins eben doch auch von Außer-
irdischen gesprochen. Waren die beiden FBI Agenten etwa deswegen hier?
Ich hatte da doch mal etwas über eine Spezialabteilung in Washington gehört, die sich sogenann-
ten X-Files - rätselhaften ungelösten Fällen - widmete. Waren das diese beiden, die vor mir stan-
den?
Langsam wurde mir einiges klar.
„Okay, machen wir es kurz. Angela Higgins sprach von Außerirdischen, die sie entführt hätten,
um ihr Kind für Versuchszwecke zu entfernen. Sie meinte, sie könne sich nur durch die Hypnose
daran erinnern," schoß ich hervor und wartete gespannt auf die Reaktion der beiden Agenten.
Agent Mulder schien plötzlich begeistert und sah seine Partnerin triumphierend an, während diese
die Augen verdrehte und ich das Gefühl nicht los wurde, daß sie ein stilles Stoßgebet zum Him-
mel sandte.
Aber vielleicht hätte ich das zu diese Zeitpunkt auch getan.
„Ich gehe jetzt einen Kaffee trinken, kommen Sie mit?" Ich sah Agent Scully erstaunt an. Von ihr
diese Frage? Vielleicht hatte sie ja meine Reaktion in Bezug auf Außerirdische mitbekommen,
vielleicht hoffte sie in mir auf eine Verbündete gegen Agent Mulders wahnwitzige Ideen? Auf jeden
Fall freute ich mich über dieses Angebot und nahm es dankend an.
„Dann macht's gut, ich werde mal versuchen rauszubekommen, bei wem sie die Tiefenregressi-
onshypnose hat vornehmen lassen," erwiderte ihr Partner und ging in die entgegengesetzte Rich-
tung.
Wir steuerten das nicht weit entfernte Bistro an und bestellten uns jeder einen Kaffee.
„Tiefenregressionshypnose, also wirklich!" murmelte ich in meinen Becher. Das hörte sich mehr
als verrückt an.
„Gibt es tatsächlich. Ich habe so etwas auch schon hinter mir. Keine schöne Sache, aber wir-
kungsvoll," korrigierte Agent Scully mich.
„Sind Sie etwa auch schon von Außer... na ja, ich meine entführt....herje..." seufzte ich und hatte
das Gefühl zwischen lauter Irren gelandet zu sein.
„Nein, ich denke nicht, obwohl mein Partner mir das ja immer wieder einzureden versucht!" lä-
chelte sie und griff nach der neusten Zeitung.
„Meinen Sie, da könnte was wahres dran sein?" fragte ich ernsthaft interessiert. Schließlich hatte
es ja seine Gründe, warum man diese Abteilung beauftragt hatte.
„In gewisser Weise ist sicherlich was wahres dran, ich denke jedoch, es handelt sich hierbei viel-
mehr um wissenschaftliche Versuche von Menschen an Menschen, die ihre Opfer durch diverse
Trugbilder zu dem Schluß bringen wollen, daß sie von Außerirdischen entführt seien, obwohl es
nicht den Tatsachen entspricht. So wird jedenfalls von den eigentlichen Übeltätern abgelenkt."
„Sicher," murmelte ich, „Außerirdische sind ein wunderbares Thema. Es gibt kaum einen Tag, da
trudeln in unserer Redaktion keine Fotos oder Berichte von Ufo-Sichtungen ein. Der Mensch will
glauben und glaubt zu sehr!"
Sie sah mich erstaunt an: „Eine erstaunliche Interpretation, aber ganz meiner Meinung."
„Wie kommt es eigentlich, daß Sie miteinander auskommen, Sie und Agent Mulder scheinen
doch so extrem verschiedene Ansichten zu haben."
Sie lachte leise auf. Mir gefiel ihr Lachen, es wirkte nicht gekünstelt.
„Wissen Sie, Ms. Bristol, wir ergänzen uns für den Bereich, den wir bearbeiten ideal. Er ist die
emotionale, unkontrollierbare Inkarnation des Glaubens, ich hingegen bin die korrekte, disziplinier-
te Personifizierung des Realismus und der Wissenschaft. Wir halten uns gegenseitig in der Waa-
ge und das nunmehr seit 5 Jahren sehr effektiv."
„Oh..." murmelte ich in meine Tasse und schielte über den Rand auf die Zeitung.
„Heute ja gar keine Schlagzeile über uns!" sie grinste mich an.
Ich zuckte mit den Schultern: „Ich war gestern nicht mehr in der Redaktion."
Plötzlich fiel mein Blick auf ein Foto, ziemlich weit unten, dennoch auf der Titelseite.
„Das kann doch nicht wahr sein!" entfuhr es mir und ich riß Agent Scully die Seiten aus der Hand,
um mir das Bild und die Schlagzeile genauer anzusehen.
Da hatte sich aber jemand einen gewaltigen Scherz erlaubt!
Ich sprang ohne Vorwarnung auf und ließ die Agentin allein am Tisch zurück. Mein nächster Weg
würde mich geradewegs in die Redaktion führen.
Mit mir nicht!
Noch verwirrt über meine plötzliche Reaktion, nahm Agent Scully die Zeitung wieder zur Hand
und blickte auf den entscheidenden Artikel...

„Floyd?... Floyd?" Die Redaktion war ein kleines Tollhaus und ich konnte meinen Kollegen nir-
gends entdecken.
„Floyd O'Neill, entweder du tauchst hier sofort auf oder ich bringe dich eigenhändig um, wenn du
mir zwischen die Finger gerätst!" schrie ich durch den Raum und wedelte ärgerlich mit der Ta-
geszeitung, die ich von einem der Schreibtische aufgenommen hatte.
„Hallo Jack!"
Ich hörte seine Stimme, konnte aber nicht den Ursprung lokalisieren.
„Floyd, komm raus und stell dich!" schimpfte ich und sah ihn wenige Sekunden später hinter sei-
nem Schreibtisch hervor kriechen.
„Oh je, ich hatte ja so etwas befürchtet," murmelte er, während ich demonstrativ mit erhobener
Zeitung auf ihn zu schritt.
„Was sollte das?" Ich nahm die Zeitung zur Hand, deutete auf das Foto und las laut die Über-
schrift vor:

„Heimliches Treffen zwischen Reporterin und FBI Agent - hat der Fall überhaupt noch
Vorrang?"

