Birmingham oder die Gefahren des Beta-Lesens
Hoppla......Zwei Geschichten im Doppelpack? "Wieso das denn?" mag sich der geneigte Leser jetzt fragen.
Hier die Erkärung :
Nach dem Besuch Chronicles-Convention in Birmingham kam Bimo durch das erneute Ansehen des legendären "Reiter"-Zweiteilers auf die Idee eine kurze Vignette über das Innenleben von Joe Dawson während dieser Ereignisse zu schreiben. Sie beging den Fehler, Tanja den ersten Entwurf zu zeigen.......
Statt sich wie eine ordentliche Lektorin auf das Korregieren zu beschränken sah sich die durch Birmingham ebenfalls noch ganz transzendierte Tanja inspiriert, eine eigene Version des gleichen Themas zu schreiben.
Hier sind sie nun- beider Überlegungen zu dem, was Joe durch den Kopf ging, nachdem Duncan und Cassandra nach Rumänien abreisten.Die Autorinnen wünschen viel Vergnügen beim Lesen und Vergleichen der beiden Werke :-)
von Bimo
( klickt hier für Selenas Abschiede)
Kronos.
Joe hätte noch ewig in das Gesicht starren können, daß ihm vom Monitor seines Computers entgegenblickte. Die Form irgendwo im Mittelfeld zwischen rund und quadratisch, der hellen Haut und dem kurzen, aschblonden Haar nach war es eindeutig kaukasischer Prägung. Ohne die markante, etwa zehn Zentimeter lange Narbe am rechten Auge beinahe ein Allerweltsgesicht. Ohne das irre, kalte Flickern in den seegrünen Augen fast angenehm.
Egal, wie lange Joe es betrachtete, es kam ihm vor wie eine leere Projektionsfläche für all die Grausamkeiten zu denen der menschliche Geist anscheinend fähig war. Ein Alptraum aus den Tiefen Cassandras und MacLeods Vergangenheit, Verkörperung eines vagen Konzeptes vom absoluten Bösen. Die Empfindungen, die Cassandras Schilderungen in ihm für diesen Mann erweckten, waren in ungefähr so abstrakt und unmöglich in Worte zu kleiden, wie die Gefühle, die man aus dem sicheren Abstand der späten Neunziger Jahre den Monstren der Nazidiktatur entgegenbrachte. Schon allein der Name machte es schwer, ihm einen festen Platz innerhalb der realen Welt zuzuordnen. Kronos. Das war der Titan, jüngster Sohn der Gaia, Mörder seines Vaters. Keine Gestalt des wirklichen Lebens, die ohne Vorwarnung über die Idylle von Seacouver hereinbrechen und damit den Auftakt zu einer Tragödie so großen Ausmaßes liefern konnte.
Vergeblich versuchte Joe gegen die Welle von Zorn, Frustration und Angst anzukämpfen, die erneut in ihm hochstieg. Sie ergriff Besitz von ihm, schleuderte ihn einmal kräftig durch und ließ ihn zurück mit bebenden Lippen und einem Gefühl von Übelkeit, als hätte er einen ganzen Liter Salzwasser geschluckt.
Am schwersten zu verarbeiten war die eigene Hilflosigkeit. Das zum Warten verdammt sein, während Duncan MacLeod sich allzu bereitwillig in Suche nach einem übermächtigen Gegner stürzte. Mac mit seinem verfluchten Drang, das Böse auszumerzen und diese Welt zu einem besseren Ort zu machen. Mac, in dessen Augen nur zu deutlich abzulesen war, daß es bei der überhasteten Abreise nach Rumänien längst nicht mehr um Kronos oder die anderen Reiter ging, sondern um das Ende einer Freundschaft.
Immer wieder kehrte Joes Verstand zu der kurzen aber heftigen Diskussion in MacLeods Apartment zurück.
- Vietnam. Glaubst Du, unsere Gewehrkugeln wären um die Kinder herumgeflogen?
-Das war etwas anderes. Ihm hat es gefallen, weil er aus Freude getötet hat.
Erschütternder als ihr Inhalt war die bittere Gewißheit, die in MacLeods Worten schwang. Methos und Freude am Töten?
Töten aus Selbsterhaltungstrieb oder zur Verteidigung derer, die er liebte. Ja. Töten, weil rings um ihn der Wahnsinn tobte und es keine andere Möglichkeit gab, als sich von ihm mitreißen zu lassen. Ja. Seine eigenen Erfahrungen hatten ihn gelehrt, wie schnell so etwas ging. MacLeod, der in so vielen Schlachten gekämpft hatte, daß er sie wahrscheinlich kaum noch zählen konnte, wußte wie verlockend er war, der kollektive Blutrausch.
Aber Morden aus reinem Vergnügen? Nein, nicht Methos. Zumindest nicht der Methos, den Joe Dawson die letzen Jahre über gekannt hatte, zuerst als sanften, unauffälligen aber brillianten jungen Mann aus der Pariser Forschungsabteilung, später als den 5000jährigen Zyniker. Überaus charmant, aber gelegentlich ein solches Aas, daß es einem glatt die Sprache verschlug.
Joe bezweifelte, daß er jemals erfahren würde, was um Gottesnahmen bei der letzten Konfrontation zwischen dem alten Unsterblichen und MacLeod vorgefallen war. Mac weigerte sich, mehr über die Begegnung zu sagen, als zwei simple Sätze.
