OPFER METHOS, TÄTER DUNCAN?
Selena

 

Der Zweiteiler Reiter der Apokalypse, im Original Comes a Horseman und Revelations 6:8, gehört nicht nur zu den unbestrittenen Höhepunkten der Serie Highlander, sondern auch zu den Folgen, welche die meisten Fanstories inspiriert haben. Eine der beliebtesten Erzählstrukturen beinhaltet folgende Elemente: nach dem Ende des Zweiteilers erleidet Methos einen Nervenzusammenbruch/ praktiziert Selbstaushungerung/ geht auf eine selbstmörderische Duelltour/ wird ein Opfer von zeitweiliger Amnesie. Mindestens ein Tränenausbruch in Gegenwart von Joe oder der alten Freundin/dem alten Freund aus seiner Vergangenheit gehört ebenfalls zum Muster, worauf entweder Joe oder die alte Freundin/der alte Freund empört MacLeod konfrontiert, ihn über Methos’ Zustand in Kenntnis setzt und ihn darüber belehrt, er, Duncan MacLeod, habe sich unverzeihlich verhalten und Methos’ Leiden seien alleine seine Schuld. Der nächste unentbehrliche Plotpunkt ist dann Schuldbekenntnis und inständiges Bitten um Verzeihung von Seiten Duncans.

Nun stehen diese Art Geschichten nicht nur im Gegensatz zu späteren Folgen der Serie, wo uns Methos in einem alles andere als selbstmörderischen Zustand und ohne Anzeichen von Tränenausbrüchen präsentiert wird, sondern sind auch angesichts dessen, was in dem Zweiteiler, der sie auslöst, tatsächlich geschieht, nicht unbedingt logisch. Die grundlegende These läuft darauf hinaus, Duncan habe a) vorschnell über Methos geurteilt, sich von ihm abgewandt und so b) ihre Freundschaft verraten. Geneigte Leser, laßt uns nun die betreffenden Szenen der Reihe nach durchgehen, ohne Argumente aus der Fanfiction. Dabei werde ich Dialoge gelegentlich im englischen Original zitieren, da sich die Synchronfassung zum Teil deutlich von diesem unterscheidet.

 

1)  Das Wiedersehen von Methos und Cassandra. Duncan ist verwirrt und bestürzt, daß hier einer seiner Freunde dem anderen an den Kragen will, hält aber Cassandra gewaltsam zurück, was neben allem anderen gegen die Regeln der Unsterblichen ist. Bekanntlich darf man sich in Duelle nicht einmischen. (Ich nehme nicht an, daß irgend jemand Duncan diesen Versuch, ein Duell zwischen Methos und Cassandra zu verhindern, als Negativverhalten anrechnet, oder?) Methos verschwindet, und Cassandra macht ihre entscheidende Aussage:

DM: Er ist mein Freund..

C: Dein Freund ist mit Kronos geritten. Wie er hat er gemordet und vergewaltigt. Er war einer der Reiter.

 

2)  Duncan spricht mit Joe über diesen Hammer. Und nun kommt vermutlich das erste Duncan’sche Fehlverhalten in den Augen absoluter Methosianer. Statt wie Joe selbstverständlich davon auszugehen, daß diese böse Frau lügen oder halluzinieren muß, wenn sie den armen Methos beschuldigt, steht Duncan vor dem Dilemma, daß für ihn beide, Methos und Cassandra, gleich glaubwürdig sind. Ehrlich gesagt, gerade als Frau finde ich es bei einem Mann sympathisch, wenn er nicht sofort davon ausgeht, daß eine Frau, die einen scheinbar netten Kerl der Vergewaltigung beschuldigt, lügt oder sich etwas einbildet. Das heißt nicht, daß Duncan Methos für schuldig hält; als ihn Joe fragt, ob er "unseren Methos" zu so etwas fähig halte, sagt er klar und deutlich "Nein".

(Nebenbemerkung hier: was vom geneigten Fan, der Joe aufgrund dieser und einer späteren Szene in Stories prinzipiell für Methos Partei ergreifen läßt, gern übersehen wird, sind die Konsequenzen, die Joe nach dem Zweiteiler aus der ganzen Reiter-Katastrophe zieht. Er ist sich später nie wieder sicher über das, wozu Methos in der Lage ist. Man denke an die erste Szene mit Joe und Methos in Indiscretions. Hier geht Joe ganz selbstverständlich davon aus, daß "unser Methos", "the one Immortal who never looks for a fight" Morgan Walker jagt, und nicht umgekehrt, und als Methos ihn um Informationen bittet mit der Begründung "Come on, you’d do it for MacLeod", bekommt er als Antwort: "Well you know, I know Macleod. I know who he is. And what he is. You..." An was hat Joe da wohl gedacht?)