Das Foto zeigte Agent Mulder und mich, wie wir uns gerade küßten. Ich hatte nicht wahrgenom-
men, daß man uns fotografiert hatte, aber möglich war es.
Es war eine verdammte Sauerei, daß man mir schon unterstellte, daß ich nicht mehr an der Auf-
klärung des Mordes interessiert sein könnte. Und mein bisher so gut verstecktes Privatleben hatte
erst recht nichts auf der Titelseite zu suchen.
Was würden die Leute jetzt von mir denken? Daß ich mich ganz normal in einen stattlichen gut-
aussehenden Mann verliebt hatte, aber ich war nunmal nicht normal. Nichts war mehr normal!
„Man, Jack, was regst du dich so auf?" erklang die Stimme meines Chefredakteurs hinter mir.
„Ich rege mich auf, weil hier mein Privatleben in der Zeitung breit getreten wird!" fluchte ich.
„Das stört dich bei anderen Leuten ja auch nicht!" konterte er und darauf hatte ich wirklich nichts
nachzusetzen.
„Aber was hier drin steht, ist nicht wahr!" zischte ich und sah aus den Augenwinkeln heraus Agent
Mulder die Redaktion betreten.
Verdammt, der hatte mir hier noch gefehlt!
„Und?" Jimmy sah mich fragend an.
„Erstens haben wir uns nicht heimlich getroffen und zweitens hat der Fall absolut nicht das nach-
sehen! Wie seit ihr bloß darauf gekommen?"
„Ihr seit doch ein hübsches Pärchen?" Jimmy zuckte gleichgültig mit den Schultern.
„Oh, Jimmy!" Ich spürte, wie meine Finger sich um seinen Hals schlossen und ich ihn wie wild
schüttelte.
Agent Mulder griff ein und zerrte mich von meinem Chefredakteur fort, den ich vermutlich sonst
noch erwürgt hätte.
„Du kannst mich wieder loslassen," zischte ich etwas ruhiger und drückte ihm die Zeitung in die
Hände.
„Was geht hier vor? Ich hatte gehofft, dich hier zu finden, aber nicht als mordlüsternde Bestie!"
grinste er und drapierte die Zeitung neben sich auf dem Tisch.
„Hier, lies!" ich griff erneut nach der Zeitung und hielt sie ihm demonstrativ vor die Nase. Wütend
tippte ich mit dem Finger auf das Foto: „Das ist doch eine Frechheit, oder?"
„Schönes Foto. Nur leider etwas unscharf!" er grinste und blickte Jimmy fragend an, „kann ich
davon einen Abzug haben?"
„Ahh..." ich boxte ihn gereizt gegen den Oberarm.
„Jaqueline, ich weiß gar nicht, warum du dich so aufregst, du weißt, da ist nichts und ich weiß, da
ist nichts, also was soll's? Kümmern wir uns lieber weiter um den Fall!"
Er lächelte mich an und strich mir freundschaftlich über den Arm, ehe er sich zur Tür begab.
Ich blieb ein wenig fassungslos stehen.
Diese Reaktion war mir unbegreiflich. Deutete ich mir selbst doch zu viel in diese Sache, als ich
mir wirklich eingestand? Oder warum hatte ich so gereizt reagiert? Es war weniger die Schlagzei-
le gewesen, viel eher das Foto, welches mich zur Weißglut gebracht hatte.
„Jaqueline?" Jimmy und Floyd sahen mich fragend an, denn eigentlich gab es niemanden, der
mich so nannte. Der Name war für mich die Inkarnation des Weiblichen und ich hatte immer ver-
mieden, daß man mich so nannte. Aber Agent Mulder hatte ich es gestattet?!
„Und? Kommst du?" ertönte Agent Mulders Stimme von der Tür.
„Bin ja schon unterwegs..." seufzte ich und versuchte die interessierten Blicke von meinen Kolle-
gen zu ignorieren.