- Joe, Ich habe ihn gefunden. Dieser Bastard. Es ist aus zwischen uns.
Der Zorn und die tiefe Verletztheit in Macs Augen, der versteinerte Ausdruck in seinem bis zum Zerreißen angespannten Gesicht, einfach alles deutete darauf hin, daß diese Begegnung das Universum des Highlanders bis in die Grundfesten erschüttert haben mußte. Woher nahm er die Sicherheit über einen seiner engsten Freunde zu richten, als hätten die letzten Jahre niemals stattgefunden. Als wäre Methos - unser Methos, wie Joe ihn in einem vergeblichen Verteidigungsversuch bezeichnet hatte- keinen Deut besser als Kronos.
Zögernd blickte Joe noch einmal zu der Fratze auf dem Monitor, dann langte er mit der rechten Hand unter den Tisch und drückte die Powertaste. Er hatte nicht den Nerv, Rücksicht auf die Befindlichkeit eines übersensiblen Betriebssystems zu nehmen. Ein Klickgeräusch, begleitet von einem vorwurfsvollen Aufheulen der malträtierten Maschine, danach gähnende Schwärze.
Joe hatte den Eindruck, daß er momentan ohnehin nicht fähig war, nur einen einzigen klaren Gedanken zu fassen, geschweige denn ernsthaft zu arbeiten. Zwei ganze Tage und Nächte ohne Schlaf hinterließen ihre Spuren. Fast war er dankbar für die bleierne Taubheit in Körper und Seele, die zunehmend von ihm Besitz ergriff. Ihm schien, sein Verstand bewegte sich nur noch in engen, konzentrischen Bahnen, Kronos, Cassandra, MacLeod, Methos.....
Daß es nichts gab, was er noch hätte tun können erfüllte Joe mit einer verzweifelten Unruhe. Wahrscheinlich das einzige, was ihn momentan noch auf den Beinen hielt, war die Angst vor dem, was unweigerlich geschehen würde, wenn Bukarest sich tatsächlich als die richtige Fährte herausstelle. Duncan MacLeod gegen die Reiter. Ein Szenario der unbegrenzten Möglichkeiten, jede einzelne erschreckender als die vorangegangene.
Bei der kurzen Verabschiedung auf dem Flughafen von Seacouver hatten weder Joe noch der vierhundert Jahre alte Schotte gewagt, den Gedanken offen auszusprechen. Sie brauchten es auch nicht. MacLeods Entschlossenheit den Reitern ein Ende zu setzten beantwortete alle Fragen, auch die nach Methos. Noch eine stumme gegenseitige Umarmung, dann verschwand der Highlander hinter den Sicherheitskontrollen. Joe war nicht in der Lage gewesen, ihm Glück zu wünschen.
Alles, was ihm blieb, war ein winziger Strohhalm irrationaler Hoffnung, daß es für beide, sowohl Duncan als auch Methos noch eine Chance gab, diesem Desaster mit heiler Haut zu entrinnen.
Na komm schon, Dawson.....Wie wahrscheinlich ist das? Einer von ihnen wird draufgehen. Wenn du Pech hast, verlierst du sie beide.
Joe kannte die leise sadistische Stimme in seinem Kopf nur zu gut.. Die, die immer das schlimmste annahm und der es soviel Vergnügen machte, ihn zu quälen. Manchmal, wenn er Glück hatte, gelang es ihm, sie durch seine Musik zum Schweigen zu bringen. Manchmal......, nur nicht jetzt.
Alles, was er tun mußte, war vom Schreibtisch aufzustehen, und die wenigen Schritte vom Büro hinüber zur Bar zu laufen. Seine Gitarre würde dort stehen, wo er sie zurück gelassen hatte. Vorsichtig an die Seitenwand der Bühne gelehnt. Zum Greifen nah. Was ihn davon abhielt, sie zu nehmen, das vertraute Vibrieren der metallenen Saiten zwischen seinen Fingern zu spüren, war die Tatsache, daß er sie nach den ersten paar Takten mit aller Wucht gegen die Wand schmettern würde. Unwillkürlich verzog der Gedanke seine Lippen zu einem bitteren Lächeln.
Na Joe, soweit ist es also schon mit Dir gekommen?
Ja, wahrscheinlich. Eindeutig befand er sich in jenem Stadium, indem die Summe seiner Gefühle sich eigentlich nur noch in sinnloser Spontangewalt gegen friedliebende Gegenstände entladen konnten. Gegen jene, die ihm am meisten bedeuteten.
Joes Liebe zur Musik war so stark, daß sie die Blues Bar zu seinem eigentlichen Zuhause gemacht hatte. Sein Apartment war bloß ein Ort an dem das Bett stand, auf dem er schlief, der Schrank in dem er seine Kleidung aufbewahrte. Austauschbar, ohne persönliche Bedeutung. Unberührt von all jenen Erinnerungen, die in der Bar auf ihn warteten, heimtückischer als Dickens Geist der vergangenen Weihnacht. Beinahe konnte er ihn direkt vor sich sehen. Methos, wie er sich mit so faszinierender Lässigkeit auf den Stühlen herumfläzte, daß Joe jedesmal im Stillen um seine Mobiliar fürchtete. Methos, wie er MacLeod bei einem alten schottischen Whiskey mit haarsträubenden Geschichten aus seiner langen Vergangenheit aufzog. Richie Ryans ungläubiges Starren als Joe und MacLeod ihm die wahre Identität des alten Unsterblichen offenbarten.