 

3)  Duncan geht zu Methos, und erhält Antworten, und der Zuschauer eine der besten Szenen der gesamten Serie. Ich nehme an, das, was ihm hier nicht verziehen wird, ist sein "We’re through" (deutsche Fassung: "Das war’s dann zwischen uns") am Schluß. Frage: wie hätte er auf die Eröffnung, daß einer der besten Freunde mal ein Massenmörder aus purem Vergnügen an der Sache war, reagieren sollen? A) "Mein Gott, Methos, das Jahrtausend Metzelei muß dich ja zutiefst traumatisiert haben. Wie schwer es dir gefallen sein muß, mir davon zu erzählen. Komm, laß uns zu Joe gehen und einen trinken." B) "Tja, das liegt mir jetzt schon im Magen, aber weißt du, Methos, es waren andere Zeiten damals, und ich bin sicher, daß Kronos dich zu diesen Taten gezwungen haben muß. Da gibt es natürlich noch das kleine Problem mit Cassandra, aber wenn sie nicht einsehen will, daß du dich geändert hast, dann ist das natürlich einzig ihr Fehler." C) Ein zutiefst geschocktes "We’re through." Tut mir leid, Leute, aber ich hätte es Duncan übler genommen, wenn er A ode B gewählt hätte.

 

4)  Zweiter Meinungsaustausch zwischen Duncan und Joe in Sachen Methos. "Andere Zeiten" gegen "a bunch of murdering bastards who killed and raped across two continents"; Vietnam versus "That is different. Because he enjoyed it. Because he had pleasure in killing." (Deutsche Fassung: "....weil er aus Freude getötet hat.") Und hier kommen wir zum Kern der Sache, dem Element, das Duncan am meisten verstört. Er hat andere Freunde mit zum Teil fleckiger Vergangenheit. Er hat selbst eine Berserker-Phase nach Culloden durchlebt. Aber Methos hat explizit gesagt, ihn hätten nicht Rache oder auch nur Habgier motiviert, sondern nur der Machtrausch und die Freude am Töten. Und das, wie der Zuschauer aus den verschiedenen Zahlenangaben, die in dem Zweiteiler gemacht werden - Cassandras Alter von 3000 Jahren, Kronos’ Bemerkung, er hätte seit 2000 Jahren von der Wiedervereinigung der Reiter geträumt, Methos Appell an Silas, sie hätten seit 2000 Jahren anders gelebt - über etwa ein Jahrtausend hinweg. Tut mir leid, aber auch hier finde ich Duncans Reaktion nachvollziehbar. Das ist etwas anderes als Joes Vietnam-Erfahrung oder Duncans Ausrasten nach Culloden.

 

 

Revelations: man merkt im zweiten Teil, daß ein paar Tage vergangen sind. Duncan schwankt nicht mehr zwischen Zornes- und Tränenausbruch, wie bei "We’re through" und der zweiten Szene mit Joe. Und die offenbar unverzeihlichen Resultate, die längeres Grübeln über Methos’ Vergangenheit und Gegenwart bei ihm bewirkt haben, sind: er ist überzeugt, daß Methos kein Horseman mehr ist, sondern ihm helfen will, sucht und findet eine Nachricht und behält die Überzeugung über weitere Tage bei, während derer Methos sich nicht rührt, und Cassandra, die bis auf den Sturz ins Wasser keinen Grund hat, zu glauben, Methos könne sich geändert haben (als sie Methos trotz besserem Wissens das letztemal vertraute, gab er sie an Kronos weiter), die ganze Zeit versucht, Duncan vom Gegenteil zu überzeugen.

 

 

5)  Die Kirchenszene. Wieder ein Highlight der Serie. Okay, was tut Duncan hier Verbrecherisches? Er hat gerade Cassandra angelogen und ist, auf Methos’ Freundschaft vertrauend, zu der Kirche gekommen. Heiliger Boden hin oder her, es hätte eine Falle sein können (z.B. hätten auf dem Weg zur Elysiumskirche die restlichen Reiter warten können, so wie Silas und Caspian später). Oh, wartet, könnte der Wortwechsel Duncans unmögliches Verhalten sein? Hm...

M: What I’ve been. You can’t forgive. It is not in your nature. Well, you accept it.
(Chorus aller ROG-Groupies: Aber natürlich vergeben wir dir!)

DM: Accept what? That a friend I trusted with my life killed women and children for
what, a few heads of cattle?

 

(Merke hier: MacLeod, der Schuft, sucht nach irgend einem Grund für Methos’ Karriere als K’immie, den er
auch nur entfernt versteht. Die Vorstellung von Methos als Mörder aus Vergnügen ist es, die er nicht
bewältigen kann. Daher wohl die Verdrängung des "not for vengeance, not for greed", das wir eine Folge
vorher zu hören bekamen. Mit einem K’immie, der aus Gier tötete und danach eine moralische Wandlung um 180° durchmachte, hatte Duncan schon mal zu tun, das war Kage/Kirin aus Blind Faith, eine Folge, in der Joe ebenfalls genau entgegengesetzt argumentierte und meinte, einmal ein K’immie, immer ein Kimmie, und Duncan wäre naiv, zu glauben, daß Kage/Kirin sich geändert haben könnte.)