Mißmutig trat ich mit ihm auf die Straße.
„Wenn Scully das liest!" entfuhr es ihm in einem unkontrollierten Augenblick.
Ich sah ihn schief von der Seite an. Er regte sich ja doch darüber auf. Aber dann wußte ich auf-
einmal auch, warum ich mich so über das Foto aufgeregt hatte - Scully! Ich hatte Angst, sie könn-
te es sehen und... ja was und? Ich hatte doch nie Chancen bei ihr, warum also machte ich mir
Sorgen? Ach, verflixt!
„Zu spät, sie hatte die Zeitung vor mir in der Hand, als wir in dem Bistro saßen. Vermutlich weiß
es sowieso schon die ganze Stadt, da ist es selbst, wenn sie es nicht gesehen hat, nicht mehr zu
vermeiden, daß sie es spätestens vom Hörensagen erfahren hat," seufzte ich resigniert und sah
ihn an.
„Wir sind schon ein verrücktes Pärchen, oder?" Er griff nach meiner Hand und schlenderte mit mir
die Hauptverkehrsstraße hinunter.
„Tja, wir sind beide nach deiner Partnerin verrückt und können dennoch nicht voneinander lassen.
Ich halte das schon lange nicht mehr für normal!" lamentierte ich.
Ich blieb an einem der Schaufenster stehen und starrte sehnsüchtig auf die Auslagen.
Mulder legte seinen Arm um meine Schultern und folgte meinen Blicken:
„Was fasziniert dich so?"
„Ich träume von diesem Kleid!" Ich deutete auf ein aquamarinfarbenes Seidenkleid, welches die
zarte Figur der Schaufensterpuppe umschmeichelte.
„Warum hast du es dann noch nicht gekauft? Der Preis ist doch okay?"
„Scherzkeks, kannst du mir mal verraten, wann ich es anziehen soll?" nörgelte ich verstimmt und
starrte das Kleid weiterhin an.
„Dann beschwer dich nicht!" knurrte er und ich wurde das Gefühl nicht los, daß er etwas im
Schilde führte.
„Jeder der den Artikel gelesen hat, wird uns für ein Pärchen halten - bist du dir darüber im Kla-
ren?" räumte ich nach einer Weile ein.
„Und? Sind wir's?"
Gott, mit einer Gegenfrage hatte ich nicht gerechnet. Im Normalfall hätte ich glatt weg behauptet,
daß wir tatsächlich ein Pärchen seien, schließlich benahmen wir uns fast so, aber wie ich schon
mal andeutete, in unserem Fall war einfach nichts normal! Ich kannte die Antwort also nicht.
„Was denkst du?" Ich blickte fragend zu ihm auf.
„Scully scheint an keinem von uns interessiert zu sein," lautete seine wage Antwort.
„Und das bedeutet?" drängte ich.
„Warum machen wir dann nicht das beste aus unserer Situation?"
„Ich weiß nicht!" murmelte ich und starrte wieder auf das Kleid.
Einerseits fand ich die Idee ja recht gut, andererseits war ich mir nicht sicher, ob ich überhaupt
jemals eine Beziehung zu einem Mann eingehen wollte.
Plötzlich spürte ich seine Lippen auf meinen und den Taumel, der mich wiedermal ergriff und mit
sich zog, dieses unendliche Gefühl von Sinnlichkeit und die Sehnsucht in meinem Inneren, die
immer stärker zu werden schienen.
Als er mir wieder Luft zum Atmen gab, zitterten meine Knie und ich mußte mich an ihm festhal-
ten: „Wow, überredet. Ich bin dein!"
Er lächelte verschmitzt und küßte mich auf die Nasenspitze: „Und jetzt kaufen wir dir das Kleid!"
Mit einem eigenartigen Gefühl von Wärme in meinem Inneren ließ ich mich von ihm mitziehen.
Jetzt war ich nur noch gespannt, wie weit meine Gefühle wirklich gingen und was bei uns zwei
herauskam.

„Morgen, allerseits!" rief ich begrüßend in die Runde und warf eine Tüte frischer Brötchen auf den
Tisch.
„So gut gelaunt?" erlangte Jimmy sein Stimme als erstes wieder, ehe er sich an der Tüte bedien-
te.
„Ja, könnte man so nennen!" ich grinste und biß genüßlich in die Teigware.
„Und? Darf man erfahren, warum?"
„Nein!" strahlte ich ihn an.
Ein eigenartiges Hochgefühl hatte mich gepackt. Zwar hatte ich den Abend nicht mit Mulder ver-
bracht, aber das Gefühl, daß er jetzt ein Teil in meinem Leben war, erfreute mich.
„Morgen allerseits!" hörte ich seine Stimme hinter mir.
Ich wußte, er und Agent Scully hatten gemeinsam die Redaktion betreten.
„Morgen!" ertönte es aus aller Munde.
Ich spürte seine Nähe. Meine Haut begann zu kribbeln. Er mußte nur noch wenige Schritte von
mir entfernt sein.
Instinktiv hielt ich die Luft an und schloß die Augen kurz bevor sich seine Arme um meine Hüften
legten und ich seinen warmen Atem an meinen Ohr spürte:
„Guten Morgen, gute Fee!"
Der Timbre in seiner Stimme ließ es mir heiß und kalt den Rücken hinunter laufen. Ich registrier-
te, wie sich ein Lächeln auf meine Lippen legte, als er mich auf die Wange küßte.
Langsam öffnete ich wieder die Augen, während er mit wieder los ließ und sich auf den Stuhl ne-
ben mich setzte.
Alle starrten mich an. Ich kniff die Augen zusammen und ließ mich auch auf meinen Stuhl nieder.
Verdammt, sie starrten alle. Hatte ich etwas falsches getan? Dann fiel es mir wie Schuppen von
den Augen, meine Kollegen in der Redaktion wußten ja, welche Neigungen ich hatte.
Amüsiert blickte ich zu Mulder. Auch er schien den gleichen Gedanken zu haben wie ich.
Das mußte ja mehr als merkwürdig wirken, daß er und ich..., wenn alle wußten, daß ich eigent-
lich mehr...
Ach egal, dachte ich mir, es war äußerst amüsant, wie sie alle erstarrt in ihrer Haltung waren und
anschließend krampfhaft versuchten, das Thema zu überspielen.
Doch dann blickte ich in die müden, blauen Augen von Agent Scully und mir verging der Appetit.
Sie schien die letzte Nacht nicht geschlafen zu haben. War es wegen dem Fall? Oder viel eher
wegen uns? Ich vermutete, mal eher wegen uns.
Mein Schlechtes Gewissen bahnte sich seinen Weg an die Oberfläche und mein Brötchen
schmeckte mir auf einmal nicht mehr.
Ich konnte die ganze Angelegenheit doch auch nicht mehr rückgängig machen.
Aber wem war sie mehr zugetan? Mir oder ihm? Ihm, entschloß ich kurzerhand.
Dann plötzlich stand sie auf und verließ den Raum. Kaum einer registrierte es wirklich, doch ich
konnte es nicht ignorieren und sprang von meinem Stuhl auf. Ich folgte ihr mit schnellen Schritten
und ließ alle verdutzt am Tisch zurück.