Was? Fünftausend Jahre soll der da auf dem Buckel haben? Tut mir leid Jungs, das kaufe ich euch einfach nicht ab.
Wenn er ehrlich war, glaubte Joe manchmal selber nicht an Methos Alter. Fast war es eine Art Spiel zwischen den beiden geworden. Methos, der sich in Joes Gegenwart so benahm, wie ein zynischer, verantwortungsloser Junge, keinen Tag erwachsener als sein Äußeres vermuten ließ und Joe, der ihn auch exakt genauso behandelte.
Die Momente, in denen durch die Fassade eines noch immer nicht ganz erwachsenen Anfangdreißigers einen Augenblick lang der uralte Unsterbliche schillerte, waren flüchtig. Niemals dauerten sie länger als einen Atemzug oder den Schlag eines menschlichen Herzens. Subtile, eigentlich kaum festzumachende Variationen von Körperhaltung, Blick oder dem weichen, dunklen Timbre seiner Stimme. Dennoch genügten sie, Joe Dawson jedes einzelne Mal ein klammes Frösteln empfinden zu lassen, so als hätte er durch Methos klare, rätselhafte Augen in ein Fenster zur absoluten Ewigkeit geschaut.
Obwohl er, wenn er Joes Reaktion bemerkte, jedesmal innerhalb von Sekundenbruchteilen in den patentierten "I´m just a guy"- Modus zurückwechselte, hatte Joe immer geahnt, daß das kurze Aufblitzen seiner wahren Natur wesentlich mehr sein mußte, als die bloße Folge momentaner Unachtsamkeit. Zu gut paßten sie in den komplizierten Tanz aus "Mein bester Freund Joe" und "Tut mir leid, Junge, so nah sind wir uns nicht", den Methos jedesmal in Joes Gegenwart aufführte. Beinahe als versuchte er, Joe mitzuteilen, daß es besser war, ihm gegenüber wachsam zu bleiben, auf der Hut......Ein fast schon absurder Zug von Aufrichtigkeit in jemandem, der Manipulation zur höchsten persönlichen Kunstform erhoben hatte. Methos hatte nie zu der Vermutung Anlaß gegeben, nach fünftausend Jahren auf diesem Planeten gäbe noch immer etwas, daß er noch nicht getan hätte. Etwas zu dem er nicht fähig wäre. Sowohl im Guten wie im Bösen.
Hell - Been there. Done that.
MacLeod hatte Recht. Was wußte er denn schon von Methos?
Weder die Abgründe in die der Unsterbliche im Laufe seines Lebens geblickt hatte, noch das Leid noch den Wahnsinn. Auch nicht die Träume und Hoffnungen. Bloß, daß er es irgendwie fertig gebracht hatte, dieses Höllenfeuer zu überstehen, ohne den Verstand zu verlieren. Nicht viele der wirklich Alten schafften das.
Wieso war es nur so verdammt leicht, zu vergessen, daß Methos bei all seinem liebenswerten Studentencharme in erster Linie eines war? Ein Überlebender, einer der wenigen großen Gewinner im tödlichen Spiel der Unsterblichkeit.
Im stillen Halbdunkel des Büros kam es Joe beinahe so vor, als könne er Cassandra lachen hören, die Stimme voll von Bitternis und spottendem Mitleid.
Du glaubst immer noch, er ist dein Freund, Dawson. Nicht?
Denkst Du denn, jemand so unvorstellbar alt, wie Methos, würde auch nur einen Pfifferling für dich geben, wenn er dich nicht genau so gebrauchen, ausnutzen könnte, wie er auch MacLeod benutzt? Als Beschützer. Ergebenen Hüter seiner Geheimnisse. Schoßhund.
Laß mich dir verraten, Joe: Der Tod ist Niemandes Freund, bloß ein Spieler, der deine Seele fängt und mit ihr tut, was immer ihm beliebt.....Eine abgründige Vorstellung. Jede einzelne Faser seines Herzens schrie förmlich danach, sie für kompletten Mumpitz zu erklären. Dennoch trug sie eine unleugbare, erbarmungslose Logik in sich. Dunkel und abwegig, doch eindeutig im Bereich des Möglichen. Vielleicht letztendlich stimmiger als alles andere.....
Die Hände fest gegen Gesicht und Schläfen gepreßt, so fest als ob physischer Schmerz die Kraft hätte, den Gedanken zu verjagen, ließ Joe seinen Kopf auf die Brust sinken und seine Augen füllten sich mit Salzwasser.
Ohne daß er die Kraft hatte sich dagegen zu wehren, stiegen Bilder eines fremden, wesentlich jüngeren Methos in ihm auf. Der Methos Cassandras - nicht seiner - wie er an Kronos Seite durch die vorderasiatischen Steppen streifte und plünderte, mordete, vergewaltigte; alles Leben auslöschend, welches das Pech hatte, zufällig seinen Weg zu kreuzen.