Ach ja, und dann haben wir noch die Stelle, die eine Antwort auf das "Andere Zeiten"-Argument ist.

M: "The world was how we made it.
DM: "No, the world was how you chose to make it. How you chose to burn her village,to slaughter her people."
M: And I chose to make her prisoner.
DM: And?
M: There is more.

(NB: diese Stelle wurde in der deutschen Fassung entscheidend verändert, weil man dort sowohl auf die Übersetzung des springenden Punktes in Duncans Satz, "chose", verzichtete, als auch Methos sagen ließ: "Cassandra wollte ich jedenfalls nicht töten. Ich wollte sie beschützen." Dadurch wird der nun folgende Flashback entscheidend umgewertet - in Originalfassung wirkt er wie ein Schuldgeständnis und impliziert, daß Methos Duncans Anklage - daß seine Taten damals eben nicht nur ein Produkt der Epoche, sondern der freien Willensentscheidung waren - akzeptiert; in der deutschen Fassung kommt es als eine Art Verteidigung rüber.) Ende der Kirchenszene: als Methos die Information in Sachen Virusbombe weitergibt, geht Duncan immer noch davon aus, daß Methos auf seiner Seite steht ("then let’s go"); ganz klar, der schottische Verbrecher hat einfach zu wenig Vertrauen in den ROG. Übrigens, mich würde interessieren, ob Methos einen Ersatzplan für den Fall hatte, daß Duncan den Brunnen nicht mehr rechtzeitig erreicht. Oder hätte er ein paar hundert tote Einwohner von Bordeaux und die mögliche Infektion der restlichen Bevölkerung in Kauf genommen? Auch etwas, über das MacLeod für den Rest der Folge nachdenken könnte.

 

 

6) Das Finale: Duncan krönt sein freundesverräterisches Verhalten mit dem Satz "Ich will, daß er lebt!"
Gut, er ist zu weit entfernt, um irgend etwas ausrichten zu können, und die Methos letztendlich das Leben
schenkt, ist Cassandra, aber Duncan liefert ihr durch das zweimalige Rufen dieses Satzes den Anlaß. Man beachte, daß Duncan keine der Argumente verwendet, wie sie in Fanstories so beliebt sind, etwa die, daß Methos seine Schuld an Cassandra durch die Rettung ihres Lebens beglichen habe. Er hat Cassandra zweimal gerettet, gewiß, aber zumindest die zweite Rettung war durchaus auch im eigenen Interesse, denn wenn er zugelassen hätte, daß Silas sie köpft, dann weiß ich nicht, wie seine eigenen Lebensaussichten von Duncans Warte aus gewesen wären. Zumindest hätte er die Freundschaft endgültig abschreiben können.Bleibt das K.O.-Schlagen und in den Fluß werfen. Okay, das zählt als Lebensrettung ohne eigenes Interesse, aber angesichts dessen, was Methos Cassandra schuldet, ist es gar nichts. Leute, ein Wurf über die Brücke macht nicht die Ermordung ihres Stammes, wiederholte Vergewaltigungen, wiederholtes Töten ("as long as it takes to tame you"), komplette Gehirnwäsche und das Weiterreichen an Kronos wieder wett. Um Methos selbst leicht abgewandelt zu zitieren: You’ll have to try harder than that, my boy. You’ll have to try harder than that.
Cassandra hat nach dem Codex, nach dem Duncan 400 Jahre lang gelebt hat, das Recht auf Methos’ Kopf. Aber MacLeod, dieser Ausbund an Methos-Mißhandlung, will, daß er lebt.

 

7) Schlußszene auf dem Friedhof: Duncan, der Sadist, muß noch einen Nachklang zu seiner emotionalen Folter liefern. Zwar sucht man hier vergebens nach einem "we’re through" oder irgendwelchen anklagend formulierten Worten, aber das kann natürlich nur an einem untypischen Anfall von Subtilität liegen. Unmöglich könnte man Duncans Fragen nach Kronos und Cassandra als den Versuch auffassen, zu begreifen, was denn nun in Methos vorgegangen ist. Und erst seine These, daß Methos wollte, daß er Kronos tötete! Das ist kein Vertrauensvotum, nein, es ist der Schlußstein des Verhaltens, der einzig zu dem Zweck dient, Methos in den Nervenzusammenbruch zu treiben

 

Nur, damit es keine Mißverständnisse gibt: ich mag hurt/comfort-Geschichten, und halte es durchaus für eine gute Idee, eine Konfrontation zwischen Methos und Duncan über die Geschehnisse des Reiter-Zweiteilers als Grundlage zu nehmen. Nur finde ich die Interpretation von Methos als Opfer von Duncans Selbstgerechtigkeit angesichts dessen, was uns in der Serie geboten wird, einfach nicht plausibel.