„Scully! Warten Sie!"
Sie blieb stehen und sah mich herausfordernd an.
„Können wir reden?" setzte ich an und deutete auf eine der Treppenstufen, die mir im Hausflur als
geeignetste Sitzmöglichkeit erschienen.
„Warum?"
Ich hörte den traurigen und den verbitterten Ton in ihrer Stimme. Es tat mir weh, sie so zu sehen
und mir wurde klar, daß ich sehr viel für sie empfand.
„Warum dieses Gesicht? Sind Sie enttäuscht, weil ich Ihnen Mulder weggenommen habe?"
brachte ich relativ ruhig hervor.
„Mulder? Ha!" sie winkte demonstrativ ab und ließ sich neben mir nieder.
„Aber was dann?" seufzte ich.
Mit einem Male spürte ich ihre Lippen auf meinen, ihre Hände, die über meine Wangen strichen
und ihre Zunge, die mich herausfordernd neckte.
Ihr süßer Parfümduft stieg mir in die Nase und schien meine Sinne zu betören.
Als sie mich wieder los ließ, konnte ich kaum atmen. Zum einen, weil ich doch sehr erregt war,
zum anderen, weil ich von der Situation überrascht worden war.
„Ähm..." mehr brachte ich nicht hervor. Ich starrte sie lediglich mit offenem Mund an.
„Ja, ich weiß, Sie stehen mehr auf Mulder, aber ich wollte Sie so gerne schmecken!"
Ich ließ meinen Mund wieder zuklappen.
Sie begehrte mich offensichtlich und ich dumme Kuh hatte das nicht bemerkt.
Gott, was war ich doch blind.
Ich zog sie instinktiv in meine Arme und küßte sie mit einer so leidenschaftlichen Inbrunst, daß
selbst mir Angst und Bange wurde.
Sie war so süß und so wunderbar unter meinen Händen, ich hätte ewig weitermachen können,
doch dann tauchte die Stimme von Mulder in meinem Gedächtnis wieder auf.
Was ging nur mit mir vor?
Ich stockte und ließ wieder ab von ihr. Meine Verwirrung stand offen in meinem Gesicht geschrie-
ben.
„Scully, ich..." Mit einer fahrigen Geste fuhr ich mir mit meiner Hand durch das Haar, „herje, wie
soll ich das sagen... ich mag Sie..."
Das war ja nun nicht gerade unschwer zu erkennen gewesen.
„Aber?" erklang ihre Stimme.
„Aber ich mag auch Mulder und... ich weiß nicht, für wen ich mehr empfinde. Ich weiß es einfach
nicht!" seufzte ich und stand wieder von den Stufen auf.
Sie nickte - mehr nicht.
Sie nickte, stand ebenfalls auf und ging wieder zurück zu den anderen.
Ich stand wie verloren auf den Stufen und sah ihr hinterher.
Es hatte mich umgehauen. Schlicht und einfach völlig aus dem Konzept gebracht und ich sah
mich nicht mehr in der Lage nach oben zu den anderen zu gehen und normal weiterzumachen.
Mein Gott, ich hatte sie geküßt und dabei eine tiefe Leidenschaft empfunden.
Was sollte ich nur tun?
Hatte ich ihn geküßt, erschienen mir ihre blauen Augen, küßte ich sie, tönte seine Stimme in
meinem Kopf.
Ich war vermutlich rettungslos verloren.
Das ging mir alles zu weit, ich mußte dringend einen Moment Abstand gewinnen.
Nur weg von allem.
Also setzte ich mich in mein Auto und fuhr ohne Ziel einfach drauflos - raus aus der Stadt - immer
geradeaus Richtung Berge...

Vor Jahren hatte Jimmy sich eine Hütte in den Bergen gekauft und mir jederzeit den Zugang er-
laubt. Bisher hatte ich die Abgeschiedenheit jedoch eher als lästig empfunden, war doch mein
Leben mein Beruf, und dieser immer wieder mit viel Aufregung und Menschen verbunden. Doch
dieses eine Mal brauchte ich die Abgeschiedenheit, die Ruhe und die sonst so drückende Ein-
samkeit der Berge.
Mein Kopf hämmerte.
Von dem Moment, als ich den schwarzen Ford gesehen hatte, war mein Leben in einen Strudel
von Emotionen gezogen worden, mit denen ich nicht mehr fertig zu werden wußte.
Ich sah schon die Schlagzeile vor mir:

„Reporterin flüchtet in die Berge um liebestollen FBI Agenten zu entgehen"

Tja, so war ich nun mal, mit der Presse verwachsen bis zum Geht-nicht-mehr. Ich dachte sogar
schon in Schlagzeilen über meine Beziehungskisten nach.
Ich konnte nur hoffen, daß Jimmy so fair sein würde, meinen derzeitigen Aufenthaltsort nicht zu
verraten.

In den ersten zwei Tagen fand ich langsam wieder zu mir, obwohl ich ab und zu an die beiden
Agenten denken mußte. Es fiel mir mit diesem Abstand einfach leichter darüber nachzudenken.
Der Fall meldete sich in meinem derzeit zu überbeanspruchten Gehirn wieder zu Wort und ließ
mich darüber sinnieren, warum ich trotz meiner bisher so hoch gepriesenen Reporterehre, eine
Schlagzeile hatte vergessen können. Doch meine ganze Ruhe dauerte nicht besonders lange.

Keinen Tag später - ich war gerade damit beschäftigt Holz aufzustapeln - hörte ich hinter mir
Schritte auf dem Laub.
Ich blickte mich fragend um, doch ich konnte mir fast denken, wer hinter mir stehen würde.
"Hi" Seine Hände waren in die Taschen vergraben, sein Blink war leicht gesenkt. Er schien mir ein
schlechtes Gewissen zu haben.
"Hi, Mulder!" seufzte ich und drehte ihm wieder den Rücken zu. Seine Anwesenheit machte mich
nervös und rief Emotionen wach, die ich geglaubt hatte endlich kontrollieren zu können. Dem war
nicht so, bemerkte ich resigniert.
Ich spürte seinen fragenden Blick auf meinem Rücken, während ich weiterhin fleißig Holz entlang
der Hauswand aufstapelte.
"Können wir reden?" Seine Stimme klang angespannt, vielleicht sogar verunsichert. So genau
konnte ich das nicht deuten.
Ich machte den Rücken grade und sammelte all meine Kraft. Dann wandte ich mich ihm zu und
sah ihn offen und direkt an.
Mein Herz schien zu schmelzen, meine Seele hungerte nach ihm und doch blieb ich starr auf ei-
nem Fleck stehen und starrte ihn nur an.
"Jaqueline..." Wie ein Verdurstender machte er einen Schritt auf mich zu, nur um dann wieder
stehen zu bleiben und mich mit purer Verzweiflung anzustarren.
Ich konnte nicht mehr. Ich brannte innerlich.
Wieso war es nicht möglich Abstand zu diesem Menschen zu gewinnen?
Wie automatisch, machte ich ein paar Schritte auf ihn zu und fand mich wenige Sekunden später
in seinen Armen wieder, seine Lippen mein Gesicht liebkosend.