Dreitausend Jahre waren eine lange Zeit, doch lang genug, um einen Menschen so vollständig zu verändern? Wie um alles in der Welt paßte das? Derselbe Mann, der vor Jahrtausenden aus purem Vergnügen Cassandras Stamm niedergemetzelt hatte, war auch derjenige, der sich bedingungslos dazu bereit erklärte, sein eigenes Leben für das Duncan MacLeods zu geben. Derjenige, der einfach alles daran gesetzt hatte, die letzten Monate einer sterbenden jungen Frau gleichzeitig auch zu ihren schönsten zu machen. Derjenige, dessen Stimme vielleicht das einzige gewesen war, das einen dem Tode nahen Joe Dawson in einem dunklen, modrigen Weinkeller in Paris am Leben gehalten hatte.
Komm schon Joe. Nicht Du. Ich will Dich nicht auch nicht verlieren. Noch nicht jetzt......
Er war es, der keine Minute von seiner Seite gewichen war, bis sicher stand, daß Joe den immensen Blutverlust, den Schock, und das darauf folgende Fieber überstehen würde. Hatte über ihn gewacht, nicht mit nach jahrhunderte langer Erfahrung in Fleisch und Blut übergegangenener ärztlicher Routine, sondern als Freund.. Wenigstens war das, was Joe damals geglaubt hatte. Und so verrückt es auch klang, etwas in ihm klammerte sich immer noch an diese Vorstellung. Vielleicht bloß weil die Alternative zu unerträglich war, um sie zu akzeptieren.
Nun, Dawson, blind aus einem absurden Gefühl familiärer Zugehörigkeit? Lernst Du denn niemals aus deinen Fehlern? Bei deinem Schwager hast du die Katastrophe auch nicht kommen sehen.
Cassandras Stimme war dieses mal kein Lachen, sondern das heisere, nagende Flüstern bitterer Einsicht.. Schon alleine seine erste, instinktive Reaktion Methos bedingungslos in Schutz zu nehmen, bewies Joe, daß er längst jenseits aller notwendigen Distanz stand. Er hatte sie aufgegeben für einen Tanz mit dem Teufel, für eine seltsame, unmögliche Freundschaft zu dem rätselhaftesten Wesen, das die Welt je gesehen hatte.
Ganz gleich, wer oder was Methos auch immer gewesen sein mochte, was immer er jetzt war, ein Teil von Joe Dawson -das Herz, weissgott nicht der Verstand - glaubte an das Gute in ihm.. Wollte daß Methos überlebte......und das einzige, was er im Moment für ihn tun konnte, war zu beten, daß Duncan MacLeod zu der selben Entscheidung kam.
Ende
von Selena
( klickt hier für Bimos Soliloquy)
Abschiede waren nichts neues im Leben von Joe Dawson, und es schien ihm, als würden sie mit den Jahren immer grausamer. Er hätte nicht geglaubt, daß etwas geschehen könnte, daß ihn noch mehr treffen würde als das, was aus seinem Schwager James Horton geworden war. Manchmal schreckte er immer noch aus Alpträumen hoch, in denen er auf Horton zielte und es nicht fertig brachte, zu schießen.
Ich werde eine Kerze für dich anzünden.
Dann hatten es Jacob Galati und Jack Shapiro fertig gebracht, Beobachter und Unsterbliche um ein Haar in einen Krieg gegeneinander zu hetzen, und eine Zeit lang hatte Joe geglaubt, durch seinen Versuch, sowohl der Organisation als auch Duncan MacLeod die Treue zu halten, beide verloren zu haben. Die schuldbewußte Leere in seinem Magen, der bittere Geschmack von Verrat im Mund, all das war wieder da, und hatte sich seit dem Tod von James nur noch verstärkt. Am Ende hatten Mac und er ihre Freundschaft wieder gekittet, und er war zu den Beobachtern zurückgekehrt. Aber die Gesichter seiner Kollegen, die sich bereit machten, ihn zu exekutieren, verfolgten ihn noch immer, genau Galatis seltsam jugendlich wirkender verblüffter Zorn, als er ihn auslieferte, MacLeod, der sich am Kai abwandte, und Methos’ scharfe, kalte Feststellung: "Rede dir das nur oft genug ein, Joe, vielleicht glaubst du es dann irgendwann."
Es war eine der wenigen Momente gewesen, in denen Methos nichts, aber auch gar nichts mehr von Don Salzers jungen Protegé Adam Pierson an sich hatte, und mit das letzte, was Joe für fast ein dreiviertel Jahr von dem ältesten Unsterblichen hören sollte.
Damals glaubte ich, ich hätte sie beide verloren, dachte Joe mit einer Mischung aus Verzweiflung und Zynismus, und es könne unmöglich noch schlimmer kommen. Ich hätte es besser wissen müssen. Unsterbliche sind immer noch steigerungsfähig.
Der Abschied, der seit ein paar Tagen an ihm zehrte, war mehr als eine Steigerung, und das Schlimmste war, er wußte nicht, ob es nicht erst der Anfang war. Er saß in seinem Büro und starrte auf die Uhr. Es war erst eine Stunde vergangen, seit ihn Mac verlassen und sich auf den Weg zum Flughafen gemacht hatte. Zwölf weitere Stunden, und er würde in Rumänien sein. Auf der Suche nach vier Mythen aus dem Bronzezeitalter, von denen einer noch eine Woche vorher mit ihm an der Bar gesessen und Joe beim Spielen seiner Gitarre zugehört hatte.