Als ich endlich wieder klar denken konnte, fand ich mich an seinen Oberkörper geschmiegt auf
dem Fußboden der Hütte liegend wieder. Neben uns knisterte der Kamin, doch die Wärme, die
den Raum erfüllte, schien viel eher von unseren Körpern auszugehen.
Ich hatte mit ihm geschlafen. Ohne nachzudenken, ohne Reue. Die Wucht der Begierde hatte
mich getroffen und umgehauen.
Ich spürte Mulders Herzschlag, der nun wieder langsam und regelmäßig war. Auch mein Herz
schlug wieder in normalen Takten. Ich bereute es nicht, ganz im Gegenteil, ich war berauscht von
dem Gefühl von einem Mann geliebt zu werden, doch ganz hinten in meinen Gedanken tat sich
mir die Frage auf, ob ich das wollte, was hier geschah.
Sein zufriedenes Brummen wischte meine Gedanken fort und ich stützte mich neben ihm auf
meinem Arm auf, um ihn ansehen zu können.
"Seit ihr bei dem Fall weitergekommen?"
"Wir haben die anderen Frauen befragt und das gleiche Ergebnis erzielt wie bei Mrs. Higgins.
Scully untersucht gerade die Waffe, mit der das Mädchen erschossen wurde."
"Ihr bearbeitet die X-Akten, nicht wahr!?" lächelte ich erschöpft. Es war mehr eine Feststellung als
eine Frage.
Sein Blick ruhte eine Weile auf meinem Gesicht, ehe er wieder zum Sprechen ansetzte:
"Warum bist du so plötzlich verschwunden?"
Ich drehte den Kopf weg und starrte auf das Kaminfeuer. Mein Gott, ich konnte ihm doch nicht
von Scully erzählen.
"Ich weiß auch nicht, ich brauchte Abstand. Ich konnte mich nicht mehr konzentrieren."
"Kommst du jetzt mit mir zurück?" Sein Blick war fast flehend.
Ich nickte, wenngleich ich auch niedergeschlagen war. Er mochte mich begehren und ich ihn, er
mochte mich vielleicht auch sehr mögen, so wie ich ihn, aber es gab etwas, was zwischen uns
stand und immer zwischen uns stehen würde - Scully.


"Jack! Wo hast du gesteckt?"
Mein Kopf dröhnte. Ich hatte dem Alkohol zu sehr zugesprochen, nachdem ich am Vorabend
Scully begegnet war und ihren ärgerlichen Blick eingefangen hatte.
"Nicht so laut! Verdammt!" stöhnte ich und warf einen verächtlichen Blick auf die kalte halbe Piz-
za, die vor mir stand.
"Wir haben wegen dir keine Schlagzeile gehabt! Sag nächstes mal vorher Bescheid, wenn du für
längere Zeit verschwindest. Die Gazette hat uns diesen blöden Aufreißer vor der Nase weg ge-
schnappt. Du kannst dir gar nicht vorstellen, wie peinlich das war!"
Mürrisch betrachtete ich Jimmy, der unruhig vor mir auf und ab lief und seine Triade gerade in
dem Moment beendete, als Scully den Raum betrat.
"Jaqueline? Kann ich stören?"
Ich registrierte ihre Frage, mochte aber noch nicht recht daran glauben, daß ich keine Halluzinati-
onen hatte.
"Träum ich oder kommt da die gnädige Ms. Scully?" So ganz konnte ich mir den Sarkasmus nicht
verkneifen.
"Jaqueline! Bitte!" brachte sie mit bitterer Miene hervor.
Ich machte eine wegwerfende Bewegung und starrte Jimmy an, der neugierig zwischen uns hin
und her blickte. "Wo waren wir stehen geblieben, Jimmy?"
Doch Jimmy sah mich nur eindringlich an und verließ anschließend mein Büro.
Resigniert seufzend wandte ich mich Scully nun doch zu und verschränkte meine Arme in ihrer so
typischen Art vor der Brust: "Und?"
"Können wir darüber reden?" Sie zog sich einen Stuhl an meinen Schreibtisch und setzte sich mir
gegenüber.
"Über den Fall? Haben wir neue Erkenntnisse, die du ausnahmsweise mit mir teilen möchtest?"
zischte ich erbost.
"Laß uns was trinken gehen und in Ruhe über die Sache reden," bat sie mich und reichte mir ihre
Hand zur Versöhnung.
Ich ignorierte ihre Hand und stand auf: "Okay, gehen wir was trinken."
Sie ging vor mir aus dem Büro und ich konnte mir: "Das werd ich wahrscheinlich auch brauchen!"
nicht mehr verkneifen.

"Noch einen Scotch Soda!" orderte ich den Kellner zu drittenmal und tippelte ungeduldig mit mei-
nen Fingern auf der Tischplatte.
"Ich mag dich sehr, Jaqueline..." begann sie unser bisher dürftiges Gespräch auf das eigentliche
Thema zu lenken.
"Ja, ja, ich weiß! Und ich mag dich auch sehr, aber ich mag auch Mulder, verdammt!" platzte es
mir gereizt heraus.
Seit Tagen bereits hatte ich diese Stimmung am Leib, die mich immer mehr in eine Depression
stürzte. Ich war tagein und tagaus mit Mulder zusammen gewesen und jetzt nur drei Tage, nach-
dem wir die Hütte verlassen hatten, war er nach Washington zurückbeordert worden und Scully,
die mich mehr als einmal in diesen Tagen mit bitteren und bösartigen Blicken durchbohrt hatte,
saß mir nun gegenüber und wollte mir vermutlich erklären, daß ich mich für sie entscheiden soll-
te.
"Ich habe mich für ihn entschieden, Scully! Du warst für mich nicht erreichbar. Du warst kalt und
abweisend, also habe ich mich für ihn entschieden!" schleuderte ich ihr an den Kopf und spürte
noch im gleichen Augenblick, wie mir Tränen in die Augen stiegen.
Ich leerte den Scotch, legte dem Kellner Geld auf den Tisch und verließ fluchtartig die Bar.
Mehr als einmal hatte sie mich jetzt schon in solch eine Situation gebracht, langsam wurde mir
das zuviel.
Vielleicht sollte ich ja wieder in die Hütte flüchten? Nein, diesmal durfte ich nicht reisaus nehmen.
Ich fuhr zurück in meine Wohnung und köpfte eine weitere Flasche Wein. Wenn ich schon be-
trunken war, dann wenigstens richtig.
Ich hatte die Flasche gerade geköpft, da klingelte das Telefon. Ich nahm ein wenig mürrisch ab
und brummte meinen Namen in die Sprechmuschel.
"Jaqueline? Ich bin's, Mulder!"
Mein Herz schlug schneller. Er hatte mich nicht vergessen.
"Ich vermisse dich. Morgen bin ich wieder unten bei euch."
"Morgen? Oh, du glaubst ja gar nicht, wie du mir fehlst!" hauchte ich und stellte die Flasche Wein
wieder beiseite.
"Ich kann jetzt nicht mehr sprechen, aber morgen früh bin ich bei dir!" Er hauchte einen Kuß in
die Leitung und legte auf.
Seufzend legte ich wieder auf und starrte die Flasche Wein an. Wenn schon nicht aus Frust, dann
wenigstens um auf seine Ankunft anzustoßen. Diese Flasche würde nicht verkommen.
Ich lächelte vergnügt und lehnte mich auf meiner Couch zurück.

Ich mußte eingenickt sein, die leere Flasche Wein stand vor mir, ich lag auf der Couch. Beim
Bewegen schwankte alles vor meinen Augen. Vermutlich war ich ziemlich betrunken. Ich wußte
nicht, warum ich aufgewacht war, aber der Blick auf die Uhr, sagte mir, daß es Zeit war, ins Bett
zu gehen, damit ich bei Mulders Ankunft auch fit war.
Ein Schrillen ertönte und drängte sich tief in mein Unterbewußtsein. Ich versuchte zu begreifen,
woher es kam und was es war und dann wurde mir bewußt, daß es die Türklingel sein mußte.
Schwankend öffnete ich diese und sah Scully vor mir.
"Jaqueline..." brachte sie mühsam hervor und betrachtete mich forschend.
"Ach verdammt!" schimpfte ich und knallte ihr die Tür wieder vor der Nase zu, nur um wenige
Sekunden später wieder dieses Schrillen zu vernehmen.
"Was?" fuhr ich sie an, als ich die Tür nochmals öffnete.
Diesmal schimpfte sie wütend, ehe sie sich auf die Zehenspitzen stellte und mich leidenschaftlich
küßte.
Meine Arme schlossen sich wie selbstverständlich um ihren Körper und streichelten ihn. Ich zog
sie in die Wohnung und merkte, wie betrunken ich wirklich war...

Wieder dieses Schrillen. Ich öffnete verschlafen und verkatert die Augen und starrte die Decke
über mir an, dann kickte ich den lärmenden Wecker von meinem Nachttisch. Sonnenstrahlen
drangen durch die halb zugezogenen Vorhänge und blendeten mich. Abrupt setzt ich mich auf
und dachte an den verrückten Traum, den ich letzte Nacht gehabt hatte. Gott, nie wieder solche
Alkoholmengen, fluchte ich innerlich und mußte grinsen. Na ja, wenigstens im Traum hatte ich
die Nacht schon einmal mit Scully verbracht. Ich glitt aus dem Bett und wanderte in mein Bade-
zimmer.
Dampfschwaden kamen mir entgegen und ich blieb verblüfft stehen.
Wieso lief die Dusche bereits und wessen Kleider lagen überall verstreut? Dann traf mich die Er-
kenntnis wie ein Schlag. Ich hatte in meinem benebelten Zustand tatsächlich die Nacht mit Scully
verbracht. Das war gar kein Traum!
Ich mußte mich am Türrahmen festhalten, sonst wäre ich vermutlich in Ohnmacht gefallen. Ent-
setzten und Heiterkeit erfüllten mich, als ich jedoch an Mulders Ankunft erinnert wurde, nahm das
Entsetzen überhand.
"Morgen Jackie!" Ich spürte warme, feuchte Lippen auf meiner Schulter und drehte mich zu Scully
um, die in ihrem Adamskostüm vor mir stand und lächelte.
"Oh mein Gott!" entfuhr es mir und ich stürzte ins Schlafzimmer zurück, um die Spuren der letz-
ten Nacht zu beseitigen.
"Was ist los?" fuhr mich Scully einigermaßen entrüstet an.
"Mulder kommt gleich!" entfuhr es mir panisch, während ich die Bettbezüge glättete.
"Mulder?" Jetzt konnte ich auch in ihrer Stimme eine gewisse Panik hören. Konnte es vielleicht
sein, daß es ihr auch unangenehm war, daß Mulder uns zusammen erwischte? Eigentlich hätte
es ihr doch nur recht sein können!?
Ich drückte ihr ihre Kleider in die Hand und lüftete das Schlafzimmer, ehe ich mich in Eile unter
die Dusche stellte.
Als meine Sinne durch das Wasser wieder angeregt wurden und ich klar denken konnte, mußte
ich grinsen. Ich hatte tatsächlich die Nacht mit Scully verbracht. Die kleine Unnahbare hatte mich
eiskalt verführt.
Ich mußte in schallendes Gelächter gefallen sein, denn kurze Zeit später stand Scully vor mir und
zog den Duschvorhang beiseite, um zu erfahren, ob alles mit mir in Ordnung sei. Ein Grinsen
blieb auf meinen Lippen, während ich sie von oben bis unten betrachtete.
Kurze Zeit später standen wir gemeinsam unter der Dusche und begannen erneut mit einem Lie-
besspiel, wobei ich diesmal endlich klar bei der Sache war.
Als Mulder etwas später als geplant eintrudelte, fand er Scully und mich in stiller Eintracht beim
Frühstück zusammen sitzen. Ich spürte, wie mein Herz wieder einen Satz tat, als er vor mir stand
und die Arme nach mir ausstreckte und dennoch blieb mein Blick etwas länger als normal an der
kleinen zierlichen Person mir gegenüber am Tisch hängen.
Ich ließ mich von Mulder umarmen und küssen. Oh, wie sehnte ich mich nach diesem Mann.
Mir wurde in diesem Augenblick sehr deutlich klar, daß ich für die reizende, verführerische Scully
zwar Leidenschaft, aber für Mulder ein viel tiefer liegendes Gefühl empfand. Eigenartig war nur,
daß ich während seiner Abwesenheit dieses Gefühl kaum verspürt hatte. Ich konnte also ohne
ihn, so lange er weit weg war, aber ohne ihn, wenn er sich in der Nähe befand, konnte ich nicht.
Meine Knie zitterten, als er mich leidenschaftlich zur Begrüßung küßte. Scullys Küsse hatten mich
erregt, in Wallung gesetzt, aber nicht meine Knie zum Zittern gebracht. Ich begann Unterschiede
zu machen und zu selektieren.
Scully sah sich die Szene mit gemischten Gefühlen an, ich konnte es anschließend in ihrem Ge-
sicht lesen. Aber ich war mir auf einmal sehr sicher, daß auch sie diese Gefühle gegenüber ihrem
Partner empfand, die ich ihm gegenüber aufbrachte.
Von Mulder wußte ich ja bereits, daß er in sie vernarrt war - und das schon sehr lange. Aber das
es ihr ebenso erging, wurde mir klar, als Mulder sie begrüßte. Ihre Augen hingen an seinen, sein
Lächeln wurde zu ihrem, die ganze Gestik zwischen den beiden, ließ mich aufhorchen. Da war
etwas im Busch. Vielleicht schon immer, vielleicht aber auch erst, seit ich in ihr Leben getreten
war. Ich wußte es nicht, aber mir wurde klar - egal mit wem von beiden ich eine Liäson eingehen
würde, es würde immer der andere dazwischen stehen.
Ich würde die Zeit mit Mulder und Scully nutzen und den Fall lösen, aber anschließend würde ich
beide gehen lassen. Auf einmal war mir das klar. Ihn liebte ich auf eine merkwürdige Weise zu
sehr und sie möchte ich zu gern, um ihnen im Weg zu stehen. Wenn sie es beide noch nicht
wußten, dann würde ich es ihnen eben sagen oder zeigen oder sonst irgendwie klar machen. Si-
cher war nur, daß sie als Verliebte wieder zurück nach Washington gehen würden. Auch wenn sie
es noch nicht wußten.
Ich wischte mir verstohlen eine Träne aus dem Augenwinkel und lächelte Mulder mit meinem
strahlendsten Lächeln an. Mir mußte jetzt nur noch ein Plan einfallen...