Joe vergrub das Gesicht in den Händen. Manchmal wünschte er sich die Naivität eines Kindes zurück. Schließ die Augen und tu so, als sei nichts geschehen, und wenn du sie wieder öffnest, wird alles wieder wie früher sein. Kronos und Cassandra waren nie hier, die vier Reiter der Apokalypse sind nur allegorische Figuren aus der Bibel, und das einzig Störende an Methos ist seine Unfähigkeit, auch nur ein einziges Mal irgend jemand anderen das letzte Wort behalten zu lassen.
Rede dir das nur oft genug ein, Joe, flüsterte es wie ein Echo in ihm, vielleicht glaubst du es dann irgendwann.
Ungläubigkeit war seine erste Reaktion gewesen, als Mac ihm von der Begegnung zwischen Cassandra und Methos erzählt hatte. Die Frau log, oder sie litt unter Wahnvorstellungen. Methos konnte unmöglich der Mann sein, den sie beschrieb. Während Mac sich auf die Suche nach Methos machte, rief Joe im Computer Cassandras Akte ab, in der Hoffnung, sie als notorische Lügnerin, als eine der vielen Methos-Jäger oder zumindest als Verrückte zu entlarven. Er wurde enttäuscht. Cassandras Akte hatte Lücken, und enthielt manche düsteren Stellen, aber nichts, was die Beobachter in ihrem langen Leben dokumentiert hatten, wies auf Wahnsinn hin. Und sie gehörte definitiv nicht zu den Jägern unter den Unsterblichen. Falls sie nicht sehr, sehr diskret vorgegangen war, lag der letzte Kopf, den sie genommen hatte, etwa fünfhundert Jahre zurück. Länger, als Duncan MacLeod am Leben war. Das schloß natürlich nicht aus, daß sie mit einem Mal beschlossen hatte, ihren Lebensstil zu ändern, den ältesten Unsterblichen um seiner angesammelten Macht willen zu töten und dazu Zwietracht zwischen ihm und Duncan MacLeod stiftete. Aber so sehr Joe an dieser Theorie hing, er mußte doch eingestehen, daß sie sich mit der Möglichkeit, daß Cassandra schlicht und einfach die Wahrheit sagte, in etwa die Waage hielt.
Bei dem Studium von Cassandras Akte fiel ihm noch etwas auf. Auf der Suche nach Querverweisen zu Methos fand er zunächst nichts, was ihn erleichterte, bis der methodische Beobachter in ihm auf die Idee kam, sich zu erkundigen, wer außer Cassandras Beobachtern in den letzten Jahren noch Zugang auf diese Informationen genommen hatte. Als der Name Adam Pierson auf dem Bildschirm seines Gerätes flirrte, wurde ihm kalt. Natürlich bewies das noch immer nichts. Als Verantwortlicher für das Methos-Projekt mußte Adam Pierson die Akten aller Unsterblichen durchgehen, die auch nur annähernd an Methos’ Alter herankamen und ihm begegnet sein könnten. Aber laut der Benutzerdatei hatte Adam Pierson sich mit schöner Regelmäßigkeit einmal im Jahr in Cassandras Unterlagen umgesehen, zuletzt kurz, ehe er die Beobachter verließ. Das bedeutete zumindest, daß er wußte, wie sie aussah. Aber in Macs Dojo hatte er behauptet, nicht zu wissen, um wen es sich handelte.
Joe hoffte noch immer, daß Cassandra log, aber ein winziges Korn des Zweifels war gesät. Dann kehrte Mac zurück, und die Zeit der Zweifel war vorbei. Joe hatte Mac zornig erlebt, verzweifelt, enttäuscht, erbittert, sogar gebrochen, nach Tessas Tod, aber dennoch fehlten ihm die Worte, um den Zustand des Mannes zu beschreiben, der in seiner Küche auf und ab ging und in einem Moment von mörderischer Wut gepackt schien, um schon im nächsten so zu klingen, als stünde er kurz vor einem Tränenausbruch. Zeit, um selbst mit dem Schock fertig zu werden, gab es da nicht; Joe blieb nur, instinktiv zu reagieren, um zu retten, was noch zu retten war, selbst, wenn das bedeutete, in die Schatten seiner eigenen Vergangenheit zu greifen.
"Das habe ich. Vietnam. Glaubst du denn, die Kugeln sein um die Frauen und Kinder herumgeflogen?"
"Das ist etwas anderes. Weil er", Mac schluckte und wandte sich ab, als sähe er etwas unerträgliches, "es genossen hat. Weil er aus Freude getötet hat."
Nicht unser Methos, wollte Joe wieder protestieren, doch er sprach es nicht aus. Nicht mehr. Was auch immer genau zwischen den beiden Unsterblichen vorgefallen war, Methos hatte offenbar bestätigt, genau das gewesen zu sein, was Cassandra von ihm behauptet hatte. Soviel zur Menschenkenntnis von Joseph Dawson, jenem Meister der Psychologie, der es bereits für unmöglich gehalten hatte, daß sein Schwager James, der Mann, den er seit Jahrzehnten kannte, schätzte und ohne den er sich seine Familie nicht denken konnte, in der gleichen Zeit eine Gruppe mörderischer Fanatiker aufgebaut hatte, mit dem einzigen Ziel, die Unsterblichen vom Angesicht der Erde zu vertilgen.
Nicht James. Nicht Methos.
Nicht du, sagten die Augen von Jacob Galati zu ihm, nicht der Mann, dem MacLeod sein Leben anvertrauen würde.
Seine eigene Schuld suchte ihn heim. Unsterbliche waren nicht die einzigen, die mit dem Wissen um ihre Fähigkeit, zu töten, leben mußten. Ja, er konnte sich vorstellen, daß Methos einmal eine Zeit durchlebt hatte, in dem er es genoß, zu töten, auch wenn es Adam, den er seit zehn Jahren kannte, so unähnlich schien. Nur hatte Mac leider recht. Der Blutrausch eines Krieges war eine Sache. Nicht entschuldbar, doch verständlich. Was die vier Reiter praktizierten, über einen Zeitraum hinweg, in dem mehr als eine Zivilisation entstand und unterging, war unendlich kühler, kalkulierter, und konnte damit nicht mehr erklärt werden.
Methos, warum?
Joe hatte gehofft, selbst mit Methos sprechen zu können, oder zumindest eine Nachricht von ihm zu erhalten. Aber das Apartment, das Methos in Seacouver bewohnt hatte, weil er nicht ständig auf Macs Couch kampieren konnte, war leer, und weder Joe, noch später Mac oder Cassandra hatten etwas gefunden. Es gab keinen Anruf, keinen Brief, kein E-Mail. Nichts.
Der Zorn, der sich allmählich in Joe sammelte, konzentrierte sich zunächst auf das einfachste Objekt, auf die Fremde, auf Cassandra. Es war alles ihre Schuld, dachte er, während MacLeod mit versteinertem Gesicht in seinem Büro saß und Joe verzweifelt versuchte, einen Sinn in die ganze Katastrophe zu bringen. Wenn sie nicht wäre, wäre das alles nicht so geschehen. Gleichzeitig sagte ihm die nagende Stimme seines Gewissens, daß er es sich zu einfach machte. Ganz abgesehen von allem anderen wäre Kronos auch ohne Cassandra nach Seacouver gekommen. Was Joe von Melvin Koren wußte, genügte, um ihn bei dem Gedanken an Kronos schaudern zu lassen, dazu brauchte gar nichts zusätzliches.
Unmöglich, sich Methos, Don Salzers zurückhaltenden Protegé, Alexas Adam, der wie ein Schuljunge errötet war, als sie ihn zynisch nannte, mit Kronos in einem Raum vorzustellen. Joe neigte selbst dazu, Methos den meisten Teil der Zeit als Jungen zu behandeln. Es war bei den meisten Unsterblichen nicht einfach, an ihr Alter zu denken, aber unmöglich bei fünf Jahrtausenden und einem entschlossen in die Gegenwart vernarrten Dauerjugendlichen. In Gedanken hörte Joe Richie Ryan empört ausrufen: "Fünftausend Jahre Weisheit soll der da drauf haben?"
Es war komisch gewesen. Damals. Jetzt konnte er nicht umhin, sich daran zu erinnern, wie die Angelegenheit weitergegangen war. Richie hatte in seiner energischen Verteidigung des anderen Methos darauf hingewiesen, wie dieser ihm seinen Kopf angeboten hatte.
"Warum hat er das getan?"
"Vielleicht, weil er Angst vor dir hatte", hatte Duncan, der selbst von der Person des anderen Methos und seiner Botschaft verwirrt war, zögernd gemeint.
"Oder", hatte Methos eingeworfen, "weil er wußte, daß du ihn nicht nehmen würdest." Und er hatte sich zu Duncan umgedreht und ihm einem undeutbaren Blick zu geworfen. Damals hatte Joe nicht weiter darauf geachtet; schließlich machte er sich Sorgen um Richie, und war gleichzeitig halb belustigt, halb fasziniert von der Vorstellung eines zweiten, propheten-ähnlichen Methos. Jetzt erinnerte er sich wieder, und ihm kam ein häßlicher Verdacht.
"Wann", hatte er Mac einmal gefragt, als der Schotte in auskunftsfreudiger Stimmung war, "kam dir eigentlich der Verdacht, daß es sich bei dem alten Mann um einen Dauergast in deinem Leben handeln würde?"
"Ich glaube, schon, als er mir seinen Kopf anbot."
Joes gequälte Grübelei, ob Methos sie alle beide von Anfang an manipuliert hatte, schlug in eine erneute Welle des Ärgers gegen Cassandra um. Für diesen Teil zumindest war sie verantwortlich. Für die Zweifel, für die Schatten, die sich aus ihrer Vergangenheit nun auch auf die letzten zwei Jahre erstreckten und fast jeden schönen Moment eine Doppelbedeutung unterlegten, für Macs Zorn, der Methos mit einem Schlächter wie Kronos gleichsetzte.
Joe hielt inne. Der Mann, den Cassandra beschrieben hatte, der Mann, der über hunderte von Jahren hinweg mit Kronos gemordet hatte, *war* um keinen Deut besser als Kronos. In der Hitze des Augenblicks war es leicht gewesen, zwischen dem Methos der Vergangenheit und dem der Gegenwart zu unterscheiden, als handele es sich um zwei verschiedene Menschen. Aber nun, da er mit seinen Gedanken und Ängsten alleine war, verweigerte sich die Klarheit, mit der er Cassandras Methos ins Bronzezeitalter verwiesen hatte und von seinem Methos, der Jahrtausende später lebte, trennte.