Noch am selben Tag erhielten wir einen anonymen Anruf in der Redaktion, der uns Hinweise auf
den Verbleib der Kinder mitteilte. Scully und Mulder erschienen wenige Minuten nach meinem
Anruf in der Redaktion und sahen mich neugierig an.
"Was hast du herausgefunden?" drängte Mulder.
"Wir haben einen anonymen Anruf erhalten, daß die Föten zu Forschungszwecken entnommen
und in eine große Lagerhalle außerhalb der Stadt gebracht wurden. Ich bin mir nicht sicher, ob
das stimmt, aber ich denke, wir sollten auf jeden Fall mal nachschauen."
"Wir?" ertönte Scullys Stimme und ich wollte bereits meinen bissigen Kommentar abgeben, da
sah ich ihr schelmisches Lächeln und mußte schlucken.
Verdammt, es würde nicht einfach werden, die beiden loszuwerden.
Mulder legte seinen Arm um meine Schultern und schob mich aus dem Büro, damit ich vor lauter
Grübelei nicht noch festwachsen würde.

Der Tip war ein Reinfall in zweierlei Hinsicht. Kein Forschungslabor, keine Föten, keine fremden
Frauen und dennoch waren Mulder und Scully mit geschultem Auge auf Hinweise gestoßen, die
davon zeugten, daß in der Halle Experimente durchgeführt worden waren. Die Spuren der Ver-
nichtung waren frisch und somit ein klarer Schlag ins Gesicht.
"Wie immer," seufzte Mulder und senkte seine Hände in die Taschen.
"Passiert euch das öfter?" platzte es aus mir erstaunt heraus und ich wurde mit strafenden Blicken
von beiden angesehen.
Ich zuckte mit den Schultern und verließ die Halle.
Hinter mir raschelte es. Eigentlich konnten das nur Mulder und Scully sein und so drehte ich mich
erwartungsvoll um.
"Jackie, warte!"
Volltreffer! Scully und Mulder eilten hinter mir her.
"Es tut uns leid!" brummte Mulder, als sie mich eingeholt und in ihre Mitte geschlossen hatten. Ich
grinste, als Mulder sich vorbeugte, um mir einen Kuß auf die Wange zu geben.
Es war ein Geistesblitz und mein Plan war geboren.
Kurz bevor Mulder sein Ziel erreicht hatte, schlüpfte ich zur Seite weg und gab ihm noch einen
ganz uncharmanten Schubser, damit er Näher an Scully herankam.
Mein Plan funktionierte fabelhaft und er gab seiner Partnerin, die ihn verblüfft anstarrte den Kuß.
Ich hatte mit vielem gerechnet, aber nicht mit der schallenden Ohrfeige, die sie ihm daraufhin
verpaßte.
Hatte ich mich etwa doch getäuscht?
"Scully?" brachte er verstört hervor.
"Mulder!" zischte sie erregt.
Dann wandten sich beide syncron in meine Richtung und sprachen wie aus einem Mund: "Jaque-
line!"
Ich lächelte entschuldigend und ging zwei drei Schritte rückwärts, ehe Mulder den ersten Schritt
auf mich zu tat.
"Verdammt, was hast du dir..." begann er.
"...dabei gedacht!?" beendete Scully den Satz.
Nun konnte ich wirklich nicht mehr an mir halten. Ein schallendes Lachen erklang aus meinem
Mund und ich deutete auf die beiden, die mich mehr als verdutzt ansahen.
"Seid ihr so blind? Verdammt, ihr wollt mich doch gar nicht!"
Immer noch hafteten verwirrte und verdutzte Gesichter auf mir.
"Mann, ihr seit wirklich blind! Mulder, du liebst Scully! Und Scully, du bist verrückt nach diesem
Kerl! Gesteht es euch doch endlich ein! Wie lange wollt ihr euch denn noch selbst belügen?"
"Aber Jaqueline..." seufzte Mulder und machte eine uns umfassende Bewegung mit den Händen.
Ich lächelte und spürte Tränen in den Augen, die meine Gegenüber glücklicherweise nicht sehen
konnten, da ich zu weit weg stand.
"Oh Mulder, ja, ich liebe dich auf eine verrückte Art und Weise und Scully auch, aber ich weiß,
daß ihr zusammengehört!" Ich machte eine abfällige Handgestig und verzog das Gesicht zu ei-
nem Grinsen: "Außerdem macht ihr mich wahnsinnig!"
Ich sah, wie es in ihren Köpfen arbeitete. Wie Mulder Scully betrachtete und ihre Augen langsam
zu seinen wanderten. Es war faszinierend und zugleich tat es mir unglaublich leid. Nie wieder
würde ich einen solchen Mann und solch eine Frau kennenlernen. Dessen war ich mir sehr sicher.
Als er sie zögernd in die Arme schloß und ihre Lippen sich auf seine legten, drehte ich mich weg
und trat meinen Heimweg an. Hier war für mich Schluß. Ich war jetzt überflüssig.
Kein Artikel in der Zeitung, kein FBI-Agent in meinem Leben.
Ich seufzte und ging einen Schritt schneller. Mein Werk war vollbracht.