Er erinnerte sich, wie er mit MacLeod über Kage gestritten hatte. Damals war es Joe gewesen, der nicht akzeptieren wollte, daß ein brutaler Mörder sich zum guten hin ändern konnte. Er hatte Mac für naiv gehalten. Seine eigenen Worte suchten ihn heim, mit schmerzhafter Deutlichkeit. *Kage kennt dich. Er spielt dir nur etwas vor. Jemand wie Kage ändert sich nie. *Stell dir vor, flüsterte eine höhnische, kalte Stimme in Joe, du hättest Adam Pierson nie kennengelernt. Stell dir vor, du wärest nichts als MacLeods Beobachter, und liest in den Chroniken über seine Freundschaft mit Methos. Dir käme ganz gewiß nicht der Verdacht, daß da jemand manipuliert, was das Zeug hält, um einen wirksamen Schutzschild gegen andere Unsterbliche zu haben, oh nein. Du würdest nie annehmen, ein Überlebenskünstler von 5000 Jahren könnte Mac am Ende nur ausnutzen, um selbst der letzte lebende Unsterbliche zu sein. *Ich weiß auch nicht mehr über Methos als du.*Adam kannte er seit zehn Jahren, aber Adam hatte nie existiert. Methos kannte er seit zwei Jahren. Was waren zwei Jahre im Vergleich zu fünf Jahrtausenden? Nichts. Und Methos war jetzt bei Kronos. Er hätte Joe anrufen können, oder eine Nachricht hinterlassen, auf irgend einem Weg, nur einen Satz, aber er hatte nichts dergleichen getan. Nein, dachte Joe, aber wann hätte Methos das je? Ohne Abschied zu verschwinden war seine Spezialität. Doch er kam wieder. Bisher war er immer zurückgekehrt, und immer dann, wenn es zählte, wenn es wirklich wichtig war. Vielleicht waren zwei Jahre ein Nichts für die Unsterblichen. Aber sie waren alles, woran sich Joe halten konnte und halten wollte.
Es hatte einen Moment gegeben, in dem er versucht hatte, mit Cassandra darüber zu sprechen. An und für sich vermied er es, das Wort an sie zu richten, weil ihm bewußt war, daß seine Antipathie zum Teil irrational war und sich kaum verschleiern ließ. Die Situation war ohnehin angespannt genug, und er wollte nicht noch einen weiteren Konflikt heraufbeschwören. Cassandra sprach ihrerseits ebenfalls kaum mit ihm. Deswegen überraschte es ihn, als sie bei der Durchsuchung von Methos’ Wohnung plötzlich innehielt, ihn musterte und erklärte, er solle sich setzten. Seine Prothesen schmerzten in der Tat, aber Joe war zu sehr daran gewöhnt, als daß er es sich anmerken ließ, und war sicher, seine Mimik im Griff zu haben.
"Sie waren zu lange auf den Beinen", sagte Cassandra sachlich. "Die Reibung muß unerträglich sein."
"Was wissen Sie schon davon?" entfuhr es ihm, aber sie war nicht beleidigt. Zum ersten Mal, seit er sie kannte, sah er ein schwaches Lächeln auf ihren Lippen.
"In den meisten Jahrhunderten meines Lebens", erwiderte sie, "war ich Heilerin. Das müßten Sie wissen. Sie haben schließlich meine Chroniken gelesen, nicht wahr?"
Er setzte sich auf den einzigen einigermaßen bequem aussehenden Stuhl, und überlegte, ob er das bestätigen sollte. Ihre grünen Augen ließen ihn nicht los. Der prüfende, kühle Blick, nicht unbedingt feindselig, aber abwägend, einschätzend, kam ihm bekannt vor, aber er wußte nicht, an wen sie ihn erinnerte, bis ihm mit einem Frösteln einfiel, daß Methos ihn genauso gemustert hatte, als sie sich zum ersten Mal nach Macs Entdeckung der wahren Identität von Adam Pierson wieder begegnet waren. Es war der alterslose Blick eines Geschöpfes, das nicht mehr mit normalen menschlichen Maßstäben zu messen war. Die unerwartete Assoziation brachte ihn dazu, impulsiv zu bemerken:
"Es ist Jahrtausende her. Sie müssen doch schon lange darüber hinweg gekommen sein."
Ihre Miene veränderte sich. Mit einer Mischung aus Mitleid und Herablassung entgegnete sie: "Er hat Sie ebenfalls getäuscht. Darin ist er ein Meister.""Das beantwortet meine Frage nicht", gab Joe wütend zurück.
"War es eine Frage? Wollen Sie ernsthaft eine Antwort darauf?"
"Ja", sagte Joe und meinte es zu seiner eigenen Verblüffung so.
Cassandra schaute an ihm vorbei. Die Einrichtung des Apartments war anonym; Methos hinterließ nirgendwo Gegenstände persönlicher Art. Sie ging zu dem Regal, in dem eine Reihe sichtbar gelesener Taschenbücher stand, und zog eines heraus.
"Wenn Sie an ihn denken", begann sie, "ist es das, was Ihnen dann einfällt? Bücher? Gesellschaft? Freundschaftliche Diskussionen?"
"Mehr oder weniger", entgegnete Joe, der nicht die Absicht hatte, sich in Details zu ergehen. Cassandras Gesicht verhärtete sich, aber ihre Stimme blieb gleichmäßig.
"Die Kleinigkeiten des Alltags, die eine Beziehung zu einem anderen Menschen ausmachen?"
"Ja."
"An diese Kleinigkeiten denke ich auch. Nur hinterließ er damals keine Bücher. Ich erinnere mich an die guten Tage, an denen ich nicht starb. Es waren nicht sehr viele. Tage, an denen er sonst niemanden tötete, gab es nicht, und im Gegensatz zu mir wurden sie nicht wieder lebendig. Ich glaube nicht, daß Sie wissen möchten, wie wir starben."
Joe wandte sich ab. "Nein", erwiderte er heiser.
"Dann kommen Sie mir auch nicht mit der heilenden Kraft von Jahrtausenden."
Um die Vorstellungen zu verscheuchen, die sie in ihm geweckt hatte, klammerte sich Joe das, was in ihm geschwelt hatte, seit MacLeod mit Cassandra in seine Bar gekommen war.
"Aber warum mußten Sie Mac mit hinein ziehen?"
"Es war Duncan", antwortete Cassandra kalt, "der sich eingemischt und mich davon abgehalten hat, mich zu rächen. Erst bei Kronos und dann bei Methos. Jetzt sucht er ebenfalls nach ihnen, und es wäre töricht, seine Hilfe abzulehnen."
"Sie benutzen ihn", sagte Joe anklagend.
"Und Sie haben das nie getan?"
Er hatte sie bisher die paranormalen Kräfte, die sie laut ihren Akten besaß, nicht ausüben sehen, aber langsam glaubte er daran. Sie konnte es nicht wissen. Laurens verzweifelte Schreie, seine eigene Unfähigkeit, ihr zu helfen, und der brennende Haß auf ihren Mörder, den Unsterblichen Durgan. Und die Erleichterung, zu wissen, daß Duncan MacLeod ihn zur Rechenschaft ziehen würde. Machen wir uns nichts vor, dachte Joe. Ihn umbringen würde, das war es, was ich damals wollte. Und was ich bekam. Aber Durgan hat Lauren vor meinen Augen ermordet.
Cassandra würde vermutlich sagen, daß die Reiter die Menschen, die sie liebte, ebenfalls vor ihren Augen ermordet hatten. Jedes weitere Wort war fruchtlos. Und das Schlimmste war, er verstand sie.
Das Warten war das Schlimmste, jetzt, wo MacLeod und Cassandra Seacouver verlassen hatten. Das Warten und die Erinnerungen. Er hatte sich in seinem Büro verbarrikadiert, um nicht in die Bar gehen zu müssen, aber es half nichts. An der Pinwand neben dem Schreibtisch hing noch immer eine Karte, die ihm Alexa aus Santorin geschrieben hatte. Den Screensaver, der seit geraumer Zeit schon den Bildschirm seines Computers heimsuchte, hatte ihm Methos besorgt, als er das Ding für ihn programmierte.
Wirklich, Joe, nur weil du Historiker bist, heißt das noch lange nicht, daß du so ein vorsintflutliches Modell benutzen mußt.
Sagte der Mann, der als Arzt seine mittelalterlichen Methoden an unschuldigen Beobachtern praktiziert. Wann warst du noch mal in Heidelberg, um Medizin zu studieren?
Du hast überlebt, oder?
Die Kleinigkeiten, die den Alltag ausmachen. Frotzeleien und Diskussionen und die Erinnerung daran, daß dieser Mann ihm das Leben gerettet hatte. Freundschaft. Und jetzt konnte er noch nicht einmal mit ganzem Herzen darauf hoffen, daß Methos diese Katastrophe überlebte. Nicht, wenn es bedeutete, daß Mac deswegen starb.
Joseph, kommentierte die kalte innere Stimme wieder, und Joe erkannte mit einem Schaudern, daß sie seinem Schwager gehörte, das ist es, was die Unsterblichen tun. Sie töten einander. Du bist Beobachter. Du weißt das. Sich mit einem Unsterblichen anzufreunden, war töricht genug. Sich mit mehreren anzufreunden... Duncan, Richie, Methos, Amanda. Wie wäre es mit einer kleinen Wette, Joseph? Wie hoch sind die Chancen, daß alle vier das nächste Jahrtausend erleben? Es war ihm gleich. Er wollte, daß sie alle überlebten, ganz gleich, wie unrealistisch es war. Er wollte, daß Mac und Methos beide aus dem Inferno zurückkehrten, in dem sie sich alle derzeit befanden. Vielleicht würde er nie wieder in der Lage sein, Methos so zu vertrauen wie früher. Doch es würde genügen, zu wissen, daß ihn noch gab.
Joe konnte nur hoffen, daß MacLeod zu der gleichen Schlußfolgerung gelange. Er blickte auf die Uhr. Erst zwei Stunden. Die Zeit wurde immer langsamer, und das Warten immer unerträglicher. Aber es war besser als ein Abschied für immer.