"Es tut mir leid, Jaqueline!" Ich spürte seine warmen Lippen auf meiner Wange und die rauhen
Finger, die mein Kinn streichelten. Meine Seele schrie auf, ich solle ihn nicht gehen lassen und
dennoch spürte ich ein wunderbares Glücksgefühl, daß die Menschen, für die ich so viel empfand,

endlich zueinander gefunden hatten.
Seine grünen Augen taxierten mich, als ob er herausfinden wollte, was in mir vorging. Ich lächelte
zaghaft.
"Es muß dir nicht leid tun, ich habe durch dich erfahren, daß Männer auch wunderbare Menschen
sein können!"
"Du!" schimpfte er lachend und boxte mir leicht gegen den Oberarm. Ich grinste zurück.
Ich würde ihn wirklich vermissen.
"Ich muß jetzt..." Es schien ihm wirklich schwer zu fallen, zu gehen. Ich küßte ihn hastig und un-
bedacht auf seine köstlichen Lippen und spürte die Erregung, die durch meinen Körper ging. Ich
spürte auch, daß er noch immer etwas für mich empfand. Hastig ließ ich ihn wieder los und sah
ihm nach, wie er schnellen Schrittes zum Wagen ging.
"Jackie?" Dana stand hinter mir und sah ein wenig bedrückt aus.
Ich drehte mich zu ihr um und fuhr ihr mit einer Hand durch ihr Haar. Ihre strahlend blauen Augen
waren verschwommen.
Scully hatte geweint. Ich war gerührt.
Ich küßte sie auf die Stirn, wie Mulder das vermutlich jahrelang getan hatte und wischte mir ver-
stohlen auch eine Träne fort.
Ich hatte mehr als eine Träne vergossen in den letzten zwei Nächten und dennoch wußte ich, daß
ich das richtige getan hatte.
"Gebt auf euch Acht!" rief ich hinter ihr her, während sie sich neben Mulder in den Wagen setzte.
"Wir melden uns!" rief Mulder mir zu, als er den Wagen startete
"Bloß nicht!" lachte ich mit Tränen in den Augen und winkte dem merkwürdigen Pärchen aus
Washington hinterher.
Die hatten mein Leben verdammt umgekrempelt.

Abends saß ich vor meinem Fernseher und stocherte lustlos in einem Salat herum, als es an der
Tür klingelte. Ich war geschlaucht und völlig deprimiert, so daß ich nicht einmal Lust hatte, die
Tür zu öffnen. Mulder und Scully hatten vor kurzem angerufen, doch ich war nicht an den Apparat
gegangen, da ich Angst vor meinen eigenen Gefühlen hatte. Sie hatten auf den Anrufbeantworter
gesprochen, doch ich war mir nicht sicher, ob ich den Text nicht lieber löschen sollte. Schließlich
wurde das Klingeln an der Tür aufdringlicher und ich raffte mich dann doch auf und mußte un-
vermutet lächeln, als Janett, meine reizvolle Nachbarin vor mir stand und mir eine Flasche Rot-
wein entgegen hielt.
"Hi Jack, Lust auf eine Frust-Plauderstunde?"
"Hallo Janett. Irgendwie bin ich nicht in der Stimmung..." seufzte ich, doch sie hatte die Wohnung
schon betreten.
"Du magst Frauen, nicht wahr?"
So unverwandt die Frage gekommen war, desto schneller war ich an ihrer Seite, entriß ihr die
Flasche Wein und blickte sie mit unverhohlener Neugier an.
"Wie kommst du darauf?"
"Dann wäre ich nicht so allein in diesem spießigen Ort!" grinste sie, setzte sich auf mein Sofa und
legte ihre grazilen Beine hoch.
Ich köpfte die Flasche Wein, betrachtete nun mit ganz anderen Augen ihre Statur und lächelte.
Vielleicht nahm diese ganze Angelegenheit doch noch eine gute Wendung für mich.
"Auf uns?" lächelte sie.
"Auf uns!" schmunzelte ich und drückte im Vorbeigehen die Delete-Taste meines Anrufbeantwor-
ters.


Ende